Rupert Kern - Stadtkirche Bad Cannstatt

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Andacht in Cannstatt am Samstag, den 28.7.2012
Als Schulleiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums darf ich sie zu dieser
Marktandacht herzlich begrüßen. Die Ferien haben begonnen, Schüler, Lehrer
und Eltern sehnen sich nach Erholung, freuen sich darauf, ihren Alltag zu
durchbrechen und möchten vor allem wieder Kräfte sammeln. Trotzdem wage
ich vorerst einige Gedanken zur Schule aus der Sicht eines Schulleiters.
Ich möchte mich auf folgenden Aspekt beschränken. Schule ist ein Ort der
Begegnung. Begegnung vollzieht sich in intensiv geführten Gesprächen. Ich
verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass sich die Zahl der Gespräche, die
sich mit Schulleistung, Schullaufbahnberatung, sozialem Verhalten usw.
beschäftigen, deutlich erhöht hat. Eines ist uns allen gemeinsam: Wir freuen
uns, wenn ein Gespräch gelungen ist. Aber was heißt das gelungen?
Solange wir dem anderen zustimmen, gibt es selten Probleme. Vertritt der
andere eine entgegen gesetzte Position, wird es schon deutlich schwieriger.
Noch schwieriger wird es, wenn der andere auf seiner Meinung beharrt oder
vielleicht sogar beharren muss.
Für mich persönlich stellt sich in solchen Gesprächen immer die Frage. Wie
schaffen wir es, eine Vertrauensgrundlage zu bilden, einen gemeinsamen Weg
zu beschreiben, der aufzeigt, dass man es gut meint?
Vor einigen Tagen wurde ich von einem Brief überrascht: Ein Schüler musste im
Januar 2000 die Schule abbrechen, weil er als Wiederholer der 9. Klasse noch
schlechtere Ergebnisse erzielte als zuvor. Die Mutter schreibt nun in ihrem
Brief: Damals haben Sie mir Mut gemacht und Trost zugesprochen und mir
Beispiel vor Augen gehalten von Schulabbrechern, die später erfolgreich
wurden:“ Er hat damals den Hauptschulabschluss über die
Schulfremdenprüfung nachgemacht. Heute – so schreibt die Mutter - möchte
ich Ihnen mitteilen, dass er jetzt mit 28 Jahren das Abitur mit einem Schnitt von
1,9 bestanden hat. Wir freuen uns, dass Sie mit Ihrer Zuversicht recht behalten
haben und möchten uns auf diesem Weg noch einmal bei Ihnen bedanken.
Solche Briefe sind sicher nicht häufig. Für mich sind sie wie ein Geschenk und
ich habe mich gefreut über das offensichtlich gelungene Gespräch und den
ausgesprochenen Dank. Im Wort Dank verbirgt sich das Wort Denken, denken
an und wenn wir an den Anderen denken, beginnen wir seine Situation und
sein Denken ernst zu nehmen. Unser Ton wird einfühlsamer, wir spielen mit
unseren Worten, um den anderen einzuladen, darauf zu vertrauen, dass wir es
gut meinen.
Aber es gibt auch Gespräche, die nicht gelingen wollen – trotz guter Absicht. So
geht es auch manchem Schüler: Trotz allem Bemühen – es gelingt nicht – nicht
nur bei Gesprächen, auch bei seiner Leistung, die er erbringen möchte.
Solche Erfahrungen gehören auch zu unserem alltäglichen Leben. Natürlich
versucht man immer wieder neu anzusetzen – aber auch das kann misslingen.
Dann ertappe ich mich manchmal, wie ich beginne, Gebete zu stammeln. Herr
Gott noch einmal, warum wird das einfach nicht anders? Warum bewegt sich
nichts?
Und ich erinnere mich an ein Bibelwort, das in der Übersetzung von Jörg Zink
folgendermaßen lautet:
Kommt her zu mir, die ihr müde seid und ermattet von übermäßiger Last!
Aufatmen sollt ihr und frei sein.“ Oft wird dieses ‚Aufatmen‘ mit ‚Erquicken
übersetzt‘. Selten wird man so eingeladen: Kommt her! Kommt her mit eurem
Stress, der den Alltag beherrscht, kommt her mit euren Aufgaben, mit euren
Anforderungen, mit eurer Verantwortung, die ihr zu tragen habt, mit Eurer
Sorge um Menschen, die euch anvertraut sind, mit euren Ansprüchen, die ihr
an euch selber stellt und euch damit unter Druck setzt. Jesus sagt: „Ich will
euch erquicken“. Erquicken ist ein Wort, das wir in unserer Alltagssprache
kaum mehr gebrauchen. Erquicken heißt: stärken, lebendig machen.
Erquickung gibt es an Quellen mit frischem lebendigem Wasser. Wie freuen wir
uns auf frisches, kühles Wasser bei einer langen Wanderung. Die Anstrengung
und die Belastung bleiben- wie in unserem Alltag. Aber sie lassen sich anders
tragen, mit neuer Hoffnung und neuer Kraft. Bei Jesus kommt es zu einem
„Aufschnaufen“, das uns wirklich weiterhilft. Denn der Text geht weiter:
„Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir. Denn ich bin sanftmütig und von
Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Das Joch, das Menschen damals zu tragen hatten, dürfte bekannt sein. Das Joch
Jesu sieht ganz anders.
Ging es um den Nächsten, um den Geplagten, um den Leidenden, war Jesus
unbeirrbar, stur. Konsequent stellte er sich auf die Seite der Benachteiligten,
der Ausgestoßenen, der Unglücklichen. Dieses Joch trug er mit Sanftmut und
mit Demut.
Sanftmut – diese Eigenschaft zeichnet jemanden aus, der Geduld hat, der nicht
auf den schnellen Erfolg drängt, der Zeit und Raum gibt, der aber freundlichbeharrlich dran bleibt: Sanft und Mutig.
Demütig ist ein Mensch, der sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellt, der seine
Fähigkeiten und Stärken zum Wohl des anderen einsetzt und nicht, um selbst
toll dazustehen. Es sind Menschen, die andere nicht einschüchtern, sondern
anderen weiterhelfen.
Wenn ihr so mit Menschen umgeht und sich doch nichts ändert, wenn ihr
gutgemeinte Gespräche führt und sich nichts ändert, dann lernt das zu tragen –
nicht im Zorn oder in Trauer, sondern mit Mut und Zuversicht.
Kommt zu mir, lernt von mir, nehmt mich als Vorbild, sagt Jesus, denn ich bin
sanftmütig und demütig. So werdet ihr Ruhe finden.
Liebe Besucher, für viele beginnen die Ferien oder der Urlaub. Ich wünsche
Ihnen gelingende Gespräche, die Erfahrung der Dankbarkeit und den Glauben,
dass einer hinter uns, vor uns oder neben uns steht, der uns Ruhe, Erquickung
schenken möchte.
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