Simulation der Temperaturfelder in Festkörpern infolge der

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Simulation der Temperaturfelder in Festkörpern infolge der Bestrahlung mit
ultrakurzen Laserpulsen im Piko- und Femtosekundenbereich
Andreas Fischer, Peter Lickschat
Hochschule Mittweida
®
Es wurde ein Programmsystem auf der Grundlage von COMSOL entwickelt, das es dem Anwender ermöglicht, dreidimensional Temperaturfelder bei Femtosekundenlaserbestrahlung in Metallen zu berechnen. Dazu ist es notwendig, die Berechnungen in zwei getrennten System, dem System der freien Elektronen und
dem des Gitter zu unterteilen. Zwischen beiden Systemen existiert eine Kopplung, die es ermöglicht, die
Energie der Laserpulse über die primären Wechselwirkung Photon-Elektron auf die sekundäre Wechselwirkung Elektron-Phonon und damit auf das Gitter zu übertragen.
Die Berechnungsergebnisse werden mit experimentellen Daten verglichen.
1 Einleitung
Die Elektronendichte in zweiwertigem Eisen beträgt
nach der klassischen freien Elektronengastheorie
Femtosekundenlaserbearbeitungen werden mit der
immer besseren Verfügbarkeit dieser Anlagen für
Anwender verstärkt zum Einsatz kommen. Das ist
ein Grund dafür, sich näher mit dem Abtragsprozess beim Einsatz der Ultrakurzzeitlaser zu beschäftigen und Simulationen der ablaufenden physikalischen Prozesse durchzuführen.
Das entwickelte Programm zur Berechnung von
dreidimensionalen Temperaturfeldern bei Laserbepulsbestrahlungen bis in den Femtosekundenbereich erfordert eine Aufteilung bei der Laserstrahlabsorption in einem Metall in den primären Wechselwirkungsprozess Photon-Elektron und den sekundären
Wechselwirkungsprozess
ElektronPhonon mit einer Relaxationszeit von etwa   1 ps
[1]. Damit wird die Laserenergie bei Femtosekundenpulsen zuerst im Elektronensystem deponiert
bevor sie zeitverzögert in das Gittersystem überführt werden kann. Dadurch entstehen sogenannte
heiße Elektronen mit hohen Energien und hohen
thermischen Geschwindigkeiten, die wesentlich
schneller in das Material hinein diffundieren. Das
Elektronensystem kann über die Modellvorstellung
der freien Elektronen behandelt werden.
®
COMSOL
Multiphysics mit dem Heat Transfer
Tool bietet ausgezeichnete Voraussetzungen für die
Entwicklung eines Programms für die Simulation
der Femtosekundenlaserbearbeitung unter den
oben genannten Voraussetzungen. Es ist möglich
für die Berechnung zwei Heat Transfer Tools zu
aktivieren, die geeignet miteinander entsprechend
dem physikalischem Modell gekoppelt werden.
ne  2 
2 Physikalisches Modell
Das freie Elektronensystem wird entsprechend der
Modellvorstellungen der Statistischen Physik betrachtet [2]. Aus diesem Modell lassen sich die
thermischen Eigenschaften des freien Elektronengases für Eisen berechnen.

M
 N A  1,7  1029 m3
(1)
(ρ – Dichte, M – molare Masse, NA – Avogadrosche
Zahl, me – Elektronenmasse).
Daraus ergibt sich die Dichte der freien Elektronen
zu
e  ne  me  0,1547kg / m3 .
(2)
Die Wärmeleitfähigkeit eines Gases beträgt
1
3
   v   e  ce  l
(3)
( v - mittlere Geschwindigkeit der Elektronen, ce –
spezifische Wärmekapazität der Elektronen,
mittlere freie Weglänge der Elektronen).
l-
Aus der inneren Energie des freien Elektronengases
U  me  ce  T 
me
3
 N A   kB  T
M
2
(4)
ergibt sich schließlich für die spezifische Wärmekapazität der Elektronen
ce 
3 NA
3 k

