GfW Rede - Burkhard Balz

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"Euro- und Staatsschuldenkrise "
06.06.2013
beim GfW in Celle
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich sehr, heute hier bei Ihnen sein zu
können, um Ihnen Aktuelles über die Euro- und
Staatsschuldenkrise
zu
berichten.
Die
Staatsschuldenkrise ist in der Tat im Moment eines
der - wenn nicht DAS - große Thema der politischen
Debatte.
Seit
2009
bin
ich
ordentliches
Mitglied
Ausschuss für Wirtschaft und Währung
im
(ECON)
beim Europäischen Parlament.
Ich habe dort die Position des Vize-Sprechers der
konservativen Fraktion inne.
Zur Zeit beschäftige ich mich eigentlich mit wenig
anderem, als mit Maßnahmen zur Behebung dieser
Finanzkrise. Vor einigen Wochen bin ich zudem
Berichterstatter im ECON zum Thema Lettland und
dessen Pläne zum Beitritt zur Eurozone geworden.
1
Im ECON Ausschuss laufen die Informationen über
den
aktuellen
Stand
der
Finanz-
und
Staatsschuldenkrise, über die Vorhaben für ihre
Behebung und über die Visionen für ein künftiges
Europa wie unter einem Brennglas zusammen.
Lassen wir uns zunächst einen kurzen Blick zurück
werfen, damit ich Ihnen danach einen positiven
Ausblick geben kann: Im Herbst 2008 eskalierte mit
dem Platzen der Immobilienblase in den USA und
dem darauf folgenden Zusammenbruch der USamerikanischen Investment-Bank Lehman-Brothers
die weltweite Finanzkrise.
Wegen der globalen Vernetzung der Finanzmärkte
blieb die Krise nicht auf die USA beschränkt,
sondern griff auch auf Europa über.
Banken drohten insolvent zu werden, Kredite
wurden teuer.
Damit erfasste die Krise auch die Realwirtschaft.
Die BIP innerhalb und außerhalb des Eurogebietes
schrumpften, die
wirtschaftliche
Tätigkeit
ging
weltweit zurück und die Haushaltsdefizite stiegen.
2
Sinkende
Steuereinnahmen
und
steigende
Sozialausgaben
führten
dramatischen
Anstieg
der
krisenbedingt
zu
einem
Verschuldung
der
öffentlichen Haushalte.
Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft waren
zwar notwenig, verschärften die Verschuldung
jedoch weiter.
Die
steigende
Schuldenlast
veranlasste
die
Regierungen in der gesamten EU, weitreichende
Sparpakete zu beschließen.
Diese Pakete waren erforderlich und in manchen
Fällen sogar überfällig.
Jedoch führten sie zu erheblichen Beschränkungen
der Handlungsfähigkeit der Regierungen.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich demnach
zu einer öffentlichen Schuldenkrise ausgeweitet.
Die Bürger der jeweiligen Länder spüren die Folgen
hart.
Während die Schuldenkrise alle Länder betrifft,
stehen die Länder in der Eurozone vor zusätzlichen
Herausforderungen.
3
Durch
die
gemeinsame
Währung
wurden
makroökonomische Unterschiede zwischen den
Euroländern schließlich lange Zeit verdeckt.
Im Glauben an die Solidarität der Länder in der
Eurozone untereinander ignorierten die Kreditgeber
weitgehend die unterschiedlichen Risikostrukturen
innerhalb der Eurozone.
Es hieß: Eine Währung, ein Zins.
Damit war ein fataler Anreiz zum Schuldenmachen
für die Länder gesetzt, die vor dem Euro nur zu
wesentlich
höheren
Zinsen
Geld
an
den
Mitgliedstaaten
die
Kapitalmärkten aufnehmen konnten.
Zudem
konnten
die
Kontrollmechanismen der Währungsunion außer
Kraft setzen.
Mit anderen Worten: Die mangelnde Integration der
Finanz-
und
Wirtschaftspolitiken
in
der
Währungsunion hat die unkontrollierte Entwicklung
von erheblichen ökonomischen Ungleichgewichten
zwischen den Euroländern möglich gemacht.
