Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11jährigen Kindern: Entwicklungsveränderungen und Einflussfaktoren Inauguraldissertation der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt von Thomas Roderer Trogen (AR) Selbstverlag | Bern, 2010 Von der Philosphisch-humanwissenschaftlichen Fakultät auf Antrag von Prof. Dr. Claudia M. Roebers (Hauptgutachter) und Dr. Kathrin Lockl (ZweitgutachterIn) angenommen. Bern, den 18. März 2010 Der Dekan: Prof. Dr. Roland Seiler Inhaltsverzeichnis Die vorliegende Dissertation wurde nach dem kumulativen Modus geschrieben und umfasst vier wissenschaftliche Artikel in englischer Sprache sowie ein einleitendes Überblickskapitel, ein Mantelpapier (engl. umbrella) zum Themengebiet „Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern“ in deutscher Sprache. Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern: Entwicklungsveränderungen und Einflussfaktoren Seite 1 Erster Artikel Roderer, T., & Roebers, C. M. (2009). Resource manipulation and school children's higher order cognitive skills: Working memory and metacognitive judgments in a dual task paradigm. The Journal of General Psychology. Manuscript submitted for publication. Seite 39 Zweiter Artikel Roderer, T., & Roebers, C. M. (2009). Explicit and implicit confidence judgments and developmental differences in metamemory: An eye-tracking approach. Metacognition and Learning. Manuscript submitted for publication. Seite 75 Dritter Artikel Roderer, T., & Roebers, C. M. (2009). Children’s strategic regulation of memory accuracy. In M. Kelley (Ed.), Applied Memory (pp. 148 – 205). Hauppauge, NY: Nova Science Publishers. Seite 104 Vierter Artikel Roebers, C. M., Schmid, C., & Roderer, T. (2009). Metacognitive monitoring and control processes involved in primary school children's test performance. British Journal of Educational Psychology, 79, 749-767. Seite 132 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11jährigen Kindern: Entwicklungsveränderungen und Einflussfaktoren Zusammenfassung Die Fähigkeit das eigene Gedächtnis, insbesondere die Korrektheit eigener Antworten einzuschätzen, ist relevant für viele alltägliche Situationen. Dieses sogenannte prozedurale Metagedächtnis kann zum Beispiel wichtige Hinweise für den weiteren Verlauf eines Lernprozesses geben oder beeinflussen, welche Antworten in Abhängigkeit von der Situation gegeben oder zurückgehalten werden. In fünf verschiedenen Studien mit insgesamt 599 Kindern im Alter zwischen 7 und 11 Jahren wurden deshalb verschiedene Faktoren untersucht, die das prozedurale Metagedächtnis beeinflussen. Im Zentrum standen dabei Entwicklungsunterschiede in den Fähigkeiten die Korrektheit von Antworten nach verschiedenen Erinnerungstests mittels Sicherheitsurteilen absolut einzuschätzen und zwischen richtigen und falschen Antworten zu differenzieren. Weitere Fragestellungen bezogen sich auf individuelle oder experimentell manipulierte Unterschiede in den verfügbaren kognitiven Ressourcen, dem Einfluss der Aufgabenschwierigkeit und der Aufgabenerfahrung. In einer Studie wurde zudem ein neues Untersuchungsparadigma eingeführt, bei dem mittels Aufzeichnung von Blickbewegungsdaten implizite Sicherheitsurteile berechnet wurden, die stark von abrufbasierten und kaum von expliziten Überwachungsprozessen beeinflusst werden. In zwei Studien wurden zudem entwicklungsbedingte Veränderungen in der metakognitiven Kontrolle untersucht. Grundsätzlich konnten in jeder der untersuchten Stichproben gute metakognitive Differenzierungsfähigkeiten nachgewiesen werden. In allen Studien zeigten die älteren Kinder jedoch eine bessere Unsicherheitsüberwachung bei falschen Antworten als die jüngeren Kinder. Während keine Effekte der Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen auf das prozedurale Metagedächtnis gefunden wurden, konnten die Aufgabenschwierigkeit und -erfahrung als wichtige Einflussfaktoren bestätigt werden. Auch bei den impliziten Massen des Metagedächtnisses zeigten sich vor allem bei den älteren Kindern gut erkennbare Differenzierungsleistungen. Ausserdem weisen hohe Zusammenhänge mit expliziten Urteilen auf den grundlegenden und zentralen Einfluss abrufbasierter Überwachungsprozesse hin. Die gewonnen Erkenntnisse werden im Bezug auf ihre Relevanz für die metakognitive Entwicklung diskutiert. Eine Verfeinerung der Methode zur Erfassung impliziter Urteile zusammen mit der Erfassung weiterer relevanter Faktoren könnten das Wissen über entwicklungsbasierte und interindividuelle Unterschiede sowie deren relativen Beitrag zum prozeduralen Metagedächtnis stark erweitern. 