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Phil 4,4-7
(Predigt am 4.Advent 2009 in Emmaus)
Liebe Gemeinde!
Unter der Überschrift „Weihnachten am besten abschaffen?“ konnte man am vergangenen
Wochenende in den Nürnberger Nachrichten lesen: „Viele Deutsche bekommen beim Gedanken an
das Weihnachtsfest ziemlich gemischte Gefühle. Sie sehen sich unter Druck und fürchten sich vor
Streit, ergab eine repräsentative Umfrage der GfK Marktforschung Nürnberg. Fast jeder Fünfte
(18,6 Prozent) würde Weihnachten am liebsten abschaffen. Jeder Vierte gibt an, die Feiertage
setzten ihn massiv unter Druck, da man sich um so viel kümmern müsse. Bei den Frauen sind dies
sogar 29,4 Prozent (Männer 19,2). 22,8 Prozent empfinden das Fest als äußerst stressig. Jeder
Sechste gibt zu, dass dann zu Hause meist dicke Luft herrscht.“
So weit die Pressemeldung. Darüber, was von solchen Umfrageergebnissen zu halten ist, kann man
geteilter Meinung sein. Immerhin machen sie deutlich, dass das frohe Weihnachtsfest, das wir uns
in diesen Tagen unzählige Male wünschen, oft mehr Ausdruck einer Sehnsucht als eine wirkliche
Erfahrung ist. Jedenfalls gibt es eine Menge Dinge, die uns die Freude an Weihnachten gründlich
verderben können. Oder geht die Weihnachtsfreude womöglich deshalb so oft verloren, weil der
eigentliche Grund des Festes trotz all der Lichterketten, der Geschenkeberge und der GourmetFestessen in Vergessenheit zu geraten droht? Da ist es wichtig, dass wir uns immer wieder,
besonders aber in diesen Tagen vor Weihnachten, daran erinnern lassen, dass wir als Christen
Anlass zur Freude haben, zu einer Freude, die aus dem Herzen kommt und die unser ganzes Leben
durchdringen will. So hören wir, was der Apostel Paulus vor fast 2000 Jahren der Gemeinde in
Philippi schreibt:
„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte laßt kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen laßt eure Bitten in Gebet und Flehen mit
Danksagung vor Gott kundwerden!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in
Christus Jesus.“ (Phil 4,4-7)
Als Paulus diese Worte schreibt, sitzt er im Gefängnis in Ephesus, ist also in einer gewiss nicht sehr
erfreulichen Situation. Wie es mit ihm weitergehen wird, ist ungewiss. Die Gemeinde in Philippi in
Mazedonien, zu der Paulus ein besonders herzliches Verhältnis hat, hatte ihm Gaben zukommen
lassen. Nun will er sich dort bedanken. Doch der Dank für die Gaben steht erst ganz am Schluss des
Briefes. Im Mittelpunkt seines Briefes aber steht der Dank für das, was Christus für ihn und für die
Gemeinde ist. Immer wieder kommt Paulus auf die Freude zu sprechen, die ihren Grund im
Glauben an Jesus Christus hat. Er weiß, dass er sich dabei wiederholt. Dennoch ruft er es den
Christen in Philippi – und mit ihnen wohl auch uns – zu:
„Freuet euch in dem Herrn allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch!“
Sich immer freuen - geht das denn? Ja, wir kennen Augenblicke des Glücks, da strahlt uns die
Freude aus allen Knopflöchern. Da muss uns auch niemand besonders dazu auffordern: „Nun freu
dich doch endlich!“ Leider vergehen solche Augenblicke meist sehr schnell, wenn unsere
Glücksgefühle konfrontiert werden mit Dingen, die uns das Lachen vergehen lassen. Dafür braucht
es gar nicht erst schwerer Krankheit oder plötzlichen Unglücks. Die alltäglichen Sorgen genügen,
welchen Anlass sie auch immer haben mögen: in der Partnerschaft, in der Familie oder im Beruf,
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ob es sich um persönliche Sorgen oder um Sorgen um politische und gesellschaftliche
Entwicklungen handelt. Sich Sorgen zu machen, liegt uns im allgemeinen näher, als dass wir uns
freuen an dem, was wir haben!
