Elke Breitenbach und Katina Schubert

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Quo vadis Linke
Elke Breitenbach / Katina Schubert
Knapp ein Jahr nach Gründung der neuen Linken hat sich die Partei als politischer Faktor in
der Parteienlandschaft der Bundesrepublik Deutschland etabliert. Drei Landtagswahlen gab
es im Westen seit dem Gründungsparteitag - dreimal ist die Linke in die Parlamente
eingezogen. Mit dem Erfolg wachsen die Erwartungen der Wählerinnen und Wähler und die
Verantwortung der Linken, diesen auch gerecht zu werden.
Dieser Herausforderung haben wir uns nicht nur in der alltäglichen Politik zu stellen ,
sondern auch in der Programm- und Strategiediskussion, die die Partei seit ihrer Gründung
beschäftigt.
Deshalb müssen wir nicht nur unsere politischen Ziele und Konzepte darstellen, sondern
auch aufzeigen, wie wir sie durchsetzen wollen, welche Zwischenschritte dafür notwendig
sind und wie wir gesellschaftliche Mehrheiten für unsere Ziele und unseren demokratischsozialistischen Weg gewinnen wollen.
Wir müssen uns über die Verortung unserer Partei im Verhältnis zu den anderen Parteien
und auch der Zivilgesellschaft verständigen – dazu gehören z.B. soziale Bewegungen,
Gewerkschaften, Sozialverbände, aber auch Institutionen wie die Kammern oder die
Religionsgemeinschaften.
Die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft ist auch geprägt von einer immer
schnelleren Globalisierung , in deren Folge die nationalen Regelungsbefugnisse der Staaten
geringer werden, wie man Anfang April am Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum
Vergabegesetz sehen konnte. Viele Menschen erleben die Europäische Union, aber auch die
Globalisierung, als etwas positives, da sowohl das Reisen in andere Länder als auch die
Arbeit dort erleichtert wurde. Andere werden - ebenfalls durch die Vereinbarungen in der
europäischen Union - immer stärker Sozialdumping unterworfen, vielen bleiben die Grenzen
verschlossen. Zwei Seiten einer Medaille – aus der sich viele Fragen ergeben, die
differenzierte Antworten verlangen.
In der Bundesrepublik gibt es nach wie vor eine hohe Sockelarbeitslosigkeit, insbesondere in
Ostdeutschland, aber auch in den strukturschwachen Gebieten des Westens. Gleichzeitig
verliert das sogenannte Normalarbeitsverhältnis – acht Stunden am Tag, fünf Tage die
Woche ein Arbeitsleben lang zunehmend an Bedeutung. Stattdessen nehmen prekäre
Beschäftigungsverhältnisse, wie Mini- und Midijobs, unbezahlte Praktika, zeitweilige
Selbstständigkeiten oder illegale Beschäftigung zu. Immer weniger Menschen können von
ihrer Arbeit leben und immer mehr müssen , zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes,
mehrere Jobs verrichten. Erwerbsarbeit und Arbeitslosigkeit wechseln sich häufiger und
schneller ab, als das im Westen bis in die 80er Jahre üblich war und wie es im Osten in der
Form gar nicht bekannt war. Gleichzeitig haben rot-grün und die große Koalition die sozialen
Sicherungssysteme massiv abgebaut. Die Spirale nach unten wurde durch die Agenda 2010,
besonders durch die sogenannten Hartz Gesetze, angeheizt und hat dazu geführt, dass
Armut und die soziale Unsicherheit wachsen.
Die Freiheitsrechte sind erheblich abgebaut worden. Die Kontrollbefugnis des Staates z.B.
durch Telefonüberwachung oder Online-Durchsuchungen wächst und führt zu
Einschränkungen demokratischer Rechte und zu wachsender Intransparenz staatlichen
Handelns für die Bürgerinnen und Bürger .
All diese Prozesse führen zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit gesellschaftlicher
Prozesse – und auch für diese Situation brauchen wir differenzierte Antworten und
umsetzbare politische Konzepte.
Allerdings lässt sich beobachten, dass der Hang zu politischen Vereinfachungen zunimmt, je
komplexer sich die politischen Herausforderungen darstellen.
