Predigt zu Johannes 3, Trinitatis 2016, Heiligen-Geist-Kirche Rostock, Pastor Marcus Antonioli Die Gnade und die Güte Gottes, sei mit uns allen. Amen Es muss ihn lange geplagt haben, es muss ihn um den Schlaf gebracht haben, ihn, der sonst in hohen Rat saß und zu den Weisen Israels gehörte. Es muss ihn umgetrieben haben, dass er sich ein Herz fasste, um mitten in der Nacht zu Jesus zu gehen. Denn irgendetwas hatte dieser Wanderlehrer aus Galiläa, hatte er nicht Frauen und Männer bewegt, Kinder gesegnet, hatte er nicht Menschen geheilt und ihnen ein neues Leben ermöglicht? Und hatte er nicht wunderbare Dinge von Gott zu sagen? Doch irgendwie bekam er das alles nicht zusammen. Wie hing das alles mit seinem Gott, dem Gott Israels zusammen? Ja, du Nikodemus bist uns überhaupt nicht fremd. Du stellst Fragen, du er möchtest wie wir den Dingen auf den Grund gehen, du willst verstehen! Und du gehst dafür ein Risiko ein, es ist dir egal, ob du dich bei deinen Ratskollegen unmöglich machst. Es ist dir egal, ob Jesus sich auf ein Gespräch mit dir einlässt, oder ob er dich vielleicht für einen Spitzel des Hohen Rats hält! – Nikodemus – du Wahrheitssucher und getriebener der Wahrheit – auch ich verstehe oft so wenig von dem, was der Nazarener uns sagt! Ja – auch ich kenne das neue Leben mit seiner ganzen Herrlichkeit noch nicht. Du bist mir sympathisch, denn auch ich bin noch nicht fertig mit Gott und der Welt. Ich habe Fragen – und spüre zugleich die Sehnsucht, mich vom Wehen des Geistes bewegen zu lassen. – Ich glaube du hast diese Sehnsucht auch gekannt. Doch wie ich - bleibst du in deinen Denkbahnen und Erfahrungen verhaftet. Können wir es wagen, uns tatsächlich auf neue Gedanken und Wege einzulassen? Alles beiseite zu lassen, was mir bisher als sicher galt, und neue Perspektiven zu zulassen. Diesem Jesus nachzugehen ist ein Drahtseilakt. Wirst du dich trauen, Nikodemus? Donnerstagabend: Wir sitzen zu sechst um den Tisch, um den sich sonst die Kinder oder Konfis scharen. Fünf erwachsene Männer und Frauen sind gekommen. Sie sind voller Fragen und wollen es genauer wissen, was es mit dem Glauben auf sich hat: wie ist das mit der Bibel, wie funktioniert das mit dem Gebet und wie ist das mit Jesus, ja wie ist das mit dem Glauben überhaupt zu verstehen. - Ach ja, anders als die Konfis mögen sie das Singen. Auch eine Motivationsstrategie oder Dompteurseinlagen wie im Konfer sind überflüssig, denn hier herrscht ein Geist gespannter Offenheit! Manchmal kommen wir von Hundertsten zum Tausendsten und nach über zwei Stunden gehen wir auseinander und es hat immer etwas von diesem Nachtgespräch damals in Jerusalem, nur dass wir uns sieben Mal treffen! Immer wieder geht uns etwas Neu auf, erkennen wir Zusammenhänge und wundern uns, wie alles irgendwie zusammenhängt. Und immer wieder erleben wir, wie sich Perspektiven verschieben und wie selbst nach schwierigsten Fragen, ein befreiendes Lachen durch die Runde geht. Wenn wir über unsere Glaubensfragen brüten, dann spüre ich, dass wir ganz dicht an dem sind, was uns als Kirche auszeichnet! – Ja, ich wünschte mir mehr von dieser Neugier, von dieser Offenheit, von dieser Sehnsucht, etwas Wesentliches für sich zu finden. Vielleicht sind wir oft einfach zu fertig mit uns und der Welt, vielleicht lassen