Hochfrequenztechnik I Lineare, zeitinvariante elektronische Netzwerke L/1 1 Vorbetrachtung: Linearität und Zeitinvarianz Hochfrequente Signale sollen mit Hilfe von elektronischen Schaltungen verstärkt werden. Für die kompakte Beschreibung der Signale in solchen Schaltungen eignen sich lineare, zeitinvariante Netzwerke. Wir wollen zunächst die Eigenschaften der Linearität und der Zeitinvarianz betrachten und die sich daraus ergebenen Konsequenzen beleuchten. b(t) a(t) Abb. 1: Allgemeine Darstellung eines Zweitors. Allgemein lässt sich eine Schaltung als ein Zweitor annehmen, in das die Eingangsgröÿe a(t ) hineingeht und aus dem die Ausgangsgröÿe b(t ) herauskommt: a(t ) =) b(t ) Ein Netzwerk ist linear, (1) wenn für beliebige a1 (t ) und b1 (t ) aus a1 (t ) =) b1 (t ) a2 (t ) =) b2 (t ) folgt, dass c1 a1 (t ) c2 a2 (t ) =) c1 b1 (t ) c2 b2 (t ) (2) mit beliebigen Konstanten c1 und c2 . Ein lineares System kann dann angenommen werden, wenn a1 (t ) und b1 (t ) genügend klein sind und die Übertragungskennlinie des Systems um den Arbeitspunkt herum linearisiert werden kann (Kleinsignalverstärkung). Es werden zunächst nur zeitinvariante Netzwerke betrachte, d. h. aus a(t ) =) b(t ) folgt dann a(t ) =) b(t ) (3) Mit Gl. (2) und (3) gilt ebenfalls, dass aus a(t ) =) b(t ) auch folgt. d a(t ) =) d b(t ) dt dt TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann (4) Hochfrequenztechnik I Lineare, zeitinvariante elektronische Netzwerke L/2 Gl. (4) ist sofort ersichtlich aus folgendem Zusammenhang: d a(t ) = a(t + dt ) dt dt a(t ) =) b(t + ddtt) Wenn wir als Eingangsgröÿe ein harmonisches Signal mit a(t ) daraus: a(t ) = 1 d2 a(t ) =) b(t ) = ! 2 dt 2 b(t ) =< = d bd(tt ) (5) A exp(j!t ) annehmen, folgt 1 d2 b(t ) ! 2 dt 2 (6) Die Dierentialgleichung für b(t ) führt damit wieder auf ein harmonisches Signal b(t ) = < B exp(j!t ) ; (7) weshalb sich eine Übertragungsfunktion G (j! ) im Frequenzbereich denieren lässt G (j! ) = B A (8) und die Übertragungseigenschaften eines linearen, zeitinvarianten Netzwerkes im Frequenzbereich mit Hilfe der Fourieranalyse betrachtet werden können: a(t ) b(t ) d d t A(j! ) t B (j! ) Für die Übertragungsfunktion ergibt sich somit G (j! ) = B (j! ) A(j! ) (9) 2 Zweitor- und Vierpoldarstellung Bisher wurden allgemeine Eingangs- und Ausgangsgröÿen betrachtet. Nun wollen wir an Ein- und Ausgang Spannungen und Ströme annehmen. Ströme I und Spannungen U setzen sich im Allgemeinen zusammen aus einem Gleich- und einem Wechselanteil: I (t ) = I0 + i (t ) U (t ) = U0 + u (t ) (10) (11) Solange i (t ) und u (t ) genügend klein sind, kann man einen linearen Zusammenhang zwischen beiden Gröÿen annehmen (Linearisierung der Kennlinie um den Arbeitspunkt U0 , I0 ). Da wir im Folgenden nur die Wechselanteile betrachten wollen, beschreiben wir diese Gröÿen mit den komplexen Zeigern I und U wie in Abb. 2. Harmonische Signale lassen sich direkt mit komplexen Zeigern beschreiben. Bei allgemeiner Zeitabhängigkeit entsprechen die Zeiger den Fouriertransformierten von Strom und Spannung. Für die Beschreibung eines Zweitors mit Zeigern gibt es verschiedene Darstellungsformen, von denen einige im Folgenden vergestellt werden sollen. TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I Lineare, zeitinvariante elektronische Netzwerke I1 L/3 I2 U2 U1 Abb. 2: Beschreibung der Ein- und Ausgangsspannungen/-strömen mit komplexen Zeigern. 