4
Die Finanz- und Wirtschaftskrise war zwar der
Auslöser
für
die
Staatsschuldenkrise
in
der
Eurozone, doch liegen die Wurzeln der Probleme
nicht nur in Griechenland oder den anderen
bedrohten Euroländern. Hinzu kamen strukturelle
Probleme, vor allem die fehlenden Anreize zur
Einhaltung der Stabilitätskriterien. Diese werden oft
als "Geburtsfehler des Euro" umschrieben.
Zu den somit nachträglich geschaffenen bzw.
verschärften Durchsetzungsproblemen kamen die
allgemein hohen Staatsschulden in allen EULändern,
gepaart
mit
spekulativen
Finanzinstrumenten und Marktmechanismen und
mangelnder Transparenz in den Märkten.
All dies hat zur aktuellen Lage beigetragen.
In den letzten drei Jahren haben wir zahlreiche
regulatorische Lücken geschlossen und für mehr
Sicherheit und Transparenz an den Finanzmärkten
gesorgt.
5
Beim Ausbruch der Finanzkrise in Europa im Jahr
2008
gab
es
27
unterschiedliche
Bankenregulierungssysteme.
Ein jedes dieser Systeme gründete sich auf
einzelstaatliche
Regeln
und
ein
nationales
Rettungsinstrumentarium.
Es bestand eine gewisse Form europäischer
Koordinierung. Sie reichte jedoch nicht aus, um
wirksam auf die Krise reagieren zu können und
Ansteckungseffekte auszuschließen.
Daher haben wir mit der EBA an der Spitze eine
neue
europäische
Finanzaufsichtsstruktur
geschaffen, deren Behörden seit 2011 ihren Dienst
aufgenommen haben.
Wir haben außerdem bestehende Regulierungen
überarbeitet oder neues Recht geschaffen, wo dies
nötig war.
Nun gibt es beispielsweise neue Vorschriften für
Rating Agenturen, Hedgefonds, Leerverkäufe und
Derivate.
6
Eines der zentralen Projekte - wenn nicht DAS
zentrale Projekt der Regulierungsagenda - ist die
Bankenunion. Diese soll auf drei Säulen aufgebaut
werden, auf die ich näher eingehen möchte.
Die erste Säule umfasst die Bankenaufsicht. Mit der
Abstimmung zur Reformierung der europäischen
Bankenaufsicht am 22. Mai haben wir ein wichtiges
Signal an die Finanzmärkte gesendet. Die EZB wird
nun
insbesondere
bei
großen
Banken
die
Federführung übernehmen. Es werden nicht nur die
jeweils
drei
teilnehmenden
größten
Kreditinstitute
Mitgliedsstaaten
in
der
den
Anwendungsbereich der neuen Aufsicht fallen,
sondern auch Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme
von über 30 Milliarden Euro sowie Kreditinstitute,
deren Bilanzsumme 20% der Wirtschaftsleistung
eines Mitgliedsstaates ausmachen.
Zudem, ist es uns gelungen, eine gute Grundlage
für die Zusammenarbeit und Koordination mit der
EBA
sicherzustellen,
die
für
die
Banken
in
7
denjenigen Mitgliedsstaaten zuständig bleibt, die
sich der EZB-Aufsicht nicht anschließen. Klare,
transparente und effiziente Regeln sind hier von
Bedeutung.
Auch wird der Zusammenarbeit der EZB und den
nationalen Aufsehern eine entscheidende Rolle
zukommen. Insbesondere bei der Aufsicht von
kleinen
und
mittelgroßen
Banken
müssen
ausgewogene und praktikable Lösungen gefunden
werden, damit es eine effiziente, aber eben keine
doppelte Berichterstattung gibt.
Die europäische Politik setzt viel Vertrauen in die
Europäische Zentralbank. Es gibt jedoch das
Sprichwort: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Und ich will noch weiter gehen: Kontrolle ist absolut
notwendig.