Das weiß auch Paulus. Dennoch ermahnt er uns zur Freude, die allewege, also immer und überall
unser Leben bestimmen soll. Und er nennt auch den Grund dafür: „Der Herr ist nahe.“ Wie wohl
die meisten Christen seiner Zeit dachte Paulus hierbei an die für die nahe Zukunft erwartete
Wiederkunft Christi. Diese Erwartung hat sich ja so nicht erfüllt. Dennoch gilt dieses „Der Herr ist
nahe“ seit Weihnachten für alle Zeiten, also auch für uns. Denn das ist ja das Wunder, das sich in
der Geburt des Christuskindes im elenden Stall von Bethlehem ereignet: Gott will uns ganz nahe
kommen. Er will nicht irgendwo über dieser Welt thronen, sondern er will bei uns sein. Deshalb
gibt er sich hinein in unsere menschliche Existenz. Er teilt mit uns das Leben mit seinen Freuden,
aber auch mit den Begrenzungen und Nöten. Um Ängste und Leid, unter denen wir so oft leiden,
macht er keinen Bogen. In grenzenloser Liebe wird er solidarisch mit uns, und zwar nicht nur mit
den Frommen und Tüchtigen, sondern auch mit denen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Dass
das so ist, erzählt schon die Weihnachtsgeschichte selbst: Die Ersten, die die Botschaft hören, dass
Gott nahe ist, sind die Hirten, also Menschen, die nichts oder nicht viel zu erwarten hatten vom
Leben. Später, als aus dem Kind in der Krippe der Prediger Jesus von Nazareth geworden war, sind
es die Kranken, die er heilte. Aber auch die, die schuldig geworden waren, erfuhren es hautnah:
„Der Herr ist nahe.“ Ohne Bedingungen zu stellen, rief Jesus sie zu sich. Er setzte sich an einen
Tisch mit ihnen und sie wussten, dass sie nicht von Gott verlassen waren.
Wir kennen diese Geschichten. Doch ist die Botschaft „Der Herr ist nahe“ auch für uns Grund
zur Freude? Oder haben wir uns so an sie gewöhnt, als sei sie das Selbstverständlichste auf der
Welt? Wissen wir es noch, wovon das Kirchenlied singt: „Mir ist Erbarmung widerfahren,
Erbarmung, deren ich nicht wert; das zähl ich zu dem Wunderbaren, mein stolzes Herz hat's nie
begehrt. Nun weiß ich das und bin erfreut und rühme die Barmherzigkeit.“?
Ich meine, wir haben es alle schon erlebt, wie wenig selbstverständlich es ist, wenn wir Sorgen und
Lasten, die uns niederdrücken, im Vertrauen auf eine gute Zukunft loslassen konnten. Aufatmen,
wieder aufbrechen aus Müdigkeit und Resignation, neu anfangen dürfen, wenn man gescheitert ist,
wenn man versagt hat oder schuldig geworden ist, welch ein Geschenk der Gnade Gottes ist das,
Zeichen der Nähe Gottes in unserem Leben! Weil der Herr nahe ist, weil er bei mir sein will und
mich begleitet, darum habe ich Grund zu immer neuer Freude! Wie seltsam, dass wir das so oft in
unserem Alltag vergessen und immer wieder ermahnt werden müssen: „Freut euch in dem Herrn
allewege und abermals sage ich: Freut euch!“.
Freilich, wenn uns diese Freude erfüllt, dann können und dürfen wir sie nicht für uns selbst
behalten. Darum fährt Paulus in seiner Ermahnung fort:
„Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!“
In der Art, wie wir leben, wie wir einander und anderen begegnen, soll etwas davon spürbar
werden, dass der Herr nahe ist. Freude ist ansteckend, sagen wir, und so soll es auch sein. Das ist ja
auch der Sinn der Geschenke an Weihnachten. Ich weiß, dass es manchmal schwer sein kann, ein
Geschenk für jemanden zu finden, der schon alles hat. Das Besondere eines Geschenkes liegt aber
meist nicht zuerst in seinem materiellen Wert, sondern darin, dass ich mich intensiv mit dem
anderen beschäftige, um zu entdecken, was ihm oder ihr Freude machen könnte. Da ist Fantasie
gefragt, und oftmals sind es eher die Gesten, mit denen wir uns jemandem zuwenden, als die
Sachen, die wir verschenken, die Freude machen. Ich denke dabei an Zeit, die wir teilen, einen
Besuch, den wir machen, wenn wir dem anderen zuhören, ihn begleiten und so Nähe vermitteln.