1 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Inhaltsverzeichnis EINLEITUNG 3 ENTWICKLUNGSVERÄNDERUNGEN 9 EINFLUSSFAKTOREN 14 Kognitive Ressourcen 14 Aufgabenschwierigkeit 16 Erfahrung mit der Aufgabe 19 Interindividuelle Unterschiede: Arbeitsgedächtnis 20 Implizites Metagedächtnis 21 METAKOGNITIVE KONTROLLE 24 FAZIT 27 LITERATURVERZEICHNIS 33 SELBSTSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNGFEHLER! TEXTMARKE NICHT DEFINIERT. 2 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Einleitung „Ich weiss, dass ich nicht weiss.“ (Fuhrmann, 1986) Dieser verkürzte, Sokrates zugeschriebene Ausspruch hinterfragt nicht nur vermeintliches oder beweisloses Wissen, sondern zeugt auch von einer ausgeprägten Fähigkeit, eigenes Wissen und damit verbundene Unsicherheiten zu überwachen und einzuschätzen. Gedanken oder Gefühle, die aufgrund dieser Fähigkeit entstehen, werden nicht durch die unmittelbare Realität angeregt, sondern sind an innere, mentale Repräsentationen der Realität gebunden. Das Sich befassen mit und Hinterfragen von solchen internalen Repräsentationen wird als Metakognition bezeichnet (Hacker, 1998). Metakognition dient allerdings nicht nur dazu, Wissen zu hinterfragen, was einem zwar Anerkennung des Orakels, gleichzeitig aber auch den Schierlingsbecher einbringen kann, sondern sie hat auch einen starken Einfluss auf das Erlangen von neuem Wissen. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei dem prozeduralen Metagedächtnis zu. Im Gegensatz zum deklarativen Metagedächtnis, das explizit abrufbares Wissen um gedächtnisrelevante Variablen beinhaltet, ist es nur im Zusammenhang mit aktuell ablaufenden Gedächtnisprozessen erfassbar. Es handelt sich dabei um diejenigen metakognitiven Prozesse, bei denen eigenes Wissen und aktuell ablaufende Gedächtnisprozesse überwacht, reguliert und kontrolliert werden (Schneider & Lockl, 2008). Diese ermöglichen das Aufdecken von Schwierigkeiten während des Lernprozesses oder von Unsicherheiten während oder nach dem Abruf. Das Erkennen von fehlerhaftem oder fehlendem Wissen ist dabei die Voraussetzung dafür, dass Lernprozesse hinterfragt und reguliert werden können. Im entwicklungspsychologischen Kontext wird von den Kindern besonders in der Schule ein effizientes Lernverhalten gefordert, um die Aufnahme einer grossen Menge von Wissen (z.B. allgemeines Wissen, Vokabeln) zu bewältigen. In einer solchen strukturierten Lernumgebung ist es deshalb wichtig, das eigene Wissen korrekt einschätzen zu können, um die Lernzeit oder die Lernstrategien entsprechend anzupassen und dadurch die Erinnerungsleistung zu verbessern. Dass neben Vorwissen und Lernstrategien auch metakognitive Überwachungsprozesse substanziell mit der Gedächtnisleistung zusammenhängen, konnten Schneider und Pressley (1997) mit einer Metaanalyse nachweisen. Sie fanden mit Korrelationen, die im Durchschnitt um r = .41 lagen, einen mittleren bis starken Zusammenhang. Unter dem Begriff des prozeduralen Metagedächtnisses werden diverse Überwachungs- und Kontrollprozesse zusammengefasst. Diese können verschiedenen Stufen der Informationsverarbeitung, wie der Enkodierung, Speicherung und dem darauffolgenden Abruf von Informationen zugewiesen werden (Nelson & Narens, 1990). So kann vor oder während 3 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern des Lernens eingeschätzt werden, wie leicht das Aufnehmen konkreter Lerninhalte fallen wird oder ob und wie gut diese in Zukunft erinnert werden können. Aufgrund dieser Einschätzungen können Entscheidungen über eine angemessene Lernstrategie oder Lernzeiteinteilung getroffen werden. Nach dem Lernen, beim Abruf von Informationen hingegen stehen Überwachungsprozesse im Vordergrund, die sich auf die Einschätzung der Korrektheit von Antwortalternativen beziehen. So können zum Beispiel Urteile darüber gefällt werden, mit welcher Sicherheit eine Antwort richtig ist. Solche Sicherheitsurteile können mit Kontrollprozessen in Verbindung stehen, aufgrund derer die entsprechenden Antworten gegeben oder zurückgehalten werden. In entwicklungspsychologischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass bereits Kinder ab dem Alter von 8 Jahren über gute metakognitive Überwachungsfähigkeiten verfügen (Schneider, 1998; Schneider & Lockl, 2008). Trotzdem bestehen wichtige Unterschiede zwischen den Überwachungsprozessen jüngerer und älterer Kinder. Während die Überwachung von richtigen Erinnerungen auch jüngeren Kindern gut gelingt, zeigen sich Entwicklungsunterschiede bei der Unsicherheitsüberwachung, d.h. bei der Fähigkeit, falsche Erinnerungen als solche richtig zu erkennen. Diese Fähigkeit ist nicht nur besonders wichtig für die Manipulation des eigenen Lernverhaltens, sondern hat auch einen starken Einfluss auf das Antwortverhalten in Kontexten, in denen auf korrekte Erinnerung besonders viel Gewicht gelegt wird. Als Beispiele können Prüfungssituationen im Ausbildungsbereich oder Augenzeugenberichte in einem juristischen Umfeld dienen. Generell werden eigene Gedächtnisleistungen eher überschätzt (Renner & Renner, 2001; Roebers, 2002). Dieser Effekt scheint sich aber mit zunehmendem Alter abzuschwächen, so dass er bei jüngeren Kindern stärker ausgeprägt ist (Howie & Roebers, 2007; Roebers, 2002; Pressley, Levin Ghatala, & Ahmad, 1987; von der Linden & Roebers, 2006). Während sich dabei die Überwachung und Einschätzung richtiger Antworten über die Altersgruppen hinweg kaum unterscheidet, sind vor allem jüngere Kinder auch bei falschen überzeugt, dass diese richtig sind. Mit zunehmendem Alter werden falsche Antworten allmählich als unsicherer und damit angemessener beurteilt. Während diese verbesserte Genauigkeit in vielen alltäglichen und beruflichen Situationen eine wichtige Rolle spielt, könnte die Selbstüberschätzung der Gedächtnisleitung bei jüngeren Kindern einen Schutzfaktor gegen Frustration oder sinkende Motivation während des Lernprozesses darstellen (Bjorklund & Bering, 2002). Aufgrund der Urteile für die einzelnen Antworten kann ein weiterer wichtiger Aspekt der metakognitiven Entwicklung, die Fähigkeit zwischen richtigen und falschen Antworten zu 4 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern differenzieren, ermittelt werden. Dazu werden die durchschnittlichen Urteile für richtige und falsche Antworten verglichen. In einigen Studien konnten so Entwicklungsfortschritte in der Differenzierungsleistung von Schulkindern nachgewiesen werden, die meistens mit einer besseren Unsicherheitsüberwachung mit zunehmendem Alter in Verbindung stand (Pressley et al., 1987; Schwarz & Roebers, 2006). Eine andere Methode, um die Differenzierungsfähigkeit zu untersuchen, besteht in der Berechnung von individuellen Gamma-Korrelationen zwischen den Urteilen und der Korrektheit über mehrere Testitems hinweg. Während eine Gamma-Korrelation von 0 darauf hinweist, dass aufgrund der Urteile keine Aussage über die Korrektheit eines Items relativ zu einem anderen gemacht werden kann, weisen steigende positive Korrelationen auf eine ebenfalls ansteigende Genauigkeit der Urteile hin (Dunlosky & Metcalfe, 2009). Die Korrelationen, die in vielen Studien gefunden werden, lassen auf einen mittleren Zusammenhang zwischen Urteilen und Korrektheit schliessen. Dies bedeutet, dass die Unterscheidung zwischen richtigen und falschen Antworten aufgrund von Urteilen über die eigene Sicherheit grundsätzlich gut, aber noch lange nicht perfekt ist. Im Gegensatz zum Vergleich von absoluten Sicherheitsurteilen für richtige und falsche Antworten sind bei diesem relativen Differenzierungsmass keine Entwicklungsunterschiede zwischen jüngeren und älteren Kindern oder Erwachsenen feststellbar (Roebers & Howie, 2003; Roebers, von der Linden, Schneider, & Howie, 2007). Obwohl in letzter Zeit viel Wissen über das sich langsam entwickelnde Metagedächtnis bei Kindern zusammengetragen wurde, ist hingegen das Wissen um einzelne Faktoren, die diese Entwicklung beeinflussen, noch beschränkt und nicht sehr zusammenhängend. Als relevant für die metakognitive Leistung und deren Entwicklung stellten sich aufgabenspezifische Faktoren heraus. Beispiele solcher Faktoren sind der Zeitpunkt (direkt vs. verzögert), zu dem das Lernen bzw. der Abruf eingeschätzt, oder ob die Korrektheit einzelner Items oder ganzer Listen bewertet werden musste (Baker & Dunlosky, 2006; Finn & Metcalfe, 2007; Kimball & Metcalfe, 2003; Nelson & Dunlosky, 1992; Pressley et al., 1987; Roebers, von der Linden, Schneider, Howie, 2007; Schneider, Visé, Lockl, & Nelson, 2000). Auch bei der Überwachung von irreführenden oder unbeantwortbaren Fragen zeigen sich altersabhängige Unterschiede in der Genauigkeit der