Andacht in Cannstatt am Samstag, den 28.7.2012 Als Schulleiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums darf ich sie zu dieser Marktandacht herzlich begrüßen. Die Ferien haben begonnen, Schüler, Lehrer und Eltern sehnen sich nach Erholung, freuen sich darauf, ihren Alltag zu durchbrechen und möchten vor allem wieder Kräfte sammeln. Trotzdem wage ich vorerst einige Gedanken zur Schule aus der Sicht eines Schulleiters. Ich möchte mich auf folgenden Aspekt beschränken. Schule ist ein Ort der Begegnung. Begegnung vollzieht sich in intensiv geführten Gesprächen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass sich die Zahl der Gespräche, die sich mit Schulleistung, Schullaufbahnberatung, sozialem Verhalten usw. beschäftigen, deutlich erhöht hat. Eines ist uns allen gemeinsam: Wir freuen uns, wenn ein Gespräch gelungen ist. Aber was heißt das gelungen? Solange wir dem anderen zustimmen, gibt es selten Probleme. Vertritt der andere eine entgegen gesetzte Position, wird es schon deutlich schwieriger. Noch schwieriger wird es, wenn der andere auf seiner Meinung beharrt oder vielleicht sogar beharren muss. Für mich persönlich stellt sich in solchen Gesprächen immer die Frage. Wie schaffen wir es, eine Vertrauensgrundlage zu bilden, einen gemeinsamen Weg zu beschreiben, der aufzeigt, dass man es gut meint? Vor einigen Tagen wurde ich von einem Brief überrascht: Ein Schüler musste im Januar 2000 die Schule abbrechen, weil er als Wiederholer der 9. Klasse noch schlechtere Ergebnisse erzielte als zuvor. Die Mutter schreibt nun in ihrem Brief: Damals haben Sie mir Mut gemacht und Trost zugesprochen und mir Beispiel vor Augen gehalten von Schulabbrechern, die später erfolgreich wurden:“ Er hat damals den Hauptschulabschluss über die Schulfremdenprüfung nachgemacht. Heute – so schreibt die Mutter - möchte ich Ihnen mitteilen, dass er jetzt mit 28 Jahren das Abitur mit einem Schnitt von 1,9 bestanden hat. Wir freuen uns, dass Sie mit Ihrer Zuversicht recht behalten haben und möchten uns auf diesem Weg noch einmal bei Ihnen bedanken. Solche Briefe sind sicher nicht häufig. Für mich sind sie wie ein Geschenk und ich habe mich gefreut über das offensichtlich gelungene Gespräch und den ausgesprochenen Dank. Im Wort Dank verbirgt sich das Wort Denken, denken an und wenn wir an den Anderen denken, beginnen wir seine Situation und sein Denken ernst zu nehmen. Unser Ton wird einfühlsamer, wir spielen mit unseren Worten, um den anderen einzuladen, darauf zu vertrauen, dass wir es gut meinen. Aber es gibt auch Gespräche, die nicht gelingen wollen – trotz guter Absicht. So geht es auch manchem Schüler: Trotz allem Bemühen – es gelingt nicht – nicht nur bei Gesprächen, auch bei seiner Leistung, die er erbringen möchte. Solche Erfahrungen gehören auch zu unserem alltäglichen Leben. Natürlich versucht man immer wieder neu anzusetzen – aber auch das kann misslingen. Dann ertappe ich mich manchmal, wie ich beginne, Gebete zu stammeln. Herr Gott noch einmal, warum wird das einfach nicht anders? Warum bewegt sich nichts? Und ich erinnere mich an ein Bibelwort, das in der Übersetzung von Jörg Zink folgendermaßen lautet: Kommt her zu mir, die ihr müde seid und ermattet von übermäßiger Last! Aufatmen sollt ihr und frei sein.“ Oft wird dieses ‚Aufatmen‘ mit ‚Erquicken übersetzt‘. Selten wird man so eingeladen: Kommt her! Kommt her mit eurem Stress, der den Alltag beherrscht, kommt her mit euren Aufgaben, mit euren Anforderungen, mit eurer Verantwortung, die ihr zu tragen habt, mit Eurer Sorge um Menschen, die euch anvertraut sind, mit euren Ansprüchen, die ihr an euch selber stellt und euch damit unter Druck setzt. Jesus sagt: „Ich will euch erquicken“. Erquicken ist ein Wort, das wir in unserer Alltagssprache kaum mehr gebrauchen. Erquicken heißt: stärken, lebendig machen. Erquickung gibt es an Quellen mit frischem lebendigem Wasser. Wie freuen wir uns auf frisches, kühles Wasser bei einer langen Wanderung. Die Anstrengung und die Belastung bleiben- wie in unserem Alltag. Aber sie lassen sich anders tragen, mit neuer Hoffnung und neuer Kraft. Bei Jesus kommt es zu einem „Aufschnaufen“, das uns wirklich weiterhilft. Denn der Text geht weiter: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir. Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Das Joch, das Menschen damals zu tragen hatten, dürfte bekannt sein. Das Joch Jesu sieht ganz anders. Ging es um den Nächsten, um den Geplagten, um den Leidenden, war Jesus unbeirrbar, stur. Konsequent stellte er sich auf die Seite der Benachteiligten, der Ausgestoßenen, der Unglücklichen. Dieses Joch trug er mit Sanftmut und mit Demut. Sanftmut – diese Eigenschaft zeichnet jemanden aus, der Geduld hat, der nicht auf den schnellen Erfolg drängt, der Zeit und Raum gibt, der aber freundlichbeharrlich dran bleibt: Sanft und Mutig. Demütig ist ein Mensch, der sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellt, der seine Fähigkeiten und Stärken zum Wohl des anderen einsetzt und nicht, um selbst toll dazustehen. Es sind Menschen, die andere nicht einschüchtern, sondern anderen weiterhelfen. Wenn ihr so mit Menschen umgeht und sich doch nichts ändert, wenn ihr gutgemeinte Gespräche führt und sich nichts ändert, dann lernt das zu tragen – nicht im Zorn oder in Trauer, sondern mit Mut und Zuversicht. Kommt zu mir, lernt von mir, nehmt mich als Vorbild, sagt Jesus, denn ich bin sanftmütig und demütig. So werdet ihr Ruhe finden. Liebe Besucher, für viele beginnen die Ferien oder der Urlaub. Ich wünsche Ihnen gelingende Gespräche, die Erfahrung der Dankbarkeit und den Glauben, dass einer hinter uns, vor uns oder neben uns steht, der uns Ruhe, Erquickung schenken möchte.