Gesangsfall

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Fall 4: Tunichtgut T ärgert sich über seinen Kollegen Kalle K. Er ist sehr genervt von dessen
Gesangsproben und stößt den K gegen eine Mauer, um „dem Gepfeife mal ein Ende zu bereiten“.
Der K erleidet dadurch „nur“ einige Hautabschürfungen und Prellungen. Strafbarkeit des T?
Lösungsvorschlag:
A. T könnte sich zum Nachteil von K gem. § 223 strafbar gemacht haben, indem er ihn gegen eine
Mauer gestoßen hat.
I. TB
1. Objektiver Tb
- T ist ein tauglicher Täter und K als geborener, lebender Mensch ein taugliches Opfer
- T könnte eine körperliche Misshandlung verübt haben. Dies bedeutet, dass er das Opfer übel und
unangemessen behandelt und dadurch dessen körperliches Wohlbefinden oder die körperliche
Unversehrtheit nicht unerheblich beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall wird K übel und
unangemessen behandelt, da er gegen die Mauer gestoßen wird und dabei seine körperliche
Unversehrtheit sowie sein körperliches Wohlbefinden durch die Schmerzen erheblich beeinträchtigt
werden.
- Weiter könnte eine Gesundheitsschädigung hervorgerufen worden sein. Dies wäre der Fall, wenn
ein vom körperlichen Normalzustand nachteilig abweichender Zustand hervorgerufen oder
gesteigert wird. Die Prellungen und Schürfwunden stellen einen vom körperlichen Normalzustand
nachteilig abweichenden Zustand dar.
- Den nachteilig abweichenden Zustand hat T kausal hervorgerufen, da seine Handlung, das Stoßen,
nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.
- Zweifel an der objektiven Zurechenbarkeit ergeben sich nicht.
2. Subjektiver Tb
T handelt mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich bzgl aller obj Tb-merkmale.
II. RW: Er handelt rechtswidrig.
III. Schuld: T handelt schuldhaft.
B. Fraglich ist, ob T sich z N des K auch gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 strafbar gemacht hat,
indem er K gegen die Mauer gestoßen hat.
I. Tb
1. Objektive
- T hat den Grundtatbestand gem. § 223 verwirklicht, s.o. A.
- In Betracht kommt das Qualifikationsmerkmal „mittels eines gefährlichem Werkzeugs“. Unter
einem gefährlichem Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand zu verstehen, der nach Art und
Weise der konkreten Verwendung geeignet ist, nicht unerhebliche Verletzungen hervorzurufen. Die
Mauer stellt zwar einen Gegenstand dar, ist aber nicht beweglich. Mithin fehlt es an deren
Werkzeugqualität. Da eine Auslegung über den noch möglichen Wortsinn hinaus im Strafrecht zu
Ungunsten des Täters verboten ist, fehlt es vorliegend an der Verwirklichung von § 224 I Nr. 2.
- Weiter kommt eine lebensgefährdende Behandlung in Betracht. Diese liegt vor, wenn die
Handlungsweise der Körperverletzung nach den konkreten Umständen generell-abstrakt eine
Gefahr für das Leben des Opfers hervorgerufen hätte. Im vorliegenden Fall stößt T den K gegen
eine Mauer. Zwar ist eine Mauer regelmäßig sehr hart, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass
etwa der T den K mit einem besonders empfindlichen Körperteil, bspw dem Kopf, gegen die Mauer
gestoßen hätte. Daher fehlt es auch an der Verwirklichung von § 224 I Nr. 5.
T hat sich nicht gem. § 224 strafbar gemacht.
Ergebnis: T hat sich durch den Stoß zN des K gem. § 223 strafbar gemacht.
Abw: K tut später so, als ob er sich mit T aussöhnen möchte und streckt ihm freundlich die Hand
entgegen. Als T sich nähert, tritt K mit seinem Sicherheitsschuh dem T kräftig in den Magen.
K könnte sich zN von T gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 3, 5 strafbar gemacht haben, indem er ihm in den
Magen tritt.
I. Tb
1. Obj
- K ist ein Mensch, mithin ein tauglicher Täter. T ist ebenfalls als Mensch taugliches Tatobjekt.
- Eine körperliche Misshandlung liegt mit dem Fußtritt in den Magen vor, da dieser eine üble und
unangemessene Behandlung mit erheblicher Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens
darstellt. Ob eine Gesundheitsschädigung aufgetreten ist, kann dem Sachverhalt nicht entnommen
werden.
- Es könnte sich beim zum Treten verwendeten Schuh um eine Begehung „mittels gefährlichem
Werkzeug handeln. Dies ist der Fall bei einem beweglichen Gegenstand, der nach Art und Weise der
konkreten Verwendung geeignet ist, nicht unerhebliche Verletzungen hervorzurufen. Im
vorliegenden Fall stellt der Sicherheitsschuh einen beweglichen Gegenstand dar. Aufgrund der
Beschaffenheit mit fester Sohle und Sicherhheitskappe handelt es sich um einen festen Schuh.
Soweit dieser für einen Tritt in den Magen des Opfers verwendet wird, ist er geeignet bei diesem
erhebliche Verletzungen hervorzurufen. K hat somit § 224 I Nr. 2 objektiv verwirklicht.
- Weiter käme ein „hinterlistiger Überfall“ in Betracht. Ein Überfall ist ein plötzlicher Angriff auf
einen Ahnungslosen. Dies ist hier gegeben, da T überrascht wird von dem Fußtritt. Hinterlistig ist
ein Verhalten, bei dem der Täter planmäßig berechnend unter Verbergen seiner wahren Absicht
vorgeht. Auch dies liegt vor, da K vorgibt, sich mit T aussöhnen zu wollen. Damit verbirgt er vor T
seine wahren Ziele, eine Körperverletzung zu begehen. Mithin ist auch § 224 I Nr. 3 in obj Hinsicht
verwirklicht.
- Schließlich kommt eine lebensgefährdende Behandlung in Betracht. Diese wäre gegeben, wenn
die Handlungsweise der Körperverletzung nach den konkreten Umständen generell-abstrakt eine
Gefahr für das Leben des Opfers hervorgerufen hätte. Nicht entscheidend ist dagegen, ob eine
lebensbedrohliche Verletzungsfolge aufgetreten ist. Im vorliegenden Fall stellt der Tritt mit dem
Sicherheitsschuh in den Magen eine Behandlung dar, bei der die Gefahr einer Verletzung
lebenswichtiger Organe oder das Hervorrufen einer inneren Blutung in Betracht zu ziehen ist. Daher
handelt es sich um eine lebensgefährdende Behandlung gem. § 224 I Nr. 5.
2. Subj
K handelt mit Vorsatz (Wissen und Wollen) bezüglich der Körperverletzung, der Verwendung des
Sicherheitsschuhs zum Magentritt, des hinterlistigen Überfalls. Von Tötungsvorsatz kann nicht
ausgegangen werden, aber es ist ausreichend, wenn K – wie hier – die Einstellung hat, dass eine
abstrakte Lebensgefahr auftritt. Ihm war bekannt, dass er in den Magen tritt.
II. Rw K handelt rechtswidrig.
III. Schuld: Er handelt schuldhaft.
Ergebnis: K hat sich z N des T gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 3, 5 strafbar gemacht.
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