Joh. E. Keller Bibliothek Buch Das Johannes-Evangelium Teil 5 Aus dem Nachlaß herausgegeben von Karl Rein Vorwort Diese Ausführungen über das Johannes-Evangelium sind eine Sammlung von Predigten, die von Joh. E. Keller an verschiedenen Plätzen gehalten wurden. - Durch die Zeit- und Ortsunterschiede mußte sich ergeben, daß für die jeweiligen Zuhörer manche Gedanken wiederholt wurden. Wir haben um des Zusammenhanges der einzelnen Abschnitte willen solche Wiederholungen nicht weggelassen; sie wirken dann nicht ermüdend, wenn man den jeweiligen Zusammenhang beachtet, der jedes Schriftzeugnis in immer neuem Licht aufleuchten läßt. Auch dienen die Wiederholungen zur Befestigung in der Erkenntnis des Wortes Gottes. Bei aufmerksamem und gründlichem Betrachten dieser tiefschürfenden Auslegungen ist eine Parallele zu dem endzeitlichen Heilswalten Gottes in seiner Gemeinde unverkennbar. Die Bibelzitate und Bibelstellen in diesen Broschüren sind der Schlachter-Übersetzung entnommen. Mögen diese Broschüren allen denen zum Segen gereichen, die die Wahrheit liebhaben. Berlin, im Sommer 1970 Der Herausgeber Inhaltsverzeichnis Seite 8 Jesus Christus, das Brot des Lebens 09 Jesus legt den Maßstab des Glaubens an ihn daran an, daß man sein Fleisch ißt und sein Blut trinkt, um ewiges Leben zu haben 26 Das Bleiben in Jesu Christo durch das Essen seines Fleisches und durch das Trinken seines Blutes 36 Die Wirkung des Wortes Gottes und die Stellungnahme der Menschen zu diesem Wort 44 Der Unterschied zwischen der Zeit Jesu, um sich der Welt als ihr Retter zu offenbaren - und der Zeit seiner leiblichen Brüder, um ihre gesetzestreue Gesinnung und dadurch ihren Unglauben an Jesum unter Beweis zu stellen 55 Anläßlich des Laubhüttenfestes, als Jesus sich in Jerusalem noch verborgen hielt, wurde er von einem Teil des Volkes gläubig gesucht und vom andern Teil als Verführer bezeichnet und deshalb gehaßt 61 Jesus rechtfertigt sich durch sein Wahrheitsbekenntnis seinen Todfeinden gegenüber ungeachtet dessen, daß er dadurch ihren Haß immer mehr herausforderte und sie ihn greifen wollten 68 -2- Johannes-Evangelium Teil 5 Seite 9 6.Kapitel Jesus Christus, das Brod des Lebens „Des folgenden Tages sah das Volk, welches jenseits des Meeres stand, daß kein anderes Schiff daselbst gewesen war, als nur das eine (in welches seine Jünger gestiegen waren), und daß Jesus nicht mit seinen Jüngern in das Schiff gegangen, sondern daß seine Jünger allein abgefahren waren; es kamen aber andere Schiffe von Tiberias nahe an den Ort, wo sie das Brot gegessen hatten nach der Danksagung des Herrn. Da also das Volk sah, daß Jesus nicht daselbst war, noch seine Jünger, stiegen auch sie in die Schiffe und kamen gen Kapernaum und suchten Jesum. Und als sie ihn jenseits des Meeres fanden, sprachen sie zu ihm: Rabbi, wann bist du hieher gekommen? Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr suchet mich nicht darum, weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und seid satt geworden. Wirket nicht die Speise, die vergänglich ist, sondern die Speise, die ins ewige Leben bleibt, welche des Menschen Sohn euch geben wird; denn diesen hat Gott der Vater beglaubiget! Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir tun, daß wir die Werke Gottes wirken? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Das ist das Werk Gottes, daß ihr an den glaubet, den er gesandt hat. Da sprachen sie zu ihm: Was tust du denn für ein Zeichen, auf daß wir sehen und dir glauben? Was wirkest du? Unsere Väter haben das Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: ‘Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.’ Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, nicht Moses hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot Gottes ist dasjenige, welches vom Himmel herabkommt und der Welt Leben gibt. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit dieses Brot! Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Joh.6,22-35) Das Volk Gottes will von dem zu ihm gesandten Sohn Gottes nur die Versorgung mit irdischer, vergänglicher Speise Durch das Wunder, das Jesus in der Speisung der Fünftausend getan hat, wurde es offenbar, daß die Kinder seines Volkes solche waren, die aus dem Geblüt, aus dem Willen des Fleisches und aus dem Willen des Mannes Geborene waren und nicht solche, die aus Gott geboren sind, die zur Braut des Bräutigams gehören Seite 10 Die Menschen, die Jesum um der Zeichen und Wunder willen nachfolgten und durch ihn nur mit natürlichem Brot gesättigt werden wollten, glaubten nicht, daß er für sie das Brot des Lebens ist Jesus will durch seine Lehre vom Brot des Lebens das Volk Gottes zur Sinnesänderung leiten Jesus hatte am Ostufer des Sees Genezareth auf einem freien Platz mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen fünftausend Männer mit ihren Frauen und Kindern gespeist. Als er merkte, daß das Volk ihn mit Gewalt zum König machen wollte, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten (Matth.14,23; Mark.6,46). Daraufhin gingen die Jünger ohne Jesum ans Meer und fuhren hinüber ans westliche Ufer des Sees nach Kapernaum. -3- Johannes-Evangelium Teil 5 Das alles wurde von der Volksmenge beobachtet, und als dann noch andre Schiffe von Tiberias an den Ort kamen, wo Jesus die Menschenmenge gespeist hatte, wurde es bald allgemein bekannt, daß Jesus nicht mehr auf der Ostseite des Meeres war, sondern daß er, obwohl er kein Schiff zur Verfügung gehabt hatte, in der Nacht auf dem Meer zu den Jüngern gekommen war und ihnen im Sturm geholfen hatte, das Land zu erreichen (Matth.14,24-32; Mark.6,47-51). Ehe aber die Juden erfahren hatten, auf welche Weise sich Jesus seinen Jüngern geoffenbart hatte, fuhren sie den Jüngern nach nach Kapernaum, suchten ihn und fanden ihn auch. Begreiflicherweise wunderten sie sich, wie er über den See gekommen und wieder auf der westlichen Seite des Sees in Kapernaum war, da die Jünger ihn doch nicht mit ins Schiff genommen hatten, um ans Westufer des Sees zu fahren, und er auch in keinem andern Schiff hinübergefahren war. Jesus aber merkte bald, weshalb sie ihn suchten. Deshalb sagte er zu ihnen, ohne ihre Frage, wann bzw. wie er über den See gekommen sei, zu beantworten: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr sucht mich nicht darum, weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und seid satt geworden.“ (Vers 26) Damit wollte er ihnen klarmachen, daß sie in Wirklichkeit nicht ihn, Jesus, suchten, sondern ihre eigenen Interessen verfolgten In dieser Gesinnung konnte ihnen ihr Umgang mit Jesu aber nichts nützen; denn sie wollten durch seine Wundermacht ja nur ihre natürlichen Bedürfnisse befriedigt wissen. Daß er mit fünf Broten und zwei Fischen eine solche Volksmenge satt machen konnte und noch zwölf Körbe mit Brocken übrigblieben, Seite 11 das zeigte ihnen, daß er eine andre Ausrüstung hatte als alle andern Menschen. Sie konnten darauf sagen: „Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll!“ (Joh.6,14) Deshalb begehrten sie diesen Propheten zu ihrem König. Einer, der die Macht hatte, sein Volk auf diese Weise satt zu machen, könnte sie zufriedenstellen. Wenn sie einen solchen König hätten, brauchten sie weiter nichts, dann wären sie ein glückliches Volk. Wenn einer täglich zwei- dreimal mit fünf Broten und zwei Fischen alle Hungrigen im Volk satt machen könnte, dann wären alle Leute zufrieden, dann würde man einen solchen Mann auch gern zum König machen (Joh.6,15). - Und dabei war damals die Lage vielleicht nicht so schwierig wie in manch andern Zeiten. Die Leute konnten sich wahrscheinlich noch ohne diese Wunderspeisung alle Tage satt essen, was beispielsweise in der Kriegsund Nachkriegszeit nicht bei jedem Menschen der Fall war. Und doch sieht man aus dieser Erfahrung, die Jesus mit den Leuten gemacht hat, wie es dem Menschen nur um die Befriedigung seiner irdischen Bedürfnisse zu tun ist Wenn er es im tiefsten Grunde gar nicht einmal nötig hat, so ist er aber doch erst dann zufrieden, wenn ihm das alltäglich Nötige zum natürlichen Leben - auch für künftige -4- Johannes-Evangelium Teil 5 Zeiten - garantiert ist. Wenn Jesus so viele Menschen auf diese Weise satt machen konnte, dann war er natürlich ihr Mann. So war und ist es zu allen Zeiten - auch heute; denn der Mensch ist und bleibt in seinem irdischen Streben immer derselbe. Nun wollte Jesus aber der Volksmenge recht klarmachen, daß diese nur auf ihr äußeres Leben bedachte Gesinnung nicht gottgewollt ist. Er wollte sie wissen lassen, daß der zu Gottes Ebenbild geschaffene Mensch durch die alltägliche äußere Versorgung noch nicht alles hat, was er benötigt. Deshalb sagt er zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr sucht mich nicht darum, weil ihr Zeichen gesehen habt.“ (vgl.Vers 26) Sie suchten ihn also nicht deshalb, weil er aus göttlicher Vollmacht heraus Zeichen wirken konnte, indem er Menschen satt machen und auch auf einem übernatürlichen Weg auf die andre Seite des Meeres gelangen konnte. Diese Zeichen überzeugten das Volk nicht davon, daß Jesus der von Gott Gesandte war, den sie brauchten, um durch ihn das ewige Leben zu erlangen. Für das ewige Leben hatten sie das nötige Interesse noch nicht. Sie wollten nur im Natürlichen versorgt sein, um alle Tage möglichst gut leben zu können Seite 12 Deshalb sagt ihnen Jesus: „ …ihr sucht mich nicht darum, weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und seid satt geworden.“ (Vers 26) Wir müssen uns fragen, ob es heute nicht genauso ist, wie bei jenen Menschen zu Jesu Zeiten. Man glaubt auch an die Zeichen und Wunder, die Jesus gewirkt hat. Man sucht ihn auch und möchte an ihn glauben, weil man ihn um dieser Wunder und Zeichen willen als den Sohn Gottes anerkennt. Und doch muß man sich prüfen, ob man durch den Sohn Gottes nur täglich satt werden möchte, mit andern Worten, ob man nur um der Befriedigung seiner irdischen Bedürfnisse willen an Jesum glaubt. Bei solcher Prüfung würde sich auch heute bei vielen Menschen, auch bei solchen, die sich Kinder Gottes nennen, auf einen Schlag zeigen, was sie durch den Glauben an Jesum suchen. Und wir? Bei uns muß es so sein, daß wir nicht nur glauben, daß Jesus in seiner Liebe für uns in den Tod gegangen ist, um uns zu retten, sondern wir müssen auch überzeugt sein davon, daß er uns auch alles für das irdische Leben darreicht, jeden Tag - auch dann, wenn die Zeiten einer geregelten Versorgung der Menschen vorbei sind. Jesus hat den Leuten gesagt, die Ursache ihrer Anhänglichkeit an ihn sei nur die äußere alltägliche Versorgung. Das ist der Schwerpunkt, um den es geht in der Erfahrung, die Jesus mit diesen Leuten gemacht hat. Jesus wußte, warum er am See Tiberias am Galiläischen Meer die vielen Leute mit fünf Broten und zwei Fischen gesättigt hatte. Er speiste das viele Volk, um ihnen die Beweggründe, weshalb sie zu ihm gekommen waren, also ihre innere Einstellung, vor -5- Johannes-Evangelium Teil 5 Augen zu führen. Die Speisung ist für sie eben wieder nur ein ähnliches Wunder, wie wenn auf seine Worte hin ein Todkranker gesund wird, ein achtunddreißig Jahre lang Krankgelegener sein Bett nimmt und wandeln kann, oder auf Jesu Anordnung hin Wasser zu Wein wird. Sie sehen nicht, daß die Wunder Jesu Zeichen sind, die auf das Wesen einer Sache hindeuten. Wenn ein Wunder geschieht, dann ist es gleich, ob das Wunder an einer einzelnen Person geschieht, oder ob fünftausend Männer - ohne ihre Frauen und Kinder, die auch noch vorhanden waren - von fünf Gerstenbroten und zwei Fischen satt werden. Das Wunder liegt nicht so sehr in dem Ausmaß seiner Wirkung, sondern vielmehr in dem Hinweis auf das Wesen dessen, was im Wunder vorgeschattet ist. Also ist es nichts anderes, ob fünftausend Männer mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen satt werden und die gesammelten Brocken zwölf Körbe füllen, oder ob ein achtunddreißig Jahre lang krank gewesener Mensch auf des Herrn Seite 13 Wort hin gesund wird und wandeln kann. Es gibt immer nur ein neues Bild. Die Hochzeit zu Kana ist der Hinweis auf die geistig-himmlische Hochzeit. Dies wiederum zeigt die ewige Verbindung des Menschen mit Gott in dem Einssein des Bräutigams und der Braut, in dem Verhältnis von Jesu und seinen wahren Jüngern. Die Reinigung des Tempels in Jerusalem ist ein Hinweis auf die Reinigung bzw. Verwandlung des Leibes der Sünde und damit auf den Bau des wahren Tempels. Jesus hat den Tempel seines Leibes, nachdem er abgebrochen worden war, in drei Tagen wieder aufgerichtet. Und die Kinder Gottes sollen durch Glauben an diese Gottestat selbst auch wahrer Tempel, d.h. Offenbarungsstätte Gottes werden. Und die Brote, durch die Jesus fünftausend Menschen gespeist hatte, sind Zeichen, d.h. Hinweis auf das wahre Brot vom Himmel. Das konnten die Juden, die von diesen Broten gegessen hatten, nicht sehen. Deshalb muß ihnen Jesus sagen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr sucht mich nicht darum, weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und seid satt geworden.“ (Vers 26) Ist es ein tragfähiger Grund, an Jesum nur deshalb zu glauben, weil man sich alle Tage satt essen kann, weil man gesund ist und im Irdischen keinen Mangel hat? Dankbarkeit für irdische Segnungen müßte für uns als Geschöpfe und noch viel mehr als Kinder Gottes eine Selbstverständlichkeit sein. Und doch sind alle irdischen Gnadenerweisungen nicht Grund genug, daß man glauben könnte, um das ewige Leben zu erlangen. Ob man alle Tage satt wird, oder ob man in Krankheit und Not die Wunder der Heilung, die Hilfe Gottes erfahren darf wie damals die Jünger - wäre das allein eine ausreichende Grundlage, um das ewige Leben zu erlangen? Alle die Menschen, die Jesus am nächsten gestanden haben: seine Hausgenossen, seine eigenen Verwandten, die also in der Nähe Jesu gewiß manch irdische Segnungen erfahren durften, konnten nicht so glauben wie eine Samariterin, die in ihrer Sündennot durch Jesum das ewige Leben fand, oder wie der Vater seines todkranken Kindes, der nicht erst glaubte, nachdem das Wunder geschehen war, sondern der dem Wort Jesu glaubte, als dieser sagte: „Geh hin, dein Sohn lebt!“ (Joh.4,50) -6- Johannes-Evangelium Teil 5 Er war davon überzeugt: Was Jesus sagt, das geschieht. Wenn man Jesus als den Weg, die Wahrheit und das Leben erkennt, wenn man sieht, daß er Gottes Sohn ist, und wenn man nicht nur um der irdischen Segnungen willen an ihn glaubt, sondern weil man sich selbst ganz zu Gott stellen will, dann ist das der Glaube, der zum ewigen Leben führt Seite 14 Im Blick darauf wird ein Unterschied offenbar zwischen dem Volk Gottes und den Samaritern, sowie den Galiläern, die an Jesum glaubten. Jesu Volk stand zwar in einem bestimmten Verhältnis zu Johannes dem Täufer, der eine klare Erkenntnis des göttlichen Willens und seiner Ordnung hatte. Er war das brennende und leuchtende Licht, sie aber wollten sich nur eine Welle ergötzen an seinem Schein. Es ist auch wunderbar in ihren Augen, daß fünftausend Männer - außer den Frauen und Kindern - von fünf Broten und zwei Fischen satt werden; aber was nützt es ihnen, wenn sie nur die Naturordnung des Fleisches im Auge haben, wenn alles, was Jesus ihnen sagt und an Wundern offenbarmacht, keine tiefere Wirkung für sie hat! Ist es uns auch nur um das Äußere der Naturordnung zu tun? „Wirket nicht die Speise, die vergänglich ist, sondern die Speise, die ins ewige Leben bleibt, welche des Menschen Sohn euch geben wird; denn diesen hat Gott, der Vater, beglaubigt!“ (Vers 27) Mit diesen Worten begegnete Jesus den Menschen seines Volkes, die ihn nach der Speisung der Fünftausend gesucht hatten. Wie soll das zugehen? Was sollen wir tun, daß wir die Werke Gottes wirken? Das sind die Fragen, die sie nun an Jesum richteten. Was antwortete ihnen Jesus darauf? „Das ist das Werk Gottes, daß ihr an den glaubt, den der Vater gesandt hat.“ (Vers 29) Was für ein Zeichen tust du? Gestern sind wir erst satt geworden, heute möchten wir gern etwas anderes sehen, demonstriere uns etwas vor, daß wir eine Sensation erleben! So ungefähr dachten sie. Kann man ein treues Kind Gottes sein, wenn man sich in dieser Gesinnung einbildet, im rechten Verhältnis zu Gott zu sein? Fünf Brote waren es, die Jesus von einem Knaben genommen hat. Diese Brote waren für Jesum der Anknüpfungspunkt für die Speisung der fünftausend hungrigen Menschen. Wäre der Knabe nur aufs Sattwerden eingestellt gewesen, dann hätte Jesus die fünf Brote gar nicht bekommen, dann hätte Andreas auch nicht sagen können: „Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische.“ (Vers 9) Dann hätte dieser sie selbst gegessen. Der Knabe hatte wohl die Aufgabe, Jesu Handlanger zu sein, so daß es kein Zufall war, fünf Brote und zwei Fische herbeizutragen, ohne etwas für sich zu behalten. Vielleicht war es die Speise, die Jesus und seine Jünger zu ihrer Versorgung mitgenommen hatten, und der Knabe war treu, hat seine Aufgabe erfüllt, alles hergetragen und nicht selbst gegessen. Manchmal können kleine Begebenheiten den Anknüpfungspunkt für das Wirken Gottes darstellen. Warum mußte, als Elias nach Zarpat kam, bei der Sidonierin noch ein bißchen Mehl im Faß und Öl im Krug -7- Johannes-Evangelium Teil 5 Seite 15 sein, das auf des Propheten Wort hin während der Hungersnot niemals ausging (1.Kg.17,16)? Hätte Gott ihnen nicht ohne diesen Rest das Nötige geben können? War er an diesen Überrest gebunden? Gott hat immer einen gewissen Anknüpfungspunkt bei den Menschen. Jesus hätte keinen Fisch gebraucht, um die Tempelsteuer zu bezahlen, er hätte ebensogut zu Petrus nur sagen können: Geh fischen! Er war ja ein Fischer, und Jesus hätte inzwischen das für die Tempelsteuer erforderliche Geld ohne Fisch beschaffen können. Aber alles an seinem Platz. Gott knüpft an die menschlichen Gegebenheiten an und verlangt nichts Unmögliches. Es muß auch nicht mehr Geld aus dem Mund des Fisches kommen, als nötig ist, um die Tempelsteuer zu bezahlen (Matth.17,24-27). Das Mindeste ist gerade genug, daß Gott es segnen kann, um dadurch den ganzen Willen und Ratschluß Gottes offenbarzumachen. Und dieser Ratschluß liegt in der vollen Erlösung. Mit fünf Broten und zwei Fischen hat Jesus die Menschen satt gemacht. Diese fünf Brote dürften, wie die fünf Talente (Matth.25,14-21), hinweisen auf den Glauben an Jesu Werke, die er in seiner Erlösungstat vollbracht hat: Sein Leben im Erdenkleid bedeutet unser Leben, sein Tod am Kreuz unsern Tod, sein Grab unser Grab, seine Auferstehung aus den Toten unsre Auferstehung, seine Himmelfahrt unsre Himmelfahrt. Sein Erlösungswerk entspricht den fünf Talenten und den fünf Broten, mit denen er die fünftausend Männer, d.h. alle, die davon gegessen haben, gesättigt hat. Wenn man seine Aufgabe darin erkennt, an dieses Erlösungswerk zu glauben, dann entspricht das der rechten Stellung, die man zur Erlösung einnehmen will, um den ganzen Segen aus der treuen Hand Gottes zu empfangen. Dann stellt man sich auf dem Boden des Geistes im Glauben ganz zu diesem Erlösungswerk, um den vollen Segen der fünf Talente zu empfangen, der in fünf Gerstenbroten vorgeschattet sein dürfte. Dazu ist es nötig, daß man Jesum erkennt als das Brot, das vom Himmel gekommen ist, das der Vater gesandt hat, um der Welt das Leben zu geben. Wenn sich das alles auf diese Weise an der Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe erfüllt hat, dann bleiben noch Körbe voll Lebensbrot für die zwölf Stämme seines Volkes übrig, damit sein Volk für alle Zeiten genug Brot des Lebens hat und dadurch alle, die davon essen, satt werden und das ewige Leben erlangen können. So offenbart sich Gott, so führt er seine Gnadenabsichten in seiner treuen Fürsorge hinaus. So öffnet er uns den Geistesblick dafür, daß alles, was Gott uns in seinem Sohn gibt, das Brot vom Himmel ist. Alle, die von fünf Broten und zwei Fischen gegessen haben und sehen konnten, wie noch zwölf Körbe mit Brocken übrigblieben, haben aber dabei doch nichts davon erkennen können, daß er das vom Himmel gekommene Lebensbrot war. Seite 16 Dieses Geheimnis war ihnen einfach unverständlich, da sie ja in ihrem Herzen nur auf Zeichen und Wunder eingestellt waren und beim Äußeren stehenblieben. Sie stützten sich darauf, daß sie doch Jesu Vater und seine Mutter in Nazareth kannten. Aber sie hätten sich sagen müssen: So kann kein Mensch vom Boden der Naturordnung aus handeln, folglich muß das der Sohn Gottes sein. Sie wollten ja schon eine bestimmte -8- Johannes-Evangelium Teil 5 Treue zu Gott beweisen, aber weil sie seine Ordnung nicht verstanden, konnten sie sich nur in oberflächlichem Sinn an Jesu Wunder und Zeichen halten. Durch seine Unterweisung will Jesus dem Volk Gottes den Unterschied zwischen der irdischen, vergänglichen Speise und dem Brot des Lebens klarmachen Nun hat Jesus den Menschen, die ihn um der irdischen Speise willen suchten, ein andres Ziel gezeigt, indem er ihnen sagte: „Wirket nicht die Speise, die vergänglich ist, sondern die Speise, die ins ewige Leben bleibt!