EVANGELISCHES P F A R R A M T R H E I N E C K Predigt zu Pfingsten Predigt vom Pfingstsonntag, 23. Mai 2010 über 2. Timotheus 1,7: „Der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ Predigtvers 2. Timotheus 1,7: (Luther-Übersetzung) Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Predigt Liebi Gmeind Es fröit mich, dass Sie’s hüt Morge gwagt händ, i d’Chile z’cho. Denn Pfingste isch es gfährlichs Datum. Da goht’s zum meistens einzige Mol im Jahr schwerpunktmässig um de Heilig Geist. Alles andere macht öis weniger Müeh: Gott, Jesus Christus, Wiehnachte, Karfriitig, Ostere, Gschichte und Gliichniss, Lieder und Gebet, mitenand fiire, singe, lose, bätte und über Gottes Wort nochedenke. Aber a de Pfingste chunnt de Heilig Geist is Spiel. Und es isch ned übertriebe, wenn me seit: Die Reformierte händ de Heilig Geist praktisch usblendet und vergesse. Denn tatsächlich het de Heilig Geist im kirchliche Lebe bi öis chuum e Funktion. Und i öisem persönliche Lebe? Für vieli isch er es unbeschriebnigs Blatt. Oder andersch gseit: Vieli chiemte au guet ohni Pfingste us, ohni Heilig Geist. Jesus isch s’Zentrum und Jesus längt. Für was no de Heilig Geist? Doch es isch no meh als das: De Heilig Geist macht au fasch echli Angst. Denn er isch viel weniger fassbar als anderi Pünkt vo öisem Glaube. Er isch unberechebar. Er isch ebe „Geist“, öppis schwer definierbars und erklärbars. Mir aber händ s’Lebe gern unter Kontrolle. Da isch de Geist ehner hinderlich. Gliichziitig sind die sogenannte Pfingstgmeinde die Chilene, wo am schnellste wachse uf de Welt. Me ghört immer wieder vo seltsame Phänomen, wo i settigne Pfingstgmeinde passiere: unverständlichs Zungegebet, wundersami Heilige, ekstatischi Üsserige vo Christe – Sache, wo mir i dere Art wenig bis gar ned kenne und wo öis, ehrlich gseit, hüüfig meh abschrecke als nöigierig mache. De Heilig Geist macht öis nüchterne, rationale Reformierte wirklich ehner Angst als Fröid. Ned z’letscht us dem Grund han ich für hüt Morge dä Vers vom Paulus usgwählt, wo dem söll entgegewirke: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Usgrechnet de Geist, wo ebe ned e Geist vo de Furcht und Angst söll sii, usgrechnet dä Heilig Geist macht öis ehner Angst. Was für ne Widerspruch zur eigentliche Pfingstgschicht, wo mir i de Lesig ghört händ! Denn det sind d’Apostel ängstlich gsi – aber denn, wo de Heilig Geist cho isch, denn sind sie furchtlos für de Glaube iigstande! Bi öis isch’s, überspitzt gseit, grad umkehrt: Sobald s’Stichwort „Heilige Geist“ fallt, packt öis d’Angst. Im Kontext vom zweite Timotheusbrief stoht dä Vers zimlich am Aafang als persönlichs Wort vom Paulus a si Schüeler Timotheus. De Paulus, am Endi vo sim Lebe aaglangt, wott de Timotheus stärche und ermuetige. Er seit ihm: „Ich erinnere dich daran, dass du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist…“ (V.6) De Timotheus söll sini Gabe iisetze und muetig für de Glaube iistoh. Au i schwierige Situatione isch Angst fehl am Platz: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht.“ Angst mag’s ned liide i de Verkündigung vom Evangelium. De Timotheus isch doch ned vom ne Geist vo de Angst erfüllt, sondern vo Gottes Geist! Und dä Geist, de Heilig Geist, isch e Geist „der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ So wie de Paulus de Timotheus über s’Wese vom Heilige Geist ufklärt und ihm Muet macht, als geisterfüllte Christ si Uftrag wahrz’näh, so ähnlich denke mir jetz über die drü Stichwort noche, wo de Geist charakterisiere. Denn als Christe sind au mir mit em Heilige Geist erfüllt. Aber ned, demit er öis Angst macht. Sondern demit er öis kräftig, liebevoll und besonne macht. „Der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“: 1. Der Geist der Kraft De Heilig Geist isch e Geist vo de Chraft. Er macht de glöibig Christ starch. De Begriff „Chraft“ müend mir da aber grad am Aafang kläre. Es isch weder e körperlichi no e charakterlichi Stärchi gmeint. De Heilig Geist macht d’Mensche ned zu unghoblete Schlägertype oder