Staatliches Amt für Umwelt und Natur Stralsund Badenstraße 18 18439 Stralsund Karlshagen, 29.08.2008 Betreff: Steinkohlekraftwerk Lubmin Sehr geehrte Damen und Herren, in den Genehmigungsverfahren für das geplante Steinkohlekraftwerk Lubmin erheben wir im Nachfolgenden Einwendungen. Diese Einwendungen gelten für alle von Ihnen durchgeführten Verfahren, also für das Verfahren der Kühlwasserentnahme, der Einleitung von Kühlwasser und der Einleitung von Prozesswasser, das Verfahren der Naturschutzgenehmigung, das artenschutzrechtliche Verfahren, das Verfahren der permanenten Grundwasserabsenkung, das Verfahren der bauzeitlichen Grundwasserabsenkung und das Verfahren zum Erlass eines zweiten Vorbescheids einschließlich des Erlasses einer ersten Teilgenehmigung. Sollten noch weitere Verfahren geführt werden, erstreckt sich die Einwendung auch auf diese. Diese Einwendung gilt parallel zu anderen Einwendungen, die in unserm Namen erhoben werden. Mit dieser Einwendung wenden wir uns gegen die Genehmigung des Steinkohlekraftwerks und der hierfür weiter erforderlichen Genehmigungen. Als Tourismusverein Insel Usedom Nord e. V. vertreten wir die Mehrzahl der Tourismusunternehmen und der privaten Vermieter von Ferienwohnungen und Ferienhäusern im Inselnorden. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, den Tourismus in unserer Region zu stärken, zu fördern und weiter zu entwickeln und die Interessen unserer Mitglieder öffentlich zu vertreten. Investitionen und andere Maßnahmen, die auf der Insel Usedom bzw. in Ostvorpommern realisiert werden und auf den Tourismus Einfluss haben, sind dementsprechend von uns zu unterstützen oder abzulehnen. Nach unserem Verständnis schädigt das Betreiben des geplanten Kohlekraftwerkes Lubmin in einer vom Tourismus geprägten und lebenden Region -- der Norden der Insel Usedom ist cirka 15km Luftlinie von Lubmin entfernt -- stark und nachhaltig unsere touristischen Alleinstellungsmerkmale wie saubere gesunde Luft und intakte Naturlandschaften. Es ist statistisch nachgewiesen, dass das Erleben „heiler Umwelt“ für mehr als 80 Prozent unserer Urlaubsgäste das häufigste Reisemotiv nach MecklenburgVorpommern ist. Mit Bau und Betrieb eines Kohlekraftwerkes Lubmin gefährden wir ohne wirtschaftlichen Zwang unsere touristischen Voraussetzungen, auf deren Basis wir die z. Z. erfolgreichste Urlaubsdestination in Deutschland geworden sind, und setzen Tausende Beschäftigte in der Tourismusindustrie aufs Spiel, um für eventuell 150 Beschäftigte Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Wir sprechen uns deshalb gegen das geplante Steinkohlekraftwerk Lubmin aus und begründen unsere Ablehnung im Einzelnen wie folgt: * Trotz der angekündigten Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen wie z. B. der TA Luft wird das geplante Kohlekraftwerk nach Aussage des Investors -- bisher hier bei uns nicht existierende – Emissionen/Luftschadstoffe in einer unfassbaren Größenordnung von u.a. 7 bis 10 Millionen Tonnen Kohlendioxid, 7.500 Tonnen Schwefeldioxid, 7.500 Tonnen andere Stickoxide, über eine Tonne Quecksilber und weitere 60 Tonnen Schwermetalle wie Blei, Arsen, Cadmium und Nickel pro Jahr über eine Laufzeit von mindest 40 Jahren freisetzen. Damit wird nicht nur die global fortschreitende Erderwärmung verstärkt, sondern die Luftqualität hier bei uns in Ostvorpommern wird sich deutlich verschlechtern und die Natur z. B. durch sauren Regen geschädigt, was nicht akzeptiert werden kann. Aufgrund der Hauptwindrichtung ist davon besonders der Norden der Insel Usedom betroffen. * Bekanntlich soll das geplante Kohlekraftwerk ohne die sog. Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten, was zur Ableitung von jährlich ca. 2.000 Megawatt Wärme in den Greifswalder Bodden führt. Neben dem bereits existierenden globalen Temperaturanstieg, der natürlich auch den Greifswalder Bodden betrifft, erfolgt dadurch noch eine zusätzliche Erwärmung es Greifswalder Boddens mit nicht kalkulierbaren Auswirkungen auf Flora und Fauna und wird die Badewasserqualität in nicht akzeptierbarem Umfang gefährden. * Beim Betreiben des geplanten Kohlekraftwerkes werden nach Informationen des Investors der Abtransport von u.a. mehr als 500.000 Tonnen Flugasche, über 200.000 Tonnen Gips und ca. 30.000 Tonnen Schlacke im Jahr über die Straße notwendig. Das wird zu einer weiteren nicht mehr verkraftbaren Verschärfung der Stausituation auf der Insel Usedom besonders in der Saison für Urlauber und Einwohner führen. * Als Ausgleich für das geplante Kohlekraftwerk am Industriestandort Lubmin (und weiterer Investitionsvorhaben) ist der „Kompensationsflächenpool Cämmerer See“ in Vorbereitung. Dabei sollen der tlw. Rückbau des am Peenestrom vorhandenen Deiches erfolgen und die sich dahinter befindenden Flächen von rund 940 Hektar wieder der Vorflut des Peenestromes unterworfen werden. D. h., der Inselnorden wird großflächig „vernässt“, was die nachfolgenden Auswirkungen haben wird: + Hunderte Hektar von in über 80 Jahren gewachsener Natur, darunter z. B. 475 ha Wald- und Gehölzflächen und mehr als 350 ha Grünland, Moorflächen und Trockenbiotope, werden zerstört. + Der Cämmerer See wird für die Angler nicht mehr nutzbar sein ebenso wie der vorhandene Radweg vom Ostseebad Karlshagen bis Peenemünde. + Welche Sicherheitsprobleme bei der zeitweisen Überflutung bzw. dem Anstieg des Grundwassers in der z. Z. wegen Munitionsbelastung teilweise gesperrten Kienheide eintreten und ggf. Urlauber und Anwohner gefährden können, sind bisher vom Vorhabensträger Energiewerke Nord GmbH völlig außen vor gelassen worden. + Andererseits stellen diese bisher gesperrten Waldflächen ein zukünftiges Potential für eine touristische Nutzung dar. Durch die Einbeziehung in das Kompensationsvorhaben wird diese Möglichkeit von vorn herein verhindert. Das im vorigen Jahr gestartete Projekt „Denkmal-Landschaft Peenemünde“ und die sich abzeichnende Zunahme der touristischen Entwicklung der Gemeinde Peenemünde werden mit diesem Vorhaben ebenfalls signifikant behindert. + Durch die dauerhafte „Vernässung“ großer Teile des Inselnordens wird das Grundwasser wieder ansteigen und somit können die angrenzende Häuser und Ferienobjekte unserer Vereinsmitglieder in Peenemünde und im Ostseebad Karlshagen geschädigt werden und die Grundstückspreise rapide fallen. Möglich ist auch eine Nichtvermietbarkeit der Objekte. Die Auswirkungen des Kompensationsvorhabens stellen sich als nachteilig für die touristische Attraktivität heraus. Wir lehnen das Vorhaben deshalb ab. * Alle Urlauber, die mit Segel- und Motorboten vom Greifswalder Bodden aus den größten Yachthafen im deutschen Teil der Insel Usedom im Ostseebad Karlshagen anfahren, werden unangenehm überrascht sein, neben der bereits bekannten „Industriekulisse“ des ehemaligen Atomkraftwerkes Lubmin zusätzlich einen weiteren industriellen Komplex mit einem 110 Meter hohen Schornstein und mit 85 Meter hohen Kesselhäusern zu sehen. Die vom Investor angebotene „farbliche Anpassung“ wird u. E. nach daran nichts ändern. Weiterhin kommt es durch die Anlieferung der Kohle per Schiff zu einer starken Zunahme an „industriellen“ Schiffsbewegungen im Greifswalder Bodden. Der eine oder andere private Schiffsführer wird sich bei dieser „An- und Aussicht“ fragen, ob er sich hier wirklich in einer Urlaubsdestination befindet, und ggf. den Kurs ändern. Das heißt, die Auslastung des Yachthafens kann darunter leiden. Zusammenfassung: Die Attraktivität des Nordens der Insel Usedom für Urlauber und Vermieter wird sich durch das geplante Kohlekraftwerk generell verschlechtern, was zu einem Rückgang an Anreisen und Übernachtungen für die Touristiker führen kann. Wir bitten Sie, uns den Eingang der Einwendung zu bestätigen. Bereits jetzt bitten wir außerdem darum, uns nach den Erörterungsterminen ein Protokoll des Erörterungstermins zur Verfügung zu stellen. Sofern hierfür Kosten anfallen, bitte ich um vorherige Mitteilung der Kosten. Mit freundlichen Grüßen ________________________ Unterschrift Name: Straße: PLZ, Ort: Tourismusverein Insel Usedom Nord e.V. Strandstraße 22 17449 Ostseebad Karlshagen