In ihrer neuen Aufsichtsfunktion muss die EZB
transparent agieren und Rechenschaft ablegen. Ein
wesentliches Anliegen ist dabei auch, die saubere
8
Trennung zwischen monetärer- und Aufsichtspolitik
in der EZB sicherzustellen.
Nur mit einer sauber praktizierten Trennung, nur
über eine gute Zusammenarbeit mit nationalen
Aufsehern und nur mit umfassender demokratischer
Kontrolle
verdient
das
Aufsichtsprojekt
die
Vorschusslorbeeren, die es nun erhält.
Ich halte es vor diesem Hintergrund auch für sehr
wichtig, dass der Bundestag und der Bundesrat in
das Projekt EZB-Bankenaufsicht eingebunden sind.
Als Europäisches Parlament werden wir das Votum
aus
Deutschland
abwarten.
Und
auch
die
Zwischenzeit für interinstitutionelle Vereinbarungen
mit der EZB nutzen.
Klar ist aber auch:
Alleine
mit
Veränderungen
an
den
Aufsichtsstrukturen werden wir unsere Ziele – eine
konsequente
Verbesserung
der
Finanzmarktregulierung - nicht erreichen.
9
Die
2.
Säule
Abwicklung
der
von
Bankenunion
Banken.
Im
umfasst
die
Ausschuss
für
Wirtschaft und Währung haben wir am 20. Mai den
Weg
freigemacht
für
stringente,
europäische
Vorgaben bei der Abwicklung von Banken.
Wichtig ist, dass die Instrumente nicht in einer
gemeinsamen Haftung enden - ein einzelner
europäischer
Meinung
Abwicklungsfonds
nach
keine
kann
Lösung
meiner
sein.
Die
Bankensektoren der europäischen Mitgliedsstaaten
unterscheiden sich teilweise erheblich. Und auch
innerhalb eines Mitgliedsstaats kann es hinsichtlich
des
Risikos
große
Unterschiede
zwischen
einzelnen Banken geben. Ich bin erleichtert, dass in
dem
nun
verschiedenen
abgestimmten
Berichtsentwurf
Geschäftmodellen
Rechnung
getragen wird und auch nationale Besonderheiten
berücksichtigt werden.
Zu begrüßen ist auch die Stufigkeit bei der Haftung.
Primär und sekundär müssen die Eigentümer und
10
dann die Fremdkapitalgeber für die Risiken ihrer
Banken
einstehen.
Das
entspricht
dem
Verantwortungsprinzip. Der Steuerzahler darf erst
auf der allerletzten Stufe stehen.
Mit
dem
angenommenen
Berichtsentwurf
zur
Bankenabwicklung wird das Parlament gestärkt in
die bevorstehenden Verhandlungen mit dem Rat
der Europäischen Union und der Europäischen
Kommission gehen. Wann wir hier mit einem
Ergebnis
rechnen
können,
ist
noch
nicht
abzusehen.
Das Thema der Einlagensicherung, die dritte Säule
der
Bankenunion,
Schattenberichterstatter
liegt
der
mir
als
EVP-Fraktion
besonders am Herzen. Daher bin ich durchaus
erleichtert, dass es den Mitgliedsstaaten verwehrt
bleibt,
Mittel
der
nationalen
Einlagensicherungssysteme für Abwicklungszwecke
zu verwenden.
11
Ich hoffe sehr, dass nun auch Bewegung in die
Verhandlungen zur Einlagensicherung kommt. Wie
schon
erwähnt,
ist
Abwicklungsrahmen
ohne
ein
gemeinsamer
Bezüge
auf
die
Einlagensicherung nicht machbar. Daher ist es nicht
akzeptabel, dass der Rat uns bei diesem Dossier
noch immer hinhält. Der Vorschlag der Kommission
hierzu ist nun schon über zweieinhalb Jahre alt!
