Der Sinn des Strafens

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Der Sinn des Strafens
Straftheorien im Überblick
Freiheitsentzug,
Geldstrafen,
ein
aufgezwungenes
Gerichtsverfahren – all diese Übel wünscht sich wohl niemand.
Eine Kriminalstrafe bedeutet jedoch, dass staatliche Organe
Menschen genau solche Übel bewusst zufügen. Deshalb muss
eine Strafe gut begründet sein. Sie bedarf einer formalen und
auch einer inhaltlichen Legitimation. Straftheorien versuchen zu
ergründen, was Zweck und Inhalt des Strafens sein sollte und
was eine „gerechte Strafe“ ist.
Absolute Straftheorie – „Auge um Auge, Zahn um
Zahn“
Immanuel Kant als wichtiger Vertreter dieser Theorie erklärt in
seiner Metaphysik der Sitten, dass Strafe nur um des reinen
Strafens Willen verhängt werden und niemals einen Zweck
darüber hinaus verfolgen dürfe. Die Strafe orientiert sich dabei http://pixabay.com/de/gef%C3%A4ngniseins zu eins an dem Verbrechen, das begangen wurde. Strafe darf zelle-zellenblock-598851/ (cc0), 15.06.15
niemals um eines staatlichen oder individuellen Nutzens Willen
verhängt werden. Für Vertreter der absoluten Straftheorie ist Strafe also Vergeltung von Übel mit
Übel – bestraft wird, weil ein Verbrechen begangen wurde.
Lob
Die Höhe der Strafe richtet sich nur nach der Tat – damit wird richterliche Willkür unterbunden. So
kann zum Beispiel kein Exempel an einem Täter statuiert werden. Damit wirkt das „Auge um
Auge“-Prinzip auch freiheitsbewahrend.
Kritik
Die absolute Straftheorie stellt den Anspruch, absolute Gerechtigkeit zu üben. Aber das, so die
vorherrschende Meinung heute, ist nicht Aufgabe des Staates. Kant forderte außerdem, dass die
Strafe auch dann noch durchgeführt werden müsste, wenn der Staat schon längst nicht mehr
existieren würde – also selbst dann, wenn sie gesellschaftlich nicht mehr notwendig wäre.
Das Verhängen absoluter Strafen könnte auch unerwünschte Folgen haben. So zum Beispiel, was
die Sozialisierung des Täters betrifft: Wenn er weiter ausgegrenzt wird, könnte die Gefahr, dass er
wieder straffällig wird, steigen. Auch lässt die absolute Straftheorie individuelle Beweggründe und
Zwangssituationen, die zu einer Tat geführt haben können, außer Acht.
Relative Straftheorie – „Heute schon an morgen denken“
Die Vertreter der relativen Straftheorie verfolgen einen anderen, nämlich präventiven Ansatz. Sie
wollen nicht nur um der Strafe Willen strafen, sondern verfolgen mit einer Strafe das Ziel, dass
künftig keine weiteren Verbrechen begangen werden. Dies kann durch verschiedene Maßnahmen
erreicht werden:
Positive Generalprävention: Durch das Bestrafen des Täters wird das Rechtsbewusstsein der
allgemeinen Bevölkerung wieder aufgerichtet. Ihr Vertrauen in den Rechtsstaat wird gestärkt.
Negative Generalprävention: Die restliche Bevölkerung
wird durch die Bestrafung des Täters abgeschreckt, eine
ähnliche Tat zu begehen. Sie lernt, dass bestraft wird, wer
sich nicht an das Recht hält.
Positive Spezialprävention: Hier geht es um den einzelnen
Täter: Dieser soll sich durch positive Maßnahmen, wie zum
Beispiel Hilfe bei der Jobsuche oder psychologische
Betreuung, bessern und gegebenenfalls resozialisiert werden.
Negative Spezialprävention: Die restliche Bevölkerung soll
davor geschützt werden, dass der Täter nochmals eine
ähnliche Tat begeht. Etwa indem er Schmerzensgeld zahlen
muss,
eine
Freiheitsstrafe
erhält
oder
sogar
sicherheitsverwahrt wird.
http://pixabay.com/de/hammer-geld-eurow%C3%A4hrung-611589/ (cc0), 15.06.15
Lob
Präventive Strafen sollen dem Täter und der Bevölkerung zugute kommen. Sie gehen individuell
auf die Situation und die Beweggründe des Täters ein, die zur Tat geführt haben.
Kritik
Der „Abschreckungseffekt“ der Bestrafung eines Täters ist umstritten. Denn während der Täter ein
Verbrechen begeht, verdrängt er in der Regel mögliche spätere Strafen. Zudem birgt der
generalpräventive Ansatz die Gefahr, eine schuldunangemessene Strafe zu verhängen, um ein
Exempel zu statuieren.
Die positive Spezialprävention beschäftigt sich nicht damit, was mit Tätern passieren soll, die schon
vollständig sozialisiert oder nicht mehr resozialisierbar sind. Die negative Spezialprävention birgt
die Gefahr, dass das Strafmaß nicht mehr durch die Strafe begrenzt ist und der Täter, zum Beispiel
in der Sicherheitsverwahrung, sehr lange zum Wohl der Allgemeinheit weggesperrt wird.
Vereinigungstheorie
Strafe darf nicht zum Selbstzweck geschehen, sondern muss zweckhaft für die Zukunft sein – darin
sind sich heute die Rechtstheoretiker weitestgehend einig. Die Vereinigungstheorie bringt beide
Theorien zusammen: Eine Strafe muss der Tat angemessen sein – nur die schuldangemessene Strafe
ist eine gerechte Strafe. Die Tat ist also Ausgangspunkt der Strafe, aber gleichzeitig findet sie in ihr
durch die subjektive Tatschuld und die Schädigungen, die dem Opfer zugefügt wurden, auch ihre
Begrenzung.
In § 46 Strafgesetzbuch (StGB) wird noch einmal ausdrücklich darauf eingegangen, dass beide
zentralen Aspekte der absoluten und der relativen Straftheorie in eine Strafe einfließen müssen,
damit diese gerecht ist. Dabei hat die Schuld des Täters bei der Strafzumessung Vorrang vor den
spezialpräventiven Maßnahmen: „Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der
Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu
erwarten sind, sind zu berücksichtigen.“
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