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Pressegespräch DG PARO
Erfreulicher Rückgang bei Parodontitis, aber die
Behandlungslast in Deutschland bleibt mit 11,5 Millionen
schweren Parodontitisfällen hoch
Würzburg, 16.09.2016 – Im Rahmen eines Pressegesprächs auf der
Jahrestagung der DG PARO erläuterten Vertreter der Fachgesellschaft
die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Fünften Deutschen
Mundgesundheitsstudie (DMS V) des Instituts der Deutschen Zahnärzte
(IDZ) insbesondere bezogen auf Parodontalerkrankungen. Seit der
letzten Erhebung vor zehn Jahren ist eine positive Entwicklung bei der
parodontalen Gesundheit der Deutschen zu konstatieren, betonte DG
PARO Präsident Prof. Christof Dörfer. Es kann von einer deutlichen
Abnahme der Parodontitisprävalenz ausgegangen werden. Trotzdem
bleibt es nach den Bewertungen der DG PARO bei einer hohen
Behandlungslast in Deutschland von über 11 Millionen parodontal
schwer Erkrankten. Dabei ist insbesondere eine Verlagerung zu den
älteren Senioren (75 bis 100 Jahre) zu beobachten, wo die Prävalenz bei
über 50 Prozent liegt. Bei den jüngeren Erwachsenen (35 bis 44 Jahre)
hat sich der Anteil mundgesunder Patienten deutlich von 29 auf 48
Prozent verbessert.
Die Deutsche Mundgesundheitsstudie wird als bevölkerungsrepräsentative
Querschnittsstudie nur etwa alle 10 Jahre vom IDZ erhoben. Für die Beurteilung der
parodontalen Situation erfolgt eine Teilbefundung (12 Indexzähne an 3 Flächen) bei
per Zufall ausgewählten Probanden. In der DMS V wurden erstmals auch eine
Vollbefundungen (alle Zähne an 6 Flächen) bei circa 10 Prozent des Studienkollektivs
sowie die Untersuchung älterer Senioren über 75 Jahre durchgeführt, um die
Aussagekraft zu erhöhen. Die Erhebung der Daten für die DMS V wurde im Jahr 2014
abgeschlossen.
Prof. Thomas Kocher, Mitglied der DG PARO und Mitautor der DMS V erläuterte die
für die Parodontologie wichtigen Kennzahlen der DMS V. Bei allen Parametern sind
Verbesserungen zu verzeichnen. So ist die Zahl der Totalprothesen bei den jüngeren
Senioren (65 bis 74 Jahre) deutlich zurückgegangen, von 22,6 Prozent (DMS IV) auf
12,4 Prozent (DMS V). Bei den Erwachsenen ist, nahezu unverändert über die
Beobachtungszeiträume, nur circa ein Prozent zahnlos.
Mehr Zähne und gesündere Zähne
Die Anzahl der Zähne ist in den letzten Erhebungen über alle Alterskohorten hinweg
ständig gestiegen. Bei den Erwachsenen (35-44 Jahre) stieg die Zahl im Verlauf der
drei letzten Mundgesundheitsstudien von 24,1 (DMS III) auf 25,6 (DMS IV) zu 25,9
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(DMS V). Bei den jüngeren Senioren (65-74 Jahre) noch deutlicher: von 10,4 Zähne
auf 13,9 bis heute auf 16,9.
Auch die Zahl der Zähne ohne Füllungen ist bei Erwachsenen von 11,9 auf 16,8
gestiegen. Bei den Senioren zeigt sich eine noch deutlichere Verbesserung von 4,3
auf 10,3 gesunde Zähne. Damit haben die Untersuchten über alle Altersgruppen
hinweg mehr Zähne und darunter mehr gesunde Zähne. Damit liegt Deutschland im
Trend anderer Länder weltweit.
Die Implantatprävalenz ist deutlich gestiegen. Mit fortschreitendem Alter erhöht sich
die Zahl der Patienten mit Implantaten und die Zahl der Implantate je Patient. Circa 8
Prozent der Senioren sind mit Implantaten versorgt.
Deutliche Abnahme der Prävalenz schwerer Parodontitis in der DMS V
Die Prävalenz der schweren Parodontitis (entsprechend der Definition der AAP/CDC,
Page & Eke 2007) nahm bei den Erwachsenen von 17,4 Prozent auf 8,2 Prozent ab.