wir zu oft die großen Fragen des Lebens einfach nicht mehr zu, schade eigentlich, denn solche Gespräche lassen den Geist Jesu auch hier unter uns spürbar werden. Inspirierend, erfrischend und aufrüttelnd zugleich! Liebe Gemeinde, zwischen Jesus und dem jüdischen Schriftgelehrten Nikodemus lagen Welten, auch wir heute sind Welten von ihm entfernt. Um diesen garstigen Graben zu überwinden, braucht es etwas von der unverbesserlichen Naivität der Gottessucher. Vielleicht sind wir dann besonders dicht am neuen Leben dran, wenn wir uns von Gottes Geist bewegen lassen. Denn das sein Wehen und Stürmen können wir in Wahrheit weder in Kirchenmauern noch in theologischen Lehrgebäuden einfangen. Doch wir können die Segel unseres Lebens ausrollen und uns von ihm treiben und tragen lassen! Liebe Gemeinde, Wie neu geboren, das fühlt sich so an wie nach einem langen Bad oder nach der Sauna, die Knie sind etwas weich, aber ich bin gelöst und befreit. Neu geboren – das fühl sich so am wie wenn zwei frisch verliebt sind und sich ihnen eine neue Welt auftut. Neu geboren - das sind Momente in denen wir spüren, es ist alles möglich. - Wie neu geboren! So sagen wir, aber wir ahnen doch, dass wir immer auch die alten bleiben. Gott weiß das, und doch wenn wir ahnen woher her wir kommen, dann können wir auch erahnen, was noch möglich ist! Jesus selbst wusste woher er kam und konnte darum so gewiss sein, wohin sein Weg ihn führt. Ja, Gott ist Ursprung und letztes Ziel unseres Daseins; das übersteigt unsere Erkenntnis, aber im kindlichen Vertrauen, können wir erspüren, erfragen, erglauben, was das für unser kleines Leben bedeutet! Ganz gleich wie oder wo der Geist Gottes uns erwischt – es ist immer, wie eine kleine Geburt, wir erfahren am eignen Leibe und in der eignen Seele, dass das Leben so viel mehr ist als wir es uns bisher gedacht hatten! Halten wir es offen – lassen wir es zu, wenn Gott es wehen lässt in unserem Denken und Fühlen, in unserem Staunen und Zweifeln, in unserem Suchen und Finden! Liebe Gemeinde, an dem heutigen Trinitatissonntag – haben wir große und schwere Ideen zu wälzen – der dreieinige Gott begegnet uns als Gott Vater, dem Schöpfer der Welt, als unserer Herr und Bruder Jesus Christus und er inspiriert und ermuntert uns durch seinen Heiligen Geist. Ein schauspielender Pastor hat die drei Personen Gottes mit Schauspielmasken verglichen, wie sie bei den alten Griechen üblich waren. Und vielleicht ist es so, dass Gott sich für uns diese drei Masken aufsetzt, damit wir endlich begreifen. Zugleich bin ich überzeugt, dass Gott dieses Spiel um unseretwegen spielt, denn er sehnt sich nach uns Menschen. Er will auch den letzten noch zu sich führen, damit wir alle das wahre Leben haben. Die ganze Bibel erzählt von einem sich in Liebe nach uns Menschen verzehrenden Gott, selbst wo er straft und sich abwendet, sehnt er sich nach uns. Darum entspricht der Gott der Dichter und Denken nur in ganz wenigem, unserem lebendigen Gott! Denn seine Liebe ist der Schlüssel, um hier auch nur irgendwas zu begreifen. Das Geheimnis des Glaubens ist keine Knobelaufgabe, kein christliches Sudoku. Es will erlebt, ja durchlebt sein. Am Ende führen uns die Spuren Jesu zu einer neuen Wirklichkeit. Sein guter Geist lockt uns zu neuen Horizonten locken. Amen