Überwachungsprozesse (Roebers & Howie, 2003; von der Linden & Roebers, 2006; Roebers, von der Linden, & Howie, 2007). In einigen Untersuchungen wurden auch differenzielle Aspekte untersucht; die Resultate sind jedoch eher spärlich und oft nicht bedeutsam. So konnte gezeigt werden, dass motivationale Faktoren wie Wunschdenken einen Einfluss auf die Bewertung von Antworten haben (Schneider, 1998; Visé & Schneider, 2000), andere interindividuelle Unterschiede in den 5 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Bereichen der verbalen Intelligenz, Erfolgsorientierung und des deklarativen Metagedächtnisses jedoch nicht mit dem prozeduralen Metagedächtnis zusammen hängen (Schneider, Körkel, & Weinert. 1987). Aufgrund dieser Resultate können viele Fragen zur Entwicklung von Metakognition, dem Zusammenhang mit der Gedächtnisleistung sowie Faktoren, die sowohl auf Metakognition als auch auf das Gedächtnis einen Einfluss haben, noch nicht abschliessend beantwortet werden. Obwohl es also nicht nötig scheint, erklären zu müssen dass nur Wissen über Nichtwissen vorhanden ist, dreht sich das vorhandene Wissen noch eher darum, was beantwortet werden soll als um die definitiven Antworten selbst. Aus diesem Grund drehen sich die vorgestellten Studien um die Entwicklung des Metagedächtnisses, mit einem besonderen Augenmerk auf die Unsicherheitsüberwachung. Aufgrund unterschiedlicher methodischer Vorgehensweisen und Variationen in den spezifischen Fragestellungen soll herausgearbeitet werden, wie sich die Einschätzungen der Gedächtnisleistung über verschiedene Aufgaben hinweg zwischen jüngeren und älteren Primarschulkindern unterscheiden. Um das Wissen über relevante Faktoren zu erweitern, wurden ausserdem in den ersten zwei der hier vorgestellten Studien neben Entwicklungsunterschieden der Einfluss der verfügbaren kognitiven Ressourcen auf das Metagedächtnis untersucht (Studie 1 und 2, Roderer & Roebers, 2009c). Als Basis für die Erfassung der Lernleistung und des prozeduralen Metagedächtnisses diente eine Vokabel-Lernaufgabe und die Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen wurde durch die Anwendung eines Doppelaufgabenparadigmas manipuliert. Der Abruf und die Überwachung wurden dadurch erschwert, dass gleichzeitig eine motorische Aufgabe gelöst werden musste. In der dritten Untersuchung, in der die Vokabel-Lernaufgabe zur Anwendung kam, wurde die Schwierigkeit des Abrufs und der Überwachung der Antworten direkt manipuliert, indem die Schwierigkeit der einzelnen Items variiert wurde (Studie 3, Roderer & Roebers, 2009b). Schwierigere Fragen binden beim Abruf mehr kognitive Ressourcen, wodurch die Überwachung der Antworten erschwert wird. Eine konzeptionell ähnlich gelagerte Frage wurde in zwei weiteren Untersuchungen gestellt (Studie 4; Roderer & Roebers, 2009a; Studie 5, Roebers, Schmid, & Roderer, 2009). Hier kam ein Lückentext-Paradigma zur Anwendung um zu untersuchen, wie Arbeitsgedächtniskapazität und die Überwachung des Gedächtnisses zusammenhängen. Neben den Metakognitionsaufgaben wurden interindividuelle Unterschiede mit zwei Aufgaben (backwards digit recall, listening recall) aus einer Testbatterie für die Erfassung der Arbeitsgedächtnisentwicklung erhoben (Working Memory Test Battery for Children (WMTB-C); Pickering & Gathercole, 2001). Bei diesen Studien standen also nicht mehr experimentelle Manipulationen der Aufgabe im Zentrum, sondern ein differenzieller 6 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Ansatz, bei dem interindividuelle Unterschiede im Bezug auf die Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen mit metakognitiven Überwachungsprozessen in Verbindung gebracht wurden. Um zu weiteren Erkenntnissen über die metakognitive Entwicklung zu gelangen, wurde neben experimentellen Manipulationen und interindividuellen Unterschieden auch eine grundsätzlich neue Methode um Beurteilungen des eigenen Gedächtnisses zu erfassen eingeführt. Für die Erfassung schneller, abrufbasierter Bewertungsprozesse, die sich bereits vor expliziten Urteilen zeigen, wurden die Blickbewegungen der teilnehmenden Kinder mit einem Eyetracker aufgezeichnet. Aus diesen Daten wurden implizite Urteile berechnet, die auf Entwicklungsunterschiede untersucht und mit expliziten Urteilen korreliert wurden. Die Resultate dieser Analysen können Hinweise auf Altersunterschiede liefern, die sich bereits sehr früh im metakognitiven Prozess zeigen