Moderate Fälle sanken von 53,6 Prozent auf 43,4 Prozent. Erfreulich ist der Anstieg
des Anteils parodontal gesunder Probanden von 29 Prozent auf 48,4 Prozent. Fazit:
Unter den Erwachsenen sind also aktuell nur noch halb so viele, die eine schwere
Parodontitis haben, aber fast doppelt so viele, die parodontal gesunde Zähne
aufweisen. Eine überaus positive Entwicklung.
Bei den jüngeren Senioren (65-74 Jahre) sind die schweren Parodontalerkrankungen
deutlich rückläufig, von 44,1 Prozent (DMS IV) auf 19,8 Prozent (DMS V). Bei den
moderaten Parodontalerkrankungen ist der Rückgang nur leicht von 47,9 Prozent
(DMS IV) auf 44,8 Prozent (DMS V).
Die Munderkrankungen verschieben sich ins höhere Alter
Neu ist die Untersuchung älterer Senioren (75 bis 100 Jahre). Erstmals wurde diese
Alterskohorte in die DMS V aufgenommen. Hier zeigt sich eine Prävalenz der
schweren Parodontitis von derzeit 44,3 Prozent. 45,7 Prozent hatten eine moderate
Parodontitis, nur 10 Prozent hatten keine oder eine milde Parodontitis.
Die DMS V zeigt auch auf, dass die heutigen jüngeren Senioren wesentlich gesünder
als die jüngeren Senioren der DMS IV sind. Die Krankheitslast der jüngeren Senioren
aus der DMS IV entspricht der der älteren Senioren von heute. Prof. Kocher betonte,
dass aber gerade für die älteren, pflegebedürftigen Senioren über 75 Jahren bislang
noch keine validierten Betreuungskonzepte vorliegen und sie überwiegend schlecht
vom Zahnarzt erreicht würden, insbesondere wenn sie alleine zu Hause lebten.
Die Krankheitslast ist aber deutlich höher – zeigen Berechnungen der DG PARO
Trotz aller positiver Trends, die die DMS V zeigt, merkten die Experten der DG PARO
kritisch an, dass bei Querschnittsstudien der direkte Vergleich, hier der DMS V mit der
DMS IV, so nicht möglich ist, weil eventuell andere Patienten untersucht wurden.
Auch kritisierten die Parodontologen, dass durch die gewählte Erhebungsmethode
der DMS V (Teilbefundung – partial mouth recording) eine Bewertung der wirklichen
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Krankheitsbelastung schwierig ist. Aus Ressourcengründen wurden in der DMS V nur
zwölf Indexzähne an drei Flächen parodontal befundet. Mit diesem Vorgehen, so Prof.
Kocher, können zwar Veränderungen über die Zeit erfasst, aber keine belastbaren
Aussagen zur Krankheitslast in der Bevölkerung gemacht werden.
Auf Anregung der DG PARO, die sich im Vorfeld der DMS V für eine Vollbefundung
(full mouth recording) aller Zähne ausgesprochen hatte, sich aber nicht durchsetzten
konnte, wurden dann zumindest 79 Erwachsene und 99 jüngere Senioren
vollumfänglich untersucht, um Korrekturfaktoren zu errechnen und damit den Umfang
der parodontalen Krankheitslast abzuschätzen.
Umgerechnet erhöhen sich die Prävalenzen auf 15,3 bzw. 40,6 Prozent
Während entsprechend der parodontalen Teilbefundung der DMS V 8,2 Prozent der
Erwachsenen bzw. 19,8 Prozent der Senioren parodontal stark erkrankt waren, liegen
die Werte – nach der Umrechnung von Teil- auf Vollbefundung – deutlich höher.
Danach beträgt die hochgerechnete Prävalenz schwerer Parodontalerkrankungen bei
den Erwachsenen 15,3 Prozent, bei den jüngeren Senioren 40,6 Prozent. Bei den
älteren Senioren bleibt die Prävalenz der schweren Parodontitis bei 44,3 Prozent, da
in dieser Gruppe bereits alle Zähne untersucht wurden.
