Freiherr-vom-Stein Gymnasium Wilhelmstraße 77 46145 Oberhausen Till Baaske Facharbeit zum Thema Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf Eine empirische Untersuchung Fachlehrer: Herr Malach Kurs: GK Psychologie Schuljahr: 2. Halbjahr 2011/2012 Inhaltsverzeichnis 0. Einleitung ........................................................................................................................................ 2 1. Konsistenz ....................................................................................................................................... 3 1.1 Kognitionen ........................................................................................................................... 3 1.2 Konsonanz ............................................................................................................................. 3 1.3 Dissonanz .............................................................................................................................. 4 2. Die Theorie der kognitive Dissonanz ............................................................................................ 5 2.1 Die Entstehung von Dissonanz ............................................................................................. 6 2.2 Dissonanzreduktion ............................................................................................................... 6 3. Die Bedingung für kognitive Dissonanz: Bindung ...................................................................... 8 3.1 Die Größe des Handlungsanreizes ........................................................................................ 8 3.2 Entscheidungsfreiheit ............................................................................................................ 9 3.3 Hindernisse und Kosten ........................................................................................................ 9 3.4 Öffentlichkeit ...................................................................................................................... 10 3.5 Schreiben – Der „Magic act“ ..............................................................................................11 3.6 Besitz ....................................................................................................................................11 4. Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf .................................................................. 12 4.1 Dissonanz nach Entscheidungen ......................................................................................... 12 4.2 Foot-in-the-door-Technik .................................................................................................... 12 4.3 Low-balling ......................................................................................................................... 14 4.4 Oversufficent-justification-Effekt ....................................................................................... 15 5. Experiment: Foot-in-the-door-Technik ...................................................................................... 16 5.1 Problemstellung ................................................................................................................... 16 5.2 Hypothese ............................................................................................................................ 16 5.3 Methode ............................................................................................................................... 16 5.4 Ergebnisse ........................................................................................................................... 18 5.5 Diskussion ........................................................................................................................... 20 5.6 Die Gütekriterien der Untersuchung ................................................................................... 21 6. Fazit ............................................................................................................................................... 24 7. Quellenverzeichnis ....................................................................................................................... 25 Erklärung zur Eigenständigkeit ................................................................................................. 26 0. Einleitung Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Glücklichen, die sich um das Thema ihrer Facharbeit nicht lange Gedanken machen mussten. Zwar klingen „Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf“ zunächst weniger nach einem Thema, mit dem man sich mehrere Wochen auseinandersetzen möchte, aber im Grunde genommen sind die oben angesprochenen Konsistenzmechanismen eine äußerst interessante Erklärung dafür, wie Marketing-Experten sich ganz natürliche, menschliche Verhaltensweisen zu Nutze machen, um potenzielle Kunden unterbewusst zu manipulieren und sie zu einem Kauf zu bewegen, den sie unter normalen Umständen wahrscheinlich nicht tätigen würden. Da wir dieses Thema im Unterricht nur kurz angeschnitten haben, ich mich aber schon vorher dafür interessiert habe, wie genau Menschen manipuliert werden, lag für mich auf der Hand, mich intensiver damit auseinanderzusetzen und sah letztendlich die Facharbeit als optimale Gelegenheit dazu. Lässt man also den zunächst nach stumpfer Theorie klingenden Namen dieser wissenschaftlichen Arbeit außen vor und beschäftigt sich eine Weile mit der Theorie, die Konsistenzmechanismen zugrunde liegt, bemerkt man schnell, dass viel mehr dahinter steckt, als im ersten Moment angenommen. Auf den folgenden Seiten werde ich genau dies versuchen zu beweisen. Um die verschiedenen Verkaufstechniken zu verstehen, muss man sich allerdings zunächst mit der Theorie über das menschliche Verhalten beschäftigen, auf der diese basieren. Darauf aufbauend werde ich dann die verschiedenen Strategien anhand von bekannten Untersuchungen erklären und zum Abschluss ein eigenes Experiment darlegen, um nicht nur einen theoretischen, sondern auch einen praktischen Einblick in Konsistenzmechanismen zu bieten. 