“ (Vers 27) Mit diesen Worten will er ihnen sagen, daß sie, wenn sie sich nur um die vergängliche Speise kümmern, selbst in demselben Zustand sind wie diese Speise; die natürliche Speise ist vergänglich, und die Menschen, die sich nur an die vergängliche Speise halten, sind genauso vergänglich wie die Speise. Dann haben sie nur einen Blick für das Zeitlich-Vergängliche und vergessen, daß es im Leben außer der vergänglichen Speise noch solche Speise gibt, die ins ewige Leben bleibt. Beschäftigen sie sich aber mit der Speise, die ins ewige Leben bleibt, dann müssen sie auch glauben lernen, daß sie selbst von Gott, ihrem Schöpfer, nicht dazu bestimmt sind, im Zustand der Vergänglichkeit zu bleiben wie die vergängliche Speise, sondern dazu, ewiges Leben zu erlangen, und dazu müssen sie die Speise, die ins ewige Leben bleibt, genießen Wenn es für sie solche Speise gibt und sie sich damit nähren, dann müssen sie auch selbst in den Zustand des ewigen Lebens hineinreifen. Dazu müssen sie einsehen, daß es für sie nicht nur das zeitliche, der Vergänglichkeit unterworfene Leben, sondern auch das für die Ewigkeit bleibende Leben gibt Aber die Speise, die ins ewige Leben bleibt, gibt nur der Menschensohn, den Gott, der Vater, beglaubigt hat. Deshalb müßten sie die Zeichen Jesu, auch die Wundertat, durch die sie das Brot gegessen hatten und satt geworden waren, nicht nach der Naturordnung beurteilen, sondern sie müßten die göttliche Ewigkeitsordnung darin vorgeschattet sehen. Denn Jesus will ihnen ja Brot für das ewige Leben geben. Darauf fragen sie Jesum: Seite 17 „Was sollen wir tun, daß wir die Werke Gottes wirken?“ (Vers 28) Er antwortet ihnen: „Das ist das Werk Gottes, daß ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ (Vers 29) Darauf fragen sie ihn: „Was tust du denn für ein Zeichen, auf daß wir sehen und dir glauben? Was wirkest du? Unsere Väter haben das Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: ‘Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.’“ (Vers 30-31) Damit haben sie gerade das rechte Wort über das Walten Gottes mit seinem Volk gefunden. Gott hat seinem Volk wohl Manna in der Wüste als Brot vom Himmel gegeben. Aber das Volk hat in jener Zeit Gott ebensowenig verstanden, wie die Juden zu Jesu -9- Johannes-Evangelium Teil 5 Zeiten Jesum verstanden, als er mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen fünftausend Männer satt machte. Auch damals mußte der Heilige Geist sprechen: „Darum, wie der heilige Geist spricht: ‘Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket euere Herzen nicht, wie in der Verbitterung geschah, am Tage der Versuchung in der Wüste, da mich euere Väter versuchten; sie prüften mich und sahen meine Werke vierzig Jahre lang. Darum ward ich entrüstet über dieses Geschlecht und sprach: Immerdar irren sie mit ihrem Herzen! Sie aber erkannten meine Wege nicht, so daß ich schwur in meinem Zorn: Sie sollen nicht eingehen zu meiner Ruhe!’“ (Hebr.3,7-11) Mit diesen Worten ist bezeugt, daß das Volk Gottes genau dasselbe Verhältnis hatte zu dem täglichen Manna, mit dem Gott sie vom Himmel versorgte, wie das Volk später seine Stellung zu dem irdischen Brot einnahm, das ihnen Jesus gab und durch das sie satt wurden. Die Menschen zu Moses Zeiten aßen dieses Brot vom Himmel in der Wüste vierzig Jahre lang, und am Ende nannten sie es eine lose Speise (4.Mos.11,6; 21,5); sie waren also auch nur auf das tägliche Sattwerden und den Genuß eingestellt. Am Anfang freuten sie sich darüber, daß sie sich an diesem Brot, dem himmlischen Manna, täglich satt essen konnten, aber in der Zeitdauer von vierzig Jahren murrten sie darüber, daß sie alle Tage dasselbe essen mußten und die Abwechslung in der täglichen Speise nicht mehr hatten wie früher in Ägypten. Im Anfang waren sie zufrieden, daß sie satt werden konnten, später aber murrten sie. Daß aber Gott vom Himmel her vierzig Jahre lang alle Tage das ganze Volk satt machte, daß er sich seinem Volk auf diese Weise als ihr Gott offenbarte und deshalb erwartete, daß sie ihn erkennen, anerkennen und treu zu ihm stehen sollten, das verstanden sie nicht. Den Gott, der ewig ist und der den Menschen ewiges Leben geben will, erkannten sie nicht. Seite 18 Es war ihnen nur um das alltägliche Sattwerden nach der Art des natürlichen Lebens zu tun So war es auch, als Jesus unter dem. Volk Gottes weilte; deswegen erklärte er ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, nicht Moses hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot Gottes ist dasjenige, welches vom Himmel herabkommt und der Welt Leben gibt.“ (Vers 32-33) Damit will er ihnen klarmachen, daß das Zeichen, auf das sie sich berufen, daß ihre Väter durch Mose vierzig Jahre lang satt geworden waren, nicht etwa der Beweis dafür ist, daß Gott sich den Menschen dadurch offenbarte; denn jenes Brot hatte ihnen das ewige Leben nicht gegeben. Sie sagten: „Unsre Väter haben das Manna gegessen in der Wüste …“ (Vers 31) Jesus sagt ihnen: „Euere Väter haben das Manna gegessen in der Wüste und sind gestorben.“ (Vers 49) Wohl erwecken die Worte Jesu in ihnen ein Verlangen nach dem ihnen in Aussicht gestellten Brot vom Himmel, so daß sie sagten: „Herr, gib uns allezeit dieses Brot!“ (Vers 34) Wenn Jesus ihnen aber sagt: - 10 - Johannes-Evangelium Teil 5 „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Vers 35), dann wollen sie nur das natürliche Brot haben, um satt zu werden. Aber Jesus hatte diese Menschen durchschaut, darum fügte er gleich hinzu: „Aber ich habe es euch gesagt, daß ihr mich gesehen habet und doch nicht glaubet. Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Denn ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht, daß ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. Das ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern daß ich es auferwecke am letzten Tage. Denn das ist der Wille meines Vaters, daß jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage.“ (Vers 36-40) Von dem, was er ihnen sagte, gefiel ihnen nicht alles. Wenn er ihnen erklärte: Mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel, das besser ist als das, das eure Väter in der Wüste gegessen haben, dann sagen sie: Ja, gib uns allezeit dieses Brot, damit, wie gestern, durch fünf Gerstenbrote und zwei Fische fünftausend und mehr Menschen Seite 19 satt werden. Damit beweisen sie aber aufs neue, daß sie in Wirklichkeit nicht zu ihm kommen wollen, um durch ihn zu erfahren, was der wahre Wille Gottes ist, so daß sie das ewige Leben erlangen könnten. Sie murren vielmehr darüber und ärgern sich, daß er bezeugt hatte: Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist, und sagen: Ist dieser Jesus nicht Josephs Sohn; wir kennen doch seinen Vater und seine Mutter! Tags zuvor hatte er sie mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen satt gemacht, und zwölf Körbe mit Brocken waren übriggeblieben. Auch war er auf eine ihnen unerklärliche Weise von einer Seite des Meeres auf die andere gelangt. Solche Zeichen kennen sie von ihm; und wenn er ihnen daraufhin sagt: Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist, das mein Vater gibt, das wahre Brot vom Himmel, stellen sie sich gleich wieder auf den Boden der Naturordnung. Wie es ihnen beim Brot nur ums Sattwerden nach der natürlichen Seite zu tun ist, so urteilen sie hier auch gleich wieder in menschlich-natürlicher Art, indem sie sagen, er sei Jesus, Josephs Sohn, dessen Vater und Mutter ihnen bekannt sind (Vers 42). Trotz der Wunder und Zeichen, die er in göttlicher Vollmacht vor ihnen getan hat, beurteilen sie ihn nur nach der Naturordnung, die sie selbst darstellen. Jesus redet weiter mit dem Volk und sagt zu ihnen: „Murret nicht untereinander! Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage.“ (Vers 43-44) Da sagt er ihnen nun zum drittenmal, daß er den, der zu ihm kommt, am letzten Tag auferwecken werde. Weiter sagt er zu ihnen: „Es steht geschrieben in den Propheten: ‘Sie werden alle von Gott gelehret sein.’ Jeder, der vom Vater gehört und gelernt hat, kommt zu mir. Denn niemand hat den Vater gesehen; nur der von Gott ist, der hat den Vater gesehen.“ (Vers 4546) Mit diesen Worten erklärt ihnen Jesus die göttliche Ordnung, daß sie nur durch ihn, den der Vater gesandt hat, das ewige Leben bekommen können. Er zeigt ihnen, daß sie ihn nicht nach der Naturordnung, so wie sie es tun, beurteilen dürfen, sondern daß sie das - 11 - Johannes-Evangelium Teil 5 Verständnis darüber, wie sie durch Jesum das ewige Leben erlangen können, von Gott bekommen müssen. Nur dann, wenn der Vater sie zieht, können sie zum Sohn kommen und das erkennen, was Jesus ihnen als wahres Brot vom Himmel geben will, um das ewige Leben zu erlangen. Deshalb erklärt er ihnen nun ganz ausführlich: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer glaubt, der hat ewiges Leben.“ (Vers 47) Er meint damit, wer an ihn glaubt, der hat ewiges Leben. Glauben an Jesum und das ewige Leben zu erlangen bedeutet aber, zu erkennen, Seite 20 daß er das Brot des Lebens ist. Deshalb sagt er: „Ich bin das Brot des Lebens. Euere Väter haben das Manna gegessen in der Wüste und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt, auf daß, wer davon isset, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel herabgekommen. Wenn jemand von diesem Brote ißt, der wird in Ewigkeit leben; und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“ (Vers 48-51) Da zankten die Juden untereinander und sprachen: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ (Vers 52) Ist es nicht eigenartig, je ausführlicher und nachdrücklicher er ihnen dieses Geheimnis erklärt, daß er das Brot sei, das ewiges Leben vermittelt, desto klarer offenbaren sie ihre Unkenntnis über das wahre Lebensbrot, und desto mehr nimmt ihr Widerstand gegen das zu, was er ihnen darüber sagt. Darum sprach Jesus zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage. Denn mein Fleisch ist eine wahre Speise, und mein Blut ein wahrer Trank. Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat, und auch ich um des Vaters willen lebe, so wird auch, wer mich isset, um meinetwillen leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist; nicht (daß man es esse) wie eure Väter das Manna gegessen haben und sind gestorben: Wer dieses Brot isset, der wird leben in Ewigkeit!“ (Vers 53-58) In diesen Worten spricht Jesus dasselbe aus, was die Apostel in ihren Schriften ausführlich als die von Gott durch Jesum vollbrachte Erlösung gelehrt haben, nämlich, daß Jesus als das Wort ins Fleisch gekommen ist, in das Fleisch und Blut, das die Kinder gemeinsam tragen (Hebr.2,14). Damit hat Gott seine Verheißung erfüllt, die er dem David gab, daß Christus aus seinen Lenden kommen würde (Ps.89,4-5; Apg.2,30). Durch seine Menschwerdung hat Christus das Fleisch und Blut des Königs David angenommen, des Königs des Volkes Gottes, den Gott deshalb zum König gemacht hatte, weil er ein Mann nach dem Herzen Gottes war (1.Sam.13,14; Ps.89,19-20; Apg.13,22). Jesus unterweist das Volk Gottes darüber, daß er für sie das vom Himmel herabgekommene Brot des Lebens ist Wenn Jesus nun sagt, daß die Menschen sein Fleisch, als das Brot, das vom Himmel gekommen ist, essen und daß sie sein Blut trinken Seite 21 - 12 - Johannes-Evangelium Teil 5 müssen und sie nur durch dieses Essen und Trinken ewiges Leben empfangen, so will er ihnen damit sagen, daß sie an die Erlösung glauben müssen, die Jesus durch seine Menschwerdung, durch sein Sterben am Kreuz und seine Auferweckung von den Toten zustande gebracht hat. Sein Fleisch essen und sein Blut trinken bedeutet, das im Glauben annehmen und aufnehmen, was Jesus in diesem Fleisch, das er von den Menschen annahm, vollbracht hat. Aus der Aufforderung Jesu, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken, hat man den Sinn der Abendmahlshandlung umgedeutet. Man will den Worten Jesu buchstabenmäßig gehorsam sein, man will sein Fleisch essen und sein Blut trinken, weil man auf andre Weise das ewige Leben nicht bekommt. Deshalb hat man die geheimnisvolle Lehre ersonnen, daß das Brot, das Jesus den Jüngern beim Abendmahl zu essen und der Wein, den er ihnen zu trinken gab, während der Abendmahlshandlung in das Fleisch und Blut Jesu umgewandelt würden; denn er hatte ihnen beim Brechen des Brotes gesagt, sie sollen sein Fleisch essen, das sei sein Leib, und beim Trinken des Weins sprach er: Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird. Weil er nach dem Passahmahl, in Verbindung mit dem Brot, das er ihnen zu essen, und dem Wein, den er ihnen zu trinken gab, die Worte sprach: Das ist mein Fleisch, das ist mein Blut, so hat man daraus geschlossen, daß das Brot und der Wein durch den Dienst des Priesters, des Dieners der Gemeinde, in das Fleisch und Blut Jesu umgewandelt werden müssen. Und später hat man gelehrt, die Umwandlung geschehe nicht durch den Dienst des Priesters, sondern während dem Genuß von Brot und Wein; wenn man das Brot ißt und den Wein trinkt, vollziehe sich während des Genusses die Verwandlung, so daß das Brot in Wirklichkeit Fleisch und der Wein in Wirklichkeit Blut, also das Fleisch und Blut Jesu seien. Aber das fügen eben die Menschen zu dem hinzu, was Jesus gesagt hat. Wenn Jesus sagt, das Brot sei sein Fleisch, und der Wein, den er seinen Jüngern gab, sei sein Blut, dann hat er damit nicht zugleich gesagt, daß das Brot in Fleisch und der Wein in Blut umgewandelt werden. Darum haben die Apostel auch nicht gelehrt, daß die Gläubigen am Tisch des Herrn Fleisch essen und Blut trinken sollen, sondern sie haben gelehrt, daß sie Brot essen und Wein trinken sollen. Es ist also für alle Zeiten - bei Jesu und seither - immer Brot, das gegessen wird, und Wein, der getrunken wird. Brot und Wein sind nur Symbole für das Fleisch und Blut Jesu. Wir sehen, daß es heute noch genauso ist wie damals. Als Jesus das alles in der Synagoge zu Kapemaum lehrte, meinten viele seiner Jünger, das sei eine harte Rede, und sie sagten: Wer kann sie Seite 22 hören? (Vers 59-60). Als Jesus merkte, daß auch seine Jünger murrten, sagte er zu ihnen: „Aergert euch das? Wie denn, wenn ihr sehen werdet des Menschen Sohn dahin auffahren, wo er zuvor war?“ (Vers 61-62) Damit wies er auf seine Auferstehung aus den Toten und seine Himmelfahrt, sein Hingehen zum Vater, hin und fügte hinzu: - 13 - Johannes-Evangelium Teil 5 „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt gar nichts. Die Worte, die ich zu euch rede, sind Geist und Leben.“ (Vers 63) Aus dieser Erklärung könnte es sehr leicht erkannt werden, daß Jesus nicht gemeint hat, das Brot werde auf irgendeine geheimnisvolle Weise in Fleisch und der Wein in Blut umgewandelt. Darum nützt auch das Essen von Brot in dem Sinn, daß es beim Genuß in Fleisch umgewandelt würde, und das Trinken von Wein, wenn er in Blut umgewandelt wäre, nichts. Das Fleisch und das Blut nützen nichts, sondern der Geist macht lebendig. Das ewige Leben erlangt der Mensch nicht durch Essen von Brot, das in Fleisch verwandelt und nicht durch Trinken von Wein, der in Blut verwandelt worden ist; was lebendig macht, ist der Geist, der bezeugen will, daß in dem Brot, das Jesus den Jüngern gab, sein Fleisch und in dem Wein sein Blut vorgeschattet sind. Nun sollen sie im Essen eines Brotes, im Trinken eines Kelches Zeugnis ablegen, daß sie den Geist dessen aufgenommen haben, der Jesum befähigte, sein Opfer zu vollbringen, und der die Auferweckung Jesu von den Toten bewirkt hat. Das Fleisch Jesu kann nur in dem Sinn gegessen und sein Blut getrunken werden, daß man in dem Fleisch und Blut Jesu Christi sein eigenes Fleisch und Blut sieht und erkennt, daß es am Kreuz von Gott als verflucht dargestellt und gerichtet, daß es gestorben ist, begraben wurde und, durch die Herrlichkeit des Vaters aus dem Tod unsterblich auferweckt, nun zur Rechten Gottes die ewige Wohnung für Gott geworden ist. Was Jesus in der Aufopferung seines Leibes getan hat, das hat er durch ewigen Geist getan, indem er sich selbst als ein tadelloses Opfer Gott dargebracht hat durch diesen ewigen Geist, den er durch den in ihm wohnenden Vater hatte (Hebr.9,14). In dieser Geistesausrüstung hatte er die Macht, sein Leben zu lassen, so daß er nicht seinen Willen tun mußte, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hatte. Er konnte sein Fleisch und Blut in den Kreuzestod geben, damit durch die Herrlichkeit Gottes wieder der Geist als Kraft Gottes wirksam würde und dadurch das am Kreuz gestorbene und begrabene Fleisch Jesu aus den Toten unsterblich auferweckt werden konnte. Seite 23 Deshalb führt Paulus in 1.Kor.15, 42-49 aus, daß der erste Mensch, Adam, zu einer lebendigen Seele wurde, der letzte Adam, Jesus Christus, zu einem lebendigmachenden Geist und daß der erste Mensch von der Erde, irdisch, und der zweite Mensch der Herr vom Himmel ist. Auf diese Weise macht der Geist lebendig, und das Fleisch nützt nichts. Um das ewige Leben zu erlangen, muß man nicht Brot, in Fleisch verwandelt, und Wein, in Blut verwandelt, genießen, sondern einfach die Ordnung anerkennen: Wer glaubt, der hat ewiges Leben. Man ißt das Fleisch des Sohnes Gottes und trinkt sein Blut dadurch, daß man glaubt, was Jesus gesagt hat, nämlich, daß er nicht gekommen ist, seinen Willen zu tun, sondern den Willen seines Vaters. Das tat er dadurch, daß er sein Fleisch ans Kreuz trug und in den Tod gab. Und nachdem er begraben worden war, konnte - 14 - Johannes-Evangelium Teil 5 dieses selbe Fleisch Jesu, durch die Herrlichkeit des Vaters unsterblich aus dem Tod auferweckt, für ewig die Wohnung für Gott werden. Das Essen des Fleisches Jesu und das Trinken seines Blutes geschieht durch den Glauben an Jesu als den Retter der Menschen Der Unglaube gegenüber Jesu, als dem Brot des Lebens, und seine Folgen Wer da glaubt, der hat ewiges Leben! Wie damals, so sind seither immer etliche unter den Gläubigen, die nicht glauben. Jesus wußte von Anfang an, wer die seien, die nicht glaubten, und welcher ihn verraten würde; darum sagte er ihnen ganz klar: „Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben!“ (Vers 65) Deshalb müssen alle, die an ihn glauben, von Gott gelehrt sein. Jeder muß, um glauben zu können, vom Vater gehört und gelernt haben, dann kommt er zum Sohn. Niemand hat den Vater gesehen, nur der von Gott ist, der hat den Vater gesehen; und nur, wer von Gott gehört und gelernt hat, kann wissen, daß er von Gott ist und zum Sohn kommen muß, damit er durch den Sohn zum Vater kommen und den Vater sehen kann (Vers 45). Darum hat Jesus gesagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh.14,9). Aber niemand kann ihn sehen, der nicht vom Vater gehört hat und durch den Sohn gelehrt worden ist. Niemand kann, ohne vom Vater zu Jesu gezogen zu werden, erkennen und glauben, was der Vater im Sohn und durch seinen Sohn getan hat, um in seinem Opfer und in seiner Auferweckung aus den Toten der Welt das Leben zu geben. Als von da an viele seiner Jünger zurücktraten und nicht mehr mit ihm wandelten (Vers 66), sprach Jesus zu den Zwölfen: „Wollt ihr nicht auch weggehen?