Europäische Patientenakademie zu Therapeutischen http://www.eupati.eu Innovationen Datenblatt: Bioverfügbarkeit – Beispiele Beispiel 1: Penicillin Heute kann eine bestimmte Penicillinart nur als IV-Injektion verabreicht werden. Eine derartige IV-Behandlung muss jedoch im Krankenhaus erfolgen. Um die Behandlung zu erleichtern und eine Behandlung des Patienten in seinen eigenen vier Wänden zu ermöglichen, hat ein Unternehmen nun eine Penicillin-Tablette entwickelt. Das Unternehmen möchte die Tablette für Patienten verfügbar machen. Zuvor verlangen die Zulassungsbehörden jedoch von dem Unternehmen, die Wirkung der Tablette mit der üblicherweise eingesetzten Injektion zu vergleichen. Sie fordern, die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs in der neuen Formulierung zu testen. Um die absolute Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffs zu bestimmen, vergleicht man die Resorption eines oralen Arzneimittels mit der einer intravenösen Injektion. Die intravenöse Bioverfügbarkeit fungiert dabei als Referenz, da die intravenöse Verabreichung mit einer Bioverfügbarkeit von 100 % einhergeht. Im Gegensatz hierzu wird bei der Einnahme einer Tablette nur ein Teil des Wirkstoffs resorbiert und über die Blutbahn verfügbar gemacht. Es gibt eine mathematische Gleichung für den Vergleich der Bioverfügbarkeit einer intravenösen Injektion und der der Einnahme einer Tablette, aus der sich die absolute Bioverfügbarkeit ergibt. Beispiel 2: Asthma Alexander leidet beim Fußballspielen unter Atemproblemen. Der Arzt möchte Alexander in die Lage versetzen, künftige Asthma-Anfälle selbst zu behandeln, und erwägt, Alexander entweder Tabletten oder ein Asthma-Spray (über einen Inhalator) zu verordnen, wobei beide Darreichungsformen denselben Wirkstoff enthalten. Welche Parameter beeinflussen Ihrer Meinung nach die relative Bioverfügbarkeit? Sie müssen berücksichtigen, dass Alexander Probleme beim Atmen hat; daher muss der Wirkstoff den Wirkort im Körper so schnell wie möglich erreichen. Der Wirkort für das Asthma-Arzneimittel ist die Lunge.1 Ignorieren wir für eine Minute sämtliche sonstigen Aspekte wie Nebenwirkungen und persönlichen Präferenzen hinsichtlich der Darreichungsform (Tabelle oder Injektion), und betrachten wir nur die Bioverfügbarkeit. Beim Vergleich der Fläche unter der Kurve (AUC) für die intravenöse Injektion mit der der oralen Einnahme als Tablette haben wir bereits über die absolute Bioverfügbarkeit gesprochen. Nun 1 Europäische Patientenakademie zu Therapeutischen http://www.eupati.eu Innovationen möchten wir zwei Formulierungen vergleichen, die denselben Wirkstoff in unterschiedlichen Darreichungsformen – Inhalator und Tablette – enthalten. Die absolute Bioverfügbarkeit der Inhalation – bezogen auf die Einnahme einer Tablette – liegt bei 167 %. Für dieses Beispiel kann daher geschlossen werden, dass bei Anwendung des Inhalators mehr Wirkstoff den Wirkort erreicht als bei Einnahme der Tablette. Mit höchster Wahrscheinlichkeit liegt dies am hohen Grad der First-Pass-Verstoffwechselung des Wirkstoffs bei oraler Verabreichung. Alexander sollte folglich geraten werden, den Inhalator zu verwenden. Ein weiterer Vorteil der Verwendung des Inhalators in dieser Situation (der Wirkort ist die Lunge) ist darin zu sehen, dass der Inhalator den Wirkstoff direkt und lokal an den Wirkort verabreicht. Im Gegensatz dazu muss eine Tablette im Gastrointestinaltrakt aufgelöst werden, bevor sie resorbiert werden kann. Die Resorption führt dazu, dass der Wirkstoff in die systemische Zirkulation gelangt, was die Gefahr von systemischen Nebenwirkungen erhöht. Bei lokaler Verabreichung eines Wirkstoffs wird der Anteil des Wirkstoffs, der in die systemische Zirkulation gelangt, minimiert, und damit auch die Gefahr von systemischen Nebenwirkungen. Quellenangaben 1 Labiris NR, Dolovich MB. (2003). Pulmonary drug delivery. Part I: Physiological factors affecting therapeutic effectiveness of aerosolized medications. British Journal of Clinical Pharmacology, 56, 588-99. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1884307/pdf/bcp0056-0588.pdf (Stand: 23. Juni 2015). 2