1. Konsistenz 1.1 Kognitionen Konsistenztheorien basieren auf der Hypothese, dass der Mensch grundsätzlich danach strebt, Widersprüche zwischen verschiedenen Kognitionen zu vermeiden, also nach Konsistenz strebt. Unter dem Begriff „Kognition“ versteht man „geistige Phänomene wie Überzeugungen, Urteile, Erinnerungen, Wissen oder Absichten“ 1. Festinger selbst beschreibt eine Kognition als „irgendeine Kenntnis, Meinung oder Überzeugung von der Umwelt, von sich selbst oder von dem eigenen Verhalten“ 2. Genauer definiert werden diese Begriffe allerdings nicht und bieten somit einen gewissen Auslegungsspielraum. 1.2 Konsonanz Jedenfalls stehen Kognitionen oder auch Gruppen von mehreren Kognitionen in Beziehung zueinander, sodass, sollten sie miteinander konsistent seien, ein ausgeglichener Zustand im menschlichen Bewusstsein entsteht. Ein Mensch verhält sich also konsistent, wenn seine Handlung nicht gegensätzlich zu seinen Kognitionen ist bzw. seine Kognitionen miteinander übereinstimmen.3 4 1 Felser, Georg: Werbe- und Konsumentenpsychologie, S. 272 2 Festinger, Leon: Theorie der kognitiven Dissonanz, S. 16 3 Festinger, S. 23 4 http://www.werbepsychologie-online.de/html/konsistenz.html 1.3 Dissonanz „Elemente stehen in einer dissonanten Beziehung zueinander, wenn, zieht man nur diese beiden in Betracht, das Gegenteil des einen Elements aus dem anderen folgt.“ 5 Ist eine Handlung allerdings gegensätzlich zu den Kognitionen einer Person und damit inkonsistent, entsteht eine unangenehme psychische Spannung und gleichzeitig damit das Bedürfnis, diese Spannung zu reduzieren.Ein einfaches Beispiel für kognitive Dissonanz ist etwas zu versprechen, dieses Versprechen dann aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht einzuhalten. Der Widerspruch zwischen dem Gesagten und dem, was tatsächlich getan wurde, löst ein unangenehmes Gefühl bei der betreffenden Person aus. 5 Festinger, S. 26 2. Die Theorie der kognitiven Dissonanz Bevor ich genauer auf Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz eingehe, will ich zunächst ein kleines Beispiel anführen, welches das Prinzip dieser Theorie relativ alltagsgetreu veranschaulicht. Folgende Situation: Mit dem Wissen, dass ich in naher Zukunft einen Ausdauertest abzulegen habe, begebe ich mich auf das Laufband in einem Fitnessstudio. Mein Ziel, also meine Kognition, ist zehn Minuten bei schnellem Tempo durchzuhalten. Nach ungefähr acht Minuten fiel mir das Laufen deutlich schwerer und ich überlegte, ob nicht auch acht Minuten reichen würden, da es ja schließlich mein erster Vorbereitungslauf war. Dennoch hat sich irgendetwas in mir deutlich dagegen gesträubt aufzuhören, sodass ich nach letztendlich nach zehn Minuten erschöpft, aber glücklich vom Laufband gestiegen bin. Nach acht Minuten wäre ich sicher genauso erschöpft, aber deutlich unglücklicher gewesen. Dieses Gefühl der Unzufriedenheit bezeichnen Sozialpsychologen als kognitive Dissonanz, eine unangenehme psychische Spannung im menschlichen Bewusstsein. 6 Oftmals gehören solche Inkonsistenzen aber auch zum Alltag bestimmter Menschen, zum Beispiel Rauchern. Jeder von ihnen wird wissen, dass Rauchen schädlich ist und im schlimmsten Fall zum Tode führen kann. Dennoch schaffen es die wenigsten, erfolgreich mit dem Rauchen aufzuhören. Eben diese versuchen dann ihr Verhalten zu rationalisieren, und reden sich beispielsweise ein, dass man sein Leben nicht genießen kann, wenn man ständig Angst vor Gefahr oder Risiko hat. Dies ist aber nicht die Regel, denn oftmals scheitern Menschen beim Versuch, sich ihre Inkonsistenzen schönzureden. 7 6 Festinger, S. 16 7 Festinger, S. 16 Festinger stellt dazu folgende Hypothesen auf: 1) „Die Existenz von Dissonanz, die psychologisch unangenehm ist, wird die Person motivieren zu versuchen, die Dissonanz zu reduzieren und Konsonanz herzustellen“ 8 2) „Wenn Dissonanz besteht, wird die Person, zusätzlich zu dem Versuch, sie zu reduzieren, aktiv Situationen und Informationen vermeiden, die möglicherweise die Dissonanz erhöhen könnten.“ 9 2.1 Entstehung von Dissonanz Wie und warum entsteht aber genau Dissonanz? Um die Dissonanz zwischen zwei widersprüchlichen Kognitionen zu verspüren, muss sich die betroffene Person zum einen der beiden Kognitionen und zum anderen des Widerspruchs zwischen den beiden bewusst sein. Die Person muss sich also mehr oder weniger dabei ertappen, wie sie etwas tut, was nicht mit ihren Einstellungen, Meinungen oder bisherigen Verhalten, kurz gesagt Kognitionen, übereinstimmt. Dies kann zum Beispiel eintreten, wenn etwas Neues in der Umwelt der Person geschieht oder sie mit Informationen konfrontiert wird, die ihr bisher nicht bewusst waren. Solch eine Art von Dissonanz entsteht sehr häufig, „da eine Person über die sie erreichenden Informationen und Ereignisse, die in ihrer Umwelt geschehen, keine vollständige Kontrolle hat“. 10 Abgesehen von Zufällen und der Aufnahme von neuen Informationen ist Dissonanz aus dem Alltag nicht auszuschließen, sondern eher ein Zustand, der, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt, fast immer vorhanden ist. Festinger selbst sagt, dass die wenigsten Situationen eindeutig genug sind, „als dass Meinungen oder Verhaltensweisen 8 Festinger, S. 16 9 Festinger, S. 16 10 Festinger, S. 18 nicht bis zu einem gewissen Grad eine Anhäufung von Widersprüchen wären.“ 11 Er geht sogar so weit zu sagen, dass eine gewisse Dissonanz immer entsteht, wenn eine Entscheidung getroffen werden muss. Diese resultiert aus den möglichen Alternativen zur getroffenen Entscheidung, für die man sich nicht entschieden hat, obwohl es mit Sicherheit auch Punkte gegeben hat, die für genau die Alternative gesprochen haben. 