2.1 y-Parameter Eine gängige Darstellungsform von Zweitoren sind die y-Parameter, bei denen die Ströme über eine Leitwertmatrix mit den Spannungen verknüpft werden: = y 11 U 1 + y 12 U 2 I 2 = y 21 U 1 + y 22 U 2 I1 (12) Da bei einem Verstärker Ein- und Ausgang nicht vertauschbar sind, gilt y 12 also nicht reziprok. Für einen guten Verstärker ist Folgendes erwünscht: 6= y 21. Der Verstärker ist geringe Rückkopplung, also y 12 klein hohe Verstärkung, also y 21 groÿ: jy 21 j jy 12 j I1 U1 I2 1 y 11 y 12 U 2 y 21 U 1 1 y 22 U2 Abb. 3: Ersatzschaltbild für y-Parameter-Darstellung. Die Leitwertmatrix in Gl. (12) lässt sich durch ein Ersatzschaltbild gemäÿ Abb. 3 darstellen, wobei sich die vier y-Parameter durch zwei einfache Messungen bestimmen lassen: Es ergibt sich U 2 = 0, wodurch der Leitwert y 22 kurzgeschlossen wird und die Rückwirkung y 12 unterdrückt wird. Das erlaubt die Bestimmung von y 11 und y 21 . Kurzschluss am Ausgang: Es ergibt sich U 1 = 0, wodurch der Leitwert y 11 kurzgeschlossen wird und unterdrückt wird. Das erlaubt die Bestimmung von y 12 und y 22 . Kurzschluss am Eingang: die Verstärkung y 21 TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I Lineare, zeitinvariante elektronische Netzwerke ZG UG I1 L/4 I2 U2 U1 ZL Abb. 4: Beschaltung des Verstärkers mit Lastwiderstand Z L . 2.1.1 Gröÿe der Verstärkung Gegeben sei ein Aufbau gemäÿ Abb. 4. Wir wollen die Gröÿe der Verstärkung des Zweitors beschreiben. Dazu betrachten wir zunächst gemäÿ Abb. 5 die Wirkleistung, die von einem Generator an einen Lastwiderstand Z abgegeben wird. I ZG Z UG Abb. 5: Lastwiderstand Z an einem Generator mit Innenwiderstand Z G . Die aufgenommene Wirkleistung in Z PE ergibt sich dann über die anteilig am Lastwiderstand Z abfallende Spannung und den Strom, der durch Generator- und Lastimpedanz Z G bzw. Z hindurchieÿt: Z 1 I mit I = Z +U GZ PE = < U G 2 Z + ZG G ! 2 jU G j <(Z ) 1 Z PE = < jU G j2 = 2 2 jZ + Z G j 2 j Z + Z G j2 ! (13) Die aufgenommene Wirkleistung PE wird maximal für Z = Z . Man spricht dann von Leistungsanpassung. Im Falle der Leistungsanpassung kann man die maximal verfügbare Wirkleistung des Generators PGm denieren: jU G j2 PGm = (14) 8<(Z G ) Wir wollen nun die Leistung am Ausgang des Verstärkers betrachten. Wir führen dazu PA und PAm mit den folgenden Denitionen ein: PA die an die Lastimpedanz Z L abgegebene Wirkleistung (nach Verstärkung) PAm die maximal abgegebene Wirkleistung (bei Leistungsanpassung am Ausgang des Verstärkers) TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I Lineare, zeitinvariante elektronische Netzwerke L/5 Mit diesen Denitionen lassen sich folgende Verstärkungen beschreiben: G = PPA Gm = 0 Gm = Gm PAm PGm PAm PE (Übertragungsleistungsverstärkung) (15) (verfügbare Leistungsverstärkung bei Anpassung am Ausgang) (16) für PE = PGm (max. Leistungsverst. bei Anpassung an Ein- und Ausgang) (17) wobei gilt: 