In dieser Situation versuchen Rechtsextreme zunehmend, über simplifizierende
Zuspitzungen, die soziale Frage für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und nationalistisch
und rassistisch aufzuladen.
Für uns zeigt sich in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Positionen z.B. der NPD
deutlich, dass Antikapitalismus und auch die Ablehnung z.B. der Globalisierung nicht per se
links sind, sondern erst links werden, wenn die soziale Frage mit der Forderung nach
Partizipation, Demokratisierung der Gesellschaft und der Gleichheit aller hier lebenden
Menschen verknüpft wird. Und damit unterscheiden wir uns fundamental von
rechtsextremen Positionen und dürfen das niemals – weder im außerparlamentarischen
Protest noch in Opposition oder Regierungsverantwortung verwischen.
Der Neoliberalismus ist indessen gar nicht in der Lage, Antworten auf die wachsende
Unübersichtlichkeit und die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu liefern. Deshalb
verliert die neoliberale Hoffnung, der Markt werde die gravierender werdenden
Verteilungsungerechtigkeiten und daraus erwachsenden gesellschaftlichen
Spannungsverhältnisse schon regeln, zunehmend an Attraktivität - auch in den anderen
politischen Parteien. Die letzte rein neoliberale Partei ist die FDP. Selbst in der Union wächst
der Hang zu etatistischen Instrumenten zur Re-regulierung von Wirtschaft- und
Arbeitsverhältnissen. Das heißt aber nicht, dass sie linke Politik machen, ganz im Gegenteil.
Die Linke steht vor der Herausforderung auf diese sich verändernden gesellschaftlichen
Verhältnisse neue und umsetzbare Antworten zu finden.
Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit brauchen wir öffentliche Investitionen,
Arbeitszeitverkürzung und öffentlich geförderte Beschäftigung – das ist nichts neues. Wir
brauchen genauso kreative Arbeitszeitmodelle im Sinne der Beschäftigten, wir brauchen
eine gezielte Wirtschaftsförderung von kleinen und mittleren Unternehmen, von
Genossenschaften, wir brauchen eine breite Bildungsoffensive, damit Menschen ohne
Beschäftigung existenzsichernd erwerbstätig werden können. Wir brauchen neue Konzepte
in der sozialen Sicherung. Wer sich von Minijob zu Minijob hangeln muss, zwischen
selbstständigem Projektmanager, Honorarverträgen und mal einer befristeten
sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit pendelt, wer immer wieder mal mit, mal ohne Job
ist, wird im Alter arm sein. Denn die Einzahlungen in die Rentenversicherung, die sich aus
den gebrochenen Erwerbsbiographien ergeben, werden kaum zur Sicherung der Existenz im
Alter ausreichen. Den veränderten gesellschaftlichen Realitiäten müssen wir Rechnung
tragen. Die Wiedereinführung der alten Rentenformeln reicht nicht aus, um die
Existenzsicherung der künftigen Rentner und Rentnerinnen zu garantieren. Und sie reichte
auch in der Vergangenheit nicht, wie man an der Frauenaltersarmut vieler Seniorinnen im
Westen sehen konnte. Diese Frauen gingen in der Regel keiner lebenslangen Erwerbsarbeit
nach, sondern befanden sich ein Leben lang in ökonomischer Abhängigkeit zum Ehemann.
Nun, da der Kreis derjenigen mit unsteter Erwerbsbiographie immer größer wird, reicht es
nicht aus, ein an der Lebensrealität vieler vorbeigehendes Rentenkonzept zu fordern.
Vielmehr brauchen wir im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung eine
Mindestrente. Wir brauchen eine existenzsichernde Grundsicherung und wir müssen die
Krankenversicherung auf eine Bürgerversicherung umstellen, in die alle einzahlen sollen,
auch die nicht abhängig beschäftigten.
All diese Fragen und die entsprechenden Konzepte werden in der Linken diskutiert und wir
müssen auch die Kontroversen ausstreiten, wenn wir zukunftsfähige und umsetzbare
Reformalternativen präsentieren wollen, die die Gesellschaft verändern und perspektivisch
die herrschende Gesellschaftsordnung überwinden können.
Elke Breitenbach, MdA, ist Mitglied des Parteivorstands der Linken, Katina Schubert ist
stellvertretende Vorsitzende der Linken.
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