“ Seite 24 Da antwortete ihm Simon Petrus: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“ (Vers 67-69) Petrus legte Jesu gegenüber dieses Zeugnis ab, weil er glaubte, daß die Worte Jesu Worte ewigen Lebens sind. Solche Worte, die Jesus hier seinen Jüngern sagte, in denen der ganze Erlösungsratschluß Gottes bezeugt ist, konnte sonst niemand sagen. Bis heute kann niemand sagen, daß er, um den Menschen ewiges Leben zu geben, ihnen sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken gibt; wenn es jemand sagen würde, wäre er ein Lügner. Und wenn heute jemand die Menschen so beeinflußt, daß ihnen der Weg zu Jesu versperrt wird, weil sie, anstatt zu Jesu, nur zum Menschen geleitet werden, dann sind diese Menschen Betrüger und werden früher oder später für ihr törichtes Tun von Gott gerichtet und gestraft werden. Gott wird sie von ihrem Platz wegnehmen, damit der Weg wieder frei wird und die Menschen zu Jesu kommen können, um durch ihn das ewige Leben zu erhalten, indem sie wieder, wie Petrus, an Jesum Christum glauben und bezeugen können: Du hast Worte ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, daß du bist der Heilige Gottes. Jesus aber wußte, daß nicht alle seine Jünger so an ihn glaubten, wie es Petrus als Sprecher für alle meinte bezeugen zu können. Er konnte - 15 - Johannes-Evangelium Teil 5 ihnen in jeder Situation in der rechten Weise begegnen. Deshalb antwortete er auf das Bekenntnis des Petrus mit den Worten: „Habe ich nicht euch Zwölfe erwählt? Und aus euch ist einer ein Teufel! Er redete aber von Judas, Simons Sohn, dem Ischariot; denn dieser sollte ihn hernach verraten, einer aus den Zwölfen.“ (Vers 70-71) Damit hatte Jesus ihnen klipp und klar gesagt, daß ihm die bekannt wären, die nicht glaubten, und daß er auch wüßte, wer ihn verraten würde. Er konnte den Menschen seines Volkes zum voraus sagen, daß sie ihn zwar gesehen haben, aber doch nicht an ihn glauben würden. Diese Menschen waren deshalb ungläubig, weil sie nur das tägliche Versorgt-Werden für ihre natürlichen Bedürfnisse im Auge hatten; aber als Jesus ihnen den Weg zum Leben, dem ewigen Leben, das er selbst darstellte, zeigen wollte, mußte es offenbarwerden, daß nicht nur viele im Volk das, was er ihnen sagte, nicht annahmen - sondern daß selbst unter den eigenen Jüngern, unter den Zwölfen, ein Teufel war, den Gott dazu gebrauchte, daß durch seinen Einfluß Jesus als das Lamm Gottes am Kreuz getötet wurde. Damit wurde das erfüllt, was sich nach dem Willen und Ratschluß Gottes erfüllen mußte, so daß Jesus das wahre Brot vom Himmel, das Lamm Gottes wurde, das der Welt Sünden im Opfertod ans Kreuz trug. Seite 25 Es kommt auch bei uns darauf an, ob wir als Gotteskinder nur die Erhaltung des äußeren Lebens erstreben - oder ob wir in Wahrheit das ewige Leben suchen und es in unsrem Bekenntnis zu Jesu, in unserem Glauben an ihn beweisen. Jeder beweist es, ob er so glaubt, daß er durch diesen Glauben in Wahrheit das ewige Leben sucht, oder ob er in seinem Unglauben ein Teufel ist und Feindschaft gegen Jesum im Herzen trägt obwohl er durch ihn das tägliche Brot, die tägliche Versorgung haben möchte. Prüfen wir uns recht gründlich und aufrichtig, aus welchen Gründen wir Kinder Gottes sind! Nach welcher Ordnung erwarten wir Brot und Fleisch? Wollen wir nur nach der Naturordnung essen und trinken, um satt zu werden? Suchen wir nur die Befriedigung unsrer irdischen Bedürfnisse, oder wollen wir die Geistesordnung, daß Jesus das Brot des Lebens ist, völlig verstehen und im Glauben darauf eingehen? Wollen wir nur gläubig sein, weil uns ein Königsthron in Aussicht steht, damit wir einmal herrschen können? Oder geht es uns darum, daß Gott seinen Berufenen das ewige Leben geben und dadurch sein ewiges Reich aufrichten kann? Es gibt also zwei Ordnungen: Die eine ist die Ordnung des Fleisches, nach dem Willen des Mannes, und die andre ist die Ordnung des Geistes, der Geburt aus Gott. Worin besteht der Unterschied? Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muß des Menschen Sohn erhöht werden, sagt Jesus zu Nikodemus (Joh.3,14). Aber was dieser erhöhte Menschensohn in Herrlichkeit darstellt, kann er nur darstellen, weil er die Naturordnung in den Tod gegeben hat. Solange unser Glaube noch in der Naturordnung begründet ist, ist das der Beweis dafür, daß wir auf die geistige, göttliche Ordnung der Geburt aus Gott noch nicht eingestellt sind und darum auch keinen Gebrauch davon machen. - 16 - Johannes-Evangelium Teil 5 __________ Seite 26 Jesus legt den Maßstab des Glaubens an ihn daran an, daß man sein Fleisch ißt und sein Blut trinkt, um ewiges Leben zu haben „Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Aber ich habe es euch gesagt, daß ihr mich gesehen habet und doch nicht glaubet. Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Denn ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht, daß ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. Das ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern daß ich es auferwecke am letzten Tage. Denn das ist der Wille meines Vaters, daß jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage. Da murrten die Juden über ihn, daß er gesagt hatte: Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, und sprachen: Ist dieser nicht Jesus, Josephs Sohn, deß Vater und Mutter wir kennen? Wie spricht er denn: Ich bin vom Himmel herabgekommen? Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Murret nicht untereinander! Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage. Es steht geschrieben in den Propheten: ‘Sie werden alle von Gott gelehret sein.’ Jeder, der vom Vater gehört und gelernt hat, kommt zu mir. Denn niemand hat den Vater gesehen; nur der von Gott ist, der hat den Vater gesehen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer glaubt, der hat ewiges Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Euere Väter haben das Manna gegessen in der Wüste und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt, auf daß, wer davon isset, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel herabgekommen. Wenn jemand von diesem Brote ißt, der wird in Ewigkeit leben; und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt. Da zankten die Juden untereinander und sprachen: Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? Darum sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage. Denn mein Fleisch ist eine wahre Speise, und mein Blut ein wahrer Trank. Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat, und auch ich um des Vaters willen lebe, so wird auch, wer mich isset, um meinetwillen leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist; nicht (daß man es esse) Seite 27 wie eure Väter das Manna gegessen haben und sind gestorben: Wer dieses Brot isset, der wird leben in Ewigkeit!“ (Joh.6,35-58) Das eigentliche Geheimnis dessen, daß nach Jesu Wort die zu ihm kommen, die vom Vater gezogen werden (Vers 44), liegt darin, daß die Menschen, die der Vater dem Sohne gibt, den Unterschied sehen können, der zwischen der Naturordnung des Fleisches und der göttlichen Ordnung des Geistes besteht. Wenn das ein Geheimnis ist, so muß es für dieses Geheimnis auch eine Offenbarung geben; das Geheimnis muß denen erschlossen werden, die von Gott gelehrt werden. Bei den verschiedenartigsten Stellungen, die die - 17 - Johannes-Evangelium Teil 5 Menschen im Glauben haben, wird immer der Unterschied zwischen der Ordnung des Fleisches und der Ordnung des Geistes offenbar. Ein Grund, weshalb viele Menschen nicht von Gott gelehrt werden können, warum ihnen Jesus sagen mußte, daß sie sein Wort nicht annehmen, daß sie nicht zu ihm kommen, liegt darin, daß sie die Einstellung, durch die man zu Gott kommt und ihn versteht, von ihrer eigenen Stellung, die sie einnehmen, nicht unterscheiden können. Die Juden, die zu Jesu sagten: „Ist dieser nicht Jesus, Josephs Sohn, deß Vater und Mutter wir kennen?“ (Vers 42) waren Jesu gegenüber in ihrem Geist in einem solchen Verhältnis, daß sie den Unterschied, der zwischen ihnen und ihm bestand, nicht sehen konnten. Sie sahen in Jesu nur einen der Ihren, der ihrer Volksgemeinschaft genauso angehörte, wie sie selbst diesem Volke, dieser Volksgemeinschaft angehörten; deshalb haben sie einfach auf seinen Vater, auf seine Mutter, also auf seine Familien- und Volkszugehörigkeit hingewiesen. Die Hüter der göttlichen Ordnung sahen ihn in der gleichen Weise als ein dem Volke Gottes angehörendes Glied an, und deshalb hielten sie es sogar für ihre Pflicht, ihn zu strafen, wenn er sich als Glied dieser Ordnung dagegen verging. Wenn nun Johannes der Täufer und die Mutter Jesu, die, trotz vieler Erkenntnis durch Gottes Offenbarung über den kommenden Messias, zwischen der alten und der neuen Ordnung doch nicht recht unterscheiden konnten, so zeigt das nur, wie in einer von Gott gegebenen Ordnung eine Macht liegt, die die Menschen gefangenhält, auch wenn diese für eine bestimmte Zeit als Schatten für die rechte Ordnung, die zukünftig noch kommen mußte, Gültigkeit hatte. Sie erkannten darum die Notwendigkeit zur Lösung von der alten Ordnung nicht, und deshalb konnten sie auch den Schritt zur neuen Ordnung nicht völlig tun. Die Jünger weisen in ihrem Verhältnis zu Jesu ein besonderes Bild unter diesen verschiedenen Menschen auf. Sie stehen Jesu bereits am nächsten. Sie haben die Schranken, die zwischen Seite 28 andern Menschen und ihrem Herrn und Meister vorhanden sind, schon zum Teil durchbrochen. Es wäre aber zu viel gesagt, wenn man die Jünger Jesu in dem Lichte sehen wollte, als wären sie von der alten Ordnung schon vollkommen gelöst gewesen und völlig in die neue, göttliche Ordnung der neuen Geburt eingegangen. Jedoch war ihre Stellung die, wie sie es selbst ausgesprochen haben mit den Worten: „Wir haben den Messias gefunden …“ (Joh.1,42) Sie waren doch schon in einem solchen Verhältnis zu diesem Messias, wie es die Samariterin mit den Worten offenbarte: „Ich weiß, daß der Messias kommt …“ (Joh.4,25) So war schon eine gewisse Erkenntnis über den kommenden Messias im Volk vorhanden, und diese Erkenntnis wurzelte in einzelnen wieder tiefer als in andern. Bei manchen bewirkte diese Erkenntnis, daß der Messias kommen würde, das Verlangen, die Sehnsucht nach ihm, so daß sie suchten und zuletzt sagen konnten: „Wir haben den Messias gefunden … “ (Joh.1,42) So waren diese Jünger Jesu mehr oder weniger davon überzeugt, daß die Verheißungen im Worte Gottes, die sich auf diesen Christus bezogen, nun in Erfüllung gingen. Aufgrund - 18 - Johannes-Evangelium Teil 5 solcher Einstellung zum Worte Gottes konnten diese Menschen über den göttlichen Willen und Ratschluß belehrt werden. Diesen Glauben an die Verheißung des Christus finden wir bei Maria, indem sie zum Engel Gabriel sagte: „ … ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!“ (Luk.1,38) Wir finden ihn auch bei Johannes dem Täufer, der von seiner Berufung, eine Stimme in der Wüste zu sein, überzeugt war (Jes.40). So waren diese Menschen im Worte Gottes verankert; dementsprechend wurden sie von Gott gelehrt, und dadurch konnte der Übergang von der alten in die neue, von der Ordnung des Fleisches in die Ordnung des Geistes erfolgen. Nun finden wir, daß selbst unter den Jüngern, von denen wir sagen dürfen, daß sie von Gott gelehrt waren und daß der Vater sie seinem Sohn gegeben hatte, ein Teufel war, das heißt doch nichts anderes als daß, während Jünger Jesu von Gott gelehrt sein müssen, es auch solche Jünger Jesu gibt, die vom Teufel gelehrt werden. Das ist ja auch in den Sendschreiben in der Offenbarung ganz klar gezeigt, wenn darin von solchen die Rede ist, die sagen, sie seien Juden, wogegen der Herr ihnen sagen muß, sie seien es nicht, sondern sie lügen und seien eine Synagoge des Satans (Offb.2,9; 3,9). Damit ist gezeigt, was Jesus bereits seinen Jüngern erklärt, daß, wenn die Seite 29 Zwölfe auch von ihm direkt erwählt worden sind, das noch kein Beweis dafür ist, daß sie alle von Gott gelehrt und vom Vater zum Sohne gebracht worden sind. Das zeigt uns, daß das Eingehen in die göttliche Ordnung - wenn man also vom Boden des Fleisches auf den Boden des Geistes, vom Boden der Naturordnung, dem Geblüt, dem Willen des Fleisches und dem Willen des Mannes in die göttliche Ordnung der Geburt aus Gott übergehen will - nicht jedem möglich ist, der bereits ein gewisses Vertrauen zu Gott oder zu Jesu gewonnen hat. Es liegt auch nicht einfach im Glauben oder im Unglauben; denn während einerseits Menschen Jesu feind waren und an seine göttliche Sendung nicht glaubten, finden wir auch wieder solche, die ihm friedlich gegenüberstanden und aus irgendeinem Grund an ihn glaubten. Seine Mutter glaubte an ihn um der Offenbarung willen, die sie selbst empfangen hatte. Johannes der Täufer glaubte ebenfalls um der Offenbarungen willen, die er empfangen hatte. Nikodemus und viele mit ihm glaubten um der Zeichen willen, die Jesus tat. Andere wieder glaubten an Jesum, weil sie von der Speise, die sie durch ihn essen konnten, satt geworden waren - aber bei alledem hat Jesus zwischen Glauben und Glauben unterschieden. Dem Nikodemus erklärte er, daß, wer nicht von neuem geboren ist, das Reich Gottes nicht sehen und daß, wer nicht aus Wasser und Geist geboren ist, nicht in das Reich Gottes eingehen kann (Joh.3,3-7). Und in Verbindung mit dieser Erklärung sagt er ihm, daß Gott die Welt also geliebt hat, daß er seinen eingeborenen Sohn dahingab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern das ewige Leben habe (Joh.3,16). Dem hätte Nikodemus entgegenhalten können: Aber ich anerkenne dich ja als einen Lehrer, von Gott gekommen (Joh.3,2). Und doch sagt Jesus, daß nur der das Leben hat, der an ihn, als den eingeborenen Sohn vom Vater, glaubt (Joh.3,16). So stellt Jesus Glauben, der aus irgendwelchem Grund vorhanden ist, dem Glauben gegenüber, den man nach der - 19 - Johannes-Evangelium Teil 5 göttlichen neuen Ordnung, der Geburt aus Gott, aus Wasser und Geist hat. Deshalb kann es sich, was für eine Stellung Jesu gegenüber auch eingenommen wird, immer nur darum handeln, ob man den im Wort Gottes bezeugten Glauben an ihn, als die neue Ordnung der Geburt aus Wasser und Geist, hat oder nicht hat. Darum geht Jesus in seiner Lehre und in seinem Verhalten seinem Volk gegenüber immer einen Schritt weiter. Sobald sich bei irgendwelchen Menschen Unruhe oder Widerstand ihm gegenüber zeigt, offenbart er sich ihnen immer klarer, um dadurch entschiedener, gründlicher zum gläubigen Stellungnehmen zu veranlassen oder Scheidung zu bewirken. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut; wer seine Hand an den Pflug Seite 30 legt und zurücksieht, der taugt nicht für das Reich Gottes, sagt der Herr (Matth.12,30; Luk.9,62). So geht Jesus nun wieder einen Schritt weiter und nennt es das Werk Gottes, daß sie an den glauben, den er gesandt hat, und er zeigt, was dieser Glaube an den von Gott Gesandten in Wirklichkeit ist. Er erklärt ihnen: Die Väter haben das Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen. Aber Jesus hält ihnen vor: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, nicht Moses hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot Gottes ist dasjenige, welches vom Himmel herabkommt und der Welt Leben gibt.“ (Vers 31-33) Das Brot möchten sie haben. Wenn er ihnen aber sagt: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Vers 35), so nehmen an diesen Worten alle die Anstoß, die es mit der Naturordnung, in der sie festgehalten sind, nicht vereinbaren können, daß Jesus sagt, er sei das vom Himmel gekommene Brot, wodurch die Welt das Leben habe. Seine Jünger sind mit diesem Bekenntnis einverstanden. Zwar waren sie auch dabei, als Jesus zum Volk sagte: „ … ich habe es euch gesagt, daß ihr mich gesehen habet und doch nicht glaubet. Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ (Vers 36-37) Aber diese Worte sehen die Jünger nicht für sich gemünzt. Das bestätigen sie damit, daß sie zu Jesu gekommen sind und ihm nachfolgen. So ist es für sie ein Trost, wenn er sagt, er sei vom Himmel gekommen, nicht daß er seinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hat. Und noch mehr freuen sie sich, daß Jesus hinzufügt: „Das ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern daß ich es auferwecke am letzten Tage.“ (Vers 39) Das ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn sieht und an ihn glaubt, das ewige Leben habe. Hier finden wir den Grund, weshalb viele nicht so glauben, wie sie nach der Schrift glauben müßten. Sie ruhen in einer falschen Hoffnung. Sie eignen sich Worte Gottes an und bilden sich ein, ihre Stellung sei ihrem Gott und der göttlichen Ordnung gegenüber schon befriedigend. Die Jünger, die noch nicht so glaubten, wie es dem Willen Gottes - 20 - Johannes-Evangelium Teil 5 entspricht, Judas Ischariot voran, hätten sich auf diese Worte hin sagen müssen: Bei uns stimmt es nicht, unser Verhältnis Seite 31 zu Jesu ist nicht so, daß wir nicht verlorengehen können. Diese Worte hätten ihnen dann Veranlassung zur gründlichen Selbstprüfung sein müssen. Statt dessen hatten sie als Jünger Jesu zu der Zeit zu ihm noch ein ähnliches Verhältnis wie die Feinde Jesu. Nur waren die Feinde Jesu ehrlich genug, es zum Ausdruck zu bringen, daß sie der alten Ordnung angehören wollten, während die Jünger Jesu auch noch an der alten Ordnung festhielten, aber doch Jünger Jesu sein wollten, die sich der neuen Ordnung, die Jesus darstellt, zuwandten. Die größte Gefahr für einen Jünger Jesu, für ein Kind Gottes, ist Unklarheit und Unaufrichtigkeit sich selber gegenüber. Wie oft hört man sagen: Ich möchte ja ganz gern, ich möchte den richtigen Glauben haben. Überlegen wir, was ein solcher Ausspruch: „Ich möchte!“ bedeutet. Es gibt für ein Kind Gottes nur ein „Entweder-Oder“. Entweder man gehört zur alten Ordnung, das ist die Ordnung des Fleisches, oder man gehört zur neuen Ordnung, das ist die Ordnung des Geistes Entweder man urteilt nach der Ordnung des Fleisches, oder man urteilt nach der Ordnung Jesu: Gestorben am Kreuz - und damit ist die Ordnung des Fleisches vergangen -, auferweckt aus dem Tode, zur Rechten Gottes erhöht als Geburt aus Gott, aus dem Geist. Entweder man steht auf der einen oder auf der andern Seite. Wenn nun ein Kind Gottes diese beiden Ordnungen kennt und sagt: „Ich möchte der göttlichen Ordnung angehören“, dann würde ihm Jesus die Worte entgegenhalten: „ … ich habe es euch gesagt, daß ihr mich gesehen habet und doch nicht glaubet.“ (Vers 36) Wer sagt: „Ich möchte“, der kann hinzufügen: „nicht“. Ich möchte Gott und seiner Ordnung nicht angehören. Es braucht niemand zu sagen: „Ich möchte. Ich möchte es tun.“ Es gibt keinen Grund, das, was man möchte, nicht auszuführen. Wer etwas wirklich will, der kann es auch ausführen. Wer es nicht ausführt, soll sich nicht damit täuschen, daß er sich einredet, er wolle. Wer wirklich will, der setzt die Erkenntnis in die Tat um Wer das nicht tut, was er will und möchte, der ist getäuscht, er folgt dem Geist des Unglaubens. Er gibt sich nur darüber keine Rechenschaft, daß er sich vom Teufel leiten läßt. Man macht auch Gelübde, Versprechungen, Beteurungen, daß man später wolle. Doch sie sind wertlos. Man müßte sagen: Ich will nicht. Was man jetzt nicht durchführen will, will man überhaupt nicht; man zieht seine Entscheidung nur in die Länge und wiegt sich in die Ruhe. Man wird Seite 32 es schon noch tun, nur gerade jetzt nicht - warum nicht? Als Jesus merkte, daß viele seiner Jünger seine Worte für eine harte Rede hielten und darüber murrten, sagte er zu - 21 - Johannes-Evangelium Teil 5 ihnen: „Aergert euch das?“ Er sagte es ihnen deshalb, weil man bei etwas stehenbleibt, was man nicht preisgeben will, ganz gleich, was es ist. Man will nicht die volle Gottesordnung hören, weil man von dieser Ordnung nicht völlig überzeugt werden und ihr nicht gehorsam sein will. Darum sagt Jesus: „ … wer glaubt, der hat ewiges Leben.