2.2 Dissonanzreduktion Wie in den Hypothesen bezüglich der Theorie der kognitiven Dissonanz schon beschrieben, ist das Auftreten von Dissonanz gleichbedeutend mit dem Verlangen, diese zu vermeiden oder zu reduzieren. Festinger bezeichnet kognitive Dissonanz als eine Antendenzbewegung, die einen dazu bewegt, Aktivitäten auszuführen, die diese Dissonanz reduziert. Er vergleicht Dissonanz mit einem Hungergefühl, welches der Mensch reduziert, indem er etwas isst. Zudem entspricht die Höhe der Dissonanz auch der Höhe des Aufwands, der betrieben wird, um diese zu reduzieren. 12 Dies kann durch die Reduktion von dissonanten sowie der Addition von konsonanten Kognitionen, aber auch durch eine Veränderung des eigenen Verhaltens beziehungsweise der Einstellung oder bestimmten Kognitionen der Umwelt geschehen. Allgemein kann die Dissonanz zwischen zwei Elementen beseitigt werden, wenn eines der beiden Elemente verändert wird. Die Reduktion von dissonanten und die Addition von konsonanten Kognitionen ist hier einfachste Variante. Kauft man beispielsweise ein Auto, so wertet man die Alternative ab, gegen die man sich entscheiden hat und meidet Informationen, die das gekaufte Auto schlechter erscheinen lassen. So soll die nicht gewählte Alternative unattraktiver erscheinen als diejenige, für die man sich letztendlich entschieden hat. 13 Bei der Addition konsonanter Kognitionen würde man hingegen Informationen sammeln 11 Festinger, S. 18 12 Festinger, S. 30 13 http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf, S. 5 und sogar suchen, die die eigene Entscheidung bestärken. So würden sie sich zum Beispiel durch einen Zeitungsartikel, der das gekaufte Produkt in einem guten Licht darstellt, in ihrer Entscheidung bestärkt fühlen. Sein Verhalten und/oder seine Einstellung zwecks der Dissonanzreduktion zu ändern kommt relativ häufig vor, ist aber nicht immer möglich und meistens auch sehr umständlich. Ungleich schwieriger ist es jedoch, eine Kognition der Umwelt zu verändern und dem eigenen Verhalten anzupassen, da man nur in den seltensten Fällen eine ausreichende Kontrolle über die soziale sowie auch die physische Umwelt hat. 14 3. Die Bedingung für kognitive Konsistenzmechanismen: Bindung „Eine der Kernbedingung für das Wirksamwerden von Inkonsistenzen ist der Grad, bis zu welchem die eigene Person in diesen Widerspruch verstrickt ist.“ 15 Nachdem wir jetzt wissen, wann Dissonanz auftritt und wie sie entsteht, bleibt noch die Frage offen, in welchen Fällen wir Inkonsistenzen auch als unangenehmes Gefühl, also 14 Festinger, S. 31ff. 15 Felser, S. 276 Dissonanz, wahrnehmen, denn genau dies ist der entscheidender Faktor, wenn es darum geht, aus Widersprüchen in unserem Verhalten auch Profit zu schlagen. Konsistenzmechanismen greifen nämlich nur, wenn die Person eine Beziehung zu mindestens einer der Kognition besitzt. Sozialpsychologen bezeichnen diese Beziehung als „commitment“, zu Deutsch „Bindung“. 16 Je größer die Bindung zu einer oder auch beiden widersprüchlichen Kognitionen ist, desto stärker ist auch die daraus erfolgende Dissonanz. Die Faktoren für die Stärke der Bindung sind unterschiedlich. Gibt ein Fußballer zum Beispiel vor versammelter Mannschaft das Versprechen ab, beim nächsten Spiel pünktlich zu kommen, so ist die Bindung an jenes stärker, als wenn er sich lediglich vornimmt, nicht zu spät zu kommen. 3.1 Die Größe des Handlungsanreizes Festinger und Carlsmith haben Studenten darum gebeten, an einem Test teilzunehmen, der eine Stunde Zeit in Anspruch nahm und unglaublich langweilig war. Die Versuchspersonen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen eine Gruppe mit 20$ und die andere mit einem Dollar belohnt wurde, wenn sie den folgenden Teilnehmer vermitteln, dass Experiment sei sehr interessant. Nachdem das geschehen war, wurden die Versuchspersonen zu einem Interview eingeladen, in dem sie offen und ohne irgendwelche Konsequenzen erwarten zu müssen ihre Meinung über das eben absolvierte Experiment kundtun konnten. Das Ergebnis dieses Interviews war, dass die 1$-Gruppe das Experiment tatsächlich als interessant bewertet hat, die 20$-Gruppe hingegen als langweilig. Tatsächlich das Experiment im Grunde über alle Maße hinaus langweilig. Dies ist wie folgt zu erklären: Beide Gruppen haben die folgenden Teilnehmer angelogen, als sie ihnen gesagt haben, das Experiment sei interessant. Die 20$-Gruppe konnte aber ihre Lüge auf die Belohnung schieben, sie sahen die Lüge als einen Job an, für den sie ausreichend bezahlt wurden. Dies war bei der 1$-Gruppe so nicht möglich, da sie den Dollar nicht als externe Rechtfertigung ansah. Um die durch die Lüge entstandene Dissonanz zu reduzieren, ändern die betroffenen Versuchspersonen ihre Kognition bezüglich der Unterhaltsamkeit des Experiments und reden sich das Experiment schön. 16 Festinger, S. 31ff. Sie ändern also ihre Einstellung, um die Dissonanz zu reduzieren. 17 Wir halten fest: Um Bindung zu erzeugen, muss man einen Mittelwert zwischen einer zu hohen und gar keiner Belohnung finden, da ansonsten das Verhalten auf eben diese Belohnung geschoben, oder eben gar nicht erst ausgeführt wird. Der Handlungsanreiz muss also bewirken, dass das gewünschte Verhalten gezeigt wird, aber gleichzeitig zu klein sein, um es ausschließlich auf diesen zurückzuführen. 18 3.2 Entscheidungsfreiheit Auch dieser Faktor lässt sich in dem oben beschriebenen Experiment nachweisen. Eine Person ändert nur ihre Einstellung, wenn sie ihr Verhalten nicht durch externe Faktoren, wie zum Beispiel die 20$-Belohnung oder auch Zwang, rechtfertigen kann. Die Person muss sich für ihr Verhalten verantwortlich fühlen und sich selbst als Verursacher dessen wahrnehmen. 