Petr Špičan, 4 RNHS [email protected] Begriff und Gesellschaft Der Name "Gotik" wurde erst in der Renaissance von dem italienischen Baumeister, Maler und Kunstschriftsteller Giorgio Vasari (1511 bis 1574) geprägt und hatte zunächst eine abwertende Bedeutung. Das Gotische wurde mit dem Barbarischen gleichgesetzt im Gegensatz zur klassischen antiken Kunst, der man den höchsten Stellenwert einräumte. Die "barbarischen (West-)Goten" hatten nach Auffassung Vasaris das Römische Reich gestürzt. Und noch bis zum Jahr 1800 galt die Gotik als Inbegriff schlechten Stils. Heute spielt der Begriff hauptsächlich in der Architektur eine große Rolle, denn die bedeutendsten Sakralbauten (Kirchen, Kathedralen) wurden in der Gotik errichtet. Doch auch in der Tafel-, Wand-, Glas- und Buchmalerei, Plastik, Holzschnitz- und Goldschmiedekunst, Musik, Schrift, Sprache, Mode und bei den Möbeln haben sich gotische Stilmerkmale ausgeprägt, oder nahmen begrifflichen Bezug. Voraussetzungen in der Gesellschaft: Die rasche Entwicklung der Städte als Mittelpunkt des Handels Könige und Bischöfe auch die Feudalherren hatten einen Wohnsitz in den Städten Ernährt (uživit) wurde diese Schicht von der umliegenden Landbevölkerung, die, weitgehend rechtlos, den Reichtum der städtischen Kultur finanzierte. Die Kathedrale wird zum spirituellen Zentrum und Ausdruck dieser Entwicklung. Zitat: "In solchem Dom nun ist Raum für ein ganzes Volk. Denn hier soll sich die Gemeinde einer Stadt und Umgegend nicht um das Gebäude her, sondern im Innern desselben versammeln. Und so haben auch alle mannigfaltigen Interessen des Lebens, die nur irgend an das Religiöse anstreifen, hier nebeneinander Platz. Keine festen Abteilungen von reihenweisen Bänken zerteilen und verengen den weiten Raum, sondern ungestört kommt und geht jeder, mietet sich, ergreift für den augenblicklichen Gebrauch einen Stuhl, kniet nieder, verrichtet sein Gebet und entfernt sich wieder. Ist nicht die Stunde der großen Messe, so geschieht das Verschiedenste störungslos zu gleicher Zeit. Hier wird gepredigt, dort ein Kranker gebracht; dazwischen hindurch zieht eine Prozession langsam weiter; hier wird getauft, dort ein Toter durch die Kirche getragen; wieder an einem anderen Orte liest ein Priester Messe oder segnet ein Paar zur Ehe ein, und überall liegt das Volk nomadenmäßig auf den Knien vor Altären und Heiligenbildern. All dies Vielfache schließt ein und dasselbe Gebäude ein." (G.W.F.Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik II, S. 340f). Entwicklung Der Übergang zwischen Romanik (750-1250) und Gotik (1130-1500) vollzog sich - wie schon die zeitlichen Zuordnungen verraten - fließend. Die Gotik entstand um 1150 in Nordfrankreich (Île de France, Paris) und verbreitete sich von dort über ganz Europa, wobei sich in den einzelnen Ländern spezifische gotische Stile entwickelten. Besonders in Deutschland, Italien, England und Spanien finden wir individuell gestaltete Bauwerke. Im 15. Jahrhundert löste die Renaissance (1420-1620) zunächst in Italien die Gotik ab. Die imposantesten gotischen Bauwerke sind die Kathedralen. Sie gelten als Inbegriff gotischer Architektur. Die Gotik - 1130 bis 1500 Religiöser Hintergrund Die gotische Bauweise ist jedoch nicht nur aus rein architektonischen Überlegungen entstanden. Dahinter steht religiöse Symbolik. Die Säulen und Pfeiler entsprechen den Aposteln und Propheten, die den christlichen Glauben tragen, Jesus ist der Schlußstein, der eine Mauer mit der anderen verbindet. Die Gotische Sprache Die gotische Sprache ist als älteste überlieferte germanische Schriftsprache für die Sprachwissenschaft von großer Bedeutung. Die gotische Sprache gehört zum ostgermanischen Zweig der germanischen Sprachen und wurde von den Goten eingeführt. Die Goten wurden seit Christi Geburt in den Quellen erwähnt. 