“ (Vers 47) Es gibt kein Zwischending, es gibt nur einen Glauben; man kann ihn haben oder nicht haben. Glauben muß man an das Brot, das vom Himmel gekommen ist „Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt, auf daß, wer davon isset, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel herabgekommen. Wenn jemand von diesem Brote ißt, der wird in Ewigkeit leben; und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“ (Vers 50-51) Nun ist Jesus auf dem Höhepunkt angelangt. Jetzt treibt er das Volk in bezug auf glauben oder nicht glauben zur entscheidenden Stellungnahme. Was heißt das, daß das Brot, das vom Himmel gekommen ist, sein Fleisch sei, und daß man dadurch, daß man dieses sein Fleisch ißt und sein Blut trinkt, Leben habe, oder, wenn man das unterläßt, kein Leben habe? Wundert es uns, daß die Juden untereinander zankten und sprachen: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ (Vers 52) Viele seiner Jünger sagten: „Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören?“ (Vers 60) Was will Jesus damit sagen, daß er das Brot, vom Himmel gekommen, sein Fleisch nennt, das gegessen werden muß, und sein Blut, den wahren Trank, der getrunken werden muß? Daß die Juden das nicht verstehen konnten, ist erklärlich. Selbst viele aus seinen Jüngern konnten auf sein Wort nicht eingehen und es annehmen, und sie empfanden es als eine harte Rede, bis sich zuletzt Jesus an die Zwölfe wendet und fragt: „Wollt ihr nicht auch weggehen?“ (Vers 67) Diese Frage Jesu führte dazu, daß Petrus das Zeugnis ablegte: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, daß du bist der Heilige Gottes.“ (Vers 68-69) Trotz diesem klaren Zeugnis sind die Zwölfe noch weit davon entfernt zu erkennen, was er mit der Aufforderung, sein Fleisch zu essen Seite 33 und sein Blut zu trinken, sagen will, um es dann auch tun zu können. Wir finden zwar, daß Petrus durch dieses Zeugnis eine andre Stellung offenbart als etwa Judas Ischariot, der sicher schon zu jener Zeit einen gewissen Widerstand hatte. Doch für das Geheimnis dessen, was es heißt, Jesu Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken - dafür hatte auch Petrus noch keinen Sinn. Und Judas Ischariot hatte später dafür Sinn, für dreißig Silberlinge das Fleisch und Blut des Menschensohnes zu verhandeln! Fehlt uns nicht auch der Sinn, Gott und Göttliches aufzunehmen, solange wir auf dem Boden von Fleisch und Blut stehen? Wieviel möchten wir von Gott haben, um Jesum, den Sohn Gottes, nachzuahmen! Wie gern hört man das Wort Gottes; aber man freut sich nicht darüber, daß Christus in uns die Hoffnung der Herrlichkeit sei, sondern man - 22 - Johannes-Evangelium Teil 5 möchte schon erfüllte Herrlichkeit sein! Wie gern möchte man so leben, wie Jesus gelebt hat, man würde alles tun, um sein Fleisch und Blut bis zur Sündlosigkeit zu verbessern! Das wäre dann die ersehnte Herrlichkeit. Jesus hat das Essen seines Fleisches und das Trinken seines Blutes mit den wenigen, einfachen Worten erklärt: Wer das tut, der bleibt in mir und ich in ihm. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir. - Wir beschäftigen uns meist mehr mit dem, daß er in uns sein und bleiben möchte, als mit dem, daß wir in ihm sind. Zuletzt haben wir uns so weitgehend ans Wort Gottes gewöhnt, daß wir uns einreden, er sei in uns - ohne die im Wort gegebene Grundlage des In-ihmSeins zu kennen und daran zu glauben. Aber da sind Erkenntnis und Erfahrung lange Zeit grundverschieden, und man braucht fast sein ganzes Leben lang, diese beiden Seiten - Jesus in seinem Wesen des Geistes und sich selbst in seinem praktischen Verhalten - auseinanderzuhalten. Aber das richtige Ergebnis von dem, daß das Kind Gottes Jesu Fleisch ißt und sein Blut trinkt, bleibt gewöhnlich aus; da es zuerst etwas für sich und sein Fleisch haben möchte, kommt es gar nicht dazu, den Sinn dessen zu studieren, was es heißt, das Fleisch Jesu zu essen, sein Blut zu trinken und kennenzulernen, was Jesus überhaupt damit sagen will. Fassen wir erst einmal die Tatsache, daß Jesus durch diese Forderung bis ins Mark und Bein der Menschen hineingedrungen ist und damit eine Scheidung bewirkt hat, die bis in die Reihen seiner Jünger ging und sogar den Kreis der Zwölfe erfaßt hat! Das Entscheidende liegt in dem Sinn der Worte Jesu: „ … wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch.“ (Vers 53) Da sich seine Jünger über diese Forderung aufregten und ärgerten, ist es sicher von großer Wichtigkeit für Kinder Gottes aller Zeiten, Seite 34 sich gerade über diesen Punkt die notwendige Klarheit zu verschaffen. Es kann sich ja nur darum handeln, daß man richtig an ihn glaubt Das An-ihn-Glauben ist einfach; dem stimmen alle Kinder Gottes zu. Die andere Forderung, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken, lassen sie in ihrer Glaubensstellung beiseite. Zwischen den beiden Forderungen ist aber kein Unterschied. Ein solcher Unterschied ergibt sich nur aus der Stellung, die die Menschen zu Jesu einnehmen. Die einen meinen den Glauben zu haben, von dem Jesus redet. Wer aber so glauben will, daß er ewiges Leben bekommt, der muß sein Fleisch essen und sein Blut trinken, erst dann hat er ewiges Leben. Jesu Fleisch essen und sein Blut trinken heißt nicht, es im Leben immer schön und gut haben. Wenn wir sein Fleisch essen und sein Blut trinken wollen, müssen wir aufhören, immer nur über die Pflege unseres Fleisches nachzusinnen! Wenn wir ein Heilmittel wüßten, unser Fleisch und Blut in der rechten Ordnung zu halten so, wie es uns gefällt, würden wir sicher alles dafür aufwenden, was uns zur Verfügung steht. Beschäftigen wir uns überhaupt in unserem Leben mit etwas anderem als mit unserem Fleisch und Blut? Haben wir unsern Sinn auf etwas anderes gerichtet als auf die - 23 - Johannes-Evangelium Teil 5 Interessen, die unsre Person angehen? Unser Leben ist gewöhnlich mit dem ausgefüllt, was unsre eigene Person betrifft, und diese Person ist in unsern Augen größer als die ganze Welt. Aber wir sind doch so fromm veranlagt, wir möchten gern, daß der Hans, der Fritz, die Ida selig würden. Ich möchte aber ein Kind Gottes sehen, das seine Krone der Herrlichkeit mit Freuden dem andern überläßt. Das wäre missionarisch gehandelt im Sinne Moses: „ … vergib ihnen doch ihre Sünde; wo nicht, so tilge mich aus deinem Buch, das du geschrieben hast!“ (2.Mos.32,32) Paulus möchte von Jesu Christo verbannt werden um seiner Brüder willen, die seine Verwandten nach dem Fleisch sind (Röm.9,2-4). Sind wir so gesinnt? Haben wir über die Länge unseres eigenen Leibes hinaus noch viele ernsthafte Interessen? Überlegen wir uns das nur einmal, dann werden wir herausfinden, was es bedeutet, das Fleisch Jesu zu essen und sein Blut zu trinken, das heißt, im wahren biblischen Sinn an ihn zu glauben. Dieses Fleisch und Blut ist am Kreuz gestorben, begraben worden und vergangen. Sein Fleisch essen und sein Blut trinken hat den Sinn, so an Jesus zu glauben, daß man weiß und festhält, daß man durch seinen Tod und sein Grab der natürlichen Ordnung nach vergangen ist. Dadurch wird man von der sichtbaren Welt innerlich gelöst, so daß man keine Sorgen, keine Interessen mehr für sein eigen Fleisch und Blut hat. Seite 35 Das heißt natürlich nicht, daß man nicht mehr zu essen und zu trinken brauche, daß der Faulenzer nicht mehr arbeiten müsse und ein leichtes Leben haben könne. Der Gedanke, daß das Kind Gottes durch den Glauben nur etwas für sein praktisches Leben herausholen könne, liegt in den Worten Jesu nicht. Wer so etwas erwartet, hat nur die natürliche Ordnung im Auge und beweist, daß er vom wahren Glauben an Jesum Christum, vom Essen von der wahren Speise durch Essen seines Fleisches und vom Trinken des wahren Trankes, seines Blutes, gar nichts verstanden hat. Wer aber darauf eingehen will, was es bedeutet, daß Jesus in unserem Fleisch lebte, in unserem Fleisch starb und in unserem Fleisch von Gott aus den Toten auferweckt wurde, der kommt der sichtbaren Welt gegenüber in ein solches Verhältnis, daß er die Faustschläge des Fürsten dieser Welt, so wie Jesus und seine treuesten Diener, zu fühlen bekommt. __________ Seite 36 Das Bleiben in Jesu Christo durch das Essen seines Fleisches und durch das Trinken seines Blutes „Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der bleibt in mir und ich in ihm.“ (Vers 56) Um verstehen zu können, was es heißt, dadurch in Christo Jesu zu bleiben, daß man das Fleisch des Menschensohnes ißt und sein Blut trinkt, ist es nötig, sich mit dem vertraut zu machen, was Jesus im Fleisch darstellt und was durch seine Fleischwerdung und seine Auferstehung aus den Toten zustande gekommen ist. - 24 - Johannes-Evangelium Teil 5 All den vielen Millionen Menschen, die sich ernsthaft Christen nennen, ist es bekannt, was Jesus im Fleisch darstellt und was er vollbracht hat - wenigstens als rein geschichtliche Tatsache. Jeder Christenmensch, der sich einigermaßen an das Wort Gottes hält, kennt die Tatsache, daß das Wort Fleisch wurde, indem Jesus von der Jungfrau Maria geboren wurde, und daß er seinen Leib als Sühnopfer für die Menschen ans Fluchholz getragen und in den Tod gegeben hat. Ebenso weiß man, daß Gott Jesum aus dem Tod auferweckt hat und daß er nach vierzig Tagen gen Himmel gefahren ist. Wenn nun jemand diese Tatsachen nach der allgemein üblichen Erkenntnis über das in Christo Jesu offenbarte Heilswalten Gottes glauben will, dann müßte das für ihn schon Grund genug sein, sich ernstlich mit dem tieferen Sinn vom Essen des Fleisches des Menschensohnes und vom Trinken seines Blutes zu befassen. Aber Satan hat es in seiner List fertiggebracht, das Wort Gottes unter den Kindern Gottes zu verdrehen, so daß es dem Willen und Ratschluß Gottes nicht mehr entspricht. Satanischer Einfluß hat dahin geführt, daß Menschen sagen, das Brot, das sie beim Abendmahl genießen, werde auf geheimnisvolle, mystische Weise in das Fleisch und der Wein in das Blut Jesu umgewandelt. Man meint, man erfülle das Wort dadurch, daß man am Tisch des Herrn Brot ißt und Wein trinkt, in Wirklichkeit aber doch nicht Brot und Wein genieße, sondern beides umgewandelt als das Fleisch und Blut Jesu zu sich nimmt. Wenn man dem in der Schrift offenbarten Willen Gottes nicht folgt, indem man von der Naturordnung des Fleisches, als der Ordnung der Geburt aus dem Geblüt, aus dem Willen des Fleisches und aus dem Willen des Mannes nicht auf die göttliche Geistesordnung übergeht, d.h. auf die Geburt aus Gott und Geist, so läuft man fehl. Nur wenn diese beiden Seiten unterschieden werden, kann das Wort Seite 37 Gottes recht verstanden werden. Bleibt man auf dem Boden der Naturordnung stehen, dann ist man für die satanischen Einflüsse offen und deutet das Wort Gottes immer willkürlich nach irgendeiner menschlichen Form. Was heißt es nun aber, in Jesu Christo zu bleiben, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken? Wie macht man das praktisch? Es ist im Grund einfach, theoretisch darüber Klarheit zu erlangen. Das Fleisch und Blut, das Jesus am Kreuz in den Tod gegeben hat, ist nach der Schöpfungsordnung das Fleisch und Blut jedes Menschen. Alle Menschen auf der Erde sind ein Fleisch und Blut. Wir haben das Bild dafür in einer Familie, wo Mann und Weib, sobald sie zusammengehören und zusammen leben, in Gottes Wort „ein Fleisch“ genannt werden (Eph.5,31). Ihre Kinder sind ihnen als ihr eigenes Fleisch und Blut bekannt, das merken sie bereits an der Eigenart ihrer Kinder. Von der Stammlinie aus verzweigen sich die Äste und Zweige, bis die ganze Menschheit, von Adam an, umfaßt ist. Wer ist somit mein Nächster? Das ist mein Vater, meine Mutter, mein Bruder, meine Schwester, das sind alle Verwandten, kurz alle, die mein Fleisch und Blut tragen. Zuletzt landen wir bei Adam und Eva. Alle Menschen sind miteinander verwandt, sie bilden eine große Familie. Es ist für uns selbstverständlich, daß Vater, Mutter und Kinder ein Fleisch sind. Wir wollen es aber nicht verstehen, daß ein anderer dasselbe Fleisch wie wir trägt, sonst würden wir ihn nicht schief ansehen und ihm nicht - 25 - Johannes-Evangelium Teil 5 alles übelnehmen, was uns nicht gerade paßt. Wir würden uns dann selbst besser erkennen und zugeben, daß der Teufel, der im Fleisch des andern wirksam ist, auch im eigenen Fleisch steckt, weil dieses Fleisch nun einmal sein Betätigungsboden ist dadurch, daß es unter die Sünde verkauft ist (Röm.7,14-23). Man hätte viel weniger Aufregung und Schwierigkeiten in den Verhältnissen, in denen man gerade lebt, wenn man sich sagen würde: Halt, das ist ja mein Fleisch! Man kommt dann zu dem Ergebnis: Was der erste Adam trug, tragen alle Nachkommen Adams bis zu dem letzten Adam. Was der eine ist, stellt auch der andere dar. Alle Menschen stammen dem Fleische nach von dem ersten Adam ab, also auch der letzte Adam (1.Kor.15,45). In dem Menschensohn Jesu Christo ist dadurch die ganze Welt gerettet, daß er durch seinen Tod den alten Menschen beseitigt und durch seine Auferstehung einen neuen Menschen hervorgebracht hat. Wenn wir es also sehen wollten, daß alle Menschen zusammen eine große Familie bilden, würde kein Kind Gottes an den Schwächen seiner Schwester, seines Bruders so Anstoß nehmen, daß es seine Geschwister kritisiert oder sich gar von ihnen abwendet; denn es müßte ja in den Verfehlungen seiner Geschwister nur den Zustand seines eigenen Fleisches sehen. Seite 38 Wenn es aber so ist, daß man das Fleisch Jesu als das Fleisch jedes einzelnen Menschen ansehen muß, und daß sich Jesus nicht schämte, uns Menschen seine Brüder zu nennen (Hebr.2,11-14), dann fangen wir doch einmal an, uns mit dieser Tatsache gründlich auseinanderzusetzen! Wenn jeder das Fleisch und Blut des andern als sein eigenes sehen wollte, dann würde man zu dem, was man beständig vor Augen hätte, sagen: Das bin ich. Die Frau hat immer am Mann etwas auszusetzen und der Mann an der Frau, jeder ärgert sich über die Schwachheiten des andern. Alle Streitigkeiten kommen daher, daß jeder im andern etwas anderes sieht als sich selbst. Stellt euch vor, welch wunderbare Harmonie es wäre, wenn jeder den andern so sehen würde wie sich selbst! Dann wäre keiner schlecht. Keiner hätte am andern etwas auszusetzen. Dann wäre jedem der andere gerade recht. Jeder, der am andern etwas auszusetzen hat, tut es in der Überzeugung, daß er selbst besser sei. Er weiß nicht, daß es bei ihm selbst oft schlimmer aussieht als beim andern. Sonst würde er denken: Halt! Sei still! Es bekommt dir schlecht, wenn du dich dagegen auflehnst. Aber nun die praktische Seite: Lernen wir einmal, in Jesu jedermanns Fleisch und Blut zu sehen, so wie es die Schrift bezeugt. Dann muß das, was durch Jesum zustande gekommen ist, jedermann gelten, und zwar deshalb, weil es in 2.Kor.5,14 heißt: „ … wenn einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben …“ (2.Kor.5,14) Wenn das die Schrift sagt, dann müssen wir es stehenlassen, daß einer alle darstellt, daß in dem einen Menschensohn Jesu Christo, als dem letzten Adam, alle eingeschlossen sind, daß das, was durch ihn geschehen ist, für alle gilt. Dann Hände weg vom andern, damit wir nicht in einer falschen Einstellung zur Schrift sind, die dem, was Jesus vollbracht hat, nicht entspricht, sonst bleiben wir nicht in ihm! - 26 - Johannes-Evangelium Teil 5 Aber nun lernen wir es praktisch anzuwenden. Wenn wir gefehlt, gesündigt haben, möchten wir herzlich gern in Jesu bleiben. Wir möchten dann, wenn unser Gewissen belastet ist, mit der Tatsache rechnen, daß wir in Christo Jesu unverklagbar vor dem Vater sind. Aufgrund dessen, daß wir in Christo Jesu mitgestorben (Röm.6,6), mitbegraben (Röm.6,4), mitauferstanden (Eph.2,5-6) und mitversetzt sind in das Himmlische (Eph.2,6), muß auch das, was Schuld ist, vor Gott beseitigt sein. Wenn Menschen sich in ihm wissen, mag in ihrem Leben vorkommen, was da will: Weil Gott den Menschen trotz seiner Schuld in Jesu Christo, dem Auferstandenen, sieht, ist für ihn alle Schuld beseitigt. Es kommt hierbei nicht auf unsre Erkenntnis und unsern Glauben an, es kommt hier wirklich nur auf die Seite 39 Gottestat, auf sein Werk an, wo Gott selbst sich zu seinem Werk der Erlösung in Christo Jesu stellt. Wenn Gott in seinem Sohn die menschliche Schuld für alle Geschöpfe für Zeit und Ewigkeit gesühnt, getilgt und beseitigt hat, indem er den sündigen Leib der Menschen in ihm ans Fluchholz gebracht hat, kann er nie in Jesu Christo, als dem Vertreter der mit Gott versöhnten Menschheit, Schuld sehen. Das ist völlig ausgeschlossen. Dem könnte man entgegenhalten, das gebe uns einen Freipaß, und wir können nun unbeschwert drauflossündigen! Wie lange wird ein solcher Freipaß Gültigkeit haben? Wann kommen wir zur Einsicht und kehren wieder um? Sobald uns unser Gewissen richtet! Wer wirklich glauben will, muß umkehren. Ein Sünder, der reumütig umkehrt, kann aber unmöglich mutwillig weiter sündigen. Wenn er nun aufrichtig Buße tut, wird er von Gott aufgenommen. Wie ist es aber beim zweiten, dritten, vierten, fünften Mal usw.? Darf man dann nicht mehr kommen? Oder gilt für alle Zeiten die Verheißung, daß niemand, der zu Gott kommt, hinausgestoßen wird? Man kann siebzigmal siebenmal kommen - und auch dann noch! Menschliche Einwände sind hinfällig. Wenn wir Menschen geneigt sind, eine von Gott gegebene Ordnung zu übertreten, dann kann Gott auch warten, bis wir wieder kommen. Gott ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit (Hebr.13,8). Er hat auch Zeit zum Warten, bis wir aufgrund unserer gemachten Erfahrungen gern wieder zu ihm kommen. Denken wir nicht, daß wir auf eine andre Weise, als sie der göttlichen Ordnung entspricht, Besseres erreichen könnten als durch unbedingte Glaubensstellung zu Gott und zu seinem vollbrachten Werk. Diese Gehorsamsstellung nimmt jedes aufrichtige Kind Gottes seinen Sünden gegenüber gewiß gern ein, indem es sich immer wieder an das Opfer anklammert. Aber nun richten wir unsern Blick auf andre Gebiete. An Nahrung, Kleidung und Obdach fehlt es uns ja nicht. Aber wie würden wir uns verhalten, wenn wir hungern müßten oder keine Kleider und kein Obdach hätten? Das wissen wir darum kaum, weil wir noch nicht ernsthaft in solcher Lage waren. Ein anderes Gebiet ist uns erfahrungsgemäß besser bekannt: die Gesundheit des Leibes. Es ist zwar im Wesen kein Unterschied zwischen dem, ob ich krank wäre oder hungern und frieren müßte, oder ob ich kein Obdach und kein Bett zum Schlafen hätte. Aber die Krankheit ist nun einmal die Erfahrung, die uns allen am besten bekannt ist. - 27 - Johannes-Evangelium Teil 5 Trotz der Unterschiede in bezug auf das, was sich der Mensch auf dieser Erde bieten und leisten kann - eine Erfahrung machen alle Menschen durch: die Krankheit. Gewiß gibt es auch da wieder Unterschiede - der eine leidet schwer und lange unter seinen Seite 40 Krankheitserfahrungen, der andere leichter und weniger anhaltend. Auch gibt es im Krankenhaus verschiedene Klassen; aber wenn es einmal gilt, sich auf den Operationstisch zu legen, dann machen auch die Klassenunterschiede nichts mehr aus. Was für eine Stellung nehmen wir in solchen Krankheitserfahrungen ein? Wir reden jetzt von diesem einen Gebiet als Illustration für alle Gebiete, die unser irdisches Leben ausmachen. Fällt es uns in der Krankheit ebenso leicht, in Christo zu bleiben, wie wir es der Schuld gegenüber tun können? Bei der Schuld wissen wir ganz genau, was es für uns bedeutet, daß wir einen Bergungsort in Jesu, in seinem Opfer und seiner Auferstehung haben. Wir wissen, daß diese Bergung uns Frieden und Freude und einen hoffnungsvollen Ausblick gibt - trotz aller Verschuldung. Wir sind bald wieder obenauf. Der Gerechte fällt siebenmal und steht wieder auf (Spr.24,16). Sind wir bei einer Leibesstörung auch so schnell wieder obenauf? Oder liegen wir ebensolange wie die andern und stehen, wie alle andern, erst wieder auf, wenn es besser geht? Da sehen wir den Unterschied zwischen der inneren Stellung in den Erfahrungen, in denen man einigermaßen geschult und gegründet ist, und den Erfahrungen des Alltagslebens, die bedeutend schwerer für uns zu tragen und zu überwinden sind. Was heißt es nun: das Fleisch Jesu zu essen und sein Blut zu trinken? In allen Lagen, in allen alltäglichen Erfahrungen immer dieselbe Stellung zu Jesu Christo einnehmen, wie man sie der Schuld gegenüber einnimmt, weil in ihm am Kreuz der alte Mensch, der Sündenleib, vergangen und in seiner Auferstehung ein neuer Leib geworden ist - das heißt das Fleisch Jesu essen und sein Blut trinken! Es ist kein Unterschied im Opfer Jesu in bezug auf die menschliche Schuld und in bezug auf die Leiden am Fleisch. Die äußeren Leiden sind im Opfer Jesu genauso behoben wie die innere Not. Es gibt nicht ein Opfer Jesu für die innere Not des Menschen, das nicht zugleich auch das Äußere des Menschen einschließen würde. Es ist nicht so, daß für die inneren Nöte das Opfer da ist und man für die äußeren Leiden eine besondere Hilfe durch göttliches Eingreifen und das Aufgerichtetwerden in Krankheit auf wunderbare Art und Weise erfahren müßte. So darf das Essen des Fleisches und das Trinken des Blutes Jesu nicht verstanden werden. Wir würden dann das „In-ihm-Bleiben“ umgehen. Was liegt uns in Leibesnöten näher: auf Jesum zu sehen oder auf unsern kranken Leib zu blicken, auf das Fleisch und Blut Jesu oder auf unser eigenes Fleisch und Blut? Und doch ist beides eines, nur daß in seinem Kreuzestod der alte Leib abgelegt und in seiner Auferstehung der neue Mensch hervorgebracht ist. Wenn Gott es in seinem Ratschluß so bestimmt hat, daß dieses Fleisch zugrunde gehen soll, so geschieht das doch nur um des inneren Menschen willen, damit er in Seite 41 - 28 - Johannes-Evangelium Teil 5 der Stellungnahme zu Jesu von Tag zu Tag erneuert werde (2.Kor.4,16-18). Das Innere und das Äußere gehören zusammen; so wie im Natürlichen Essen und Trinken, also die Speise, zur Leibespflege dienen muß, so ist es auch im Geistigen. Der Leib muß zur Geisteserhaltung, zur Geistespflege dienen, bis er in das göttliche Ebenbild umgewandelt wird. So kommt es nicht darauf an, ob der Leib gesund oder krank ist. Gewisse Leute haben den Ausspruch geprägt: „Ein gesunder Geist kann nur in einem gesunden Leib wohnen.