Dabei war der Text, den die Kommission im
Sommer 2010 vorgelegt hatte, in Teilen durchaus in
Ordnung. Das Ziel der Kommission war vor allem
die
Vereinfachung
bestehenden
Einlegerschutz.
und
Systeme
Gegen
Harmonisierung
sowie
der
besserer
Vereinfachung
und
Verbraucherschutz ist nichts einzuwenden. Doch
was die Harmonisierung angeht, müssen wir
aufpassen. Die de facto bestehenden Unterschiede
in den nationalen Bankensektoren müssen in den
Sicherungssystemen angemessen widergespiegelt
werden. Wichtig ist mir, dass bewährte Elemente
12
der
bestehenden
Systeme
nicht
ohne
Not
abgeschafft werden.
Der Vorschlag der Kommission hätte in der Praxis
durchaus zu Problemen geführt. Der Bericht des
Europäischen Parlaments adressiert daher die aus
meiner Sicht größten Probleme. Die Kreditfazilität
zwischen den Systemen ist nur noch auf freiwilliger
Basis vorgesehen. Die Zielausstattung bleibt bei
1,5% der Einlagen - allerdings der gedeckten statt
der
erstattungsfähigen
Einlagen.
Und
die
Zielausstattung ist über 15 Jahre statt über 10
Jahre anzusammeln. Bei der Berechnung der
Beiträge gilt der Kommissions-Vorschlag nur noch
als Standardsatz - die einzelnen Systeme können
auch eigene Modelle vorschlagen. Diese müssen
jedoch gewisse Leitlinien der EBA erfüllen. Zudem
wird im Bericht mehr Gewicht auf Präventiv- und
Stützungsmaßnahmen
Einlagensicherungsfonds
gelegt.
soll
zwar
Der
primär
zur
Auszahlung der Einlagen genutzt werde, doch
können die Mittel bis zu einer gewissen Grenze
13
auch für vorherige Rettungsmaßnahmen genutzt
werden.
Dieser
Ansatz
ist
meiner
Meinung
nach
ausgewogen: einerseits wird die Sicherheit und der
Schutz der Einleger erhöht, andererseits werden die
Finanzinstitute nicht überfordert.
Bedauerlicherweise scheinen die Mitgliedsstaaten
kein Interesse an mehr Einlegerschutz zu haben.
Seit über einem Jahr blockieren sie jegliche
Entscheidung. Monatelang wurden wir in den
Verhandlungen mit dem Argument hingehalten,
dass
der
Rat
nicht
über
die
Höhe
der
Einlagensicherung entscheiden könne, solange er
die Höhe eines zu gründenden Abwicklungsfonds wozu die Kommissionsvorschläge damals noch
nicht vorlagen - nicht abschätzen könne. Daraufhin
haben wir als Europäisches Parlament im Februar
2012 die Verhandlungen abgebrochen und unseren
Text im Plenum abstimmen lassen. Natürlich sehen
auch wir den Zusammenhang zwischen Abwicklung
14
und Einlagensicherung. Doch erschien uns der
Schutz der Sparer zu wichtig, als dass wir länger
warten wollten.
Mit
dem
vor
zwei
angenommenen
Wochen
im
Ausschuss
Berichtsentwurf
zur
Bankenabwicklung können sich die Mitgliedsstaaten
nicht länger vor einer Entscheidung drücken. Vor
dem Hintergrund, dass die Einlagensicherung eine
der drei Säulen der Bankenunion bildet wird die
Nichtbeschäftigung mit diesem Thema zusehends
schwieriger zu begründen. Das Parlament ist
jederzeit
bereit
die
Verhandlungen
wieder
aufzunehmen. Aber der Ball liegt klar im Spielfeld
des Rates.
Abgesehen von der Bankenregulierung müssen wir
auch, um zukünftige Krisen zu vermeiden, den
Konstruktionsfehler des Euro beheben, und zwar:
die fehlenden Elemente einer politischen Union im
Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion.
15
Die Währungsunion treibt jetzt die politische Union
voran.
Dabei liegt aber noch einiges an Arbeit vor uns
allen.
