Letzter Sonntag n. Epiph. Wolterdingen 5. Februar

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Letzter Sonntag n. Epiph.
Wolterdingen
5. Februar 2016
2. Mose 3,1-10
Sehen und gesehen werden.
Glauben Sie mir: das ist so wichtig wie essen und trinken, ein- und ausatmen. Ich weiß, wir
gebrauchen diesen Ausdruck sehen und gesehen werden meist im Zusammenhang mit
Promis, wenn sie über den roten Teppich laufen und die Kameras blitzen. Dann fällt dieser
Spruch: man kommt im edlen Kleid, um zu sehen und gesehen zu werden. Nicht ganz so
vornehm ist es dann z.B. beim Dschungelcamp – die Promis, die dort auftreten, machen das
für das Geld, das sie da bekommen, aber vor allem, um zu schreien: Hilfe, seht mich, ich bin
noch da! Vergesst mich nicht. Holt mich hier raus, ich bin doch ein Star … ganz traurig.
Sehen und gesehen werden .
Immer mehr Menschen, schon kleine Kinder leiden unter ADS oder ADHS, einem
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Was immer das im Einzelnen auch ist – es gibt scheinbar in
uns Mensche, eben schon bei den Kindern, einen Hilfeschrei nach Wahrnehmung, nach
Erkanntwerden, Gesehenwerden. Und andersrum: wenn wir das nie oder zu wenig erleben
und erlebt haben, gerät unser Leben ins Straucheln. Es ist so wichtig, dass wir uns
angenommen wissen, geliebt wissen und darauf vertrauen können, dass wir gesehen
werden. Das ist glaube ich auch das Urvertrauen bei kleinen Kindern: sie wissen, dass ihre
Eltern da sind, nahe sind: mir kann nichts passieren, tiefes Vertrauen. Aber haben Sie schon
mal ein kleines Kind schreien gehört, das bei Karstadt oder im Heidepark die Eltern verloren
hat? Panik pur.
Sehen und gesehen werden.
Und wie wichtig ist das im Glauben an Gott. Wie gerne würde ich Gott sehen und wie wichtig
ist es vor allem, von ihm gesehen zu werden. Vielleicht sollte ich sagen: Ja, ich möchte Gott
sehen, erfahren, sicher sein, vertrauen können … und ich möchte glauben können, ganz fest,
dass er mich sieht, mich mag, vor mir sich nicht versteckt.
Mose hatte sich damals versteckt. Er war ein Mörder oder juristisch besser: ein Totschläger,
hatte einen Ägypter im Jähzorn erschlagen. Und dann war er in die Wüste geflohen – der
toteste und sicherste Ort. Dort blieb er, fand eine Frau, wurde Hirte, gliederte sich dort in
eine Beduinenfamilie ein und wurde älter und älter. Aber so war es o.k. Vermutlich hatte
Mose seinen Frieden mit sich, seiner Umgebung, seinem Gott geschlossen … und
irgendwann würde er sterben.
Und dann machte er die Erfahrung, die fortan sein ganzes Leben bestimmte. Er erfährt Gott.
Ihm geht ein Licht auf, ein besonderes Licht – ein Dornbusch brennt, aber verbrennt nicht.
Und er hört eine Stimme, die seinen Namen nennt: Mose! Mose!
Sehen und gesehen werden. Darum geht es im Glauben: wir müssen etwas von Gott sehen
und wir müssen die Erfahrung machen, dass wir gesehen und wahr genommen werden.
Das geschieht auch traditionell, durch den Ritus. Wenn wir z.B. ein Kind taufen, ihm die Hand
auflegen und dem Kind Gottes Liebe zusprechen, dann sagen wir dem Kind zu: Gott sieht
dich und er liebt dich! Und wenn wir am Ende eines Gottesdienstes die Menschen segnen,
dann heißt das nichts anderes als dass Gott uns anschaut. Wenn wir nachher zum
Abendmahl kommen, dann sage ich einladend: Kommet und seht wie freundlich der Herr ist,
denn er hat euch geladen – sehet und werdet gesehen. Deshalb sind Gottesdienste, ist auch
Kirche, so wichtig: es sind die Zeiten und Orte, wo wir hören, sehen und erfahren dürfen,
dass Gott da ist und wo er zu uns spricht, sich uns zuwendet.
Aber: wir müssen es auch persönlich erleben, spüren und erfahren. Beides: wo machen wir
die Erfahrung des brennenden Dornbuschs und wo machen wir die Erfahrung, von Gott
angesprochen zu werden?
In meinem Leben brennen nicht materiell Dornenbüsche, höre ich auch nicht laute Stimmen
um mich herum, die mir den Weg weisen. Was ich aber erlebe sind ganz dichte Momente in
meinem Leben, in denen ich etwas erlebe: es berührt mich die Schönheit und Einzigartigkeit
des Lebens – ich sehe nicht immer, aber hoffentlich immer wieder, in einer Landschaft, in
einer Natur, in einem Menschen, in einer Lebensgeschichte Spuren Gottes. Ich kann täglich
danken für das Essen, für den Frieden … Das hat etwas mit sehen zu tun. So wie es im
Kleinen Prinzen von St. Exupery heißt: „Man kann nur mit dem Herzen wirklich sehen …“ Ich
sehe, obwohl ich leider täglich viel, vielleicht sogar das meiste, übersehe.
Und ich werde gesehen – von Gott. Zum einen gibt mir das eine ganz große Geborgenheit.
Ich fall niemals raus und werde in allem von ihm gesehen und zum anderen versuche ich mit
ihm mein Leben, diese Welt zu sehen und zu verstehen. Und deshalb hat auch alles mit Gott
zu tun – die persönlichen Dinge meines Lebens, aber auch die großen Themen unserer Welt.
Die Welt mit Gottes Augen sehen und dann - hoffentlich – auch mutig handeln.
Diesen Blick bekam damals Mose, in der Wüste, weit weg vom Pharao. Da ging ihm ein Licht
auf und er machte sich auf den Weg. Eigentlich ein Wahnsinn. Und es begann eine schwere
und tolle, eine leidvolle und gesegnete Geschichte mit Mose, dem Pharao und seinem Volk.
Dazu später mehr.
AMEN
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