 kB   B
2 M
2 me
(5)
Die Wärmeleitfähigkeit der Elektronen steigt nach
T , da für die mittlere
Formel (3) proportional
Geschwindigkeit der Elektronen folgender Ausdruck
gilt
v
8  kB  T
.
  me
(6)
Betrachtet man zusätzlich die Spinkopplung zweier
Elektronen im Eisen, d.h. jeweils zwei Elektronen
sind zu einem Teilchen der doppelten Masse verbunden, erhält man bei T = 300 K für die Wärmeleitfähigkeit der Elektronen nach Formel (3)
λ = 63 W/(m K) und für die spezifische Wärmekapa7
zität (5) ce = 1,14·10 J/(kg·K).
Wenn sich die Energie nach dem Gleichverteilungssatz im thermodynamischen Gleichgewichtsfall auf das Gitter und die freien Elektronen gleich
verteilt, ergibt sich
U  G  V  cG  T  e  V  ce  T
cG 
e
c
G e
bzw.
(7)
(ce – spezifische Wärmekapazität des Elektronensystems, cG – spezifische Wärmekapazität des Gitters).
Tabelle 1
System
Freie
Elektronen
Thermische Materialeigenschaften von
Eisen für das freie Elektronensystem
berechnet nach den Formeln (2), (3)
und (5) und das Gitter nach (7) sowie
für das Kompaktmaterial
Dichte
in
3
kg/m
Wärmekapazität in
J/(kgK)
0,1547
7
1,1410
Wärmeleitfähigkeit in
W/(mK)
63
bei T = 300 K
Gitter
7870
223
13,2
Kompaktmaterial
7870
446
76,2
Die Wärmeleitfähigkeit für das Gitter in Tabelle 1
wurde erhalten aus der Annahme, dass zwischen
dem Gitter und dem Elektronensystem eine parallele Wärmeleitung stattfindet und somit die Summe
aus beiden die Wärmeleitfähigkeit des Kompaktmaterials ergeben sollte. Der Gleichverteilungssatz der
Thermodynamik kommt in dem Produkt aus Dichte
und Wärmekapazität, welches der gespeicherten
Energie pro Volumen und Kelvin entspricht, zum
Ausdruck. Die im Volumen gespeicherte Energie ist
danach pro Kelvin in beiden Systemen, den freien
Elektronen und dem Gitter gleich.
Die Kopplung zwischen dem freien Elektronensystem und dem Gitter erfolgt durch Wärmesenken
bzw. Wärmequellen in den Elementen des COM®
SOL -Programms. Die Wärmequellen verlangen
eine Leistungsdichte, die vom Elektronensystem
ab- und dem Gitter zugeführt wird. Die innere Energie im Elektronensystem lässt sich durch
U  e V  ce  T
(8)
beschreiben. Die Leistungsdichte im Elektronensystem beträgt dann
Q U
dT
  e  ce 
.
V V
dt
(9)
Die Zeitableitung der Temperatur kann mit Hilfe der
Relaxationszeit der Energieübertragung von den
Elektronen auf das Gitter ermittelt werden
dT T
.

dt

(10)
Damit ergibt sich für die Kopplung der beiden Systeme schließlich
Q
Q
T T

  e  ce  e G .
Ve
VG

(11)
Wird die Wärmeleitfähigkeit des Elektronensystems
entsprechend der Femiverteilungsfunktion im Leitungsband des Metalls betrachtet, ergibt sich [3]
1
3
e   2 
ne 2
 k   T
me
(12)
(ne – Elekronendichte, k – Boltzmannkonstante).
Die Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit von der
Temperatur verändert sich dadurch gegenüber dem
freien Elektronengas entsprechend der Gleichungen (3) und (6) mit der Proportionalität von
e ~ T
zu
e ~ T .
3 Programmsystem
®
Das physikalische Modell konnte im COMSOL
Heat Transfer Tool umgesetzt werden. Alle physikalischen Materialeigenschaften können auch temperaturabhängig eingesetzt werden. Zur schnelleren
Berechnung wurde aufgrund der Axialsymmetrie
der Femtosekundenlaserbearbeitung der 2D axialsymmetrische Fall ausgewählt. Zur Verbesserung
der räumlichen Auflösung der Absorption der Laserstrahlung an der Oberfläche wurde das Material
in Schichten unterteilt. Die Vernetzung der Struktur
ist im Bild 1 dargestellt.
Bild 1: Netzstruktur in der 2D-Axialsymmetrie mit den Koordinaten r und z (Die Materialoberfläche befindet sich bei z = 0.).
Zur Berechnung der Temperaturen im im Elektronensystem und im Gitter wurden in das Projekt zwei
Heat Transfer Module eingefügt. Im Elektronensystem erfolgt die Absorption der Laserstrahlung entsprechend dem Absorptionsgesetz mit einem Ab7
-1
sorptionskoeffizienten von 510 m . Die Absorption
erfolgt demzufolge in einem Metall in einer oberflä-
chennahen Schicht von ca. 20 nm. Die heißen
Elektroenen besitzen eine wesentlich höhere Wärmeleitfähigkeit als das Gitter. Die thermische Kopplung zwischen dem Elektronensystem und dem
Gitter wird entsprechend der Gleichung (11) realisiert, d.h. nach einer Zeit, die etwa der Relaxationszeit entspricht, sollten sich die Temperaturen des
Elektronensystems und des Gitters angeglichen
haben. Zur Auswertung der Ergebnisse stellt
COMSOL® ausreichend Werkzeuge zur Verfügung.
4 Ergebnisse
Die berechneten zeitlichen Verläufe der Temperaturen in der Skintiefe von 20 nm im Zentrum der
Laserbestrahlung für die Femto- und Pikosekundenbestrahlung mit einer Energiefluenz von 2,7 J
sind in den Bildern 2 und 3 dargestellt.
ten im Pikosekundenbereich nicht mehr relevant.
Die Temperaturen des Elektronensystems und des
Gitters sind nahezu identisch (Bild 3). Nur für Zeiten
kleiner zwei Pikosekunden ergeben sich vernachlässigbare Differenzen der beiden Temperaturen.
Experimentelle Ergebnisse liegen derzeit nur für die
Abtragsraten pro Laserpuls vor. Eine Festlegung
des Abtrags pro Laserpuls kann über das Modell
nur durch die Isothermen erfolgen. Dazu muss eine
Schwelltemperatur festgelegt werden, bis zu der
sich der Abtrag einstellt. Es ist nicht sinnvoll, die
klassischen Schmelz- und Verdampfungsprozesse
ablaufen zu lassen, da in diesen kurzen Zeiten keine Umordnung in der Gitterstruktur möglich sein
sollte. Die Schwelltemperatur wurde ermittelt aus
der Beziehung
TSch 
qV
c
(13)
(qV – Verdampfungswärme, c – spezifische Wärmekapazität). Für Eisen ergibt sich dabei ein Wert für
die Schwelltemperatur von ca. 13000 K, d.h. Material oberhalb dieser Schwelltemperatur wird abgetragen. Die Abtragstiefe zSch und der Abtragsradius
rSch wird aus der berechneten Isothermen bei der
Schwelltemperatur ermittelt. Über die Volumenformel eines Rotationsparaboloids
V