Natürlich ist die Konsolidierung in erster Linie
Sache der Schuldner, also der Regierungen und
Steuerzahler in den hoch verschuldeten EuroLändern.
Für die Hausaufgaben der Krisenstaaten gilt
allerdings: Man darf hier nicht den Fehler machen,
die heutigen "Krisenstaaten" über einen Kamm zu
scheren.
Die Situation in Griechenland unterscheidet sich
maßgeblich von der in Irland oder auch Spanien.
In Griechenland wurden jahrzehntelang Reformen
versäumt und noch schlimmer: Um diese Reformen
nun
nachzuholen,
fehlen
sogar
rudimentäre
staatliche Strukturen.
Wie kann man eine Grundsteuer einrichten und
eintreiben, wenn ein Katasteramt fehlt?
16
Gleichzeitig haben griechische Regierungen aller
Couleur
beinahe
traditionell
ihr
politisches
Überleben dadurch gesichert, den Beamtenapparat
aufzublähen.
Effizientes
Arbeiten
ist
in
der
Verwaltung
inzwischen kaum mehr möglich.
Die Bemühungen der griechischen Regierung
zeigen aber auch, dass die neue Regierung wirklich
Ernst mit den Strukturreformen machen will.
So hat Griechenland z.B. den Mindestlohn bereits
von 751 Euro auf 586 Euro brutto herabgesetzt.
Ohne Frage: Griechenland arbeitet hart dafür, dass
das
hoch
verschuldete
Land
weiterhin
Unterstützung von den europäischen Partnern
erhält.
So hat das griechische Finanzministerium ein
Bündel von Sparmaßnahmen im Umfang von etwa
17 Milliarden Euro ausgearbeitet, also mehr als die
von der Troika geforderten 11,5 Mrd. Euro.
Der Weg bleibt allerdings steinig.
17
Immer wieder gibt es Streiks in Athen, der
Widerstand
gegen
die
Sparprogramme
der
Regierung wächst.
Kurzum: Griechenland bleibt ein Wackelkandidat.
In Irland, Portugal oder auch in Spanien ist die
Situation dagegen eine andere - hier waren
klassische "Blasen" Auslöser für die aktuelle
Misere.
Entsprechend einfacher ist es für diese Länder,
wieder aus der Krise hinauszukommen.
Aber auch dort müssen erhebliche Anstrengungen
unternommen werden, um wieder wettbewerbsfähig
zu werden.
Auch hier zeigen die Reformen Wirkung.
Sie haben es eventuell in den Medien verfolgt:
Spanien und Irland hat es wiederholt geschafft, zu
vernünftigen Zinsen Geld an den Kapitalmärkten
aufzunehmen.
Spanien hat bereits einen guten Teil seiner
preislichen Wettbewerbsfähigkeit zurück gewonnen
und gehört laut der Weltbank bei den Reformen seit
18
2009 zu den besten fünf EU-Ländern.
Und Irland wurde vom IWF bescheinigt, dass es alle
bis
Ende
Juni
2012
Unterstützungspakets
im
Rahmen
des
Spar-
und
gesetzten
Reformziele im Finanzsektor - trotz beträchtlichen
Gegenwinds
durch
die
Eurokrise
und
verschlechterten globalen Wirtschaftsausblicks erreicht habe.
Portugal hat ebenfalls bei der Wettbewerbsfähigkeit
aufgeholt.
Künftig ist es den Unternehmen möglich, ohne
Zustimmung
der
Gewerkschaften
von
den
Tarifverträgen abzuweichen und die Löhne zu
senken, wenn sie drei Quartale in Folge sinkende
Umsätze oder Verluste vorweisen.
Damit werden die Strukturen flexibler, und das Land
kann seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit weiter
zurück gewinnen.
All diese Beispiele zeigen, dass Reformforderungen
und Konditionalität für Hilfen der richtige Weg sind.
Aber: Wenn’s um den Euro geht, sitzen wir alle in
19
einem Boot.
Deshalb
kommen
Hausaufgaben
der
zu
den
notwendigen
Krisenländer
Unterstützungsmaßnahmen
der
auch
die
anderen
Euroländer hinzu.