19 3.3 Hindernisse und Kosten Ist der Kauf eine Produkts mit hohen Engagement, also zum Beispiel mit einem schwierigen oder langwierigen Entscheidungsprozess, einem intensiven Vergleich mit anderen Alternativen oder einer langen Wartezeit verbunden, so steigt gleichzeitig die Wertschätzung dessen. Kauft eine andere Person dasselbe Produkt, allerdings ohne jegliches Engagement, so wird die Bindung zum Produkt nicht so hoch sein wie bei dem anderem Käufer. Das Prinzip dahinter drückt das Sprichwort „Man will immer das, was man nicht haben kann“ sehr gut aus. Felser sagt, dass „alle Mühsal, alle Anstrengung, alle Extra-Investitionen, die man auf sich nimmt, um eine Sache zu erreichen, eine Art des Engagements sind und Bindung erzeugen.“ 20 17 http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf, S. 6 18 Festinger, S. 31ff. 19 Felser, S. 276 20 Felser, S. 277 3.4 Öffentlichkeit Logischerweise verhalten sich Menschen in der Öffentlichkeit besonders konsistent, also so, wie man es von ihnen erwartet, da die Öffentlichkeit als Justiz wahrgenommen wird, die mögliche Inkonsistenzen mit einer Charakterschwäche, zum Beispiel Opportunismus oder Verrat, gleichsetzt. Andersrum ist konsistentes Verhalten in der Gesellschaft hoch angesehen: Ein Mensch, der nach Konsistenz strebt, wirkt auf seine Mitmenschen ehrlich und vertrauensvoll. Verhält sich eine Person also nicht so, wie es die Gesellschaft von ihr erwartet, droht ihr ein Gesichtsverlust.21 In einem Experiment von Deutsch und Gerard (1955) wurde dies eindeutig bewiesen. Studenten sollten in diesem Experiment Längenschätzungen vornehmen und diese auf einen Zettel schreiben. Eine Gruppe musste diese Schätzung zusätzlich auch noch unterschreiben. Außerdem gab es eine Kontrollgruppe, die sich ihre Schätzungen lediglich merken sollte. Danach erhielten sie eine Information, durch die klar wurde, dass die meisten Studenten eine Fehleinschätzung getätigt haben. Die Versuchspersonen bekamen aber die Chance, ihre ursprüngliche Einschätzung zu verbessern. Dabei stellte sich heraus, dass die Studenten, die ihre Einschätzung unterschrieben haben, ihr Urteil also öffentlich gemacht haben, am wenigsten von diesem abwichen. Auch die Gruppe, welche anonym verblieben ist, ihr Urteil aber dennoch aufschreiben musste, ist ebenfalls größtenteils ihrer Meinung treu geblieben. Die Kontrollgruppe hingegen änderte ihre Einschätzung sehr deutlich. 22 Das zeigt, dass Öffentlichkeit (und auch die Unterschrift) einen starken Drang zur Konsistenz erzeugt. Auch hier hat die Werbung einen Weg gefunden, dieses Phänomen gewinnbringend einzusetzen. In einem Werbespot spielt Vodafone einen Song, der durch die vermehrte 21 http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf, S. 3 22 Cialdini, Robert: Die Psychologie des Überzeugens, S. 120f. Ausstrahlung des Spots an Beliebtheit hinzugewonnen hat. Dadurch ist der Song wiederum in den Charts aufgestiegen und wurde somit nicht nur im Fernsehen sondern auch im Radio und in Diskotheken gespielt. Die Konsumenten verbinden das Lied unweigerlich mit Vodafone und Tanzen und Singen im Extremfall auch dazu. Sie bekennen sich öffentlich zum Lied und somit auch zu Vodafone. Das klingt vielleicht ein bisschen weit hergeholt, aber wenn man ein bisschen nachdenkt, gibt es unzählige Musikstücke, die einen an ein bestimmtes Produkt erinnern. 23 3.5 Schreiben - Der „Magic act“ Auch die Handlung des Schreibens ist ein Faktor der die Bindung an eine Kognition stark erhöht, Cialdini beschreibt sie sogar als „Magic act“. Im Experiment von Deutsch und Gerrard wurde ja bereits der Einfluss einer Unterschrift auf die Konsistenz bewiesen. Dies machen sich auch Firmen zunutze, welche Preisausschreiben versenden. Oftmals besteht die einzige Aufgabe darin, einen passenden Werbeslogan zu erfinden und den Teilnahmeschein dann auch noch zu unterschreiben. Um sich solch einen Slogan auszudenken, muss man sich ausgiebig mit dem Produkt bzw. der Firma auseinandersetzen. Allein dadurch fühlt man sich bereits enger mit dem Inhalt des Werbeslogans verbunden. Zudem kommt das Engagement, welches man in den Werbespruch steckt, wodurch wiederum Konsistenz erzeugt wird. Auch beim Tür-zu-Tür-Verkauf wird die Unterschrift als Mittel benutzt, um den Widerruf eines Kaufes zu verhindern. So lassen geschickte Verkäufer die Bestellung einfach von den Kunden selbst ausfüllen oder, um die Fantasie anzuregen, eine kurze Rezension des Produkts verfassen. So wird unterschwellig die Bindung an das Produkt erhöht. 24 3.6 Besitz Allein durch den Besitz eines Gegenstandes wird die Bindung an diesen erhöht, der subjektive Wert dieses Gegenstandes steigt also. Das heißt auch, dass man jeglichen negativen Aspekten dessen erst einmal kritisch und abweisend gegenübersteht. Denn wer 23 http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf, S. 8f. 24 Felser, S. 277f. gibt schon gerne zu, dass die neu gekaufte Wohnung schlecht gelegen ist? Der frische Käufer sicherlich nicht. Zudem ruft der Verlust des Gegenstandes beim Besitzer Dissonanz hervor. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als Mere-Ownership-Effekt. Auch diesen macht sich die Werbung zu Nutze, indem beispielsweise auf Prospekten Sätze wie „Vielleicht sind sie jetzt schon stolzer Besitzer eines BMW“ anstatt „Sie haben die Chance einen BMW zu gewinnen“ zu finden sind. Den möglichen Gewinn zu versäumen klingt weniger schmerzhaft als den schon zugeschriebenen BMW zu verlieren. 25 4. Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf Die oben aufgeführten Bindungsfaktoren sind allerdings nur die Grundlage für die wirklichen Konsistenzmechanismen, von denen in Werbung und Verkauf Gebrauch gemacht wird. 4.1 Dissonanz nach Entscheidungen Oftmals tritt nach Entscheidungen ein ungewisses bis störendes Gefühl auf. Man fragt sich, ob man die richtige Entscheidung getroffen hat und braucht meistens eine gewisse Zeit, diese als richtig oder falsch anzuerkennen. Genau hier setzt die sogenannte Nachkaufwerbung an. Gerade bei Elektrowaren ist diese oft aufzufinden, da es auf diesem Gebiet eine unzählige Anzahl an Alternativen zur eigenen Entscheidung gibt. Hat sich ein Kunde nach langem Überlegen für ein Produkt entschieden und gekauft, so ist die entstandene Dissonanz dennoch nicht direkt nach dem Kauf reduziert. Damit es durch diese Dissonanz nicht zum Umtausch der Ware kommt, haben sich Werbeforscher die Nachkaufwerbung ausgedacht: Der Kunde hat also jetzt trotz ebenfalls vielversprechender Alternativen das Produkt gekauft und ist dieser Phase besonders empfänglich für Informationen, die ihn im getätigten Kauf unterstützen. So ist es 25 Felser, S. 279f. beispielweise strategisch klug, wenn der Verkäufer nach der Bezahlung zum Erwerb des Produktes gratuliert und es nochmal explizit lobt. Dabei werden die bisher ebenfalls gepriesenen Alternativen mit keinem Wort mehr erwähnt. Dadurch wird der Käufer in seiner Entscheidung gestärkt und geht guten Gewissens nach Hause. Nachkaufwerbung findet sich sogar noch beim Auspacken des Produkts, zum Beispiel wird zu Anfang der Bedienungsanleitung nochmal auf die richtige Entscheidung hingewiesen: „Wir gratulieren Ihnen zum Kauf von XY“ 26 4.2 Foot-in-the-door-Technik Die Foot-in-the-door-Technik beschreibt eine besonders interessante, vor allem implizite, Strategie, jemand zu einer Handlung zu bringen, die er unter normalen Umständen höchstwahrscheinlich nicht ausführen würde. Howard hat dieses Prinzip 1990 in einem ganz einfachen Experiment dargestellt: Er fragte seine Probanden zuerst, wie es ihnen geht. Der Großteil der Versuchspersonen antwortete auf diese Frage wie selbstverständlich mit "Gut". Da es den Probanden ja, wie öffentlich bekräftigt, gut geht, seien sie bestimmt bereit eine Spende für Hilfsbedürftige abzugeben. Und tatsächlich spendeten 14 Prozent mehr Leute, wenn sie vorher ihr eigenes Befinden als gut beschrieben haben, als wenn direkt nach einer Spende gefragt wurde. 27 Der Trick der Foot-in-the-door-Technik liegt also darin, die betreffende Person erst um ein kleines Entgegenkommen zu bitten und ein größeres Anliegen vorzutragen. Ist die kleine Bitte erfüllt, hat man sprichwörtlich den Fuß in der Tür und das „Opfer“ sieht sich gezwungen, sich konsistent zu seiner vorherigen Handlung zu verhalten. Würde man lediglich um das größere Anliegen bitten, so sind die Chancen geringer, dass dieses erfüllt wird. Ein Experiment von Freedman und Fraser veranschaulicht dieses Phänomen in einer eindrucksvolleren Weise, als es das von Howard getan hat. Das Prinzip ist zwar das gleiche, aber die beiden Anliegen, vor allem aber das Zweite, sind bedeutend größer. Im 26 http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf, S. 13f. 27 Felser, S. 281 Rahmen der Untersuchung wurden Anwohner eines Wohnviertels in Kalifornien darum gebeten, ein kleines Schild vor ihrem Haus aufzustellen, das an eine vorsichtige Fahrweise appelliert. Da das Schild nicht störte und zudem einem guten Zweck diente, waren die meisten Versuchspersonen bereit, die Bitte zu erfüllen. Einige Zeit später wurde an die Anwohner, die bereits ein kleines Schild im Garten stehen hatten, wieder ein Anliegen herangetragen. Sie sollten wieder ein Schild vor ihrem Haus aufstellen, welches dieses Mal aber enorm groß und zudem nicht besonders hübsch anzusehen war. Dennoch willigten 76 Prozent der Versuchspersonen ein. In der Kontrollgruppe, die zuvor keine kleine Bitte erfüllt hatte, waren hingegen lediglich 17 Prozent der Befragten bereit, das große Schild aufzustellen. 28 Der Effekt der Foot-in-the-door-Technik ist unübersehbar: Indem die Probanden das kleine Schild aufgestellt haben, fühlten sie sich so weit in die Kampagne involviert, dass die Ablehnung der zweiten Bitte als dissonantes Verhalten wahrgenommen wären würde. Von dieser Technik machen natürliche auch Geschäfte beziehungsweise Firmen gebrauch. Dem Gelegenheitskunden werden verlockende Angebote gemacht, von denen der Verkäufer zunächst keinen wirklichen Gewinn hat. Der Käufer bindet sich aber durch den Kauf des Angebots an die entsprechende Firma und wird so vom Gelegenheitskunden zu einem Kunden, der in Zukunft auch größere Käufe tätigt. Oftmals werden auch regelmäßig Prospekte an die Kunden geschickt, um die Bindung zu stärken. Da die betreffende Person nach Konsistenz in ihren Handlungen strebt, bleibt sie der Marke/der Firma sozusagen „blind“ treu. Der Wechsel zu einer anderen Marke bedarf guter Gründe, der bisherigen Marke treu zu bleiben hingegen nicht. 29 4.3 Low-balling Die Low-balling-Strategie ist besonders in der Autobranche sehr beliebt, lässt sich aber im Prinzip auf jedes mögliche Produkt anwenden. Dennoch möchte ich zu Anfang ein Beispiel aus der Autobranche anführen, da die Wirkung des Low-ballings hier sehr gut 28 Felser, S. 282f. 29 http://www.werbepsychologie-online.de/html/konsistenz.html deutlich wird. Der Kunde wird zuerst durch ein immens günstiges Angebot gelockt und entscheidet sich aufgrund dieses Angebotes für das Auto. Nach diesem ersten Entschluss sammelt der Kunde positive Argumente für das Auto, um seinen Kauf vor sich selber zu rechtfertigen. Diesen Prozess unterstützt der Verkäufer und gibt ihm in unserem Beispiel sogar noch die Gelegenheit zu einer Testfahrt, durch die die Entscheidung zum Kauf wiederum gestärkt wird. Der Verkäufer geht sogar so weit, die Verkaufsunterlagen zusammen mit den Kunden auszufüllen. Inzwischen ist der der eigentliche Kaufanreiz, das billige Angebot, nicht mehr der einzige Grund, das Auto zu kaufen. Nun kommt aber das Low-balling ins Spiel: Der Verkäufer zieht das Angebot zurück, indem er beispielsweise vorgibt, es läge ein Rechenfehler vor oder er müsse den Handel noch mit seinem Chef besprechen. Das Auto kann also doch nur zu einem bedeutend höheren Preis verkauft werden. Da der Kunde aber mittlerweile so überzeugt vom Auto ist, rückt der ursprüngliche Kaufanreiz in den Hintergrund und der Handel wird trotz des deutlich höheren