“ Für Kinder Gottes muß es aber anders aussehen: Ein gesunder Geist kann auch in einem kranken Leib wohnen. Wenn der Geist gesund sein soll, kann der Leib krank sein; gerade dann ist dem Menschen die beste Möglichkeit für die Gesundung des Geistes gegeben. Im kranken Leib hängt sich der Geist leichter an Gott als im gesunden. Im gesunden Leib ist er versucht, sich an das Fleisch zu hängen. Das kann Gott dem Geist abgewöhnen dadurch, daß er das Fleisch krank und siech werden läßt Deshalb sagt Paulus, daß wir den Schatz vom Licht der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu in einem irdenen Gefäß tragen (2.Kor.4,7), damit wir in diesem Zustand lernen, daß die Kraft, die unserem Geist beständig von Gott zuströmen muß, nie von uns kommt. Deshalb werden wir allenthalben bedrängt, aber nicht erdrückt; wir kommen in Verlegenheit, aber nicht in Verzweiflung; wir werden verfolgt, aber nicht verlassen; wir werden niedergeworfen, kommen aber nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe herum, nur zu dem Zweck, daß das Leben an unserem sterblichen Leib offenbar werde. Wir, die wir leben, werden immerdar dem Tode preisgegeben um Jesu willen, auf daß das Leben Jesu an diesem sterblichen Leib offenbar werde (2.Kor.4,7-11). Auf diese Weise läßt Gott, wenn es nötig ist, den äußeren Menschen zugrunde gehen, damit der innere von Tag zu Tag erneuert wird. In diesem Lichte müssen die Trübsale, die zeitlich und leicht sind, gesehen und verstanden werden (Röm.8,18; 2.Kor.4,17). Wenn uns Gottes Wort das nicht sagte, dann würden wir es nicht glauben. Denn wer von uns möchte sagen, daß die Trübsale, selbst wenn sie zeitlich sind, auch leicht seien? Wer kann das sagen, wenn er selber darin steckt? Weil aber die Trübsale die über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit bewirken, und zwar den Kindern Gottes, die geübt sind, nicht auf das Sichtbare zu sehen, sondern auf das Unsichtbare, und die somit zu unterscheiden vermögen zwischen dem SichtbarZeitlichen und dem Unsichtbar-Ewigen (2.Kor.4,16-18) - darum können sie das von Paulus niedergelegte Zeugnis verstehen und ihm zustimmen; denn Seite 42 wenn die Trübsal zeitlich ist, dann ist sie auch leicht im Vergleich zu dem, was sie bewirken muß, nämlich die über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit. Die Frucht, die sich aus der Trübsal ergibt, ist ewig. Im Verhältnis zur Ewigkeitsfrucht ist auch alles, was in diesem Fleisch getragen werden muß und getragen werden kann, leicht. Es ist und bleibt doch so: „Wie der Tag, so die Kraft!“ Legt uns der ewige Gott eine Last auf, so hilft er sie auch tragen (Ps.68,29). - 29 - Johannes-Evangelium Teil 5 Was immer im Alltagsleben im Fleisch und Blut von uns erfahren wird, dient nur zur Übung. Wir sollen es lernen, uns beständig in Jesu Christo zu wissen und in ihm zu bleiben. Es soll in unsrem Leben nichts geben, was eine andre Wirkung hat als die Erkenntnis darüber, daß wir in Jesu sind, und den Glauben daran zu festigen und zu vertiefen, zu wurzeln und zu gründen. Das ist von den Jünglingen gesagt. Sie haben den Bösewicht überwunden, weil das Wort Gottes in ihnen bleibt. Deshalb sind sie stark (1.Joh.2,13-14). Damit ist gesagt, daß man im Jünglingsalter so entwickelt und ausgereift ist, daß man durch Essen seines Fleisches und durch Trinken seines Blutes in Jesu Christo bleibt, so daß es in keiner Beziehung eine Erfahrung gibt, die dieses Bleiben in ihm anders beeinflussen könnte, als es zu vertiefen. Trotz aller alltäglichen Erfahrungen müssen wir es sehen, daß das Fleisch und Blut durch Jesum am Kreuz gestorben ist und begraben wurde, daß Gott es unverweslich auferweckt hat und Jesus es in seiner Herrlichkeit zur Rechten Gottes darstellt, bis er es an uns in der Leibesverwandlung für Zeit und Ewigkeit offenbarmachen kann. Aber die Grundordnung muß erfaßt und im Glauben festgehalten werden, daß das Fleisch Jesu mein Fleisch und mein Fleisch sein Fleisch ist! Dann kann ich in Nöten des Leibes und in Trübsalen versucht sein auf alle Art und Weise, die Schmerzen können mich zeitweise quälen, seelische und geistige Bedrängnisse können mich übermannen es bleibt mir dennoch die Erkenntnis, daß ich in ihm bin, und darum will ich es auch glauben, daß mich Jesus in seiner Gerechtigkeits- und Lebensfülle in seinem Auferstehungsleib darstellt. Es gilt für Zeit und Ewigkeit, daß sein Fleisch mein Fleisch und mein Fleisch sein Fleisch ist. Gott ist damit fertiggeworden. Da kann man nichts anderes machen, als sich einzig nur zu der Tatsache dieser Gottesordnung zu stellen. Wir sind durch die Auferstehung Jesu Christi aus dem Tode wiedergeboren, wir sind in Christo eine neue Schöpfung, eine neue Ordnung. Was bis zur Offenbarung dieser neuen Ordnung für die Schulung unseres Geistes und unseres Glaubens an Jesum Christum nötig ist, das reicht der Vater seinen Kindern, der treue Meister und das Haupt den Gliedern seines Leibes in wunderbarer Vollkommenheit Tag für Seite 43 Tag dar. Wir haben nun einzig die Aufgabe, ständig in ihm zu bleiben, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken. Das ist eine praktische Aufgabe, die von morgens früh bis abends spät bewältigt werden muß. Erfüllt man diese Aufgabe, dann wird man als Gotteskind - auch wenn man im Glauben angefochten wird - nicht im Unglauben verharren. Man wird vielmehr immer wieder als Kind seines himmlischen Vaters seine Glaubensstellung in Christo einnehmen. Verstehen wir nun ein wenig von dem, was es bedeutet, das Fleisch Jesu zu essen und sein Blut zu trinken? Dann können wir unserem Fleisch nicht jeden Wunsch erfüllen und nicht jeder Empfindung des Fleisches Rechnung tragen, dann müssen wir es vielmehr dem Fleisch gegenüber festhalten, daß es gestorben ist, begraben wurde und nicht mehr existiert, weil wir Menschen in ihm, dem aus den Toten Auferstandenen, für alle Ewigkeit eine neue Schöpfung geworden sind. - 30 - Johannes-Evangelium Teil 5 ________ Seite 44 Die Wirkung des Wortes Gottes und die Stellungnahme der Menschen zu diesem Wort „Solches sprach er, als er in der Synagoge zu Kapernaum lehrte. Viele nun aus seinen Jüngern, als sie solches hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? Da aber Jesus bei sich selbst merkte, daß seine Jünger darüber murreten, sprach er zu ihnen: Aergert euch das? Wie denn, wenn ihr sehen werdet des Menschen Sohn dahin auffahren, wo er zuvor war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt gar nichts. Die Worte, die ich zu euch rede, sind Geist und Leben. Aber es sind etliche unter euch, die nicht glauben. Denn Jesus wußte von Anfang, wer die seien, die nicht glaubten, und welcher ihn verraten würde. Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben! Von da an traten viele seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit ihm. Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr nicht auch weggehen? Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, daß du bist der Heilige Gottes! Jesus antwortete ihnen: Habe ich nicht euch Zwölfe erwählt? Und aus euch ist einer ein Teufel! Er redete aber von Judas, Simons Sohn, dem Ischariot; denn dieser sollte ihn hernach verraten, einer aus den Zwölfen.“ (Joh.6,59-71) Das lebendige Wort Gottes wirkt in den Herzen der Menschen die Scheidung zwischen Glauben und Unglauben In diesen Zeugnissen, die der Evangelist Johannes niedergeschrieben hat, ist in besonderer Weise von der Wirkung die Rede, die Jesu Worte bei seinem Volk und auch bei seinen Jüngern hatten. Dieselbe Wirkung, die die Worte Jesu damals hatten, als er sie aussprach, hat das Wort Gottes fort und fort, bis zur gegenwärtigen Stunde. Es ist dasselbe Wort, ob wir es im Zeugnis der Heiligen Schrift vor uns haben, ob es aus dem Munde Jesu stammt, oder ob es von den Wundern und Zeichen berichtet, die in den Tagen, als Jesus auf dieser Erde wandelte, geschehen sind. Die Wirkung des Wortes ist dieselbe: zuallererst Scheidung! Und die verschiedenartige Stellung, die die Menschen zum Wort Gottes einnehmen, ist auch unverändert. Der Apostel schreibt den Hebräern über die Wirkung des Wortes: „ … das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens; und keine Kreatur ist vor ihm verborgen, Seite 45 es ist vielmehr alles bloß und offen vor seinen Augen, und mit ihm haben wir es zu tun.“ (Hebr.4,12-13) Das ist immer die Wirkung des Wortes Gottes: es scheidet bis ins Innerste, Seele und Geist, auch Mark und Bein, es richtet die Gedanken und Sinne des Herzens durch und durch, so daß die Stellung des Menschen zu Gott aufgrund seines Wortes im Glauben an Jesum oder im Unglauben offenbar wird. Die Stellung zum Sohne Gottes, die das Wort bei den Menschen bewirkte, war in den Tagen Jesu ganz verschieden, und so ist es zu allen Zeiten. Aber im Umgang mit Jesu - 31 - Johannes-Evangelium Teil 5 wurde keine Unklarheit, keine Vermischung zwischen Glauben und Unglauben geduldet, nicht einmal zwischen Glauben und Glauben. Wir können z.B. weder Johannes dem Täufer, noch der Mutter Jesu, noch Nikodemus, dem Lehrer Israels, den Glauben an Jesum, den Sohn Gottes, absprechen. Aber es war noch nicht der seligmachende Glaube an Jesum. Bleiben wir bei der Tatsache stehen, daß Jesus selbst auf der Hochzeit zu Kana ganz gründlich zwischen seiner eigenen und der Stellung seiner Mutter unterschieden hat. Ebenso deutlich ist der Unterschied zwischen Johannes dem Täufer und Jesu offenbargeworden. Johannes anerkannte den Bräutigam in seinem Verhältnis, das er zur Braut hatte, kümmerte sich aber nicht um das Verhältnis, das die Braut zum Bräutigam haben soll; er begnügte sich damit, ein Freund des Bräutigams und der Braut zu sein. Und Nikodemus, ein Lehrer Israels, hat aus Jesu Mund deutlich genug vernehmen müssen, daß, wer nicht aus Wasser und Geist, wer nicht von neuem geboren ist, nicht ins Reich Gottes eingehen kann. Jesus sagte zu ihm: „Ihr nehmt unser Zeugnis nicht an!“ (vgl.Joh.3,11) Genauso klar und bestimmt bezeugt er es jetzt seinen Zuhörern: „ … ich habe es euch gesagt, daß ihr mich gesehen habet und doch nicht glaubet.“ (Vers 36) Je deutlicher Jesus Zeugnis von sich ablegte, um so klarer wurde die Gegenstellung des Volkes ihm gegenüber offenbar. Sie sagten: „Ist dieser nicht Jesus, Josephs Sohn, deß Vater und Mutter wir kennen?“ (Vers 42) Zuvor hatte Jesus bezeugt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, nicht Moses hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot Gottes ist dasjenige, welches vom Himmel herabkommt und der Welt Leben gibt.“ (Vers 32-33) Seite 46 Daraufhin baten die Jünger, wie vordem schon die Samariterin: „Herr, gib uns allezeit dieses Brot!“ (Vers 34) Sie erinnerten sich natürlich an das Brot, das sie wenige Stunden vorher gegessen hatten, wobei fünftausend Männer von fünf Gerstenbroten und zwei Fischen satt geworden waren. Das Verlangen des Volkes nach dem von Jesu bezeugten Brot vom Himmel ließ aber sofort nach, als Jesus zu ihnen sagte: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Vers 35) Dazu brauchte er ihnen nur noch zu sagen: „Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel herabgekommen. Wenn jemand von diesem Brot ißt, der wird in Ewigkeit leben; und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“ (Vers 51) Diese Worte bewirkten noch vermehrten Widerstand, und sie sagten: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ (Vers 52) Darauf antwortete Jesus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage. Denn mein Fleisch ist eine wahre Speise, und mein - 32 - Johannes-Evangelium Teil 5 Blut ein wahrer Trank. Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat, und auch ich um des Vaters willen lebe, so wird auch, wer mich isset, um meinetwillen leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist; nicht (daß man es esse) wie eure Väter das Manna gegessen haben und sind gestorben: Wer dieses Brot isset, der wird leben in Ewigkeit!“ (Vers 53-58) Diese Worte bewirkten eine noch gründlichere Scheidung. Gründlicher kann sie gar nicht erfolgen. Denn jetzt reicht diese Scheidung bis in die Reihen der Jünger Jesu hinein. Jetzt sind es nicht nur die Juden im allgemeinen, die als die Vertreter der mosaischen Gesetzesordnung an seinem Verhalten Anstoß genommen hatten, weil er am Sabbat einen achtunddreißig Jahre lang Krankgewesenen geheilt und dazu ihn auch aufgefordert hatte, sein Bett zu nehmen und wegzutragen, während doch das Tragen am Sabbat untersagt war. Damals waren es nur die gesetzestreuen Juden, die ihn der Gotteslästerung beschuldigt hatten, weil er, ungeachtet dessen, daß sie seinen Vater Joseph, seine Mutter Maria und seine Schwestern kannten, gesagt hatte, Gott sei sein Vater. Seite 47 Die Lehre Jesu vom Brot des Lebens, vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes wirkte auch in seinem Jüngerkreis die Scheidung zwischen Glauben und Unglauben Als Jesus dann von sich selbst das Zeugnis ablegte, er sei das wahre Brot vom Himmel, und als er dazu noch die weitere Erklärung gab, daß dieses Brot sein eigenes Fleisch sei, das man essen, und sein Blut der wahre Trank sei, den man trinken müsse (Vers 51), waren selbst die Menschen, die Jesum zu seinen Jüngern gemacht hatte und die in seine Nachfolge getreten waren, befremdet. Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken geben? So mögen sie fassungslos gefragt haben. Sie konnten zwar alle Tage ihre Opfer bringen und das Opferfleisch der Opfertiere essen; sie konnten selbst diese Opfer noch als natürliche Speise zur Erhaltung ihres Leibes betrachten. Wenn nun aber Jesus behauptete, daß man sein Fleisch essen und sein Blut trinken müsse, um dadurch zu beweisen, daß man das vom Himmel gekommene Brot angenommen habe, dann beurteilten viele seiner Jünger seine Worte als harte Rede und murrten darüber. Dieser Tatsache standen sie, trotz dem Glauben, dessen sie sich bis dahin freuten, und obwohl sie durch seine Wunder und Zeichen von seiner göttlichen Sendung und Mission überzeugt worden waren, nun doch als Ungläubige gegenüber. Durch seine Worte, die sie als überspannt beurteilen mußten, wurde alles zertrümmert, was bis dahin in ihrem Vertrauensverhältnis zu Jesu aufgebaut worden war. Von welcher Seite kam dann in der Hauptsache der Widerstand gegen Jesum? Aus den Reihen seiner Jünger! Es heißt hier, daß Jesus zu ihnen sagte: „ … es sind etliche unter euch, die nicht glauben. Denn Jesus wußte von Anfang, wer die seien, die nicht glaubten, und welcher ihn verraten würde.“ (Vers 64) Deshalb sagte er ihnen auch mit klaren Worten: „Habe ich nicht euch Zwölfe erwählt? Und aus euch ist einer ein Teufel!“ (Vers 70) - 33 - Johannes-Evangelium Teil 5 Diese Worte zeigen uns, wo der eigentliche Herd des Unglaubens unter seinen Nachfolgern war, nämlich in den Reihen der zwölf vom Herrn erwählten Jünger. Unter diesen zwölf Jüngern war einer ein Teufel! Die Teufel bzw. die bösen Geister glauben zwar auch, aber zittern dabei! (Jak.2,19). Dieses Zittern im Glauben ist aber gerade der Unglaube des Glaubens, es ist ein zweifelnder, zitternder Glaube, und das ist des Teufels Art. Wer in seinem Unglauben ein wenig gläubig ist, aber in seinem Unglauben verharrt, ohne dafür zu sorgen, daß er aus diesem Unglauben zum wahrhaftigen Glauben kommt, der ist mitten unter den Gläubigen ein Teufel! Sind wir etwa der Meinung, daß es eine geringfügige Seite 48 Sache sei, einen Geist des Unglaubens im Gewand des Glaubens zu haben? Den größten Widerstand, dem Jesu begegnen mußte, verursachte Judas, der Ischariot. Die Pharisäer und Schriftgelehrten hätten ihre Absicht, die sie verfolgten, nicht so ohne weiteres ausführen können, wenn sich dieser Judas nicht an ihre Spitze gestellt hätte. Die offenbaren Feinde Jesu nahmen eine klare Stellung ein und ließen es jedermann erkennen, daß sie als Hüter des Gesetzes Todfeinde Jesu waren; aber die Feindschaft des Judas blieb bis zuletzt verborgen; denn er gehörte zum engsten Jüngerkreis Jesu. Von ihm heißt es: „Der mit mir das Brot ißt, hat seine Ferse wider mich erhoben.“ (Joh.13,18) Alles, was er gegen Jesum ausführte, tat er im Scheingewand des Glaubens. Bei allem hütete er seinen Platz im Kreis der Jünger Jesu Christi. Auf diesen Unglauben weist Jesus hin, wenn er davon redet, daß etliche unter seinen Jüngern vorhanden seien, die nicht glaubten. Und um diesem Unglauben bis auf die Wurzel zu begegnen, wendet er sich an die Jünger mit der Frage: „Wollt ihr nicht auch weggehen?“ (Vers 67) Wäre Judas in seiner zweifelnden Stellung ehrlich gewesen, dann hätte er gesagt: Ich, von meiner Seite aus, erkläre meinen Austritt aus dieser überspannten Gesellschaft, ich bin doch gesund in meinem Sinn, ich werde kein Menschenfresser! Diesen Mut hat er aber nicht aufgebracht. Er hat sich still verhalten und nichts gesagt, als Petrus das Wort ergriff: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“ (Vers 68) Auf dieses Bekenntnis hin sagt Jesus: „Habe ich nicht euch Zwölfe erwählt? Und aus euch ist einer ein Teufel!“ (Vers 70) Worin besteht die Teufelsart mehr als in der Unaufrichtigkeit, in der Unehrlichkeit, die nicht klar und offen gegen Jesum Stellung nimmt? Ein verkappter Gegner wird nicht erkannt und ist deshalb um so gefährlicher. Diese unaufrichtige Art, wie in der Gesinnung des Judas Versteck zu spielen, zieht sich durch die ganze Gemeinde hindurch und findet ihren Höhepunkt in der Wirkungsart des falschen Propheten, in dem zweiten Tier von Offb.13,11, dem Tier aus der Erde, von dem es heißt, daß es zwei Hörner hat gleich einem Lamm und redet wie ein Drache. Diese Judasgesinnung trägt nach außen hin den Schein der Gottseligkeit, das Wesen und die Kraft aber wird verleugnet. Auch Kinder Gottes, die, wie Judas, im Schein der Gottseligkeit einhergehen, gehen auf das wahre - 34 - Johannes-Evangelium Teil 5 Wesen der Gottseligkeit nicht ein; sie stellen sich nicht zur göttlichen Ordnung, zu dem, was Geburt aus Gott und Geist ist. Deshalb bleiben sie bei dem stehen, Seite 49 was aus dem Geblüt, aus dem Willen des Fleisches, aus dem Willen des Mannes ist, und dünken sich über „unnüchterne Glaubensschwärmerei“ erhaben. Sie können, so wenig wie einst die Jünger Jesu, verstehen, was es bedeutet, das Fleisch und Blut Jesu zu genießen. Es ist anscheinend leichter, Menschenblut zu vergießen als zu genießen. Wenn wir Jesum heute in unserer Mitte hätten, dann müßte er in der gleichen Weise auf diesen Unglauben und auch auf den Teufel in der Mitte der Jünger hinweisen. In der Auseinandersetzung mit den Juden in bezug auf den Geheilten hat Jesus zu ihnen gesagt: „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmt mich nicht an. Wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr annehmen.