Polyboard 2 – Grundschaltungen der Steuerungstechnik Berufsgrundbildung Elektrotechnik Schützsteuerung 3.0 Schützsteuerung Der folgende Abschnitt stellt eine erhebliche Überschreitung der lehrplanbezogenen Aufgaben der Berufsgrundbildung dar und ist in diesem Sinne als allfälliger Erweiterungsbereich zu betrachten. Nach der modellartigen Auseinandersetzung mit den Grundschaltungen der Steuerungstechnik kann immerhin Lust auf echte „Starkstromtechnik“ entstanden sein, wiewohl es sich dabei – in Abhängigkeit von der Ausstattung deiner Schule – eher um ein „Trockentraining „ handeln wird. Wenn landläufig von „Starkstrom“ gesprochen wird, so ist damit eigentlich die dreiphasige Drehstromversorgung gemeint. Als einfaches Steuerungsbeispiel entwerfen wir eine Anlassschaltung für Drehstrommotoren von Holzbearbeitungsmaschinen (z. B. Kreisssäge, Hobelmaschine) 3.1 Das Schütz Im Unterschied zu Relais werden Schütze zum Schalten meist dreiphasig angeschlossener Verbraucher mit entsprechend hoher Leistung eingesetzt. Rein äusserlich unterscheiden sie sich von den Relais durch eine wesentlich robustere Bauweise. Soll ein Schütz auch Steuerungsfunktionen übernehmen, so wird er häufig mit einem Hilfskontaktblock kombiniert. 1 3 5 13 A1 1 3 5 11 A1 2 4 6 14 A2 2 4 6 12 A2 Für die drei Phasen L1, L2, L3 besitzt das Schütz drei Schließer. Ein Hilfskontakt kann entweder als Öffner oder Schließer ausgeführt sein. 1 3 5 13 A1 13 2 4 6 14 A2 14 23 24 31 41 32 42 Hilfskontaktblock Sind mehrere Hilfskontakte notwendig, so kann ein Hilfskontaktblock dem Schütz aufgesetzt werden. 74 3.2 Drehstrommotor Ein Drehstromasynchronmotor besitzt drei Wicklungen, die an die Phasen L1, L2 und L3 angeschlossen werden. Die Spulen sind gegeneinander um 120° versetzt, wodurch ein magnetisches Drehfeld entsteht. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen zwei Anschlussarten: L1 Bei der Sternschaltung werden die Wicklungsenden in einem Sternpunkt zusammengeschlossen. Für unsere Zwecke genügt es festzuhalten, dass bei einer Netzspannung von 400V zwischen L1 - L2 - L3 die einzelnen Wicklungen an einer Spannung von 230V liegen. U1 U2 W2 V2 V1 W1 L3 Zu begründen, warum die Wicklungsspannung sich aus der Netzspannung geteilt durch die Wurzel aus 3 ergibt, würde eine umfangreiche Auseinandersetzung mit der Drehstromtechnik voraussetzen, die aber – wie schon erwähnt – in der Berufsgrundbildung nicht unsere Aufgabe sein kann. L2 L1 W2 In der Dreieckschaltung - das erkennen wir auch unmittelbar aus dem Schaltbild - ist die Wicklungsspannung, auch als Strangspannung bezeichnet, gleich der Netzspannung. U1 U2 W1 V2 L3 V1 L2 Dass bei einer geringeren Spannung sich die Stromstärke und damit die Leistung ebenfalls verringert, ist dir längst bekannt. In der Sternschaltung beträgt die Stromstärke und damit auch die Leistung nur ein Drittel im Vergleich mit der Dreieckschaltung. 75 Beim Anlaufen von Motoren kann die Stromstärke bis auf den 10-fachen Wert der Nennstromstärke ansteigen. Abgesehen von Problemen mit den Leitungsschutzschaltern können dadurch erhebliche Netzspannungsschwankungen verursacht werden, sodass durch Anlassschaltungen der Anlaufstrom begrenzt werden muss. Bei Drehstrommoren ist dies ab einer Leistung von 2,5 kW notwendig. Besteht die Möglichkeit, dass ein Motor ohne Belastung anlaufen kann, wie das etwa bei einer Kreissäge der Fall ist, so kann die Stern-Dreieckschaltung als Anlassschaltung