Die Güte anderen kund sein lassen, hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass wir teilen, was wir
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haben. Glücklicherweise gibt es ja seriöse Organisationen, die mit unseren Spendengeldern anderen
Freude bereiten und Hilfe zum Leben geben – und das nicht nur an Weihnachten.
An dieser Stelle muss ich mich jedoch selbst unterbrechen. Fragen steigen in mir auf, die ich nicht
einfach zur Seite schieben kann. Es ist sicher schön und gut, wenn wir versuchen, Nöte in der Welt
zu lindern und anderen eine Freude zu machen. Aber was ändern unsere gut gemeinten Spenden
schon an den Verhältnissen in unserer Welt? Tatsache ist, dass die Armut in unserer Welt ständig
zunimmt - auch in unserem so reichen Land. Verantwortungslos werden in ihrer Größenordnung
kaum noch zu benennende Milliarden von Geldern und Werten vernichtet, und solange auch nur
kurzfristige Gewinne zu machen sind, riskiert man das Umkippen unseres Weltklimas und weiteres
Elend von vielen Millionen von Menschen. Was bedeutet da die Botschaft „Der Herr ist nahe“?
Viel scheint davon nicht zu spüren zu sein. Kein Wunder, dass da kaum noch etwas übrig bleibt von
der Freude im Herrn. Machen wir uns vielleicht nur etwas vor, wenn wir versuchen, an
Weihnachten für ein paar Tage heile Welt zu spielen, und das oft genug noch mit zweifelhaftem
Erfolg?
Ich meine, dass wir mit diesen Fragen an dem Punkt angekommen sind, an dem wir noch einmal
darüber nachdenken müssen, was dieser Satz „Der Herr ist nahe“ noch bedeutet. Er weist nämlich
nicht nur zurück auf das, was mit Weihnachten und dem Kommen Jesu Christi in unsere Welt
begonnen hat. Er weist auch in die Zukunft. Mit anderen Worten: Die Nähe Gottes, die in Jesus
erfahrbar, ist erst der Anfang eines Geschehens, dessen Vollendung noch aussteht. Noch kann man
so tun, als sei die Botschaft von dem nahen Gott die irre Hoffnung einiger überdrehter Träumer, die
sich mit den Gegebenheiten unserer Welt nicht abfinden können. Doch Jesus selbst bleibt der Bürge
dafür, dass Gott nahe ist. Sein Weg endet nicht im Tod am Kreuz. Ein uralter Hymnus, den Paulus
in diesem gleichen Brief an die Gemeinde in Philippi zitiert, formuliert das so:
„Jesus war gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich
beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und
alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“
Gott wird sein gutes Werk vollenden. Darüber müssen wir uns keine Sorgen machen. Wenn wir
darauf vertrauen, werden die Nöte unserer Welt und unseres Lebens nicht einfach verschwunden
sein. Ja, wir tragen Verantwortung dafür, dass wir und die Mächtigen Wege zum Frieden, zur
Gerechtigkeit und zur Bewahrung der Schöpfung suchen und gehen. Doch der Apostel Paulus gibt
uns auch einen Rat, wie wir in der Freude über den Gott, der uns schon nahe gekommen ist und
dessen Kommen wir erwarten, leben können:
„Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit
Danksagung vor Gott kundwerden.“
Auch hier könnte man wieder sagen: Das ist leichter gesagt als getan. Diese Ermahnung des
Apostels Paulus will uns jedoch nicht unter Druck setzen. Sie ist vielmehr eine Einladung, mit dem
nahen Herrn in unserem Leben zu rechnen. Es geht darum, dass wir loslassen dürfen, was uns unfrei
macht. Das bedeutet auch, dass wir uns bei allen Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest nicht unter
Druck setzen lassen. Auch und gerade wenn nicht alles perfekt ist, wird möglicherweise wieder
Platz für die Begegnung mit dem Kind in der Krippe und damit Anlass zur tiefen Freude, dass der
Herr uns nahe ist.
Amen
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