0 Gm > Gm > G Für einen rückwirkungsfreien Vierpol G (y 12 (18) = 0) gilt bei Leistungsanpassung an Ein- und Ausgang: jy j2 = Gm0 = 4<(y 21)<(y ) 11 22 (19) 2.2 h-Parameter Eine andere Darstellungsform für Vierpole sind die Hybrid-Parameter (h-Parameter), bei denen die Eingangsspannung U 1 und der Ausgangsstrom I 2 über Hybridparameter (in Form von Leitwerten und Impedanzen) mit dem Eingangsstrom I 1 und der Ausgangsspannung U 2 verknüpft werden: = h11 I 1 + h12 U 2 I 2 = h21 I 1 + h22 U 2 U1 (20) Das dazu gehörende Ersatzschaltbild ist in Abb. 6 dargestellt. I1 U1 I2 h11 h12 U 2 h21 I 1 1 h22 U2 Abb. 6: Ersatzschaltbild für h-Parameter-Darstellung. Die Hybrid-Parameter-Darstellung wird bevorzugt bei niedrigeren Frequenzen verwendet, da bei höheren Frequenzen die beiden Parameter h12 und h22 schlecht messbar sind. Der Leerlauf am Eingang (I 1 = 0) für die messtechnische Bestimmung der Parameter ist schlecht realisierbar. 2.3 S-Parameter Abb 7 zeigt die Darstellung eines Zweitors mit Streu-Parametern (S-Parameter). Die Eingangs- und Ausgangsgröÿen werden hier nicht wie bei y- und h-Parametern mittels Spannung und Strom beschrieben, sondern in Form von normierten hinein- und herauslaufenden Wellenamplituden a bzw. b. Diese normierten Wellenamplituden können unter Annahme einer Leitung mit Wellenwiderstand ZL TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I Lineare, zeitinvariante elektronische Netzwerke L/6 Abb. 7: Vierpolbeschreibung mit S-Parametern. mit Spannungen und Ströme verknüpft werden: 1 a= 2 1 b= 2 1 U ZL I + p Z ! (21) p L 1 U ZL I + p Z ! p L (22) Die herauslaufenden Wellenamplituden an Ein- und Ausgang werden über eine Streumatrix mit den hineinlaufenden Wellenamplituden verknüpft: = S 11 a1 + S 12 a2 b2 = S 21 a1 + S 22 a2 b1 (23) Die Bestimmung der einzelnen Streuparameter ist möglich mittels Messung der Wellenamplituden über einen Richtkoppler, wie Abb. 8 zeigt. Abb. 8: Messung der Wellenamplituden mit Richtkopplern. S-Parameter werden im Allgemeinen bei sehr hohen Frequenzen verwendet (typischerweise f 1 GHz). 2.4 Maximale Leistungsverstärkung 0 , wie in Gl. (17) deniert, lässt sich auch durch S-Parameter Die maximale Leistungsverstärkung Gm ausdrücken. Unter der Annahme einer rückwirkungsfreien Vierpols (S 12 = 0) ergibt sich: 0 Gm = 1 jS jjS2 211j jS j2 11 22 2 (24) Diese Verstärkung lässt sich durch verlustfreie Anpassungsnetzwerke an Ein- und Ausgang erreichen, so dass die Reexionen ein- und ausgangsseitig verschwinden. TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann Hochfrequenztechnik I Lineare, zeitinvariante elektronische Netzwerke L/7 Tabelle 1: Zusammenhang zwischen y-, h- und S-Parametern folgende Abkürzungen werden verwendet: d = d 11 d 22 d 12 d 21 , sowie S 0 = 1+ ZL (y 11 + y 22 +y ZL ) und Z 0 = ZL (1+ S 11 + S 22 S ) y h 1=h11 y 11 y 12 h21 =h11 y 22 h11 S 21 S 22 (1 + S 11 y 12 =y 11 y 21 =y 11 h11 S 12 S =h11 1=y 11 h11 S 11 S 11 + S 22 h12 =h11 y 21 h11 (1 (1 y =y 11 y 11 ZL + y 22 ZL (1 + y 11 ZL 2y 12 ZL =S 0 2y 21 ZL =S 0 y 22 ZL y ZL2 )=S 0 y ZL2 )=S 0 TU Berlin Prof. Dr.-Ing. K. Petermann S 2S 12 =Z 0 2S 21 =Z 0 S 22 S )=Z 0 S )=Z 0