verwendet werden. Diese ist entweder mit einem händisch betätigten Stern-Dreieckschalter oder mit einer Stern-Dreieck Schützschaltung möglich. Drehstrommotoren mit geringer Leistung, wie sie zum Beispiel als Heizungspumpen verwendet werden, sind oft nur für den Betrieb in Sternschaltung vorgesehen. Ob ein Motor in Stern- oder Dreieckschaltung betrieben wird, kannst du durch einen Blick auf das Motor-Klemmbrett leicht feststellen: U1 V1 W1 U1 V1 W1 U1 V1 W1 W2 U2 V2 W2 U2 V2 W2 U2 V2 Dreieckbrücken Sternbrücken Klemmbrett Die Wicklungsklemmen sind so angeordnet, dass durch einfache Brückenanordnung entweder ein Stern- oder Dreieckbetrieb möglich ist. Bei Motoren alter Bauart wirst du noch die Bezeichnung U (U1) – X(U2), V(V1) – Y(V2) und W(W1) – Z (W2) finden. Die Phasen wurden zu dieser Zeit mit R(L1) – S(L2) – T(L3) bezeichnet. Gab es beim Anschluss eines Stern-Dreieckschalters Probleme mit der Klemmenzuordnung, so kam man mit einem herzhaften „RUZ-SV(I)X-TXY Verbindungsfluch“ recht schnell an sein Ziel. Mit der aktuellen Klemmenbezeichnung entfällt allerdings diese „Eselsbrücke“. Wird ein Drehstrommotors mit einer Steckvorrichtung betrieben, so kann bei Ortsveränderung eine Drehrichtungsänderung eintreten. Steht kein Phasenwender zur Verfügung, so müssen zwei Anschlussphasen „händisch“ vertauscht werden. L1 L2 L3 L1 L2 L3 U1 V1 W1 U1 V1 W1 Linkslauf Rechtslauf Drehstrommotoren sind sehr robust, wartungsfrei und relativ billig. Ein Nachteil war die Drehzahlregelung, die nur durch eine Änderung der Polpaarzahl der Wicklungen bewerkstelligt werden konnte. Mit Methoden der Leistungselektronik ist durch den Einsatz von Frequenzumformern eine stufenlose Drehzahlregelung möglich, wie aus der Formel für die Drehzahl zu entnehmen ist. n= f . 60 p n = Drehzahl in U/min p = Polpaarzahl 76 f = Frequenz in Hz Drehstrommotoren werden ausnahmslos mit einem Motorschutz betrieben. Es sollen dadurch Wicklungsschäden durch Überlastung bzw. bei Ausfall einer Phase verhindert werden. Dem Schütz ist dabei ein sogenanntes Motorschutzrelais nachgeschaltet. Dieses Relais kann auf eine bestimmte Stromstärke eingestellt werden. Eine Überlastung mit unzulässiger Wicklungserwärmung hat immer einen erhöhten Stromfluss zur Folge. Durch einen Bimetallkontakt wird der Motorschutz ausgelöst, wodurch die Spannungsversorgung unterbrochen wird. Eine zweite Art des Motorschutzes besteht darin, dass Thermistoren, also temperaturempfindliche Widerstände, die Wicklungen überwachen. Phasenüberwachung durch Bimetallfühler 96 95 3.3 98 Über den Abschaltkontakt (Öffner 9596) wird die Spannungsversorgung der Schützspule unterbrochen. Mit dem Schließer (96-98) erfolgt die meist optische (Meldeleuchte) Störungsanzeige. Ist die Ursache einer Überlastung behoben, kann mit der Entsperrtaste (rot) die Auslösung des Motorschutzrelais wieder aufgehoben werden. Stern-Dreieck Anlassschaltung Nicht der Entwurf von Steuerungsschaltungen sondern vor allem das „Lesen“ bestehender Schaltpläne wird bei der Installationspraxis für dich im Vordergrund stehen. Nachdem ich dir den Plan des Hauptstromkreises vorgelegt habe, höre ich dich „lesen“: Der Stromkreis für den Drehstrommotor ist – wie prinzipiell bei allen Stromkreisen notwendig – mit einem Leitungsschutzschalter abgesichert. Leitungsschutzschalter bzw. Sicherungen haben die Aufgabe bei einem Kurzschluss schlagartig den Stromkreis abzuschalten. Für eine Überlastung, d. h. für