“ (Joh.5,43) Dieses Zeugnis trifft zu für den falschen Propheten, für das zweite Tier, das Tier aus der Erde, von dem es heißt, daß es zwei Hörner hat gleich einem Lamm und redet wie ein Drache (Offb.13,11). Alle, die nicht so glauben können, wie es die Schrift sagt, werden dem falschen Propheten und seinem Glaubensbekenntnis zum Opfer fallen. Wenn Jesus im Namen seines Vaters kommt, und ein anderer kommt in seinem eigenen Namen, dann ist das Auftreten dieser beiden nach außen hin dasselbe. Wer möchte das Zeugnis Johannes des Täufers vom Zeugnis Jesu unterscheiden? Ihr Zeugnis ist genau dasselbe. Johannes hat die göttliche Ordnung der Erlösung so klar bezeugt wie Jesus. Und doch bestand zwischen ihm und Jesu ein gewaltiger Unterschied. Wenn Johannes sagte: Ich bin nicht Jesus, ich bin nicht der Bräutigam, so war das alles Wahrheit. Gewiß, sein Zeugnis in bezug auf Elias erscheint uns nicht richtig. Denn Jesus bezeugte, daß Johannes wirklich der Elias war (Matth.11,14), während Johannes zu den Juden, die ihn danach fragten, sagte: „Ich bin es nicht!“ (Joh.1,21). Sonst war das Zeugnis Johannes des Täufers lauter, aufrichtig, wahr. Er mußte sagen: Ich bin es nicht, und Jesus konnte sagen: Ich bin es. Mein Fleisch müßt ihr essen und mein Blut trinken, und wenn ihr es tut, so will ich euch auferwecken am Ende der Tage. Das konnte Johannes nicht sagen. Er hat aber auch nie von sich das Zeugnis abgelegt oder ablegen können, daß er Jesu Fleisch gegessen und sein Blut getrunken habe. Er konnte nie sagen, daß er zu den Jüngern Jesu, zur Braut gehöre. Nach außen hin war die Aufmachung dieselbe. Wir würden aus dem Zeugnis, das Johannes über Jesum abgelegt hat, schließen, daß er einen starken Glauben an Jesum und ein großes Vertrauen zu ihm hatte. Und doch war zwischen diesen beiden göttlichen Werkzeugen eine recht große Kluft. Nur war Johannes - im Vergleich zu Judas Ischariot - nicht ein Teufel, weil er ehrlich war. Judas dagegen war ein Teufel, weil er unaufrichtig war. Johannes gab seiner Gesinnung Ausdruck, aber Judas verbarg Seite 50 sie, er schwieg, und deshalb war er ein Teufel im Lichtgewand. Machen wir doch einfach die Probe aufs Exempel! Wir haben zwei Möglichkeiten. Die eine besteht darin, daß wir uns in irgendeiner Weise zu Jesu bekennen, sei es so wie Johannes der Täufer oder wie - 35 - Johannes-Evangelium Teil 5 Nikodemus oder wie die Fünftausend, die Brot gegessen hatten und satt geworden waren, oder auch wie der am Teich Bethesda Geheilte, der zwar von Jesu den Segen der Heilung empfing, aber dann hinging, um Jesum den Vertretern der alten mosaischen Gesetzesordnung auszuliefern. Die andre Möglichkeit wird illustriert durch die Hüter der mosaischen Ordnung, die als Feinde Jesu offenbarwerden mußten, wenn sie ihr Amt treu verwalten wollten. Diese mußten Jesum als Gotteslästerer verurteilen, über diese Stellung dünken wir uns als Gläubige vielleicht hoch erhaben. Angesichts dieser verschiedenen Persönlichkeiten in ihrem Verhältnis zu Jesu können wir uns selbst prüfen. Wir können uns aber auch an der Gesinnung prüfen, die durch einen der Jünger im engsten Jüngerkreis der Zwölfe offenbar wurde, unter denen der Teufel saß. Diese satanische Gesinnung wurde erst ins Licht gerückt, als Jesus alles von sich sagte, was er nur sagen konnte, nämlich, daß man sein Fleisch essen und sein Blut trinken müsse. Es ist also für ein Kind Gottes gar nicht so besonders schwierig, darüber Klarheit zu erlangen, ob es zu den Menschen gehört, von denen das Wort Gottes sagt: Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf! (Joh.1,11). Zu den Seinen, die Jesum nicht aufnahmen, gehörten alle die, von denen wir schon ein Bild haben: das waren Johannes der Täufer, Nikodemus, Jesu leibliche Brüder und Schwestern, die Juden im allgemeinen, ferner die Juden, die Jesus heilte, die, denen er zu essen gab, daß sie satt wurden; sie alle nahmen Jesum nicht auf! Das ist die eine Art. Von einer andern Art steht aber geschrieben: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ (Joh.1,12) Wer waren nun die, die ihn aufnahmen? Petrus, als Sprecher des engsten Jüngerkreises der Zwölfe, legte in einem kritischen Augenblick, als viele der Jünger Jesu zurücktraten und nicht mehr mit ihm wandelten, ein klares und treffliches Zeugnis als Treuebekenntnis zu Jesu ab mit den Worten: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, daß du bist der Heilige Gottes!“ (Vers 67-68) Seite 51 Aber selbst von ihm mußte Jesus später sagen: „ … der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen; ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre; und wenn du dich dermaleinst bekehrst, so stärke deine Brüder!“ (Luk.22,31-32) Und Paulus muß von Petrus berichten: „Als aber Kephas nach Antiochien kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er war beschuldigt. Bevor nämlich etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete. Und es heuchelten mit ihm auch die übrigen Juden, also daß selbst Barnabas mit fortgerissen ward von ihrer Heuchelei. Als ich aber sah, daß sie nicht richtig wandelten, nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Kephas vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, was zwingst du die Heiden, jüdisch zu leben?“ (Gal.2,1114) Da sehen wir, wie wichtig es ist, auch auf die jeweilige Glaubenshaltung der Jünger zu achten. - 36 - Johannes-Evangelium Teil 5 Noch ernster ist das Urteil der Heiligen Schrift über Johannes den Täufer. Klarer konnte ein Zeugnis über Jesum nicht sein, als es Johannes der Täufer von Jesu abgelegt hatte, und doch muß Jesus von ihm sagen, daß der Kleinste im Reich Gottes größer sei als er (Matth.11,11). Die Stellung, die Petrus im Verhältnis zu Jesu hatte, war der Entwicklung unterworfen, während Johannes das, was er anfänglich von Jesu bezeugte, später anzweifeln mußte, so daß er nicht einmal der Kleinste im Reich Gottes sein konnte. Wieviel brauchte es bei diesen Männern, bis sie das nötige Verständnis dafür aufbringen konnten, daß Jesus ihr Lebensvermittler war - während Jesus einer Samariterin, die fünf Männer gehabt hatte und mit dem sechsten im Ehebruch lebte, Lebenswasser vermitteln konnte, so daß sie selbst zu einer Quelle des Wassers wurde, das ins ewige Leben quillt (Joh.4,14). Sündern war es leichter, ins rechte Verhältnis zu Jesu zu kommen, als den Menschen, die der Meinung waren, ihr Verhältnis zu Jesu sei in bester Ordnung. Aber auch diejenigen, die Jesum aufgenommen hatten, mußten für ihr Glaubensleben noch viel lernen. Das wird uns aus einigen weiteren Schriftzeugnissen klar. In seiner letzten Abschiedsrede sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Solches habe ich euch in Gleichnissen gesagt; es kommt aber die Stunde, da ich nicht mehr in Gleichnissen zu euch reden, sondern euch frei heraus von meinem Vater verkündigen werde. An jenem Tage werdet ihr in meinem Namen bitten; und ich sage euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten wolle; denn der Vater selbst Seite 52 hat euch lieb, darum daß ihr mich liebt und glaubt, daß ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.“ (Joh.16,25-28) Diese Worte sagen dasselbe, was Jesus schon von Anfang an über seine Stellung ausgesprochen hatte. Was sagen nun die Jünger darauf? „Siehe, nun redest du offen und brauchst kein Gleichnis! Nun wissen wir, daß du alles weißt und nicht nötig hast, daß dich jemand frage; darum glauben wir, daß du von Gott ausgegangen bist!“ (Joh.16,29-30) Jesus antwortete ihnen aber: „Jetzt glaubt ihr; doch siehe, es kommt die Stunde und ist schon da, wo ihr euch zerstreuen werdet, ein jeglicher in das Seine und mich allein lasset.“ (Joh.16,3132) Solch unverständliche Rätsel gibt uns der Glaube auf, selbst der Glaube der Jünger, die vielleicht der Meinung waren, daß sie im Glauben bereits Helden seien. Wie wenig Einfluß von außen brauchte es, bis sie alle auseinanderstoben und Jesum allein ließen! Und was mußte er dreien seiner Jünger sagen, die aller Wahrscheinlichkeit nach im engsten Verhältnis zu Jesu waren und die er in der Stunde schwerster Versuchung und Anfechtung darum bat, eine Stunde mit ihm zu wachen und zu beten? Er sagte zu ihnen: „Wachet und betet, auf daß ihr nicht in Anfechtung fallet! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.“ (Matth.26,41) Nicht eine einzige Stunde konnten sie mit ihm wachen. - 37 - Johannes-Evangelium Teil 5 Die Zöllner und Sünder nehmen Jesum auf und glauben an ihn, weil sie auf das in ihm offenbarte Gnadengeschenk angewiesen sind Es ist somit ein Unterschied zwischen dem Glauben, den wir bei den Jüngern jener Zeit und auch bei uns selbst feststellen müssen, und dem Glauben einer Samariterin, die schon, ehe Jesus in ihr Leben hineintrat, wußte, daß der Messias kommen und ihr alles sagen würde, was sie wissen mußte (Joh.4,25). Was für ein Unterschied bestand denn zwischen dem Volk Gottes - das, allen andern Menschen voraus, Gottes Eigentum war, das aber Jesum nicht aufnahm, das vielmehr in den verschiedensten Schattierungen und Spielarten seinen ihm von Gott gesandten Retter ablehnte - und der Samariterin, sowie den Galiläern, die Jesu ferner standen als das Volk Gottes, ja, die ihm gegenüber sogar Fremde, Ausländer waren? Auf Seite 53 der einen Seite ist das Volk Gottes, das seinem Gott bis zu einer gewissen Grenze folgt. Auf der andern Seite sind die Zöllner und Sünder (Matth.21,31-32). Die Grenze ist dem einigermaßen treuen Volk Gottes durch die Naturordnung des Fleisches gezogen. Darin war dem Volk Gottes eine vorbildliche Ordnung im Gesetz gegeben. Doch als nun die Menschen dieses Volkes in die wahre Gottesordnung eingehen und Jesus als den ihnen von Gott gesandten Retter annehmen sollten, verwarfen sie ihn. Ihr Glaube reichte nicht so weit, daß sie ihren Messias aufnahmen, ja, es kam sogar zur endgültigen Ablehnung. So ist es jederzeit. Die Sünder und Zöllner kannten eine solche Grenze nicht. Für sie gab es nur ein Entweder-Oder. Sie mußten ihr Heil nicht durch treues üben einer ihnen von Gott gegebenen Ordnung erlangen und festhalten; sie wußten, daß es für sie nur ewiges Leben gibt, wenn es ihnen geschenkt wird. Geradeso ist es mit den Zweigen, die in den Ölbaum eingepfropft werden (vgl.Röm.11,13-24); auch dieses Bild weist auf einen Gnadenakt Gottes hin. Die eingepfropften Zweige werden vom Volk Gottes nicht als Glieder dieses Volkes anerkannt werden, und wenn sie sich zu ihnen halten, bleiben sie eben nur Proselyten, d.h. zum Judentum Hinzugetretene. Sie werden nie als dem Volk wirklich zugehörig betrachtet werden. Wenn Gott sie aber einpfropft, dann werden sie Zweige des Ölbaumes, obgleich sie vorher einem wilden Baum in der Völkerwelt angehört haben. Sobald sie von Gott als Zweige des Volkes eingepfropft sind, gehören sie rechtmäßig diesem Ölbaum und dem Volk Gottes an. Das entspricht der Stellung der Sünder und Zöllner. Sie können, allen andern voraus, als solche, die wissen, daß um ihrer Sünden willen ihr Leben verscherzt ist, die Gnade erfassen, wenn sie ihnen in dem ewigen Heil angeboten wird. Die Samariterin hatte nicht lange Bedenken darüber, wie dieser Prophet, der sich ihr als Messias offenbarte, ohne Gefäß, ohne das man doch kein Wasser schöpfen kann, aus den Tiefen des Jakobsbrunnens Wasser heraufholen könnte. Ihr Bedenken, ob dieser Mann mehr tun könne als der Vater Abraham, schwand, sobald er ihr sagte, was sie in ihrem Leben schon getan hatte. Das nahm ihr jedes Bedenken. Aber der gesetzestreue Jude, der in der Opferordnung steht, zerbricht sich seinen Kopf darüber, was es heißt, daß man von einem Menschen Blut trinken und Fleisch essen solle, da Gott doch gebietet, Tieropfer zu bringen, während er Menschenopfer verbietet. - 38 - Johannes-Evangelium Teil 5 Wie ist es nur möglich, auf diese Art ewiges Leben zu bekommen? Ist so etwas zu glauben für gläubige Menschen zumutbar? Solche Zweifel waren aber nur das Sprungbrett für weitere Bedenken und führten zu handfesten Äußerungen der Ablehnung des von Gott gesandten Vermittlers des ewigen Lebens. Fort mit einem solchen Sündenbock! Er muß sterben. Seite 54 Das war ihr Wille, und der reifte zum festen Entschluß aus, ihn zu töten. In Jes.14,29 steht geschrieben, daß aus der Schlange eine Natter wächst und aus der Natter ein fliegender Drache hervorkommt. Das ist ein Hinweis auf die Entwicklung, wie sie sich von Generation zu Generation, von Zeitalter zu Zeitalter vollzieht. Zuerst ist der Einfluß Satans im engsten Jüngerkreis vorhanden, und zuletzt wirkt Satan als Drache, wie es in Offenbarung 13 gezeigt ist, indem er dem Tier aus dem Meer seinen Thron und seine Macht gibt, bis sich sein Dracheneinfluß über die ganze Völkerwelt erstreckt. Worin besteht dieser Einfluß? Er soll bewirken, daß sich die Menschen bis zur höchsten Höhe emporschwingen wollen - über die äußersten Höhen im Norden -, um Gott gleich zu sein (vgl.Jes.14,13-14). Worin besteht die Gottgleichheit? Darin, daß einer, der sich als der Edelste unter den Menschen dünkt, nicht anerkennt, daß er ein Sünder ist und Sündentilgung im Opfertod Jesu Christi braucht; denn es wäre eines solchen Heldenmenschen unwürdig und verkleinerte seine Größe, wenn man ihn als Sünder stempeln müßte und er die Gnade Gottes, die Schuldtilgung durch das Opfer benötigte. Das ist das Letzte vom Offenbarwerden der Judasstellung, daß man, bei aller Erkenntnis der Erlösungswahrheit, in seinem vermeintlichen, stets nach außen zur Schau gestellten „Glauben“ in Wirklichkeit den Glauben als Rettung und seligmachenden Faktor verleugnet. Der Mensch bleibt bei der Naturordnung stehen und baut die Naturordnung zur Gottgleichheit aus. Nur eins hat ein solcher Mensch noch nicht auszusprechen gewagt, wie Jesus es getan hat: „Ich werde euch am Ende der Tage auferwecken.“ Der Mensch kann sich wohl in eingebildeter Schuldlosigkeit Gott gleichstellen, er kann aber nicht bezeugen: Ich werde die Toten auferwecken am letzten Tage. Studieren wir das, was Gottes Wort sagt, gründlich in bezug auf unsere eigene Erkenntnis! „ … wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes eßt und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch.“ (Vers 53), sagt Jesus (Joh.6,53). Es ist also ein Unterschied, ob ein Kind Gottes das Fleisch des Sohnes Gottes ißt und sein Blut trinkt, oder ob es im Gewand seines „Glaubens“ ungläubig ist. _________ Seite 55 7.Kapitel Der Unterschied zwischen der Zeit Jesu, um sich der Welt als ihr Retter zu offenbaren - und der Zeit seiner leiblichen - 39 - Johannes-Evangelium Teil 5 Brüder, um ihre gesetzestreue Gesinnung und dadurch ihren Unglauben an Jesum unter Beweis zu stellen „Darnach zog Jesus umher in Galiläa; denn er wollte nicht in Judäa umherziehen, weil die Juden ihn zu töten suchten. Es war aber das Laubhüttenfest der Juden nahe. Da sprachen seine Brüder zu ihm: Brich doch auf von hier und ziehe nach Judäa, auf daß auch deine Jünger deine Werke sehen, die du tust! Denn niemand tut etwas im Verborgenen und sucht doch öffentlich bekannt zu sein. Wenn du solches tust, so offenbare dich der Welt! Denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn. Da spricht Jesus zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht da; aber eure Zeit ist immer bereit. Die Welt kann euch nicht hassen, mich aber hasset sie; denn ich zeuge von ihr, daß ihre Werke böse sind. Gehet ihr hinauf zum Feste; ich gehe noch nicht hinauf zu diesem Fest, denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt. Solches sagte er zu ihnen und blieb in Galiläa. Nachdem aber seine Brüder zu dem Feste hinaufgegangen waren, ging auch er hinauf, nicht öffentlich, sondern im Verborgenen.“ (Joh.7,1-10) Die leiblichen Brüder Jesu glaubten deshalb nicht an ihn, weil sie - gleich den übrigen Juden - noch ans Gesetz gebunden waren und von der Gesetzesordnung aus urteilten Jesus hatte am Teich Bethesda den Kranken geheilt, der achtunddreißig Jahre lang krank gelegen hatte. Immer, wenn das Wasser durch einen vom Himmel kommenden Engel bewegt wurde, hatte dieses heilende Kraft, und der Kranke, der zuerst hineingestiegen war, konnte gesund werden. Das konnte der langjährige Kranke nicht erreichen, weil andere vor ihm hineinstiegen. Nun kam Jesus dorthin und heilte ihn. Es war aber Sabbat, als er ihn heilte und ihm anschließend sagte, er solle sein Bett nehmen und heimgehen. Die Juden sahen das als Gesetzesübertretung an und wollten deshalb Jesu töten. Die Empörung über diese Handlung konnten die gesetzestreuen Juden nicht überwinden. Nicht die Speisung der Fünftausend mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen wirkte sich nachträglich aus, davon ist jetzt nicht die Rede. Diese Erfahrung wurde Seite 56 unter dem Volk bald durchgesprochen und war damit erledigt. Jesus machte es ihnen bei dieser Speisung klar, daß sie in Wirklichkeit nicht ihn, also ihr wahres Brot vom Himmel, sondern nur ihren Vorteil im Natürlichen suchten, nachdem sie von ihm gesättigt worden waren. Daraufhin erklärte er ihnen den Weg zum wahren Leben, indem er ihnen den Unterschied zeigte zwischen dem Manna, das Gott dem Volk Israel in der Wüste gab, und seinem eigenen Fleisch, das er ihnen zu essen geben wollte als das wahre Brot vom Himmel, das ihnen das ewige Leben geben würde. Das alles hatte das Volk und auch seine leiblichen Brüder von seiner Sohnesstellung nicht überzeugt. Vielmehr murrten viele, ärgerten sich, traten zurück und wandelten nicht mehr mit ihm, ja, sie suchten ihn zu töten. Aber aus Jesu Worten, die er nach Kap.7,21-24 an die Juden richtete, geht hervor, daß nicht sein Zeugnis vom Brot des Lebens, das er, anschließend an die Speisung der Fünftausend, über sich selbst ablegte, in den Gemütern der aufgereizten - 40 - Johannes-Evangelium Teil 5 Juden nachwirkte, sondern die nach ihrer Meinung vollzogene Übertretung des Sabbatgebots. Jesus blieb nun in Galiläa und wollte nicht in Judäa umherziehen, weil die Juden ihn zu töten suchten. Der Grund dafür, daß sie ihn töten wollten, lag in der vermeintlichen Gesetzesübertretung und Gotteslästerung Jesu. Er hätte sich nach ihrer Meinung zu diesem Unrecht stellen müssen, er hätte es den Priestern bekennen und das vorgeschriebene Opfer dafür bringen müssen. Anstatt das zu tun, behandelte er die ganze Gesetzesordnung, durch die sich Gott bis dahin seinem Volk geoffenbart hatte, als unvollkommen und erklärte dagegen die göttliche Ordnung, wie sie in seiner Stellung und seinem Verhalten Ausdruck fand, als die vollkommene Gottesoffenbarung, als den wahren Weg zur Rettung, zum Heil, zur Seligkeit des Volkes Gottes. Das war die Ursache dafür, daß ihn die Juden töten wollten. Er mußte es auch wissen, daß seine Handlungen und die Erklärungen, die er über das wahre geistige Wesen derselben gegeben hatte, ihnen Veranlassung dazu gaben, daß sie ihn zu töten suchten, und zwar - nach ihrer Überzeugung und Auffassung über die bestehende Gesetzesordnung - mit Recht. Als nun das Laubhüttenfest der Juden nahe war, war Jesus nach dem Gesetz verpflichtet, zu diesem Fest nach Jerusalem zu gehen; denn alles, was männlich war, mußte sich zu den drei Hauptfesten in Jerusalem einfinden (vgl.2.Mos.23,14.17; 34,23.24; 5.Mos.16,16). Das war also für ihn wieder eine gesetzliche Verpflichtung. Und wenn seine Brüder nun zu ihm sagten: „Brich doch auf von hier und zieh nach Judäa, auf daß auch deine Jünger deine Werke sehen, die du tust!