200 Jahre später gründete dieser Stamm nacheinander Reiche auf dem Balkan, in Italien und Spanien. Die sprachlichen Zeugnisse, die erhalten geblieben sind, stammen fast alle aus Italien, wo die Ostgoten unter Theoderich (gest. 526) um und nach 500 ein großes Reich errichteten. Die wichtigste Quelle ist ist die von Bischof Wulfila (um 311 bis 383) übersetzte gotische Bibel "Codex Argenteus". Die Handschrift ist prachtvoll gestaltet: purpurfarbenes Pergament mit silbernen und goldenen Buchstaben. Die übrigen Sprachdenkmäler sind Personennamen, einige Runen-Inschriften in Osteuropa, das Bruchstück eines Festkalenders, zwei lateinische Verkaufsurkunden aus Ravenna, die "Skeireins" (Erläuterungen) - eine Erklärung des Johannisevangeliums sowie Randbemerkungen zu einem lateinischen Text in Verona. Die gotische Sprache ist im 6. Jahrhundert mit den Goten untergegangen. Nur bei den so genannten "Krimgoten" hat sie sich bis in das 18. Jahrhundert erhalten. Schon im Jahr 258 waren die ersten gotischen Siedler auf die Halbinsel Krim im Schwarzen Meer gekommen. Überlieferte Zeugnisse bestätigen, dass dort auch noch in späteren Jahrhunderten "deutsch", bzw. "gotisch" gesprochen wurde. Allmählich verdrängten jedoch bis zum 18. Jh. die tatarischen Sprachen der Umgebung das Krimgotische vollständig. Außer ein paar Flurnamen sind keine Zeugnisse mehr darüber erhalten, dass auf der Krim einst Menschen lebten, die zur germanischen Sprachgruppe zählten. Bei der gotischen Sprache besitzt das Nomen fünf Fälle: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ und Vokativ, das Verb hat zwei Tempora: Vergangenheit und Nicht-Vergangenheit und drei Numeri: Singular, Plural und Dual (als Ausdruck der Paarigkeit des Subjektes). Die Gotische Schrift Die gotischen Zeugnisse sind mit Ausnahme der in Runen aufgezeichneten Inschriften in Osteuropa in einer eigenen gotischen Schrift überliefert, die Bischof Wulfila (um 311 bis 383) selbst erfunden haben soll und deshalb auch "Ulfilaschrift" genannt wird. Dabei diente ihm die griechische Unziale (eine Großbuchstabenschrift mit Kursivcharakter) als Vorbild. Für gotische Laute, die im Griechischen keine Entsprechung hatten, setzte er lateinische Buchstaben oder zog das Runenalphabet heran. Um 700 entstand im Reich der Westgoten die westgotische Schrift, eine Form der Minuskel. Bis zum 12. Jh. wurde diese Schrift auf der Iberischen Halbinsel verwendet. Als gotische Schrift bezeichnet man jedoch auch die Schriftarten, die in der Stilepoche der Gotik entstanden. Im 11. Jh. bildete man zunächst in Frankreich die karolingische Minuskel um: der Schriftkörper wurde gestreckt, die Schäfte gebrochen, benachbarte Buchstaben zusammengeschlossen. Die klassische Form wird im 13. Jh. in der "Textura" erreicht. Aus der gotischen Kursive erwuchsen seit dem 14. Jh. neuartige Buchstaben mit Unterlängen beim "f" und "s", die man mit dem Begriff "Bastarda" bezeichnete. In Deutschland gewann die "Bastarda" seit dem 16. Jh. in den Druckschriften "Schwabacher" und "Fraktur" große Bedeutung. LINKS www.evertbloemsma.nl moorstation.org www.orthodoxwiki.org www.fahrrad-tour.de www.vitruvio.ch www.google.de www.gotik.de baugeschichte.a.tu-berlin.de emaelde-archiv.gemaelde-webshop.de home.tronet.de abwerten – devalvovat, znehodnocovat Auffassung, die – pojetí ausprägen – projevit se benachbart – okolní Bruchstück, das – úlomek einräumen – zařadit, umístit Inbegriff, der – ztělesnění Inschrift, die – nápis Minuskel, die – minuskule (malé latinské písmo) prachtvoll – nádherný prägen – razit, formovat strecken – natáhnout stürzen – svrhnout, sesadit Zeugnisse, die – svědkové minulosti zunächst – nejprve, především Bei der Skeireins (Singular!) handelt es sich um eine gotische Auslegung zum Johannesevangelium der Wulfilabibel, die auf 8 Blättern später lateinisch überschriebener Codices (Codex Ambrosianus E und Codex Vaticanus Latinus 5750) fragmentarisch erhalten ist. Der ursprüngliche Name ist unbekannt, die heutige Bezeichnung erhielt die Skeireins im 19. Jahrhundert nach dem gotischen Wort skeireins = Erklärung Die Krimgoten sind aus dem Teil der Goten hervorgegangen, die sich im Jahre 257 auf der Krim, am Schwarzen Meer niederließen, wo sie zu Verbündeten Roms wurden. Sie machten Dori zu ihrer Hauptstadt und hinterließen eine Reihe von Baudenkmälern, die Gotenburgen. Noch lange existierten gotische Fürstentümer auf der Krim, die Bevölkerung vermischte sich jedoch bald. Erst im 16. Jahrhundert starb die krimgotische Sprache (siehe auch: gotische Sprache) aus. (Das Dritte Reich leitete aus der Existenz der als deutsch empfundenen Krimgoten Besitzansprüche auf die Krim ab und benannte sie in Neugotland um) Giorgio Vasari (* 30. Juli 1511 in Arezzo, Italien; † 27. Juni 1574 in Florenz, Italien) war Hofmaler der Medici und Biograf florentinischer Künstler wie etwa Leonardo da Vinci, Raffael und Michelangelo. Er gilt durch seine Schriften über das Leben und Werk zeitgenössischer Meister als einer der ersten Kunsthistoriker. Der Begriff des Manierismus in der Malerei geht auf ihn zurück.