und die Bedeutung schneller, abrufbasierter impliziter metakognitiver Prozesse für explizite Urteile aufdecken helfen (Studie 3). Neben diesen Forschungsfragen, die auf neue Erkenntnisse zum Wissen über das, was man weiss oder nicht weiss abzielen, stellt sich in der Metakognitionsforschung auch die Frage, wie dieses Wissen genutzt wird. Denn hätte Sokrates nur sein eigenes Nichtwissen erkannt, diese Erkenntnis aber nicht in eine Handlung umgesetzt, wäre er wohl kaum so bekannt geworden. Erst die wiederholte Äusserung seines Nichtwissens und die damit begründete Suche nach Wissen bei seinen Mitbürgern, was wiederum im Hinterfragen von deren Wissen mündete, liessen ihn berühmt werden. Auf die mit dem Abruf einhergehenden Überwachungsprozesse folgen oft Kontrollprozesse, bei denen die gewonnenen Erkenntnisse in eine Handlung umgesetzt werden. Das Modell von Nelson und Narens (1990) zeigt auf, dass es viele verschiedene Möglichkeiten und Zeitpunkte für Überwachungsprozesse während des Abrufs gibt mit denen ebenso viele verschiedene Kontrollprozesse einhergehen. Koriat und Goldsmith (1996) erstellten ein Modell, das sich um das Geben oder Zurückhalten einer Antwort, Überwachung und Kontrolle dreht. In diesem Modell löst eine Frage nicht nur den Abruf von Antwortalternativen und deren metakognitive Überwachung aus, sondern es werden auch die situationsabhängigen Anforderungen in Betracht gezogen. Während auf der einen Seite die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt wird, dass die beste Antwortalternative korrekt ist, wird auf der anderen Seite ein Antwortkriterium in Abhängigkeit von der Situation festgelegt. Anforderungen, wie unabhängig von der Korrektheit so viel Informationen wie möglich zu berichten oder im Gegensatz dazu nur korrekte Antworten zu geben sowie Belohnungen für korrekte oder Bestrafung für inkorrekte Antworten, sollen nach dem Modell das Antwortkriterium beeinflussen. Dieses Zusammenwirken von Faktoren war wohl auch schon für Sokrates rele7 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern vant, wenn er sich selbst zum Beispiel die Frage stellte, was Gerechtigkeit sei. Möglicherweise sind ihm bei dieser Frage viele Teilantworten oder Aspekte die mit Gerechtigkeit zu tun haben in den Sinn gekommen. Keine dieser Informationen reichte aber aus, um als tatsächliches Wissen, was Gerechtigkeit an sich ist, zu gelten. In diesem Fall stand wohl also eine tiefe Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort korrekt ist, einer sehr hohen selbstgestellten Anforderung für Korrektheit gegenüber. Schliesslich sollte wohl eine Antwort gefunden werden, die richtig und auch eines Philosophen würdig ist. Sokrates verfügte also nicht nur über die Fähigkeit, ein angemessenes Antwortkriterium zu setzen, sondern er erkannte auch, dass die Wahrscheinlichkeitseinschätzung der gestellten Wahrscheinlichkeitsanforderung nicht genügte. Die entsprechenden Kontrollprozesse führten deshalb dazu, dass er sich selbst eingestehen musste, dass er zum Beispiel nicht wisse, was Gerechtigkeit ist und das auch entsprechend äusserte. Natürlich kann dieses Modell auch auf eine grosse Zahl von alltäglichen Situationen der heutigen Zeit angewendet werden, in denen bei ungenügender Sicherheit der Antwort die Äusserung „Ich weiss es nicht“ die bessere Wahl ist, als eine möglicherweise falsche Antwort zu geben. Obwohl Studien gezeigt haben, dass auch Kinder oft von der Option Gebrauch machen, mit „weiss nicht“ unsichere Antworten zurückzuhalten, konnten erhebliche Entwicklungsunterschiede nachgewiesen werden (Koriat, Goldsmith, Schneider, & Nakash-Dura, 2001; Roebers, 2002; Roebers & Fernandez, 2002; Roebers, Moga, & Schneider, 2001). In diesen Studien zeigte sich, dass jüngere Kinder eher versuchten auf alle Fragen zu antworten, während ältere Kinder und Erwachsene durch das Auslassen von Fragen das Verhältnis zwischen richtigen und falschen Antworten verbessern konnten. Zudem scheinen sich diese metakognitiven Kontrollprozesse insgesamt etwas später zu entwickeln als die Überwachungsprozesse. In zwei der vorgestellten Studien wurde deshalb versucht eine für die Kinder relevante Alltagssituation mit einer Wissensprüfung in Lückentextform nachzustellen (Studien 4 und 5). Das Antwortverhalten von Kindern verschiedener Klassenstufen wurde in einer Situation untersucht, in der auf die Korrektheit der Antworten viel Wert gelegt wurde und die