Preises abgeschlossen. Dadurch vermeidet der Kunde die kognitive Dissonanz, die entstanden wäre, hätte er den Wagen nicht gekauft und die Vorfreude auf das Produkt nicht erfüllt worden wäre. 30 Die Low-balling-Strategie ködert also Menschen mit einem bewusst falschen Kaufanreiz, welcher später, wenn der Kunde sich bereits für das Produkt entschieden und Argumente für die Entscheidung gesammelt hat, wieder weggenommen wird. In diesem Moment ist der eigentliche Kaufanreiz aber bereits nicht mehr ausschlaggebend für den Kauf, da er durch weitere Anreize in den Hintergrund gedrängt wurde. Cialdini et al bewiesen 1978 in einem Experiment, dass Menschen einer voreilig geschlossenen Entscheidung nicht nur treu bleiben, wenn man die ursprünglichen positiven Anreize ausschaltet, sondern auch wenn später negative Aspekte hinzugefügt werden. In der Untersuchung wurden Probanden darum gebeten, an einem Experiment zu Denkprozessen teilzunehmen. Die Kontrollgruppe bekam die Information, dass das Experiment um sieben Uhr morgens stattfinden würde, bevor sie ihre Zu- bzw. Absage erteilen mussten. Lediglich 31 Prozent waren bereit, am Experiment teilzunehmen. Die Experimentalgruppe gab erst eine allgemeine Zusage zum Experiment, bevor sie die 30 Felser, S. 283f. erfuhren, dass die Untersuchung schon um sieben Uhr beginnt. Daraufhin lag die die Zustimmungsrate bei 56 Prozent. Der Effekt des Low-ballings wird auch hier wieder deutlich. 31 4.4 Oversufficent-justification-Effekt Viele Firmen erhoffen sich einen erhöhten Absatz ihrer Produkte, indem sie diese mit einem speziellen Bonus verbinden. Das können Sammel-Coupons oder gar Geschenke und Gratis-Proben sein. Diese Boni steigern tatsächlich die Anzahl der verkauften Produkte, jedoch sinkt der Absatz genauso wie er zuvor gestiegen ist, wenn die Produkte plötzlich mit keinem Bonus mehr verbunden sind. Dieses Phänomen beschreibt der Oversufficent-justification-Effekt, oder kürzer Overjustification-Effekt, und lässt sich mithilfe der Dissonanz-Theorie erklären. 32 Der Kunde kann seinen Kauf alleine durch den Bonus rechtfertigen, ganz gleich wie gut oder schlecht das eigentliche Produkt ist und muss somit keine Dissonanz fürchten. Der Nachteil dieses Effekts ist aber umso bedeutender: Da der Bonus ein entscheidender, allerdings äußerer Kaufanreiz war, entsteht keine Bindung zum Produkt und somit auch keine Markentreue. Ohne diesen äußeren Kaufanreiz wirkt das Produkt viel weniger attraktiv und wird somit auch nicht mehr oder weniger gekauft. Um den Effekt der kognitiven Dissonanz wirkungsvoll auszunutzen, darf das Kaufverhalten also nicht durch äußere Anreize begründet werden, sondern durch Bindungen, die das Produkt nicht unmittelbar selbst betreffen. 33 5. Experiment: Foot-in-the-Door-Technik 31 http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf, S. 17 32 Felser, S. 285 33 http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf, S. 17f. Nachdem ich mich eingehend mit der Theorie der kognitiven Dissonanz und ihren praktischen Anwendungen in Werbung und Verkauf beschäftigt habe, kam ich zum Entschluss, diese Foot-in-the-door-Technik selber in Form eines Feldexperimentes zu testen. 5.1 Problemstellung Die Untersuchung bezieht sich im allgemeinen auf das Wissen über kognitive Dissonanz und den Schlüssen aus den dazu gehörigen Experimenten, insbesondere jedoch auf das im Kapitel 4.2 genauer beschriebene Experiment von Howard, in dem die Probanden sich selbst als sozial dargestellt und daraufhin eine Spende abgegeben haben. In meinem Experiment geht es ebenfalls darum, dass sich Probanden selbst als sozial, allerdings etwas impliziter als bei Howard, darstellen und daraufhin eine Spende für die Schülerzeitung des Freiherr-vom-Stein Gymnasium Oberhausen abgeben, welche sie selbstverständlich zurückerhalten. Inwiefern sich die die Versuchspersonen als sozial darstellen werde ich später erklären. 5.2 Hypothese Wichtig ist zuerst einmal die Hypothese der Untersuchung. Die generelle Annahme der Foot-in-the-door-Technik ist folgende: Wenn eine Person bereit ist, eine kleine Bitte zu erfüllen, dann ist es wahrscheinlich, dass sie eine zweite, größere Bitte ebenfalls erfüllt. Diese experimentelle Hypothese wurde folgendermaßen operationalisiert: Wenn die Versuchspersonen eine Umfrage ausfüllen und sich in dieser als sozial engagiert darstellen, dann sind sie eher bereit, eine Spende für die Schülerzeitung des Freiherrvom-Stein-Gymnasium abzugeben, als wenn man sie direkt nach einer Spende fragt. 5.3 Methode Aus dieser Hypothese lassen sich sehr einfach die Variablen ableiten. Die unabhängige Variable ist das Vorhandensein einer kleinen, im Voraus gestellten Bitte und die davon abhängige Variable ist die Bereitschaft, die größere, darauf folgende Bitte zu erfüllen. Die unabhängige Variable wurde durch die Teilnahme an der Umfrage und der Selbstdarstellung als sozialer Mensch operationalisiert und die abhängige Variable durch die Bereitschaft zur Spende für die Schülerzeitung des Freiherr-vom-Stein Gymnasium Oberhausen. Die Kontrollgruppe nahm dementsprechend nicht an einer Umfrage teil, sondern wurde lediglich um die Spende gebeten. Um besser zu erklären, wie genau die Probanden sich als sozial dargestellt haben, werde ich die Umfrage genauer erläutern. Diese bestand insgesamt aus sieben Fragen, wovon aber fünf lediglich dazu dienten, die Coverstory aufrechtzuerhalten, da es in der Umfrage offiziell um das „Einkaufsverhalten von Menschen in Oberhausen“ ging. Folgende Fragen wurden dazu gestellt: 1) Geschlecht männlich [ ] 2) Haushalt Alleine [ ] 3) weiblich [ ] mehrere Personen [ ] Wie oft gehen sie in der Woche einkaufen? > 1x [ ] 4) 1-2x [ ] < 2x [ ] Bewerten sie Fairtrade-Produkte auf einer Skala von 1 bis 5: 1 (sehr schlecht) [ ] 2 [ ] 3 [ ] 4 [ ] 5 (sehr gut) [ ] 5) Achten sie auf gesunde Ernährung? Ja [ ] 6) Meistens [ ] Kaufen sie eher preiswerte oder qualitativ-hochwertige Produkte? Preiswerte [ ] 7) Nein [ ] Qualitativ-Hochwertige [ ] Was halten sie von Einrichtungen wie der Oberhausener Tafel? 