Nur gemeinsam können
wir das notwendige
Vertrauen wiedererlangen, um die akute Krise zu
überwinden
–
global
wie
innerhalb
der
Gemeinschaft, bei den Bürgern.
Aber die Kernfrage ist: Wie weit muss, wie weit darf
die Solidarität der anderen Länder in Europa
gehen?
Wenn die Solidarität durch Rettungsschirme und
EZB-Maßnahmen den Ländern wirklich hilft, die
gewaltige Anpassungslast zu schultern, haben wir
eine gute Balance erreicht.
Und die Länder wären dann auch in der Lage, ihre
Schulden glaubwürdig zu bedienen.
Wir hätten die akute Krise in den Griff bekommen.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)
20
sowie die noch verfügbaren Mittel der Europäischen
Finanzstabilisierungs-
Faszilität
(EFSF),
helfen
dabei, Brandmauern in der Eurozone zu errichten,
um das Vertrauen der Investoren zurück zu
gewinnen.
Wichtig ist auch, dass der ESM in Verbindung mit
der neuen Bankenaufsicht das Recht bekommen
soll, notleidende Banken direkt zu rekapitalisieren.
Die Empfänger der Finanzspritzen müssen im
Gegenzug restrukturieren.
Die Fortschritte werden künftig mit Sicherheit
genauer überprüft.
Ob es jemals dazu kommen wird, steht natürlich in
den Sternen. Denn die Entscheidung müsste
einstimmig fallen, d.h. jede Regierung kann sie
blockieren. Sinnvoll ist zumindest der aktuelle
Vorstoß von Bundesfinanzminister Schäuble, die
Mittel für direkte Rekapitalisierungen zu begrenzen.
Auch die Idee der Kommission, direkte Hilfe des
ESM an Banken nur dann zu vergeben werden,
wenn die Heimatstaaten die Banken ebenfalls
unterstützen oder für mögliche Verluste des Fonds
21
einstehen, halte ich für gut.
Warnen
kann
kurzfristige
ich
nur
vor
der
Hilfsmaßnahmen
Versuchung,
institutionell
festzuschreiben. Das wäre langfristig keineswegs
zielführend.
Ich stimme Bundesfinanzminister Schäuble und
Bundesbankpräsident
Weidmann
zu:
Gemeinschaftliche Haftung – z.B. mit Hilfe von
Eurobonds – ohne harte Stabilitätskontrolle bzw.
Souveränitätsverzicht würde nur falsche (Stabilitäts)Anreize setzen.
Auch unbegrenzte Anleihekäufe durch die EZB
können nur eine vorübergehende Lösung sein.
Weitere Vergemeinschaftung der Schulden ist auf
Dauer keine Option.
Auch die Wünsche nach einer Abwertung des Euro,
wie
sie
zuletzt
im
März
der
französische
Industrieminister Montebourg geäußert hat, gehen
meines Erachtens in die falsche Richtung. Eine
22
Monetarisierung von Schulden ist für mich keine
Option.
Ich glaube, dass die Euroländer aus der Krise
gelernt haben und bereit sind, für die künftige
Zusammenarbeit in der Europäischen Union die
richtigen Schlüsse zu ziehen und gezogen haben:
Jetzt ist die Zeit, um die fundamentalen Probleme
der Eurozone anzugehen!
Es geht ganz essenziell um die institutionellen
Aufgaben der Europäischen Währungsunion.
An der Vertiefung der Europäischen Integration
führt kein Weg vorbei.
Der Konstruktionsfehler des Euro war, dass die
politische Integration der Europäischen Union für
eine gemeinsame Währung nicht ausreichte.
Eine gemeinsame Währung bei inzwischen 17
unterschiedlichen Wirtschafts- und Finanzpolitiken
kann nicht funktionieren.
Durch die Krise ist klar geworden, dass unsere
Antwort nur eine gemeinsame Antwort sein kann.
