doc - TiK - Technik im Klartext

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TiK – Technik im Klartext: Grundlagen des Journalismus
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Wirklichkeitskonstruktion durch Journalismus
„Der Kampf um den Platz im Bewusstsein der Menschen wird mit Nachrichten
geführt“. Manfred Buchwald
„Worüber Journalisten wie oft und wie groß berichten... – das folgt in
erschreckend hohem Grade aus einem Gemenge von Zufall oder Routine,
zuweilen mit politischer Heimtücke angereichert.“
„Die Tageszeitungen erscheinen rund 300mal im Jahr und brauchen einen
Aufmacher. An 110 Tagen im Jahr haben wir keine Sorgen – ein wichtiges
Ereignis liegt vor. An 130 Tagen seufzen wir ein bisschen – aber wir finden
schließlich etwas, woraus sich mit leidlichem Anstand eine Schlagzeile
machen lässt. Da bleiben 60 Tage im Jahr, für die die Nachrichtenchefs (der
vier überregionalen Zeitungen) einräumen: Eigentlich haben wir nichts, was
man mit Anstand aufmachen könnte.“
„Wofür schalten wir denn die ‚Tagesschau‘ eigentlich ein? fragte die ‚Neue
Züricher Zeitung‘. Doch nicht so sehr, um Neuigkeiten zu erfahren, als um
uns zu vergewissern, ob etwas Schlimmes oder Bedrohliches geschehen ist.
‚Dies‘, fuhr die ‚Neue Züricher‘ fort, ‚entspricht genau der Funktion des
Spähers in der archaischen Gesellschaft, der darüber zu wachen hatte, ob
sich ein Feind dem Lagerplatz näherte. Eine ähnliche Späherfunktion nehmen
wir ein, wenn wir allabendlich auf den Bildschirm starren.‘“
Wolf Schneider: Unsere tägliche Desinformation. Wie Journalisten die Wirklichkeit verfälschen. MediumMagazin Journalisten-Edition,
Medienfachverlag Oberauer, Freilassing 2004.
„Der Hörer ist, wie ein Reisender, meist eilig. Er reist durch die
Informationslandschaft, um abzutasten, ob ‚die Welt noch in Ordnung‘ ist.“
Hanns Gorschenek: Rundfunknachrichten – heute und morgen. Fragen und Antworten zur Nachrichtenarbeit. Deutschlandfunk 20/77.
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„Die Bedeutung der Nachrichtenauswahl und zugleich ihre Schwierigkeit
rühren vor allem von der Notwendigkeit her, das einlaufende Material auf
etwa zehn Prozent zu reduzieren. Der Begriff ‚Nachrichtenwert‘ ist nicht
ungefährlich, denn er erweckt den Eindruck, es gäbe feste Regeln, nach
denen der Wert der Nachrichten bemessen sei. Dies trifft jedoch nicht zu.“
Bernd-Peter Arnold: Sie hören Nachrichten. Schlüssel zur Information. Hessischer Rundfunk, ohne Jahresangabe.
„Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein.
Herkunft und Inhalt der zur Veröffentlichung bestimmten Berichte sind
sorgfältig zu prüfen. Nachrichten und Kommentare sind zu trennen;
Kommentare sind als persönliche Stellungsnahmen zu kennzeichnen (§ 24).“
Gesetz zur Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29.10.1960.
„Nachrichten sind Mitteilungen über neue im Daseinskampf des Einzelnen
und der Gesellschaft auftauchende Tatsachen.“
Emil Dovifat: Zeitungslehre, Band 1, Berlin 1967.
„Eine Nachricht ist die objektive Mitteilung eines allgemein interessierenden,
aktuellen Sachverhalts in einem bestimmten formalen Aufbau.“
Walther von la Roche: Einführung in den praktischen Journalismus. München 1988.
Die Hauptaufgabe der Nachricht besteht darin, die Rezipienten so schnell und
so konzentriert wie möglich über neue und für sie bedeutsame Tatsachen des
gesellschaftlichen Lebens zu informieren.“
Hartmut Blumenauer: Einführung in die journalistische Methodik, Leipzig 1988.