1 (sehr schlecht) [ ] 2 [ ] 3 [ ] 4 [ ] 5 (sehr gut) [ ] Die Umfrage wurde zwischen 13 und 16 Uhr an einem Wochentag am Sterkrader Tor, eine Einkaufspassage in Oberhausen, durchgeführt und die teilnehmenden Versuchspersonen wurden randomisiert, also per Zufall ausgewählt. Das Alter der Probanden lag geschätzt zwischen 25 und 70 Jahren. Durchgeführt wurde die Umfrage von zwei Versuchsleitern, einem 17- und einem 18-jährigen Schüler, wovon der eine die Fragen vorgelesen und die Antworten angekreuzt und der andere direkt danach um eine Spende gebeten hat. Der Wortlaut der beiden Versuchsleiter war dabei gegenüber jeder Versuchsperson gleich. Die Spende wurde in einer Box gesammelt, in der sich bereits ein bisschen Geld befunden hat. Nach Abgabe der Spende wurde der Versuch selbstverständlich aufgelöst und die Teilnehmer erhielten ihr Geld zurück. Nun aber zur eigentlichen Umfrage: Die Fragen 4) und 7) zielen also sehr deutlich auf das soziale Engagement der Versuchspersonen ab. Fairtrade-Produkte sind Verkaufsgüter wie zum Beispiel Kaffee, welche in Entwicklungsländern produziert werden und geben Garantie dafür, dass die Angestellten dort gerecht entlohnt werden. Die Oberhausener Tafel ist eine soziale Einrichtung, die Essen und Trinken an obdachlose Mitbürger spendet. Wichtig ist hierbei die Annahme, dass die meisten Probanden diese beiden Institutionen zumindest als gut, wenn nicht sogar sehr gut bewerten, da sie nicht als unmenschlich da stehen und, wie schon gesagt, sich als sozial gegenüber den Versuchsleitern präsentieren wollen. 5.4 Ergebnisse Bei den Ergebnissen ist aber zu beachten, dass Personen, die überhaupt nicht bereit waren, ein Gespräch mit den Versuchsleitern zu beginnen, sowohl in der Experimentalals auch in der Kontrollgruppe nicht gewertet wurden. Für einen einfacheren Überblick habe ich die Ergebnisse in einer Grafik veranschaulicht: Auch interessant sind hierbei die einzelnen Antworten der Versuchspersonen und die Höhe der jeweiligen Spenden: Experimentalgruppe Vpn Frage 4) Frage 7) Spende in Euro 1 3 5 2,4 2 5 5 1 3 4 5 1,8 4 / / / 5 3 5 2 6 4 4 1,5 7 3 5 1,6 8 / / / 9 2 5 0,8 10 5 3 1,5 11 3 4 / 12 4 5 2 13 3 5 2 14 3 4 / 15 4 5 1,75 Durchschnitt ~ 3,54 ~ 4,62 ~ 1,67 Bei den Durchschnittswerten der Fragen 4) und 7) wurden nur die Personen berücksichtigt, die an der Umfrage auch teilgenommen haben. Bei den Spenden wurden ebenfalls nur die Teilnehmer gewertet, die auch gespendet haben. Kontrollgruppe Versuchspersonen Spende in Euro 1 / 2 1,2 3 / 4 0,5 5 / 6 1,5 7 / 8 / 9 / 10 1,5 11 / 12 / 13 0,8 14 2 15 / Durchschnitt ~ 1,25 Auch hier wurden bei dem Durchschnittswert der Spenden nur die Teilnehmer gewertet, die auch tatsächlich gespendet haben. 5.5 Diskussion Aufgrund der Kenntnisse, die wir über kognitive Dissonanz und ihre Anwendungen in Werbung und Verkauf haben, sind die Ergebnisse wenig überraschend, zeigen aber den beeindruckenden Effekt der Foot-in-the-door-Technik. Die vorrausgegangene Umfrage erhöht die Anzahl der Spenden fast um das Doppelte und auch der Durchschnittswert der Spenden liegt bei der Experimentalgruppe ungefähr 40 Cent höher. Aber wie genau tritt hier die Foot-in-the-door-Strategie in Kraft? Zum einen ist das Ausfüllen der Umfrage an sich eine Handlung, welche innerhalb maximal einer Minute und ohne großen Aufwand zu erledigen ist, und die Versuchspersonen außerdem dazu bewegt, später auch eine Spende zu tätigen. Nachdem die Teilnehmer einmal zugestimmt hatten, „schnell sieben Fragen zu ihrem Einkaufsverhalten zu beantworten“ (Wortlaut der Versuchsleiter), waren sie an die Versuchsleiter in gewisser Weise gebunden. Durch das Beantworten der Fragen hatten die Probanden den beiden Schülern bereits einmal geholfen und es wäre inkonsistent von ihnen, wenn sie jetzt die zweite Bitte, die Spende, ablehnen würden. Das bereits geleistete Engagement der Hilfeleistung, was das Ausfüllen einer Umfrage zweifellos ist, verstärkt die Bereitschaft eine spätere, in dieselbe Richtung gehende, aber aufwendigere Handlung ebenfalls zu erfüllen. 34 Zudem war die Teilnahme an der Umfrage freiwillig, die Versuchspersonen hatten also keinerlei Möglichkeit ihr Verhalten auf externe Gründe 34 Levine, Robert: Die große Verführung, S.79 zurückzuführen. Zum anderen wird die Spende, eine soziale und lobenswerte Handlung, dadurch forciert, dass die Teilnehmer sich selbst als sozial darstellen. Dies geschieht, indem sie sowohl Fairtrade-Produkte als auch die Oberhausener Tafel als gut, wenn nicht sogar sehr gut, bewerten. Fairtrade Produkte wurden im Schnitt als „Neutral“ bis „Gut“, die Oberhausener Tafel sogar als „Gut“ bis „Sehr gut“. Das bessere Abschneiden der Oberhausener Tafel lässt sich an der größeren Bekanntheit und an dem Wissen, dass dadurch Obdachlosen auch tatsächlich geholfen wird, festmachen. Diese Gewissheit hat man bei Fairtrade-Produkten nicht, gerade ältere Leute neigen dort zu Misstrauen in die Institution. Zudem sollten die Versuchspersonen die Fragebögen nicht einfach nur ausfüllen, sondern die Fragen den beiden Versuchsleitern gegenüber mündlich beantworten. Durch die Öffentlichkeit ihrer Antworten stieg die Bindung zu eben diesen und es würde Dissonanz hervorrufen, wenn die Probanden innerhalb einer Minute die Fairtrade-Produkte als auch die Oberhausener Tafel als sehr gut bewerten würden, aber danach nicht bereit sind, Geld für eine Schülerzeitung zu spenden. Insgesamt wurden durch die Umfrage also "zwei Füße in die Tür gesetzt", die Umfrage an sich und die Selbstdarstellung als sozial, die implizit durch die Fragen 4) und 7) hervorgerufen wurde. Die Spende war letztendlich nur die logische Konsequenz der Footin-the-door-Strategie. 