23
Es gilt die europäische Integration weiter voran zu
treiben – und zwar in den Punkten, auf die es
ankommt
auch
mit
neu
hinzukommenden
Euroländern wie beispielsweise Lettland!
Deshalb begrüsse ich als Berichterstatter im ECONAusschuss auch den geplanten Beitritt von Lettland
zur Eurozone zum 1.1.2014 ausdrücklich. Nicht nur
hat Lettland den Beitritt verdient. Es ist ein
Musterknabe und erfüllt die Aufnahmekriterien.
Lettland hat sich mit ungeheurer Disziplin aus der
Krise von 2008 innerhalb von 5 Jahren zur EuroReife
herausgearbeitet.
Das
Rezept
war
ein
entschlossener, harter und schmerzhafter Sparkurs.
Der Schuldenstand steht heute bei 40 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes. Das ist einer der besten
Werte der EU.
Der bevorstehende Beitritt ist zugleich auch ein
Zeichen dafür, dass sich die Finanzkrise langsam
entspannt und dass der Euro-Beitritt weiter attraktiv
bleibt. Wir haben weniger Anlass zu Pessimismus
als noch vor einem Jahr und die Eurozone hat sich
24
weiter stabilisiert. Lettland wird der zweite baltische
Staat sein, der den Euro einführt. Der Euro wird
Lettland sicherlich stabilisieren und aus diesem und
den anderen oben genannten Gründen ist ein
Beitritt zum Euro ausdrücklich zu begrüssen.
Integrationsbedarf sehe ich vor allem bei der
Weiterentwicklung der Strukturen einer Fiskalunion.
Wesentliches Element einer solchen Fiskalunion
sind harte Grenzen für Staatsverschuldung.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist wie erwähnt
daran gescheitert.
Das sogenannte Six-Pack und das noch in
Verhandlung befindliche Two-Pack zur Reform und
Stärkung
des
Paktes
haben
hier
dringend
notwendige Korrekturen vorgenommen.
Damit
sind
Gesetzgebungspakete
zur
wirtschaftspolitischen Steuerung gemeint, durch die
übermäßige
Schuldenanhäufung
in
einzelnen
25
Mitgliedstaaten in Zukunft zu verhindern und somit
weitere Rettungsaktionen vermieden werden sollen.
Der verschärfte Stabilitäts- und Wachstumspakt,
das sogenannte „Six-Pack“ ist bereits am 13.
Dezember 2011 in Kraft getreten. Und auch bei der
verstärkten Haushaltskontrolle im Eurogebiet („TwoPack“)
hat
es
in
jüngster
Zeit
bedeutende
Fortschritte gegeben und es ist zur Abstimmung
gekommen.
Hier
hat
sich
das
Europäische
Parlament bewegt - und zwar in die richtige
Richtung, wie ich finde. Es hat auf die Einbeziehung
von kurzfristigen Euroanleihen („Eurobills“) und den
Euroschuldentilgungsfonds verzichtet.
Der
Fiskalpakt,
den
die
Staats-
und
Regierungschefs im Dezember 2011 beschlossen
haben, unterstreicht diese Bemühungen. Er ist am
1. Januar 2013 in Kraft getreten. Alle EUMitgliedsstaaten
-
mit
Ausnahme
von
Großbritannien und Tschechien - verpflichten sich
nochmals auf die Einhaltung des verschärften
26
Stabilitäts- und Wachstumspakts. In die nationalen
Verfassungen soll das Ziel eines ausgeglichenen
oder
sogar
positiven
Haushaltssaldos
aufgenommen werden.
Diese Schuldenbremsen sollen dann – übrigens ja
auch in Deutschland! – das Risiko künftiger
Schuldenkrisen senken.
Wichtiger noch: Es soll – im Gegensatz zum Manko
des Stabilitäts- und Wachstumspaktes – quasiautomatische Konsequenzen haben, wenn gegen
die Defizitgrenze von 3% verstoßen wird.