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Zur Bewältigung von Medienangeboten
„Berichterstattungsmuster und Darstellungsformen werden im Laufe der
Mediensozialisation in ständiger Interaktion mit anderen und im Umgang mit
den Medienangeboten erlernt. Mit dem Wandel sozialer Kommunikation
wandeln sich auch die Medienhandlungsschemata.“
Medienhandlungsschemata sind als Instrumente und Kategorien zur
Bewältigung der Überfülle und Zufälligkeit von Medien-angeboten nötig. Sie
 klassifizieren das Medienangebot in Kategorien wie Bericht,
Reflexion, Spiel, Ratgeber, Dokumentation etc.
 bestimmen dadurch die Erwartungshaltungen und
 orientieren über die Kommunikationsabsichten,
 erleichtern das Erkennen und Einordnen von Medienangeboten,
 lenken die Aufmerksamkeit auf typische Merkmale von
Medienangeboten,
 regeln die Bewertung von Medienangeboten.
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Zur Bewertung von Medienangeboten
Empirische Analysen der Programmpresse für das Fernsehen zeigen, dass
journalistische Darstellungsformen wie Bericht oder Reportage durch
folgende Faktoren bewertet werden:
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Sendeort (Nachrichtensendung, Kinderprogramm)
Inhalt
Autorenschaft
Form (Livebericht, Kurzfilm)
Funktionsbezug (Hintergrundinformationen)
Kombinationsvielfalt (Sport und Musik, Interviews und Berichte)
Herkunftsland
Sendespezifika (Mehrteiler)
Wertattribute (Klassiker)
Technische Spezifika (Stumm-, Schwarzweißfilm)
Angabe zur Zielgruppe
Jahrzeitliche Besonderheit
Angabe von Beteiligten
Entstehungszeit
Ausstrahlungsreichweite
Kombination mehrerer Faktoren
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Was macht eine Nachricht aus? Die Nachrichtenfaktoren
 Ereignisentwicklung:
Abgeschlossene Ereignisse statt langwieriger Prozesse.
 Außergewöhnlichkeit:
Seltenheit und Bedeutung des Ereignisses.
 Eindeutigkeit:
Klarheit und Konsistenz des Ereignisses.
 Bedeutsamkeit:
Wichtigkeit und Folgen des Ereignisses.
 Erwartungstreue:
Zwangsläufigkeit und Terminierung des Ereignisses.
 Überraschung:
Unerwartbarkeit des Ereignisses vor Voraussehbarkeit.
 Themenkarriere:
Folgen, Vertiefungen und Randbereiche prominenter Themen.
 Relative Themenvarianz:
Nähe zu schon veröffentlichten Themen.
 Bezug zu Eliten:
Beteiligung bereits bekannter, einflussreicher Protagonisten.
 Personenbezug:
Personalisierung als eine der wichtigsten Formen der Reduktion von Ereigniskomplexität.
 Negativität:
„Only bad news are good news.“
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Strategien journalistischer Textproduktion
 Selektion:
Auswahl nach Autorität und Glaubwürdigkeit der Quelle sowie
nach den Relevanzkriterien der Redaktion/des Mediums.
 Reproduktion:
Zum Teil wörtliche Übernahme von Agentur- und Korrespondentenmaterial
zur Einsparung wertvoller Recherchezeit unter großem Zeitdruck.
 Zusammenfassung:
Streichung unwesentlicher Details, unnötiger Bewertungen und umständlicher
Interpretationen.
Verallgemeinerung ähnlicher oder übereinstimmender Umstände.
Bildung übergeordneter Kategorien.
 Transformation:
Unterschlagung widersprüchlicher Details aufgrund der zeitlichen oder platzmäßigen
Unmöglichkeit zu vertiefender Recherche.
Hinzufügung von relevanten Einzelheiten aus anderem Zusammenhängen.
Umstellung von Vorberichten nach journalistischem Textaufbau (Hauptereignis,
thematischem Zusammenhang, Hintergrund, Ursachen, Wirkungen und Folgen).
 Stilistische Reformulierungen:
Umformulierungen der Vorberichte und Quellentexte nach politischer Einstellung des
Redakteurs oder Mediums (Verharmlosung, Überspitzung).
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Das Kriterium der Relevanz
Die Rezipienten „richten sich nach der allgemeinen und persönlichen
Bedeutung, nach der Relevanz der Meldung für sie selbst.
Oder sie beschränken sich darauf, vertraute Personen und Themen
wiederzuerkennen.
Bei der Rezeption überlappen sich kognitive und emotionale Bewertungen.