2
2
 zSch  rSch
(14)
kann der Volumenabtrag pro Laserpuls in guter
Näherung entsprechend dem Modellansatz ermittelt
werden.
Bild 2: Femtosekundenlaserbestrahlung - Abhängigkeit der
Temperatur von der Zeit für das Elektronensystem (+) und das
Gitter (*) bei einer Energiefluenz der Laserstrahlung von 2,7 J.
Bild 4: Volumenabtrag pro Laserpuls für die Femtosekundenlaserbearbeitung in Abhängigkeit von der Pulsenergie.
Bild 3: Pikosekundenlaserbestrahlung - Abhängigkeit der Temperatur von der Zeit für das Elektronensystem (+) und das Gitter (*)
bei einer Energiefluenz der Laserstrahlung von 2,7 J.
Nach einer Zeit von ca. 1,5 ps haben sich die Temperaturen des Elektronensystems und des Gitters
angeglichen (Bild 2). Deshalb ist die Unterscheidung in die elementaren Wechselwirkungen Photon-Elektron und Elektron-Phonon bei Laserpulszei-
Bei der Femtosekundenlaserbearbeitung entspricht
der berechnete Volumenabtrag in seinem Verlauf
den experimentellen Werten. Die Verschiebung der
absoluten Werte ist durch eine Veränderung der
Schwelltemperatur zu kleineren Werten hin möglich
(Bild 4). Bei der Pikosekundenlaserbearbeitung
steigt der berechnete Volumenabtrag schneller an
als der experimentelle (Bild 5), wobei allerdings in
beiden Fällen der absolute Abtrag geringer ausfällt
als bei der Femtosekundenlaserbearbeitung. Eine
Erklärung für dieses Verhalten könnte sein, dass
bei der Pikosekundenlaserbearbeitung die Ab-
schirmung der Laserstrahlung über die Plasmazündung in diesem Zeitbereich den Anstieg des experimentellen Abtrages begrenzt.
Bild 5: Volumenabtrag pro Laserpuls für die Pikosekundenlaserbearbeitung in Abhängigkeit von der Pulsenergie.
5 Zusammenfassung
Durch das Modell der Photon-Elektron- und Elektron-Phonon-Wechselwirkung konnte bei der Pikosekundenlaserbearbeitung eine Erklärung für den
Materialabtrag in Abhängigkeit von der Pulsenergie
gefunden werden. Im Pikosekundenbereich werden
die experimentellen Ergebnisse durch die Rechnungen nicht vollständig widergespiegelt. Ein Grund
dafür könnte die Plasmaabschirmung sein. Interessant ist dabei, dass die experimentellen Daten im
Femtosekundenbereich nur richtig berechnet werden können, wenn für die Wärmeleitfähigkeit des
Elektronensystems die lineare Proportionalität zur
Temperatur entsprechend der Fermiverteilung im
Leitungsband angenommen wird. Die Proportionalität der Wärmeleitfähigkeit zur Wurzel aus der Temperatur entsprechend dem Modell des freien Elektronengases führte in beiden Fällen der Femto- und
der Pikosekundenlaserbestrahlung zu annähernd
gleichen Abtragsraten und konnte damit den experimentellen Befund nicht wiedergeben.
Literatur
[1] D. Denzler; Untersuchungen zur Ultrakurzzeitdynamik photostimulierter Oberflächenreaktionen
und der Energierelaxation in Metallen, Diplomarbeit
Freie Universität Berlin 1999
[2] B. Diu, C. Guthmann, D. Lederer, B. Roulet;
Grundlagen der Statistischen Physik, Walter de
Gruyter 1994
[3] E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure S. 684, VDI Verlag 4. Auflage
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