11,5 Millionen parodontal schwer Erkrankte
Aus diesen errechneten Prävalenzzahlen in den untersuchten Alterskohorten kann die
parodontale Erkrankungslast der deutschen Bevölkerung hochgerechnet werden. In
Deutschland leben etwa 62,8 Millionen Menschen im Alter von ≥ 25 Jahre, von denen
vermutlich 11,5 Millionen parodontal schwer erkrankt sind, erläuterten die Vertreter
der DG PARO. Die bisherigen Hochrechnungen der Erkrankungslast aus der DMS IV
von 8 bis 11 Millionen Fällen schwerer Parodontalerkrankungen beruhten auf den
Jahrgängen der 35- bis 74-Jährigen und auf dem CPI (Community Periodontal Index)
im partial mouth recording. Im Vergleich von DMS IV und V ist die Prävalenz zwar
gesunken, wenn aber die über 74-Jährigen mit berücksichtigt und für die
Unterschätzung durch die Teilbefundung korrigiert werde, ergeben sich aktuell wieder
gut 11 Millionen behandlungsbedürftige schwere Fälle. Die auf der DMS IV
beruhenden Hochrechnungen haben die Prävalenz offenbar unterschätzt.
Ein Verdienst der Zahnärzte und Parodontologen
Eine Erklärung des Rückgangs der Prävalenzen in den vergangenen neun Jahren
stellte Prof. Peter Eickholz vor. Dazu bezog er die jährlich behandelten Fälle gemäß
der KZBV-Jahrbücher ein. Darin sind rund eine Million Behandlungen pro Jahr
erfasst. Davon abgezogen wird die Zahl der Neuerkrankungen mit schwerer
Parodontitis – das sind 500.000 pro Jahr (Kassebaum et al. 2014). So ergibt sich
hochgerechnet ebenfalls eine Reduktion der Erkrankungslast schwerer Fälle (CPI 4)
um 4,5 Millionen in neun Jahren, die mit der der DMS V übereinstimmt.
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Bei der Frage nach den Ursachen für diese erfreuliche Entwicklung verwiesen Prof.
Kocher und Prof. Eickholz nicht nur auf den Beitrag, den die Zahnärzte, die
spezialisierten Parodontologen und die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie
geleistet haben, die sich seit langem für eine Verbesserung der Behandlung stark
macht. Relevant könnte auch der Rückgang an Füllungen sein, die durch Überhänge
die Ausbildung von Parodontitis begünstigen. Zudem scheint die Aufklärungsarbeit in
Richtung Patienten Früchte zu tragen.
Aufgeklärtere Patienten, bessere Mundhygiene und Hilfsmittel
Zu den positiven Einflussfaktoren gehören auf Seiten der Bürger die gesunkene
Raucherprävalenz sowie ein insgesamt höherer Bildungsgrad und damit auch ein
höheres Bewusstsein sowie Wissen um richtige Mundhygiene. Das zeigt sich auch in
der deutlich häufigeren Verwendung von elektrischen Zahnbürsten, Zahnseide,
Zwischenraumbürsten und Mundwasser. Welche Effekte der messbar umfänglichere
Einsatz von Mundhygienehilfsmittel allerdings hat, das müssen weitere multifaktorielle
Untersuchungen der DMS V Daten zeigen.
PZR alleine reicht nicht
Über den Beitrag der PZR waren sich die Experten nicht einig. Um deren Einfluss auf
die veränderte Prävalenz der Parodontalerkrankungen abzuschätzen, müssen
multifaktorielle Auswertungen der DMS V Daten durchgeführt werden. „Zumindest
haben wir keine Daten dafür, dass PZR – also die Professionelle Zahnreinigung
alleine – eine Verbesserung der Parodontitis bewirkt“, so Prof. Eickholz, der sich auf
das Konsensuspapier der European Federation of Periodontology bezieht (Tonetti et
al. 2015). Jedoch sei die PZR im Praxisalltag meist mit weiteren Leistungen
assoziiert, wie Befunderhebung, Mundhygieneinstruktionen oder subgingivale
Instrumentierung, die nachweislich hilfreich seien. Hierzu bedarf es weiterer
Längsschnittstudien.