Chraftprotze. Im Griechische stoht nämlich s’Wort „“. Mir kenne s’Fremdwort dynamisch. Das isch hüt es Kompliment, wenn öpper als dynamische Typ bezeichnet wird. Usserdem isch Ihne de Sprengstoff Dynamit vilicht e Begriff. , das isch e chraftvolli, positivi Energie. Mit dere Chraft sind d’Apostle a de Pfingste erfüllt worde. Mit Energie, mit Begeisterig, mit Muet, mit Fröid fürs Evangelium. Ihres Lebe händ sie iigesetzt, ihre Ruef ufs Spiel gsetzt, alles gäh für Gott, alles gäh für Jesus Christus. So isch d’Chile gwachse. Und denn sind d’Christe satt worde und händ de Heilig Geist vergesse und vernachlässiget. Bis hüt. Oder würde Sie öisi Chile als dynamisch bezeichne? Aber es bruucht eigentlich ned viel, demit de Heilig Geist wieder meh Wirkig überchunnt. Denn gmäss em Zügnis vo de Bible isch jede Mensch, wo sich für Jesus Christus entschiede het, mit em Heilige Geist erfüllt. Also händ mir als Christe de Heilig Geist i öis. Mir müend eigentlich nur parat sii, ihm und sim Wirke Ruum z’gäh. De Paulus het das erlebt. Er isch im Prinzip e schwache Mensch gsi, aagfochte vo Chrankheit und körperliche Iischränkige, aagfeindet vo sine Volksgnosse und vielfach im Konflikt mit de Obrigkeite. Und doch erschiint er als unglaublich starche, dynamische Maa i der Apostelgschicht! Ja, ich glaube, de Paulus isch e geisterfüllte Christ gsi. Angst het er chuum kennt, Menschefurcht scho gar ned, Jesus isch sis Ein und Alles gsi, ohni Rücksicht uf sich selber het er sich kompromisslos für de Glaube iigsetzt. Das het de Heilig Geist möglich gmacht. Und so erinneret de Paulus de Timo- theus ebe au dra, am Wirke vom Geist Ruum z’gäh, sini Geistesgabe iiz’setze, Muet z’fasse, vorwärts z’goh. Dass d’Chile i de vergangnige hundert Jahr e grosse Teil vo ihrere Macht, ihrem Iifluss und ihrere Bedüütig iibüesst het und darum hüt vielne und wohl au öis ehner als ohnmächtig erschiint, isch ned beklagenswert, sondern e grossi Chance: Denn jetz cha öis nur no de Heilig Geist helfe. Er cha am Wirke vom Wort Geltig verschaffe, er cha Mensche zum Glaube rüefe und er cha vor allem au öis alli usrüste und zu Glaubenszüüge loh werde, wo d’Welt erkennt, dass öppis bsonders passiert isch. De Glaube wird chraftvoll i öisere Schwächi. Mir werde starch, wenn und wil mir schwach sind. Wer’s wagt und usprobiert, wer am Heilige Geist Ruum git, wird sini Dynamik erlebe. 2. Der Geist der Liebe De Heilig Geist isch e Geist vo de Liebi. Er macht de glöibig Christ liebevoll. Mache mir au da e Begriffsklärig: Vo de viele Arte vo Liebi meint de da verwendet griechisch Begriff „“ die Liebi, wie Gott öis gliebt het. isch die göttlich Liebi, wo de Christ am töifste dadrinn erfahrt, dass Jesus für ihn gstorben isch. Liebi also, wo sich hiigit, ja, wo sich ufopferet für der ander. I de letschte Mönet isch viel vo andere Arte vo sogenannter „Liebi“ i kirchliche Kreise z’lese gsi i de Medie. Vor allem vo „Pädophilie“, uf dütsch „Kinder-Liebe“, aber ebe „PädoPhilie“, ned „Pädo-Agape“. Pädo-Philie isch ebe ned die göttlich Liebi, wo sich für der ander ufopferet, im Gegeteil. De Heilig Geist bewirkt ned falschi und verwerflichi Arte vo Liebi, sondern , die göttlich Liebi. Im Lauf vo de Jahrhundert sind im Umfeld vo de christliche Chilene vieli gueti Liebeswerch entstande: Waisehüüser, Schuele, Spitäler und vieli anderi soziali Institutione. Christe sind dur de Heilig Geist zu Liebestate aatriebe worde, wo Mensche i Not ghulfe händ. Hüt isch vieles devo i Vergesse- heit grate, wil de Staat die meiste Ufgabe übernoh het vo de Chilene. Doch wichtiger als die grosse Werch vo de christliche Liebi i de Vergangeheit isch sowieso d’Liebi im persönliche Lebe vo de Christe. De Christ wird dank em Heilige Geist zum ne Mensch, wo liebt. Mir gsehnd das scho i de Bible. Mit ere unwahrschiinliche Liebi für ihri Mitmensche händ d’Apostle und de Paulus sich für s’Evangelium iigsetzt. De Paulus het biispielswiis defür gsorget, dass die riiche Christe z’Griecheland e Kollekte sammle für die arme Christe z’Jerusalem. Solidarität mit