Positiv ist auch die Verbindung zum künftigen
Eurostabilisierungsmechanismus ESM: So sollen
die Mitgliedsstaaten nur dann Anspruch auf Hilfen
aus dem ESM haben, wenn sie den Fiskalpakt
ratifiziert und die Schuldenbremse installiert haben.
Natürlich bedeutet auch der Fiskalpakt noch keine
endgültige Lösung: Bei den EU-Gipfeln wurde klar,
dass nicht alle 27 EU-Länder den Weg einer
weiteren Integration mitgehen wollen.
27
Es ist noch offen, ob der Fiskalpakt für die
Teilnehmer rechtlich am Ende verbindlicher ist als
der Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Auch sieht der Fiskalpakt ähnliche Ausnahmen vor,
wie sie schon beim Stabilitäts- und Wachstumspakt
viel Interpretationsspielraum ließen.
Auch der EU-Gipfel im vergangenen Juni hat z. B.
mit der Entscheidung zu einer gemeinsamen
Bankenaufsicht für die Eurozone klar gezeigt: Die
Euro-Staaten gehen jetzt gemeinsam voran.
Die Staats- und Regierungschefs sprechen sich
immer wieder für eine Weiterentwicklung der WWU
aus, basierend auf einer vertieften Integration und
mehr Solidarität in der Eurozone.
Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts
und
der
Eigenkapitalvorschriften
sollen
abgeschlossen werden, der Finanzmarkt soll weiter
integriert werden.
Die gemeinsame europäische Bankenaufsicht soll
noch 2014 ihre Arbeit aufnehmen und das Dossier
zur Einlagensicherung soll endlich abgeschlossen
28
werden.
Genau das brauchen wir!
Denn
nur
wenn
Entschlossenheit
die
Märkte
erkennen,
und
werden
Investoren
sie
ihre
Skepsis aufgeben.
Insgesamt sollten wir uns aber auch klar werden,
welche Strukturen und Institutionen wir in Europa
langfristig brauchen.
Das heißt konkret: Wie weit wollen wir den Weg zur
politischen Union noch ausbauen und gehen,
sobald
wir
die
Haushaltsdisziplin
der
Mitgliedstaaten erst einmal sichergestellt haben?
Hier sind auch die europäischen Institutionen,
insbesondere wir als Europäisches Parlament,
gefordert.
Nicht nur in Deutschland wird die Legitimation der
neuen
Strukturen
und
ihrer
Entscheidungen
zunehmend kritisch gesehen.
Denn auch wenn wir mehr Europa als Antwort auf
die Krise brauchen - dieses Europa darf nicht
seinen Rückhalt verlieren.
Kompetenzen sollten Nationalstaaten an Europa
29
immer nur dann abtreten, wenn es auch wirklich
notwendig
ist!
Insoweit
hat
Premierminister
Cameron mit seiner Unterhausrede Ende Januar
2013
ja
durchaus
Herausforderungen
vorzugehen.
recht.
gilt
Europa
es
braucht
Angesichts
aber,
keine
der
konstruktiv
Zauderer,
sondern Zupacker, wie es Bundespräsident Gauck
vor ein paar Wochen so treffend formuliert hat.
Sicher ist: Europas Stärke ist seine Vielfalt.
Zu
viel
und
zu
schnelle
Zentralisierung,
ja
überzogene Gleichmacherei, gefährdet nicht nur die
Vielfalt durch den Wettbewerb der politischen
Konzepte in Europa, sondern ganz generell deren
Akzeptanz in der Bevölkerung.
Doch wird der Euro zukünftig nur Bestand haben,
wenn wir den Weg der Integration entschlossen
weitergehen.
Im Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, dass
die europäischen Staaten gemeinsam auftreten und
der Euro fortbesteht.
Denn die Alternative zum „Vereinten Europa“ ist
30
seine Marginalisierung: Nur gemeinsam werden wir
– die Eurozone, aber auch die Europäische Union
insgesamt – politisch und wirtschaftlich mit dem
Euro langfristig erfolgreich sein.
Ich bin überzeugt, dass uns dies gelingen wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
31
Zugehörige Unterlagen
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