5.6 Die Gütekriterien der Untersuchung Objektivität Die Objektivität eines Experimentes beschreibt die Nachprüfbarkeit dessen durch andere Personen. Da das Experiment im Prinzip eine Nachprüfung verschiedener Experimente bezüglich der Foot-in-the-door-Theorie, ist diese meiner Meinung nach gegeben. Zudem wurden die einzelnen Aspekte der Umfrage in demselben Wortlaut dargelegt, wie sie auch in der Realität gefragt wurden. Auch die Variablen sowie deren Operationalisierung wurden so präzise wie möglich formuliert, sodass eine Wiederholung des Experimentes ohne weitere Umstände möglich ist. Reliabilität Ein Experiment ist reliabel, wenn bei der Wiederholung dessen identische Ergebnisse herauskommen. Da die Objektivität so weitestgehend gegeben ist, nehme ich an, dass dies auch für die Reliabilität gilt. Natürlich kann es immer zu Abschweifungen und Verzerrungen kommen, da jede Versuchsperson individuell handelt, allerdings sollte die Grundtendenz auch bei einer Wiederholung der Untersuchung die gleiche sein. Interne Validität Die interne Validität einer Untersuchung ist gegeben, wenn die Variation der abhängigen Variable nur auf die Manipulation der unabhängigen Variable zurückzuführen ist. Wie gerade schon erwähnt, ist jeder Mensch individuell, und so kann es sein, dass sich unter den Teilnehmern auch Leute befunden haben, die auch ohne die Umfrage gespendet oder andersrum so oder so nicht gespendet hätten, da sie in der Vergangenheit beispielsweise schlechte Erfahrungen mit Spendensammlern gemacht haben. Zudem hätten vielleicht mehr Personen teilnehmen müssen, um zu genaueren Ergebnissen zu gelangen. Außerdem gab es bei einigen Versuchspersonen das Problem, dass sie nicht wirklich wussten was Fairtrade-Produkte sind und diese deshalb erst erklärt werden mussten. Dennoch bin ich der Meinung, dass die unabhängige Variable sinnvoll operationalisiert wurde und auch den größten Einfluss auf die abhängige Variable genommen hat. Externe Validität Die externe Validität bezeichnet die Generalisierbarkeit, also die Möglichkeit der Übertragung auf Situationen, Personen und Zeit, des Versuches. Hier ist lediglich bei der Situation eine Einschränkung zu machen, da es weit entfernt von Supermärkten oder ähnlichen nicht viel Sinn macht, eine Umfrage über das Einkaufverhalten von Menschen durchzuführen. Es wäre schon möglich, allerdings werden die Versuchspersonen die Coverstory in der Nähe von Einkaufszentren eher glauben. Da die Personen randomisiert wurden, ist auch hier die externe Validität gegeben. Die Zeit spielt meiner Meinung nach keine große Rolle, jedoch sollte man den späten Abend vermeiden, da viele Leute Angst vor Diebstählen haben könnten, wenn sie ihre Brieftasche herausholen, um etwas zu spenden. Konstruktvalidität Man bezeichnet ein Experiment als konstruktvalide, wenn mit den vorhandenen Variablen das vorgegebene Konstrukt korrekt und vollständig erhoben wird. Da Konstrukt ist in dem Fall die Foot-in-the-door-Theorie, welche im Versuch eindeutig durch die eine erste, kleine und eine darauf folgende größere zu erfüllende Bitte angewendet wird. 6. Fazit Nachdem ich mich Konsistenzmechanismen im Rahmen und deren der Facharbeit Anwendung in nun eingehend Werbung und mit Verkauf auseinandergesetzt habe, möchte ich zum Schluss mein gesammeltes Wissen und die gewonnenen Erfahrungen nochmal zusammenfassen. Menschen verspüren in nahezu jeder Situation im Alltag den Drang, sich konsistent zu verhalten. Bereits ein simples Versprechen oder eine potenzielle einstellungskonträre Handlung lösen im Menschen einen psychologischen Druck aus, sich so zu verhalten wie es ihr Umfeld und auch sie selber von sich erwarten. Ist dies nicht der Fall, entsteht Dissonanz, ein unangenehmer Spannungszustand, den die betroffene Person schnellstmöglich reduzieren will. Grundlage der Dissonanz ist aber trotz allem eine Bindung an die entsprechenden Kognitionen, wessen Stärke aber von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel Öffentlichkeit oder Engagement, abhängt. Das Phänomen der kognitiven Dissonanz findet besonders in Werbung und Verkauf große Verwendung. Strategien wie die Foot-in-the-door-Technik oder das Low-balling wurden durch Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz entdeckt beziehungsweise gezielt aus dieser abgeleitet und machen sich ganz natürliche menschliche Verhaltensweisen zu Nutze. Selbst wenn einem diese Strategien bekannt sind, ist es schwer sich ihnen zu widersetzen, weil sie eben auf unbewussten Handlungen in der Psyche des Menschen basieren. Zudem ist konsistentes Verhalten nicht grundsätzlich schlecht, es erleichtert sogar den Alltag und die zwischenmenschliche Interaktion in vielerlei Hinsicht. Insgesamt kann man sagen, dass das wissenschaftliche Arbeiten zwar sehr zeitaufwändig und gerade die formalen Aspekte zum Teil sehr viele Nerven gekostet haben, andererseits aber auch eine wichtige und auch interessante Erfahrung war. 7. Quellenverzeichnis Bücher Festinger, Leon (1978): Theorie der kognitiven Dissonanz. Bern: Huber Felser, Georg (2007): Werbe- und Konsumentenpsychologie (3. Auflage). Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag Cialdini, Robert B. (1997): Die Psychologie des Überzeugens: Ein Lehrbuch für alle, die ihren Mitmenschen und sich selbst auf die Schliche kommen wollen. Bern: Hans Huber Levine, Robert (2005): Die große Verführung: Psychologie der Manipulation (5. Auflage). München: Piper Taschenbuch Internetquellen http://www.werbepsychologie-online.de/konsistenz.pdf - 14.02.12 - 15:40 http://www.werbepsychologie-online.de/html/konsistenz.html - 14.02.12 - 15:55 Erklärung zur Eigenständigkeit Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbstständig angefertigt, keine anderen als die von mir angegeben Quellen und Hilfsmittel benutzt und die Stellen der Facharbeit, die im Wortlaut oder dem Inhalt nach aus anderen Werken entnommen wurden, in jedem Fall mit genauer Quellenangabe kenntlich gemacht habe. Oberhausen, 28.03.2012