de Arme, sich iisetze für die Schwache, soziali Grechtigkeit – vieles devo isch langi Ziit ned so höch im Kurs gsi i de fromme Kreise. Jetz chunnt’s wieder uf, zum Biispiel au im Programm vo de Schwiizerische Evangelische Allianz. Nöji Projekt wie d’“Schwiizer Tafele“ im Huus zum Eckstei – en Abgabestell vo günstige Lebensmittel für Bedürftigi – bewiise, dass Christe d’Liebi wieder entdeckt händ, die -Liebi, wie Gott öis gliebt het: Bedingigslos, ehrlich, bis zum Letschte. De Heilig Geist triibt öis au dodezue aa. Wer ihm Ruum git, wird liebevoller. Überlegge Sie sich, a welem Ort Sie Liebi chöne üebe. 3. Der Geist der Besonnenheit De Heilig Geist isch e Geist vo de Besonneheit. Er macht de glöibig Christ nüechtern-begeisteret. Im griechische Begriff „“ steckt einersiits d’Bedüütig „verständig, klug“, aber au „besonnen“ und „massvoll“. Es isch uf en erst Blick fasch paradox, wenn mir säge, de Heilig Geist macht „besonnen“. Mir händ doch ehner s’Gfüehl, de Heilig Geist bringi Begeisterig, kreativs Chaos, es Durenand, ned alltäglichs, nöis, anders! Vilicht händ Sie sich au scho verwunderet ab de Liedstrophe vom Fritz Enderlin im Lied „Du Glanz aus Gottes Herrlichkeiten“, wo’s heisst: „Christus, sei du uns Trank und Speise; erfülle uns mit deinem Geist, dass er im Überschwang uns weise, wie man dich heilig-nüchtern preist.“ (RG 558,3) Au det händ mir das schiinbar paradoxe: Heilige Geist, Überschwang, Lobpriis – und das „heilig-nüchtern“! Isch das ned e Widerspruch? E Widerspruch doch au zu de Pfingstgschicht, wo d’Jünger ja alles anderi als nüechtern schiine i ihrere Begeisterig, i ihrem Durenanddure-Predige i allne Sprache, sodass die einte sogar spotte: „Sie sind voll von süssem Wein.“ (Apg 2,13) Dadrinn liit aber en Irrtum, wo zum Teil au i de Pfingstbewegig selber wiit verbreitet isch. De Heilig Geist schaltet de Verstand ned uus. De Heilig Geist schafft kei Unornig. Er stellt ned alles uf de Chopf. Grad gwüssi Uswüchs vo de Pfingstbewegig, wo ebe denn de Verstand zimlich uf de Strecki bliibt, luege mir darum mit Recht kritisch aa. De Heilig Geist isch e Geist vo de Besonneheit, vom rechte Mass. Ich würd’s eso säge: De Heilig Geist tuet öis de Blick uf für d’Realität. Er hilft öis, d’Situation richtig iiz’schätze. Er setzt übertriebnigem Iifer e Grenze. Darum han ich gseit: De Heilig Geist macht de glöibig Christ nüechtern-begeisteret. Ebe, es tönt paradox, aber es isch wohl so: Me cha au als besonnene Mensch begeisteret sii. Me cha sich vom Geist loh leite und muetig voraagoh und muess dodebii ned de Chopf usschalte. De Paulus schriibt am Timotheus au darum, wil de Timotheus e höchi Position innerhalb vo de Christeheit het und für vieli Gmeinde Verantwortig treit. Grad die Christe, wo Verantwortig träge i de Gmeinde, die händ’s nötig, nüechtern-begeisteret z’sii: Also erfüllt vom Geist, begeisteret für Gottes Sach, aber gliichziitig ned überiifrig, au mit em Blick für d’Realität, kompromissbereit, diskussionsfähig. Beides nebenand: Nüechtern und begeisteret! Christe sind kei Extremiste. Gwüss sind es paar Aasichte „extrem“ – zum Biispiel, dass Jesus der einzig Weg zum Vater im Himmel isch – aber mir stöhnd mit beidne Bei am Bode und schwebe ned abghobe uf de Wolke 7, wie me’s ebe mängisch au beobachtet. Aber vilicht sind mir mängisch denn ebe doch au zu nüechtern. Chli meh Begeisterig schadet öis uf jede Fall sicher ned. De Heilig Geist macht öis nüechtern-begeisteret. De Geist vo de Chraft – de Geist vo de Liebi – de Geist vo de Besonneheit: Wenn mir i de Bible vom Heilige Geist lese, denn müend mir ganz sicher kei Angst haa vor ihm. Es isch ja ned e Geist, wo Angst macht! Im Gegeteil: Als Christe händ mir de Heilig Geist übercho. Mög er doch no meh Wirkig zeige i öisem Lebe und i öisere Gmeind! Mir bätte mit em Vers vom Pfingstlied: „O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein. Giess aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an, dass jeglicher getreuer den Herrn bekennen kann.“ (RG 511,1) Amen Pfarrer Christian Bieri