“ (Vers 3), und es nachher heißt, daß seine Brüder nicht an ihn glaubten, so Seite 57 beweist das, daß es ihnen nicht darum zu tun war, daß seine Werke, die er tat, unter seinen Jüngern offenbar würden. Vielmehr hatten sie anscheinend dieselbe Absicht wie die Juden. Sie wollten sein Verhalten dem Gesetz gegenüber beobachten und Material gegen ihn sammeln, um ihn als Gesetzesübertreter stempeln zu können, der durchs Gesetz verurteilt und getötet werden müßte. Wenn seine Brüder gegen ihn sind, darf uns das nicht wundern; denn vorher hat ja sogar der achtunddreißig Jahre lang krank Gewesene nach seiner Heilung in der gleichen Weise gegen ihn Stellung genommen, um den Obersten des Volkes seine Treue zum Gesetz zu beweisen. Obgleich er die Hilfe durchs Gesetz nicht erlangt hatte, klagte er ihnen gegenüber nach der erlangten Heilung Jesum als Gesetzesübertreter an, so daß sie ihn von da an wirklich zu töten suchten. Nun muß es sich aber herausstellen, ob Jesus zum Laubhüttenfest geht oder nicht. Wenn er nicht geht, übertritt er wieder eine Gesetzesordnung, und das wollen seine Brüder nur feststellen. Sie weisen zwar auf seine Werke hin, aber das macht nur ihre gegen ihn gerichtete Gesinnung offenbar; denn es war ihnen ja gar nicht ernst damit, daß seine Werke von seinen Jüngern mehr als bisher gesehen werden sollten. Seine Brüder waren selbst nicht durch seine Werke so beeinflußt, daß sie dadurch schon zum Glauben an ihn gekommen wären. Deshalb ist ihr Hinweis auf seine Werke nur ein Vorwand, um - 41 - Johannes-Evangelium Teil 5 ihn zur Entscheidung zu zwingen, ob er sich in die Gesetzesordnung einfügte oder nicht. Und wenn er das Gesetz übertreten hätte, wären sie, seine eigenen Brüder, vielleicht zu den Priestern des Volkes gegangen, um ihn als Gesetzesübertreter anzuklagen, weil er nicht zum Fest gegangen sei. Warum nahmen seine Brüder eine solche Stellung gegen ihn ein? Etwa darum, weil ihnen die Heilung des achtunddreißig Jahre lang krank Gewesenen geschadet hätte? Sie hatten sicher keinen Schaden durch die Werke, die Jesus tat. Aber obwohl sie seine Brüder und damit seine Nächsten waren, mußten sie sich doch entscheiden, entweder an ihn zu glauben oder ihn zu hassen. Entweder sie stellten sich zu ihm, indem sie das, was er tat, als Beweis dafür ansahen, daß er wirklich von Gott gesandt war, oder sie sahen in seinem Verhalten Grund und Ursache dafür, daß sie immer entschiedener Stellung gegen ihn nehmen mußten. Wir können ja nicht annehmen, daß Jesu Brüder, seine nächsten Blutsverwandten, vom göttlichen Ratschluß der Zeugung und Geburt Jesu nichts wußten. Gewiß hat die Mutter Maria ihre Kinder über das göttliche Walten unterrichtet, wie sie es ja auch gleich zu Anfang der Elisabeth offenbart hatte, die ihr doch im verwandtschaftlichen Grad nicht so nahestand wie die eigenen Kinder. Doch selbst Maria, die Mutter Jesu, mußte Zeiten durchleben, in denen sie nicht in Seite 58 gleicher Weise unter dem Einfluß seiner göttlichen Sendung stand. Deshalb brauchen wir uns nicht zu verwundern, daß auch seine Brüder nicht an ihn glaubten, wenn schon seine Mutter vorübergehend im Glauben schwach sein konnte. „Wenn du solches tust, so offenbare dich der Welt!“ (Vers 4), sagten die Brüder. Jesus antwortete ihnen: „Meine Zeit ist noch nicht da; aber eure Zeit ist immer bereit. Die Welt kann euch nicht hassen, mich aber haßt sie; denn ich zeuge von ihr, daß ihre Werke böse sind. Geht ihr hinauf zum Fest; ich gehe noch nicht hinauf zu diesem Fest, denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt.“ (Vers 6-8) Diese Worte haben gewiß nicht daraufhin gewirkt, daß sich das Verhältnis zwischen ihm und seinen Brüdern angenehmer gestaltete und der Zwiespalt, der zwischen ihnen bestand, dadurch überbrückt wurde. Das erinnert uns daran, wie Joseph seinen Brüdern und seinem Vater in seiner Offenheit seine Träume erzählte, zunächst, daß sich elf Garben vor ihm und seiner Garbe niederwarfen, und dann, daß sich Sonne, Mond und Sterne vor ihm neigten, so daß es selbst seinem Vater reichlich anmaßend erschien und er ihm sagte: „Sollen etwa ich und deine Mutter und deine Brüder kommen und uns vor dir bis zur Erde verneigen?!“ (1.Mos.37,5-10) Wenn der Vater ihn seinen Brüdern gegenüber auch durch ein besonderes Kleid auszeichnete (1.Mos.37,3-4.23,31-33), anerkannte er doch nicht alles, was Joseph seinen Brüdern und ihm offenbarte. Und wohin führte es, daß Jakob seinen Sohn Joseph unter seinen Brüdern auszeichnete und mit ihm anders umging als mit seinen Brüdern? Es führte dahin, daß sie ihn töten wollten, als er ihnen seine Träume erzählte. Ihr Vorhaben wurde nur durch göttliches Eingreifen verhindert, indem sie ihn nach Ägypten verkauften (vgl.1.Mos.45,4-8). - 42 - Johannes-Evangelium Teil 5 So stellt sich auch Jesus in Gegensatz zu seinen Brüdern. Er zeigt ihnen, daß sie zur bestehenden Gesetzesordnung eine andre Stellung haben als er. Ihre Zeit sei immer bereit, sagt er ihnen. Ihre Gesinnung beanstandet niemand; sie werden von der Welt nicht gehaßt. Sie sind mit der Welt einig; sie können das Gesetz erfüllen und zum Fest gehen, aber sie können nicht, wie er, das Zeugnis für die Wahrheit ablegen. Wenn er der Welt zeigt, daß ihre Werke böse sind, dann zeigt er das auch seinen eigenen Brüdern; es gilt für sie genauso wie für die übrige Welt, weil sie zu derselben gehören. Aber eben darin unterscheidet er sich von der Welt und deshalb auch von seinen Brüdern, daß er zu dieser Welt mit ihren bösen Werken nicht Seite 59 gehört, sondern sie offenbarmacht; und deshalb wird er von ihr gehaßt. Aber aus diesem Grund wird er auch von seinen eigenen Brüdern gehaßt; sie unterscheiden sich in ihrer Stellung ihm gegenüber von der Welt gar nicht. Der Haß der Welt ihm gegenüber muß auch ihr Haß sein, und wie die Welt, sein eigenes Volk, ihn zu töten sucht, so müssen seine Brüder diese Gesinnung gegen ihn unterstützen; sie können gar nicht anders. Zwischen ihm und seinen Brüdern ist dieselbe Gesinnung und dasselbe Verhältnis wie zwischen Abel und Kain - und wie zwischen allen Kindern Gottes, die seither auf Gottes Seite stehen, und der ihnen gegenüberstehenden, mit Haß erfüllten Welt. Wenn seine Brüder ihn auch nicht direkt zu töten suchten wie die übrigen Juden, so blieb es Jesu doch nicht verborgen, daß sie im Grunde nicht auf seiner, sondern auf der Seite der Juden standen und mit ihnen einig waren. Es kommt nicht darauf an, wie weit sich die Feindschaft schon entfaltet hat, ob schon so weit, daß man den andern töten möchte, oder ob die Haßgesinnung nur im Keim vorhanden ist. Auch wenn man sich selbst noch gar nicht Rechenschaft darüber geben kann, daß man zu einem solchen Haß fähig wäre, in dem man den andern töten könnte, so ist auch solch geringer Anfang im Wesen dasselbe wie die entfaltete, offenbargewordene brudermörderische Gesinnung. Aber Jesus hat es gesehen; er als Gottes Sohn konnte es sehen, und vor Gott ist alles offenbar. Die Gesinnung des Menschen ist und bleibt dieselbe, solange sie sich in einer bestimmten Richtung bewegt. Entweder ist man durch den Glauben mit Jesu verbunden, oder man steht im Unglauben gegen ihn. Dann kommt es nur noch darauf an, wann die Zeit des menschlichen Hasses erfüllt ist, so wie auch Jesus von sich selbst zu seinen Brüdern sagte: „ … meine Zeit ist noch nicht erfüllt.“ (Vers 8) Für seine Brüder kam das gar nicht in Frage. Jesus mußte ihnen sagen: Eure Zeit ist immer bereit; die Welt feiert ihre Feste. Und Gott selbst hat dem frommen Volk auch Feste verordnet. Dahin gehört ihr, da geht nur hin, ihr, in der Gesinnung, in der ihr steht, in der ihr euch mit allen, die mich töten wollen, vereinigt. So wurden die Menschen gegenüber offenbar: ob es seine Mutter war auf der Hochzeit zu Kana, ob es seine eigenen Brüder waren, ob es das Volk Gottes war, ob es die Obersten dieses Volkes waren - alle mußten sie in ihrer Stellung ihm gegenüber offenbar werden. Sie mußten darin offenbar werden, daß sie ihn mit ihren Lippen ehrten und ihr Herz doch ferne von ihm war. Es mußte offenbar werden, daß die Einstellung, die - 43 - Johannes-Evangelium Teil 5 sie innerlich zu Gott hatten, in Wirklichkeit Haß gegen Gott war und daß sie im Grunde nicht Gott, sondern sich selbst dienten. Im äußeren, scheinbaren Gehorsam der göttlichen Ordnung gegenüber gaben sie dem Ganzen einen frommen Anstrich, hängten Seite 60 ihm ein frommes Gewand um und glaubten dabei, sie erfüllten den Willen Gottes. Sie gehorchten äußerlich dem Gesetz Gottes; in Wirklichkeit verleugneten sie aber die von Gott in seinem Gesetz offenbarte Ordnung. Die Zeit Jesu war noch nicht erfüllt. Sie ist dann erfüllt, wenn der Gegensatz zwischen seiner geistigen Einstellung zu Gott und der Stellung der Juden und seiner Brüder zum Gesetz so offenbar geworden ist, daß sie ihn um dieses Unterschiedes willen töten müssen. Dann ist seine Zeit erfüllt. Und auf dieses Ziel hin ist ihre Zeit immer bereit; denn für sie brauchte es weiter nichts als die entsprechende Entwicklung bis dahin, wenn seine Zeit erfüllt ist. Dann können sie ihre zuvor verhüllte Gesinnung offenbarmachen und als die Mörder ihres Bruders offenbar werden. Aber so lange, bis das geschieht, muß er der Welt sagen, daß ihre Werke böse sind und auch seine Brüder in der äußerlichen Gehorsamsstellung zur Gesetzesordnung der Welt gleichstehen, während er sich im innersten Wesen von dieser Scheinfrömmigkeit der Welt unterscheidet, die das Gesetz Gottes nur scheinbar erfüllt. Wenn seine Brüder zum Fest gehen, kann er nicht mit ihnen gehen, er kann ihnen auch nicht vorausgehen, um sich etwa dem Gesetz gegenüber noch treuer einzustellen als sie; er kann sich weder frömmer als sie zur Gesetzesordnung stellen, noch kann er ebenso fromm wie sie auf dem Weg des Gesetzes gehen, indem er sie nach Jerusalem begleitet. Er muß ihnen sagen: Geht ihr zu eurer Zeit nach der Ordnung des Gesetzes zum Fest; ich gehe nach dieser Ordnung nicht hin. Als er dann doch am Fest in Jerusalem war, hätten sie ihm rundweg sagen können: Da seht ihr wieder mal den frommen Bruder, er hat uns schön beschwindelt! Er hat gesagt, er komme nicht zum Fest, und nun ist er doch da; er will immer etwas anderes darstellen als wir in unserer frommen, gottgewollten Art. Sie waren zwar in gewissem Sinn entwaffnet, sie konnten nicht zu den Obersten des Volkes gehen und sagen, er habe das Gesetz übertreten, er sei nicht zum Fest gekommen. Sie hätten jedoch sagen können: Er hat uns belogen. Er hat gesagt, er komme nicht, und nun auf einmal ist er da. Wie dem auch sei - Jesus ging aus einem andern Grund zum Fest als seine Brüder. Nachdem sie zum Fest hinaufgegangen waren, ging er auch, aber nicht öffentlich, sondern im Verborgenen. Er ging nicht hin, um, wie seine Brüder, nur das Gesetz ordnungsgemäß zu erfüllen, er hatte noch eine andre Aufgabe. ___________ Seite 61 Anläßlich des Laubhüttenfestes, als Jesus sich in Jerusalem noch verborgen hielt, wurde er von einem Teil des Volkes gläubig gesucht und vom andern Teil als Verführer bezeichnet und deshalb gehaßt - 44 - Johannes-Evangelium Teil 5 „Da suchten ihn die Juden am Fest und sprachen: Wo ist er? Und es wurde viel geredet seinetwegen unter dem Volk. Etliche sagten: Er ist gut; andere aber sprachen: Nein, sondern er verführt das Volk. Doch redete niemand freimütig von ihm, aus Furcht vor den Juden. Als aber das Fest schon zur Hälfte verflossen war, ging Jesus in den Tempel hinauf und lehrte. Und die Juden verwunderten sich und sprachen: Wie kennt dieser die Schrift? Er hat doch nicht studiert! Da antwortete ihnen Jesus und sprach: Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat. Will jemand seinen Willen tun, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich aus mir selbst rede. Wer aus sich selbst redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaft und keine Ungerechtigkeit ist in ihm. Hat nicht Mose euch das Gesetz gegeben? Und doch tut niemand aus euch das Gesetz. Warum suchet ihr mich zu töten? Das Volk antwortete und sprach: Du hast einen Dämon! Wer sucht dich zu töten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Ein Werk habe ich getan und ihr wundert euch alle darüber. Moses hat euch die Beschneidung gegeben - nicht daß sie von Moses kommt, sondern von den Vätern - und am Sabbat beschneidet ihr den Menschen. Wenn ein Mensch am Sabbat die Beschneidung empfängt, damit das Gesetz Moses nicht übertreten werde, was zürnet ihr mir denn, daß ich den ganzen Menschen am Sabbat gesund gemacht habe? Richtet nicht nach dem Scheine, sondern fället ein gerechtes Urteil. Da sprachen etliche von Jerusalem: Ist das nicht der, den sie zu töten suchen? Und siehe, er redet öffentlich, und sie sagen ihm nichts. Haben etwa die Obersten wirklich erkannt, daß dieser der Christus ist? Doch von diesem wissen wir, woher er ist; wenn aber der Christus kommt, so wird niemand wissen, woher er ist. Da rief Jesus lehrend im Tempel und sprach: Ja, ihr kennt mich und wisset, woher ich bin! Und von mir selbst bin ich nicht gekommen, sondern der Wahrhaftige ist es, der mich gesandt hat, welchen ihr nicht kennet. Ich aber kenne ihn; denn ich bin von ihm und er hat mich gesandt. Da suchten sie ihn zu greifen; aber niemand legte Hand an ihn, denn seine Stunde war noch nicht gekommen.“ (Joh.7,11-30) Unter dem Volk in Jerusalem wurde viel über Jesum geredet. Etliche sagten: Er ist gut; andere sprachen: Nein, sondern er verführt das Volk. Doch redete niemand freimütig von ihm, aus Furcht vor den Seite 62 Juden, die sich der Gesinnung der Führer des Volkes anpaßten. Bei diesen Hütern der Gesetzesordnung waren der Haß und die Absicht, ihn zu töten, offenbar. Sie suchten darum weitere Gründe, um zu beweisen, daß er das Gesetz mit Willen übertrat. Die Obersten des Volkes Israel wollten nur Material sammeln, um mit gutem Gewissen behaupten zu können, daß er sich fortgesetzt mit Absicht gegen das Gesetz versündigte, so wie er bereits am Sabbat den Geheilten aufgefordert hatte, sein Bett zu nehmen und heimzugehen, und dieser durch Jesu Beeinflussung im Tragen dieser Last den Sabbat brach. Nicht das war das Schwerwiegende, daß er das Gesetz übertrat - daran waren sie ja gewöhnt, daß jeder Mensch hin und wieder das Gesetz übertrat. Aber jeder Gesetzesübertreter mußte vorschriftsmäßig seine Gesetzesübertretung bekennen und das entsprechende Opfer dafür darbringen; dann war er der von Gott im Gesetz gegebenen Ordnung gegenüber gerechtfertigt, denn die Gesetzeshüter, die Obersten des Volkes, konnten Menschen, die ihre Sünden bekannten und die von Gott im Gesetz geforderten Opfer brachten, nicht verurteilen. Wenn es sich aber herausstellte, daß einer - 45 - Johannes-Evangelium Teil 5 das Gesetz übertrat und es verheimlichte oder seine Gesetzesübertretung nicht bekannte und die vorgeschriebenen Opfer nicht brachte, dann konnten die Gesetzeshüter ein solches Verhalten strafen; sie mußten die Gesetzesübertreter töten, wenn sie die Autorität des Gesetzes wahren wollten. Und darum wollten diese Gesetzeshüter so viel Beweismaterial sammeln, wie sie benötigten, um Jesus der bewußten, absichtlichen Gesetzesübertretung überführen zu können. Dann konnten sie das Urteil über ihn aussprechen und ihn nach dem Recht des Gesetzes des Todes schuldig erklären. Das war die Gesinnung dieser Juden. Sie warteten nur die Gelegenheit ab, daß sie ihn vor Gericht stellen und zum Tode verurteilen konnten, weil seine Stellung nach ihrer Überzeugung dem Gesetz gegenüber falsch, weil er also ein bewußter Übertreter des Gesetzes und darum des Todes schuldig war. Diese Überzeugung hatten sie schon dadurch, daß er ihrer Meinung nach den Sabbat gebrochen hatte. Hinzu kommt aber noch, daß Jesus diesen Volksobersten vorgehalten hatte, daß ihre Werke böse seien. Dadurch hatte er ihren Haß noch besonders herausgefordert, und darum wollten sie ihn töten. Sie wollten ihn nicht nur deshalb töten, weil er das Gesetz übertreten hatte, sondern vor allem deshalb, weil sie ihn haßten. Sie mußten ihn ja auch hassen, da sie doch als die Hüter des von Gott gegebenen Gesetzes in dieser göttlichen Ordnung vollkommen zu sein meinten. Und Jesus beschuldigte sie nun, daß sie die göttliche Ordnung nicht erfüllten. Von sich behauptete er, daß er sie erfüllte, während sie von seinem Tun überzeugt waren, daß er die von Gott gegebene Gesetzesordnung übertrat. Darum der Haß, Seite 63 die Gegenstellung der beiden Seiten. Nicht, daß er sie haßte um ihrer bösen Werke willen, deren er sie beschuldigte - aber weil er sie beschuldigte, daß ihre Stellung Gott gegenüber nicht richtig, die seine aber richtig sei, deshalb haßten sie ihn und suchten Grund, ihn nach ihrem Gesetz zu töten. Somit war bei den Obersten des Volkes die Entscheidung über ihr Verhältnis zu Jesu gefallen. Zu diesen Obersten gehörten seine Brüder nicht, sie gehörten zur Volksmasse, und die Volksmasse war in ihrer Zu- oder Abneigung Jesu gegenüber noch nicht so geklärt und entschieden, wie es bei den Obersten des Volkes der Fall war. Im Volk gab es zwei Parteien; da gab es ein Hin- und Herreden; die einen sagten, er sei gut, und die andern sprachen: Nein, er verführt das Volk. Die einen neigten ihm zu, die andern neigten zur Gegenstellung. Aber die Obersten des Volkes wollten sich in ihrem Verhältnis zu Jesu nicht mehr von der Volksmeinung bestimmen lassen, darum mußte das Volk heimlich unterhandeln; direkt für oder gegen ihn Stellung zu nehmen wagten sie gar nicht. Und als das Fest schon zur Hälfte verflossen war, ging Jesus auf einmal in den Tempel hinauf und lehrte. Die Juden verwunderten sich und sprachen: Wie kennt dieser die Schrift, er hat doch nicht zu Gamaliels Füßen gesessen, er hat doch das Wort Gottes nicht studiert, so wie alle unsere Priester es studieren müssen, wenn sie es kennenlernen wollen? Wer nicht studiert hat, kennt es eben nicht; und hier kommt einer und behauptet, daß er das Wort Gottes kenne, obgleich wir wissen, daß er es nicht studiert hat. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Nun antwortet ihnen Jesus und spricht: - 46 - Johannes-Evangelium Teil 5 „Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat. Will jemand seinen Willen tun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich aus mir selbst rede.“ (Vers 16) Und das ist nicht schwer herauszufinden: „Wer aus sich selbst redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaft, und keine Ungerechtigkeit ist in ihm.“ (Vers 18) Damit ist dieser Punkt über die Lehre eines Menschen entschieden. Wer seine eigene Ehre sucht, redet aus sich selbst. Wenn jemand, wie er, sagen konnte: Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat, wer so, wie er es getan hat, auf seine göttliche Sendung hinweisen kann, bei dem muß es sich ausweisen, ob er auch wirklich die Ehre dessen sucht, von dem er ausgibt, gesandt zu sein. Ist das der Fall, dann ist keine Ungerechtigkeit in ihm, dann ist seine Gesinnung lauter, und seine Lehre muß dann von dem kommen, der ihn gesandt hat. Und wenn er nie das Wort Gottes im menschlichweltlichen Seite 64 Sinn studiert hat, dann kann er doch eine Lehre von und für den Gott haben, der ihn gesandt hat; und viele von denen, die „studiert“ haben, werden in ihrer Lehre offenbar als solche, die den Willen Gottes nicht erkannt haben und ihn auch nicht tun wollen. Weil sie nicht seine, sondern ihre eigene Ehre suchen, darum sind sie auch nicht so wahrhaft, daß keine Ungerechtigkeit in ihnen ist, und deshalb können sie auch nicht sagen, daß sie von Gott gesandt seien. „Hat nicht Mose euch das Gesetz gegeben?“ (Vers 19) fragt Jesus die Juden. „Und doch tut niemand aus euch das Gesetz.“ Vers 19), sagt er ihnen. Damit enthüllt er ihnen wieder ihr Inneres. „Warum sucht ihr mich zu töten?“ (Vers 19) Das Volk antwortet ihm und spricht: „Du hast einen Dämon! Wer sucht dich zu töten?“ (Vers 20) Darauf braucht ihnen Jesus keine Antwort zu geben, denn er weiß es, wer ihn töten will und er weiß nicht nur, wer ihn töten will, er weiß auch, wer die Haßgesinnung hat, in der er die offenen Feinde, die ihn töten wollen, unterstützt. Auch das weiß er, daß das ganze Volk und auch seine eigenen Brüder davon erfüllt sind. „Ein Werk habe ich getan und ihr wundert euch alle darüber. Moses hat euch die Beschneidung gegeben - nicht daß sie von Moses kommt, sondern von den Vätern - und am Sabbat beschneidet ihr den Menschen. Wenn ein Mensch am Sabbat die Beschneidung empfängt, damit das Gesetz Moses nicht übertreten werde, was zürnet ihr mir denn, daß ich den ganzen Menschen am Sabbat gesund gemacht habe? Richtet nicht nach dem Scheine, sondern fället ein gerechtes Urteil.