Kinder die Möglichkeit hatten, Fragen offen zu lassen oder unsichere Antworten zurückzuziehen. Im weiteren Verlauf dieses Textes sollen auf die Ergebnisse der verschiedenen Studien eingegangen werden. Der erste Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung der Fähigkeit, das eigene Gedächtnis akkurat einzuschätzen. Dieser Punkt ist in allen vorgestellten Studien zentral. Anschliessend werden die Ergebnisse zu Faktoren, von denen ein Einfluss auf die Entwicklung angenommen wird, behandelt. Den Anfang machen dabei die ersten beiden Studien zum Einfluss verfügbarer kognitiver Ressourcen auf die metakognitive Leistung von 8 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Kindern verschiedener Altersstufen (Studien 1 und 2). Danach soll der Einfluss der Aufgabenschwierigkeit auf die metakognitive Überwachung aufgezeigt werden (Studie 3). Die Augenbewegungen, die in dieser Studie aufgezeichnet wurden, erlauben zusätzliche Einblicke in schnelle und abrufbasierte Überwachungsprozesse noch vor den expliziten Bewertungen der Antworten. Zuletzt werden zwei Studien zum Zusammenhang zwischen Arbeitsgedächtnis und Metagedächtnis vorgestellt (Studien 4 und 5). Im Rahmen dieser Studien wurde ausserdem die Entwicklung von Kontrollprozessen erforscht. Entwicklungsveränderungen In drei der fünf Studien wurde mit einigen kleinen Veränderungen dasselbe Lernmaterial verwendet (Studien 1 - 3). Pro Studie wurden jeweils zwei Altersgruppen untersucht, die immer zwei Jahre auseinander lagen (Studien 1-3: 8/9 vs. 10/11-jährige; 8 vs. 10-jährige; 7 vs. 9-jährige). Als Grundlage für die Erhebung der Gedächtnisleistung und deren metakognitiven Überwachung diente eine Paarassoziationsaufgabe mit japanischen Schriftzeichen (Kanji). Diese Aufgabe wurde aufgrund mehrerer Kriterien ausgewählt. Einerseits wurde damit versucht an die Erfahrungswelt der Schüler anzuknüpfen, die immer häufiger im Frühfranzösisch oder –englisch mit Listen von neuen, zu lernenden Vokabeln konfrontiert werden. Andererseits haben Kinder kein Vorwissen über Kanji und deren Bedeutung (was jeweils auch durch Befragung der Lehrperson und der Kinder sichergestellt wurde) und die Verknüpfung von abstrakten Zeichen mit durch Bilder dargestellte Übersetzungen erlaubte es, eine Paarassoziationsaufgabe zu entwerfen, die unabhängig von der Lesefähigkeit der Kinder ist. Ausserdem kann angenommen werden, dass dadurch, dass nicht Bild- oder Wortpaare gelernt werden müssen, die Wahrscheinlichkeit von spontanen, visuellen oder sprachlichen Elaborationen zum Zusammenhang der beiden Lerngegenstände vermindert wird. Eine Pilotierung mit 25 10-jährigen Kindern diente dazu Bilder-Kanji Paare zu suchen, die hinsichtlich Schwierigkeit und Bekanntheit der Objekte für die weiteren Untersuchungen mit Kindern geeignet waren. Die Art des Abrufs und der Zeitpunkt der Sicherheitsurteile wurden ebenfalls variiert. Während in den ersten beiden Studien die Übersetzungen der Kanji nach dem Lernen frei abgerufen werden mussten, wurden in der dritten Kanji-Studie in einer Rekognitionsaufgabe vier Antwortalternativen zur Verfügung gestellt, aus denen eine ausgewählt werden musste. Ausserdem gaben die Kinder bei den ersten beiden Studien die Sicherheitsurteile direkt nach der Antwort auf einer 7-stufigen Skala ab, bei der dritten erst mit Verzögerung auf einer 5-stufigen Skala (Abbildung 1). Erst nach der Rekognitionsphase 9 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern wurden die Kinder nach Sicherheitsurteilen zu ihren eigenen Antworten befragt, die ihnen zusammen mit den Kanji von der Versuchsleiterin nochmals vorgegeben wurden. 1a) 1b) 1c) 1d) 1e) 1f) Abbildung 1: Aufgabenmaterialien – Studien 1 und 2 (Roderer & Roebers, 2009c): 1a) Lernphase, 1b) & 1c) freier Abruf mit gleichzeitigen Sicherheitsurteilen; Studie 3 (Roderer & Roebers, 2009b) 1d) Lernphase, 1e) Rekognitionsphase, 1f) verzögerte Sicherheitsurteile Bei zwei weiteren Untersuchungen wurden Lückentexte verwendet (Studien 4 und 5: ; 9 vs. 11-jährige; 9/10 vs. 11/12-jährige). Nachdem die Kinder einen kurzen Lernfilm zur Produktion von Zuckerrüben gesehen hatten, wurden ihnen Arbeitsblätter verteilt, bei denen innerhalb eines Satzes jeweils ein Wort fehlte. Die Aufgabe der Kinder bestand darin, die Lücken mit dem fehlenden Wort auszufüllen. Dadurch wurde versucht, eine Testsituation nachzustellen, wie sie oft auf der Primarschulstufe anzutreffen ist. Gerade in solchen Situationen ist die adäquate Einschätzung der Korrektheit der niedergeschriebenen Antworten besonders wichtig. So können mögliche falsche Antworten nur überdacht und korrigiert werden, wenn sie auch als solche erkannt worden sind. In diesem Sinne wurde von den Kindern in einem späteren Durchgang eine Einschätzung verlangt, wie sicher sie sich sind, dass die gegebene Antwort richtig ist (Abbildung 2). 