die Überschreitung des Nennstromes des Sicherungsorgans, gibt es unterschiedliche Typen von Leitungsschutzschaltern. Sicherungen mit der sogenannten Kennlinie B schalten auch im Überlastungsfall relativ schnell ab und wurden früher als „flinke“ Sicherungen bezeichnet. Ist ein Schutzorgan gegen Überlastung „toleranter“, so besitzt es die Kennlinie C und hat „träges“ Auslöseverhalten. Der relativ hohe Anlaufstrom von Motoren stellt immer eine Überlastungssituation dar. Deshalb werden für Motoren Leitungsschutzschalter mit der Kennlinie C oder D verwendet, um eine Auslösung beim Anlauf zu verhindern. Über das Netzschütz - mit nachgeschaltetem Motorschutz - erhalten die Wicklungsanfänge Spannung. Die Strangschaltungen werden über das Stern- bzw. Dreieckschütz hergestellt. Beim Anlaufvorgang wird zuerst das Sternschütz eingeschaltet sein. Nach einer bestimmten Zeit wird auf das Dreieckschütz umgeschaltet. Das Motorgehäuse wird an den Schutzleiter angeschlossen, um für eine Abschaltung bei einem Isolationsfehler einer Wicklung zu sorgen. 77 Im Zusammenhang mit dem Steuerstromkreis wirst du möglicherweise vorerst über die eigenartige Kontakt- bzw. Klemmenbezeichnung erstaunt sein. Offensichtlich wurden die Klemmen fortlaufend mit Zahlen versehen, wobei Klemmen, die unmittelbar verbunden sind, auch die gleiche Zahl besitzen. Klemmen, an denen zu einem bestimmten Zeitpunkt dieselbe Spannung anliegt, haben das gleiche „Potential“ und sind deshalb mit derselben Potentialzahl versehen. Diese Art der Bezeichnung ist dann eine nützliche Hilfe, wenn es darum geht, im Geräteanordnungs- und Verdrahtungsplan die Aderzahl der Leitungsverbindungen zu den einzelnen - meist räumlich getrennten - Schaltungskomponenten (Taster, Meldeeinrichtung) zu ermitteln. Aus dem Grund des fehlenden unmittelbaren Praxisbezuges wollen wir uns mit dieser Thematik aber nicht eingehender befassen. Den Leitungsschutz übernimmt eine Steuersicherung. Dem AUS-Taster ist noch der Motorschutz vorgeschaltet. Hat der Motorschutz ausgelöst, erfolgt die optische Störungsmeldung über den Wechsler des Motorschutzrelais. Bei Betätigung des EIN-Tasters zieht das Netzschütz (K1) an. Gleichzeitig wird auch das Zeitrelais (K4) an Spannung gelegt. Über den Selbsthaltekontakt wird dieser Schaltzustand beibehalten. In der Folge des Anziehens von K1 erhält auch die Spule des Sternschützes (K2) Spannung, sodass der Motor anläuft. Mit dem Umschaltkontakt des Zeitrelais wird nach eigestellter Verzögerungszeit die Spulenspannung zu K2 unterbrochen und das Dreieckschütz (K3) an Spannung gelegt. Das Zeitrelais hat seinen Arbeitsauftrag erfüllt und kann nunmehr über einen Öffner von K3 abgeschaltet werden, da das Dreieckschütz auch einen Selbsthaltekontakt besitzt. Stern- und Dreieckschütz sind gegeneinander verriegelt, was natürlich unabdingbar ist, da der Sternschütz bei angezogenem Dreieckschütz einen Kurzschluss zwischen L1 - L2 - L3 herstellen würde. Mit Betätigung des AUS-Tasters verlieren die Selbsthaltkontakte von K1 und K3 ihre Wirksamkeit, wodurch der Motor abgeschaltet wird. Steht ein Experimentierplatz mit Drehstromversorgung zur Verfügung, so besteht die Möglichkeit, die Stern-Dreieck Anlaufschaltung mit Glühlampen - so lange sie noch nicht verboten sind - zu „simulieren“. Eine Wicklung wirst du durch zwei in reihe geschaltete Glühlampen ersetzen, um eine Spannungsüberschreitung bei der Dreieckschaltung (400V) zu vermeiden. 78