“ (Vers 21-24) Wer handelt nun richtiger, sie in ihrer Gesetzestreue oder er, indem er einem Menschen geholfen und ihn am Sabbat gesund gemacht hat? Das können die Gesetzeshüter durchs Gesetz und ihre Treue zum Gesetz nicht erreichen. Und obwohl sie dem Gesetz gemäß zu handeln meinen, ist doch nicht einer unter ihnen, der das Gesetz tut, der bei aller Treue zum Gesetz ganz treu ist und es erfüllt. Aber Jesus kommt nicht, um, gleichwie sie, das Gesetz nur scheinbar zu erfüllen und es in Wirklichkeit doch zu - 47 - Johannes-Evangelium Teil 5 übertreten; denn er weiß, daß er von Gott gesandt ist. Und wer seinen Willen tun will, der wird die Lehre, die er bringt, als von Gott gesandt erkennen. Wie fein unterscheidet sich doch im Leben der Menschen Schein und Sein! Man kann zum Schein das Gesetz halten, man kann zum Schein nach dem Gesetz urteilen, und dabei hält man das Gesetz doch nicht und fällt auch kein gerechtes Urteil, obgleich es den Schein hat, daß es nach dem Gesetz gerecht sei. Seite 65 Nehmen wir uns Zeit, das, was Gottes Wort sagt, in uns aufzunehmen und unsre Einstellung zum Wort Gottes zu prüfen! „Etliche sagten: Er ist gut; andere aber sprachen: Nein, sondern er verführt das Volk.“ (Vers 12) Aber mit den bloßen Worten: „Er ist gut“ oder: „Er verführt das Volk“, ist die Stellung eines Menschen Jesu gegenüber nicht geklärt. Dieses Hin- und Herreden über Jesum ist noch kein Beweis dafür, daß man in seinem Verhältnis zu ihm zur Klarheit gekommen ist. „Da sprachen etliche von Jerusalem: Ist das nicht der, den sie zu töten suchen?“ (Vers 25) Vorher hatten sie ihm gesagt, als er sie fragte, warum sie ihn zu töten suchten: „Du hast einen Dämon“, und sie fragten ihn: „Wer sucht dich zu töten?“ Andere sprachen es wieder klar aus, daß man ihn wirklich zu töten sucht. Und nun wundern sie sich und sagen: „Und siehe, er redet öffentlich, und sie sagen ihm nichts. Haben etwa die Obersten wirklich erkannt, daß dieser der Christus ist? Doch von diesem wissen wir, woher er ist; wenn aber der Christus kommt, so wird niemand wissen, woher er ist.“ (Vers 26-27) So muß sich jedes einzelne Menschenkind über seine Stellung zu Jesu gründlich klarwerden. So wie die Juden damals zueinander sagten: Von diesem wissen wir, woher er kommt; wenn aber Christus kommt, dann wird niemand wissen, woher er ist - so wird zu allen Zeiten gesprochen und geurteilt, auch dem wiederkommenden Christus gegenüber. Man redet hin und her, man lebt in Meinungen und Ansichten, in väterlichen Überlieferungen über Gottes Wort und sagt: Wir kennen die Schrift auch. Was Gottes Wort sagt, war auch den Obersten des Volkes Gottes, die Jesum töten wollten, bekannt. Das Volk wunderte sich, warum sie ihm nichts sagten, wenn er öffentlich redete. Haben sie etwa wirklich erkannt, daß er der Christus ist?, fragten sie. Ja, wenn ihn die Obersten anerkennen würden, wäre das Volk beruhigt, jeder einzelne würde Ja und Amen dazu sagen. Die Obersten haben aber gesagt, er sei es nicht; darum sucht sich auch im Volk niemand Klarheit zu verschaffen. Nicht, daß das Volk eine klare Überzeugung - für oder wider - hätte, in der Unklarheit bleibt es doch, nur sagt es: Unsere Obersten anerkennen Jesum nicht, und ihre Meinung ist doch maßgebend. Niemand sucht dann persönliche Klarheit zu erlangen. Auf diese persönliche Stellungnahme und Entscheidung wirkt aber Jesus einzig hin. Darum antwortet er auf dieses Reden des Volkes und ruft lehrend im Tempel: Seite 66 „Ja, ihr kennt mich und wisset, woher ich bin! Und von mir selbst bin ich nicht gekommen, sondern der Wahrhaftige ist es, der mich gesandt hat, welchen ihr - 48 - Johannes-Evangelium Teil 5 nicht kennet. Ich aber kenne ihn; denn ich bin von ihm und er hat mich gesandt.“ (Vers 28-29) Sobald er ihnen ein klares Wort sagt, wie vordem schon - daß, wer sein Fleisch nicht ißt und sein Blut nicht trinkt, kein Leben in sich habe -, ist es gleich zuviel, da wollen sie ihn greifen. Doch legte niemand Hand an ihn, denn seine Stunde war noch nicht gekommen. Er konnte noch so klar sagen: Ihr kennt mich und wißt, woher ich bin. Ist es auch wahr, wußten sie wirklich, wer er war? Sie kannten doch nur Maria als seine Mutter, und Joseph, den sie für seinen Vater hielten. Und doch wußten sie nicht, woher er war, obwohl sie meinten, es zu wissen; sie konnten es deshalb auch nicht verstehen, wenn Jesus ihnen sagte: „ … von mir selbst bin ich nicht gekommen, sondern der Wahrhaftige ist es, der mich gesandt hat, welchen ihr nicht kennet.“ (Vers 28) Ihr kennt sein Wesen, seinen Ewigkeitswillen und Ratschluß nicht und gebt doch aus, ihn zu kennen. Und Menschen, die jahrzehntelang Kinder Gottes sind, geben aus, ihn zu kennen, und kennen ihn auch nicht, weil sie sich einfach nicht mit dem Geheimnis beschäftigen, wie Jesus gekommen ist, und was es heißt, daß der Wahrhaftige ihn gesandt hat, den er kennt, von dem er ist. Sie fragen gewöhnlich nicht danach, daß sie ewiges Leben haben, wenn er ihnen sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken gibt. Dieses Werk der Erlösung wird nicht gesehen. Man redet zwar viel von Jesu, aber in seiner Stellung zu ihm ist man unklar, so daß man auch noch nie den Vater in seinem wahren Wesen erkennen konnte und darum auch nicht im vollen Sinn erkennt, was es heißt, daß er seinen Sohn gesandt hat. Meistens beschäftigt man sich nur mit dem, was man aus Jesu Leben weiß, aber man erkennt nicht, daß er als Wort im Schoß des Vaters gezeugt und geboren wurde, dann ins Fleisch der Maria gezeugt und als Menschensohn von ihr geboren wurde, um in diesem Gewand des menschlichen Fleisches, in dieser Niedrigkeit am Kreuz für die Menschen sein Leben zu lassen. Man erkennt nicht, daß durch sein Sterben am Kreuz offenbar wurde, daß das Leben des Geschöpfes von Gott verflucht ist und er durch die Auferweckung Jesu aus den Toten eine neue Kreatur geschaffen, zu seiner Rechten erhöht und zu seiner ewigen Wohnung gemacht hat. Und der Heilige Geist kann den Kindern Gottes die vom Vater im Sohn vollbrachte Erlösung nicht beleuchten, so daß sie sich als das im Sohne zustande gekommene Werk Gottes nicht erkennen können, weil sie sich mit menschlichen Meinungen zufrieden geben. Dann reden sie gewöhnlich von Rettung, Erlösung, Schuldtilgung, Sündenvergebung, vom ganzen Werk, von Seite 67 der ganzen Erlösung, brauchen viele und große Worte über biblische Auslegungen, aber ein klares Zeugnis über ihre Stellung zu Gott, zu Jesu, zur Erlösung bekommt man nicht. Es ist seit der Zeit Jesu bis heute noch nicht anders geworden; der Unterschied, den Jesu zwischen sich und der Weltmacht, ist geblieben. __________ Seite 68 - 49 - Johannes-Evangelium Teil 5 Jesus rechtfertigt sich durch sein Wahrheits bekenntnis seinen Todfeinden gegenüber ungeachtet dessen, daß er dadurch ihren Haß immer mehr herausforderte und sie ihn greifen wollten „Viele aber aus dem Volke glaubten an ihn und sprachen: Wenn der Christus kommt, wird er mehr Zeichen tun, als dieser getan hat? Die Pharisäer hörten, daß das Volk solches von ihm murmelte; und da sandten die Pharisäer und Hohenpriester Diener aus, daß sie ihn griffen. Da sprach Jesus zu ihnen: Ich bin noch eine kleine Zeit bei euch, und dann gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat. Ihr werdet mich suchen und nicht finden; und wo ich bin, dahin könnet ihr nicht kommen. Da sprachen die Juden unter einander: Wo will er denn hingehen, daß wir ihn nicht finden sollen? Will er etwa zu den Zerstreuten unter den Griechen gehen und die Griechen lehren? Was soll das bedeuten, daß er sagt: Ihr werdet mich suchen und nicht finden, und wo ich bin, dahin könnet ihr nicht kommen? Aber am letzten, dem großen Tage des Festes stand Jesus auf, rief und sprach: Wenn jemand dürstet, der komme zu mir, und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geiste, welchen empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der heilige Geist war noch nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht war. Viele nun aus dem Volke, als sie diese Rede hörten, sagten: Dieser ist wahrhaftig der Prophet. Andere sagten: Er ist der Christus. Andere aber sagten: Christus kommt doch nicht aus Galiläa? Sagt nicht die Schrift, daß aus dem Samen Davids und von dem Flecken Bethlehem, wo David war, der Christus kommen werde? Also ward seinethalben eine Spaltung unter dem Volke. Etliche aber aus ihnen wollten ihn greifen, doch legte niemand Hand an ihn. Nun kamen die Diener zu den Hohenpriestern und Pharisäern zurück, und diese sprachen zu ihnen: Warum habt ihr ihn nicht gebracht? Die Diener antworteten: Nie hat ein Mensch so geredet, wie dieser Mensch! Da antworteten ihnen die Pharisäer: Seid auch ihr verführt worden? Glaubt auch einer von den Obersten oder von den Pharisäern an ihn? sondern dieser Pöbel, der das Gesetz nicht kennt, der ist unter dem Fluch! Da spricht zu ihnen Nikodemus, der früher einmal zu ihm kam und einer von ihnen war: Richtet auch unser Gesetz den Menschen, ohne daß man ihn zuvor verhört und erkannt hat, was er tut? Sie antworteten und sprachen zu ihm: Bist du auch aus Galiläa? Forsche und siehe, daß aus Galiläa kein Prophet aufsteht! Und sie gingen hinweg, jeder in sein Haus.“ (Joh.7,31-53) „Viele aber aus dem Volk glaubten an ihn und sprachen: Wenn der Christus kommt, wird er mehr Zeichen tun, als dieser getan hat?“ (Vers 31) Seite 69 Wer sich zu Jesu stellen und an ihn glauben will, der muß mit dem Widerstand seiner Feinde rechnen. Sich zu Jesu stellen bedeutet, sich gegen seine Feinde stellen und die Feindschaft der Welt, wie sie ihm entgegensteht, auf sich zu nehmen. Und weil eine treue Stellung zu Jesu solche Feindschaft mit sich bringt, sind die Kinder Gottes gewöhnlich in ihrem Verhältnis zur Wahrheit des Evangeliums geradeso unklar, wie es aus den Zeugnissen Jesu in den Evangelien hervorgeht. Sie möchten wohl an ihn glauben, können aber eine völlige Glaubenstreue nicht aufbringen, weil sie die Folgen dieser Glaubensstellung von seiten seiner Feinde nicht auf sich nehmen wollen. „Die Pharisäer hörten, daß das Volk solches von ihm murmelte; und da sandten die Pharisäer und Hohenpriester Diener aus, daß sie ihn griffen.“ (Vers 32) - 50 - Johannes-Evangelium Teil 5 Sie müssen befürchtet haben, daß sein Einfluß im Volk immer größer würde. Und das wollten sie verhindern. Darauf sagte Jesus: „Ich bin noch eine kleine Zeit bei euch, und dann gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat. Ihr werdet mich suchen und nicht finden; und wo ich bin, dahin könnt ihr nicht kommen.“ (Vers 33-34) Vorher sagte er ihnen, daß er den Vater kenne, weil er von ihm sei und von ihm gesandt worden sei. Und nachdem sie nun die Absicht hatten, ihn zu greifen, sagte er ihnen ganz frei und offen, daß er wieder zum Vater gehe, der ihn gesandt hatte, und daß sie ihn dann suchen und doch nicht finden, weil sie in ihrer Haßgesinnung gegen ihn auch nicht dahin gelangen können, wo er sei. Damit eröffnete er ihnen wieder, wie schon vordem, daß sie des Menschen Sohn erhöhen werden - gleichwie Mose die Schlange erhöht hatte -, daß die Stunde kommen werde, in der sie ihn wirklich greifen und töten würden, daß er aber dann nur wieder zum Vater gehe, der ihn in die Welt gesandt hatte, so daß sie ihn früher oder später doch noch suchen müssen, auch wenn sie ihn zunächst nicht finden können. Damit weist er sie auf den Weg der Erlösung hin. Aber die Juden sprachen untereinander: „Wo will er denn hingehen, daß wir ihn nicht finden sollen? Will er etwa zu den Zerstreuten unter den Griechen gehen?“ (Vers 35) Damit meinten sie das zerstreute Israelvolk unter den Völkern. Will er etwa sein Vaterhaus verlassen, in die Welt hinausziehen und dem Israel in der Zerstreuung nachgehen, um die Lehre, die er uns hier bringt, den Griechen anzubieten? Mit dieser Bezeichnung „Griechen“ sind hier die zerstreuten Israeliten und die andern Völker zusammen genannt. Das dritte Weltreich Griechenland, dessen Nachfolgereiche kaum ein Jahrhundert vor der Gründung des Römischen Weltreiches (64 v.Chr.) ihre Machtstellung Seite 70 verloren hatten, hatte der Welt sein Gepräge gegeben. Deshalb wurden alle übrigen Völker Griechen genannt. Will Jesus nun hingehen, die Griechen zu lehren, weil er sagt: Ihr werdet mich suchen und nicht finden, und wo ich bin, dahin könnt ihr nicht kommen? Und dann sagt er ihnen am letzten Tag, dem großen Tag des Festes: „Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (Vers 37) „Das sagte er aber von dem Geiste, welchen empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Heilige Geist war noch nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“ (Vers 39), sagt Johannes. Natürlich konnte das Volk das, was Jesus hier sagte, nicht verstehen. Sie wußten ja nicht, daß er von dem Geist Gottes sprach, den die, die an ihn glauben würden, empfangen sollten, so daß durch das Wirken des Heiligen Geistes von ihren Leibern Ströme lebendigen Wassers fließen würden. Das sind dann Ströme von dem, was Gott als Erlösung durch seinen Sohn der Menschheit, der ganzen Welt gibt. Wenn der Geist das aufschließt und Gläubigen lebendigmachen kann, dann werden sie unter den Menschen in der Weise ein Segen sein, daß der von ihnen ausgehende Einfluß tatsächlich wie ein Strom Wassers durch die Menschheit fließt und der Geist Gottes in - 51 - Johannes-Evangelium Teil 5 dem Sinn wirkt, daß die Erlösung, die Jesus gebracht hat, den Menschen aufgeschlossen wird und sie den Segen dieser Erlösung empfangen. „Viele nun aus dem Volke, als sie diese Rede hörten, sagten: Dieser ist wahrhaftig der Prophet. Andere sagten: Er ist der Christus. Andere aber sagten: Christus kommt doch nicht aus Galiläa? Sagt nicht die Schrift, daß aus dem Samen Davids und von dem Flecken Bethlehem, wo David war, der Christus kommen werde? Also ward seinethalben eine Spaltung unter dem Volke.“ (Vers 40-43) Daß aber bei der Volkszählung Joseph und Maria von Nazareth nach Bethlehem gingen, woher der Same Davids stammte, und daß Jesus dort geboren wurde, er also doch nach der Schrift von Bethlehem kam - so weit untersuchten und forschten die Menschen nicht. So redet man gewöhnlich etwas hin und macht sich nicht viel Mühe, im Wort Gottes gründlich nach Gottes Willen und Ratschluß zu suchen, bis man volle Klarheit erlangt und seine Stellung zu Jesu im Glauben eingenommen hat. Stellt man sich aber in Treue zu seinem Gott, zu seinem Heiland und Erlöser, dann weiß man, daß man in der Welt und doch nicht von der Welt ist, und daß man sich auf dem rechten Weg zum ewigen Leben befindet. Machen wir es nicht vielfach auch so, daß wir in Unklarheit über das Wort hin und her reden und dabei für allerlei Sichtbares doch noch mehr Interesse haben als für das Seite 71 allein Wahre, das Gott in Christo Jesu für uns zustandegebracht hat und was Ewigkeitswert für uns darstellt? Etliche aber aus ihnen wollten ihn greifen, doch legte niemand Hand an ihn. Seine Stunde war noch nicht gekommen, noch nicht erfüllt. „Nun kamen die Diener zu den Hohenpriestern und Pharisäern zurück, und diese sprachen zu ihnen: Warum habt ihr ihn nicht gebracht?“ (Vers 45) Denn die Führer des Volkes waren gewohnt, Befehle zu erteilen, und die Diener mußten das, was von ihnen verlangt wurde, einfach tun. Die Obersten gaben ihren Dienern den Auftrag: Geht, nehmt ihn, greift ihn, bringt ihn - und nun kommen sie ohne ihn zurück; und auf die Frage: Warum habt ihr ihn nicht gebracht?, können sie nur antworten: „Nie hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch!“ (Vers 46) Daraufhin sagen ihnen die Pharisäer: „Seid auch ihr verführt worden? Glaubt auch einer von den Obersten oder von den Pharisäern an ihn? sondern dieser Pöbel, der das Gesetz nicht kennt, der ist unter dem Fluch!“ (Vers 47-49) Wir gesetzeskundigen Obersten und Pharisäer wissen, daß er ein des Todes schuldiger Gesetzesübertreter ist, und daß wir als Hüter des Gesetzes, der von Gott gegebenen Ordnung, das Recht haben, ihn zu töten. Wir sehen also, wie tief der Haß in diesen Obersten des Volkes wurzelte - und ihr Entschluß war, daß er nach dem Gesetz sterben mußte. Das Volk ist nach dem Urteil der Volksobersten verflucht, weil es das Gesetz nicht kennt. Wir sind die Hüter des Gesetzes, nach uns habt ihr euch zu richten; wenn wir euch senden, habt ihr unsern Auftrag zu erfüllen. Ihr habt euch nicht von der Volksmasse und von den Reden dieses Mannes bestimmen zu lassen! So redeten die gesetzestreuen Führer des Volkes. Aber nun war die Gelegenheit wieder einmal vorbei. Und selbst unter sich waren sie immer noch nicht - 52 - Johannes-Evangelium Teil 5 einig. Nikodemus, der früher einmal zu Jesu kam und einer von ihnen war, spricht zu ihnen: „Richtet auch unser Gesetz den Menschen, ohne daß man ihn zuvor verhört und erkannt hat, was er tut?“ So waren doch bis in die höchsten Kreise, ja, bis zu den Obersten des Volkes, JesusAnhänger im Volk, und das hinderte die Führer des Volkes immer noch, ihr Urteil strikt und entschieden zu vollstrecken. Sie konnten Jesum noch nicht so ohne weiteres greifen und töten. Aber das alles nur, weil seine Stunde noch nicht gekommen war; deshalb auch die Unklarheit, das Hin- und Herwogen im Volk. Und obgleich die Obersten ihren Plan so gern durchführen wollten, wurden Seite 70 selbst sie noch durch die Verhältnisse aufgehalten. So war es immer - bis seine Stunde gekommen war. Nikodemus beweist eine eigenartige Stellung. Er ist einer von seinen Jüngern, sitzt aber noch unter den Obersten des Volkes. Die Unterweisung, die er von Jesu empfangen hatte, hat eine völlige Scheidung und Stellungnahme bei ihm nicht bewirken können. Die Lehre der neuen Geburt hat ihn nicht vom alten auf den neuen Boden gebracht. Er konnte seiner Erkenntnis- und Glaubensstellung gemäß keine solche Entscheidung treffen, daß er sich von den Obersten des Volkes Gottes weggewandt hätte und ein entschiedener Jünger Jesu geworden wäre. Er steht auf beiden Seiten: Er gehört zu Jesu, aber auch zu den Obersten des Volkes und muß darum den Haß dieser Volksobersten mitempfinden und es mit durchleben, wie sie Jesus am liebsten ohne Vernehmung töten möchten, um seinen Einfluß unter dem Volk, der ihnen solches Ärgernis gab, zu beseitigen. „Bist du auch aus Galiläa? Forsche und siehe, daß aus Galiläa kein Prophet aufsteht!“ (Vers 52), so fragen sie Nikodemus. Damit wollen sie sich in ihrer Haßgesinnung rechtfertigen: Das ist ein falscher Prophet, den braucht man nicht erst vor ein ordentliches Gericht zu bringen, der erstbeste, der ihn totschlägt, hat Gott damit einen Dienst getan. Ein solches Gericht und Verhör, wie du es nach dem Gesetz erwartest, ist gar nicht nötig; wer ihn totschlägt, ist unser Freund - das war ihre Gesinnung! Nikodemus gehörte ja zu ihnen und war immer mit ihnen zusammen; er hätte doch manches tun können, zumal seine Bekanntschaft mit Jesu nicht offenbar wurde, als er mit seinen Fragen bei Nacht zu Jesu gekommen war. So verschieden sind die Menschen, auch die Gläubigen in ihrer Gesinnung! Da muß bei jedem erst alles geklärt, gereinigt, geläutert werden, bis sich alles so gestaltet, daß man endlich ein wahrer Jünger Jesu sein kann. „Und sie gingen hinweg, jeder in sein Haus.“ (Vers 53) Aber was dabei im Herzen vorging, als jeder für sich allein war und allem nachsann, Nikodemus als Freund Jesu, und alle übrigen, bis zu den größten Hassern und Verfolgern, die ihn umbringen wollten - das alles wird einmal in den Kindern Gottes der Endzeit offenbar werden! Es wird dann auch solche geben, die, wie Nikodemus, im - 53 - Johannes-Evangelium Teil 5 Dunkeln zu ihm schleichen, weil sie sich in der Gefahrstunde nicht mutig und entschieden zu Jesu stellen und sich treu zu der Schar der Jünger bekennen wollen. __________ N01.03.08