10 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Abbildung 2: Auszug aus dem Lückentext mit zwei Antworten eines 11/12 Jahre alte Kindes (Studien 4 und 5, Roebers, Schmid, & Roderer, 2009) – 15. Falsche Antwort (blaue Farbe), tiefes Sicherheitsurteil (grüne Farbe), korrekter Rückzug der falschen Antwort (rote Farbe); 16. Richtige Antwort (blaue Farbe), hohes Sicherheitsurteil (grüne Farbe) Die Resultate zur Entwicklung des prozeduralen Metagedächtnisses in allen drei Kanji-Studien zeigten, trotz der Unterschiede in den untersuchten Stichproben und der verwendeten Methoden, erstaunlich gut übereinstimmende Ergebnisse. Die Kinder aller Altersgruppen konnten mit ihren Sicherheitsurteilen sehr gut zwischen richtig und falsch erinnerten Antworten unterscheiden. Besonders eindeutig liess sich dies für die Gamma-Korrelationen als relatives Mass für die Genauigkeit dieser Differenzierung ableiten. In allen drei Studien waren diese für alle Altersgruppen grösser als r = .60 wobei keine Alterseffekte erkennbar waren. Altersunterschiede zeigten sich ausschliesslich bei den absoluten Sicherheitswerten. Während die beiden pro Studie untersuchten Altersgruppen vergleichbare und sehr hohe Sicherheitsurteile bei den richtigen Antworten abgaben, waren die Urteile für falsche Antworten bei jüngeren Kindern merklich niedriger. Hier zeigten sich dann auch die erwarteten Altersunterschiede in der Unsicherheitsüberwachung: Während die jüngeren Kinder jeweils Sicherheitsurteile abgaben, die nahe bei den mittleren Skalenwerten, also bei „weder sicher und unsicher“ lagen, tendierten die Werte der älteren Kinder eher gegen „(etwas) unsicher, dass die Antwort richtig ist“. Bei den Lückentextstudien wurden grundsätzlich Resultate gefunden, die mit den bereits erwähnten Studien in Übereinstimmung gebracht werden können. Methodische Unterschiede zwischen den beiden Studien beeinflussen aber die Interpretierbarkeit der Resultate der Studie 4. Bei beiden Studien wurden die Sicherheitsurteile verzögert erhoben, um Abrufund Überwachungsprozesse zu trennen. Nachdem die Lücken ausgefüllt wurden, konnten die 11 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Kinder auf bis dahin verdeckten Skalen in einem zweiten Durchgang für jede Antwort ein Sicherheitsurteil abgeben. Da der Fokus dieser Studien jedoch auf der metakognitiven Kontrolle lag, war es den Kindern auch erlaubt, Antworten wegzustreichen, wenn diese als falsch eingeschätzt wurden oder - wie in Studie 4 – von Anfang an gar keine Antworten zu geben. Das führte jedoch dazu, dass die 9-jährigen und 11-jährigen Kinder in der Studie 4 nur Antworten bewerteten von denen sie annahmen, dass sie richtig waren. Dadurch gingen Sicherheitsurteile für ca. 20% der gestellten Fragen verloren. Trotzdem unterschieden sich die Sicherheitsurteile der tatsächlich korrekten Antworten noch von denen, die irrtümlicherweise als richtig eingestuft und deswegen stehen gelassen wurden. Dieser Effekt war unabhängig vom Alter und zeigt auf, dass die mit tieferen Sicherheitsurteilen ausgedrückten Unsicherheiten tatsächlich mit Erinnerungsproblemen in Verbindung stehen. Die Gamma-Korrelationen in dieser Untersuchung waren etwas tiefer. Die Berechnung dieses relativen Masses der metakognitiven Differenzierung wurde dadurch beeinflusst, dass vor allem bei Sicherheitsurteilen aus dem unteren Spektrum, bei Antworten, die als falsch vermutet wurden, die Daten fehlen. Trotzdem weisen sie mit durchschnittlichen Werten von r = .50 auf eine gute Differenzierungsfähigkeit hin, die vom Alter unabhängig war. In der zweiten Studie (5) mit 9/10-jährigen und 11/12 jährigen Kindern, die dieses Paradigma verwendete, wurde dieses methodische Problem umgangen, indem bei allen Fragen eine Antwort verlangt wurde. Die Kinder wurden jedoch darauf hingewiesen, dass diese später auch wieder durchgestrichen werden kann, wenn sie als falsch vermutet wird. In der Analyse der Sicherheitsurteile zu allen gestellten Fragen, konnte wie in den drei