Beide Bewertungsprozesse interagieren miteinander.
Indem die Rezipienten zumindest glauben, sie seien vertraut mit den Themen
und Personen der Nachrichten, können sie die Folgen und Wirkungen des
berichteten Geschehens sicherer erwarten.“
„Damit jedoch gewinnen Kommunikationen, die vergessen werden können –
wie etwa Unterhaltungs- oder Sportsendungen – eine andere Dimension.
Sie ermöglicht Entlastung von schwer durchschaubaren Relevanzstrukturen
und offeriert Bewusstseinsinhalte ohne Zwang zu anschließendem Handeln.
Zwischen den Fernsehkanälen kann die Aufmerksamkeit frei flottieren in einer
Vielzahl von medialen Bewusstseinsströmen, in denen alles und somit nichts
Zeichencharakter besitzt.“
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Verarbeitungsebenen des Verstehens
 Aufmerksamkeit:
Die Aufmerksamkeit wird nicht nur durch einen angebotenen Reiz stimuliert, sondern auch
durch Bedürfnisse und Motivationen erzeugt.
 Lesen:
Der Rezipient konstruiert den Inhalt aufgrund seiner Veranlagung neu.
Das Aufbauprinzip der Meldung kommt dem entgegen.
 Verstehen:
Interpretation der Kernaussagen in Überschrift, Bild, Bildtext, Vorspann.
Mobilisierung und Verknüpfung persönlicher Bezugspunkte mit der Nachricht.
 Repräsentation:
Je mehr Bedeutung eine Nachricht für den Rezipienten hat, desto eher wird sie im
Langzeitgedächtnis gespeichert und ist dadurch wieder in anderen Zusammenhängen
abrufbar.
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Die Wiedergabe von Nachrichten
Nur rund 30 Prozent der Inhalte werden direkt nach der Nachrichtensendung
erinnert.
Nur ein Teil dieses Drittels kann auch wiedergegeben werden.
Und wiederum nur ein Bruchstück davon wird im Sinne der Originalnachricht
verstanden.
 Auslassungen und Hinzufügungen:
Einzelheiten und Nebensächlichkeiten werden weggelassen.
Nicht gemeldete Ereignisse werden hinzugefügt.
 Rationalisierung:
Ergänzungen der Inhalte mit fiktiven Aussagen,
um Ungereimtheiten oder Widersprüche aufzuklären.
 Dominante Einzelheiten:
Besondere Betonung von Teilaussagen.
Fiktive Ergänzungen zu diesen Hervorhebungen.
Weglassung unpassender Aspekte.
 Transformation von Einzelheiten:
Unvertraute oder ungewohnte Themen werden so verändert, dass sie vertrauter
erscheinen. Details je nach Relevanz für den Rezipienten auf- und abgewertet oder
unterschlagen.
Besonders starke Veränderungen von indirekter Rede oder Zitaten.
 Veränderung der Reihefolge:
Variierung der Abfolge einzelner Ereignisse bis hin zur Schaffung einer komplett neuen
Sinnstruktur der Nachricht.
 Einstellung und Vorurteile:
Einfluss von Vorurteilen und Überzeugungen.
Ersatz der Inhalte durch allgemeine Theorien.
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Die Aneignung von Nachrichten
Die Nachrichten werden den persönlichen Kontexten angepasst.
Bevorzugt rezipiert und konstruiert werden Nachrichten,
 in denen das Ereignis personalisiert wird oder
 die sich erzählerisch in eine logische Handlungsabfolge einfügen
lassen.
Der Zuschauer erzählt und interpretiert also offensichtlich nur eine bestimmte,
nämlich die für ihn persönlich relevante Wirklichkeit. Diese Auswahl wird
beeinflusst durch
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Alter,
Geschlecht,
Schul- und Berufsbildung sowie
sozialen Status.
Ergebnisse empirischer Untersuchungen zeigen, dass Rezipienten, die
bereits relativ viel wissen, Nachrichten besser verstehen als Zuschauer mit
weniger Wissen: das Phänomen der „wachsenden Wissenskluft“.
Wi/8.4.2004
Nach Georg Ruhrmann: Zeitgeschehen à la carte. Ereignis, Nachricht und Rezipient. In: Medien und Kommunikation. Konstruktionen von
Wirklichkeit. Beltz Verlag, Weinheim, Basel 1991.
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