Fachgesellschaft sieht sich weiter in der Pflicht
Insgesamt gaben sich die Vertreter der DG PARO motiviert, weiter auf dem Erreichten
aufzubauen. „Wir können nicht alles falsch gemacht haben“, gab sich Prof. Eickholz
bescheiden und betonte, dass die Fort- und Weiterbildung sowie die politische und
Aufklärungsarbeit der DG PARO hierzu wichtige Beiträge leiste. Aber es müsse auch
mehr nach innen getan werden. Die parodontologische Ausbildung an den
Universitäten muss – nicht nur mit Blick auf die demografische Entwicklung –
aufgewertet werden, forderte Prof. Kocher. Die DG PARO werde die
parodontologische Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen weiterhin auf allen
Ebenen intensiv fördern. Dazu seien auch Kongresse wie diese Jahrestagung
notwendig, an der etwa 1.000 Kongressbesucher teilnahmen, darunter zunehmend
mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte.
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Deinzer R, Micheelis W, Granrath N, Hoffmann T. More to learn about: periodontitisrelated knowledge and its relationship with periodontal health behaviour. J Clin
Periodontol. 2009; 36: 756-764.
Hoffmann T, Schützhold S: Krankheits- und Versorgungsprävalenzen bei Jüngeren
Erwachsenen (35-bis 44-Jährige). In: Jordan AR, Micheelis W (Hrsg) Fünfte Deutsche
Mundgesundheitsstudie (DMS V). Deutscher Ärzteverlag (DÄV), Köln 2016.
Kassebaum NJ, Bernabé E, Dahiya M, Bhandari B, Murray CJ, Marcenes W. Global
burden of severe periodontitis in 1990-2010: a systematic review and metaregression. J Dent Res 2014; 93: 1045-1053.
Kocher T, Holtfreter B: Krankheits- und Versorgungsprävalenzen bei Jüngeren
Senioren (65-bis 74-Jährige). In: Jordan AR, Micheelis W (Hrsg) Fünfte Deutsche
Mundgesundheitsstudie (DMS V). Deutscher Ärzteverlag (DÄV), Köln 2016.
KZBV: KZBV Jahrbuch 2015.
Page RC, Eke PI. Case Definitions for Use in Population-Based Surveillance of
Periodontitis, J Periodontol 2007.
Tonetti MS, Eickholz P, Loos BG, Papapanou P, van der Velden U, Armitage G,
Bouchard P, Deinzer R, Dietrich T, Hughes F, Kocher T, Lang NP, Lopez R,
Needleman I, Newton T, Nibali L, Pretzl B, Ramseier C, Sanz-Sanchez I,
Schlagenhauf U, Suvan JE, Fabrikant E, Fundak A. Principles in prevention of
periodontal diseases–Consensus report of group 1 of the 11th European workshop on
periodontology on effective prevention of periodontal and peri-implant diseases. J Clin
Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S5–S11.
Bildinfo: vlnr: Prof. Kocher und Prof.
Eickholz / Bildrechte: DG PARO
Bildinfo: Prof. Dörfer / Bildrechte: DG
PARO
Fotos der Pressekonferenz können Sie hier herunterladen.
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Zur Gesellschaft:
Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DG PARO) nimmt
wissenschaftliche und fachliche Aufgaben auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde, insbesondere der Parodontologie wahr. Für ihre über 4.950
Mitglieder sowie zahnärztliche Organisationen ist sie seit über 90 Jahren beratend
und unterstützend in parodontologischen Fragen tätig. Zu den Aufgaben der DG
PARO gehört u.a. die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Parodontologie
sowie die Auswertung, Verbreitung und Vertretung der wissenschaftlichen
Erkenntnisse. Wesentliche Tätigkeitsschwerpunkte neben der Durchführung von
wissenschaftlichen Tagungen, sind die Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der
Parodontologie sowie die Ausrichtung entsprechender Veranstaltungen. Zudem
vergibt die Gesellschaft jährlich Wissenschaftspreise wie den Eugen-Fröhlich-Preis.
Die DG PARO arbeitet, auch interdisziplinär, intensiv mit wissenschaftlichen
Gesellschaften, Arbeitsgemeinschaften und Institutionen des In- und Auslandes
zusammen. Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.
Pressekontakt:
Gesellschaft:
Agentur:
Deutsche Gesellschaft für
Parodontologie e.V.
Neufferstraße 1
93055 Regensburg
Tel.: +49 (0) 941/942799–0
[email protected]
www.dgparo.de
Sieglinde Schneider
Accente Communication GmbH
Aarstraße 67
65195 Wiesbaden
Tel.: +49 (0) 611/40 80-610
[email protected]
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