KanjiStudien, nachgewiesen werden, dass die Kinder beider Altersgruppen mit ihren Sicherheitsurteilen sehr gut zwischen richtigen und falschen Antworten differenzierten, was sich auch in hohen, altersunabhängigen Gamma-Korrelationen von mindestens r = .63 niederschlug. Ein Alterseffekt zeigte sich wieder in der Unsicherheitsüberwachung wobei die 11/12-jährigen Kinder tiefere Sicherheitsurteile bei falschen Antworten abgaben als 9/10-jährige, während sich die Urteile für die richtigen Antworten nicht unterschieden. Die Teilnehmer der Lückentextstudien waren etwas älter als diejenigen der Kanji-Studien, da Lese- und Schreibkompetenzen vorausgesetzt wurden. Aufgrund dieses Umstandes könnten Sicherheitsurteile für falsche Antworten, die auch bei den 9/10-jährigen bedeutend unter den mittleren Skalenpunkten lagen, studienübergreifend als bessere Unsicherheitsüberwachung mit zunehmendem Alter interpretiert werden. Insgesamt belegen die Ergebnisse, dass die Kinder aller untersuchten Altersgruppen und damit auch als jüngste Studienteilnehmer, die 7-jährigen Kindern, über gut entwickelte 12 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Fähigkeiten verfügen, metakognitiv zwischen richtigen und falschen Antworten zu differenzieren. In Übereinstimmung mit der Literatur wurden keine Entwicklungsunterschiede bei den Gamma-Korrelationen gefunden. Die Fähigkeit relativ, d.h. unabhängig von den absoluten Urteilswerten, zwischen der Korrektheit der Antworten zu unterscheiden scheint sich im untersuchten Altersbereich nicht zu verändern. Analysen der absoluten Werte zeigen aber auf, dass mit zunehmendem Alter falsche Antworten als unsicherer eingeschätzt werden. Obwohl sich diese Ergebnisse ebenfalls mit den Resultaten der bisherigen Forschung decken, kann bei den jüngeren Altersgruppen nur schwerlich von einer Überschätzung der Korrektheit der falschen Antworten gesprochen werden: Im Durchschnitt bewegen sich die entsprechenden Sicherheitsurteile um den mittleren Skalenwert. Dadurch wird für diese Antworten eher eine Unentschiedenheit als eine Überschätzung ausgedrückt. Eine literaturkonforme Ausnahme bildet allerdings die jüngste Stichprobe der 7-jährigen, die auch bei der Einschätzung falscher Antworten eher gegen „etwas sicher, dass die Antwort richtig ist“ tendierten. Neben der Übereinstimmung der präsentierten Resultate mit der Literatur soll aber auch auf die hohe Einheitlichkeit der Ergebnisse über die verschiedenen Studien hinweg hingewiesen werden. Während die Resultate mit freiem Abruf der ersten Kanji-Studie durch die der zweiten Studie repliziert wurden, führte auch der Wechsel zu einer Rekognitionsaufgabe mit verzögerten Sicherheitsurteilen zu dem gleichen Muster in den Resultaten. Auch wenn der Aufgabenbereich vollständig gewechselt wurde und die Kinder in einem Lückentext Fragen zu einem Lehrfilm beantworteten, sind die Ergebnisse zur Entwicklung des prozeduralen Metagedächtnisses direkt vergleichbar. Aufgrund der teilweise grossen methodischen Unterschiede der Studien kann angenommen werden, dass die gefundenen Resultate auch auf andere wichtige Bereiche im schulischen und alltäglichen Umfeld generalisiert werden können. So sollte sich die Fähigkeit der Kinder, die Korrektheit eigener Antworten richtig einzuschätzen nicht nur bei der Bedeutung von fremdsprachigen Vokabeln wie in den Kanji-Studien zeigen, sondern auch bei Fragen, wie z. B. ob sie ein Wort richtig geschrieben oder ausgesprochen haben, ob das Resultat der Kopfrechnung wohl so stimmt oder ob alle Einkäufe richtig und vollständig getätigt wurden. Möglicherweise gehen die Genauigkeit metakognitiver Überwachungsprozesse mit einer zunehmenden Komplexität der Fragen, schwierigeren Aufgaben, höheren Anforderungen an die Menge und Komplexität des Wissens und stärkeren Konsequenzen von Erinnerungsproblemen einher, wobei immer weniger Platz für Überschätzungen oder Unsicherheiten bei den eigenen Antworten bleibt. Aus einer zunehmend besseren metakognitiven Überwachung für die Korrektheit einer konkreten Antwort könnte sich langsam 13 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern auch das Hinterfragen von Ideen, Konzepten, Glaubensgrundsätzen und ganzen Weltbildern entwickeln. So könnte die Entwicklung bei konkreten Antworten, von der Überschätzung zur Unsicherheit und damit Zweifel am eigenen Wissen mit der Entstehung von kritischem Denken in Verbindung gebracht werden. Dieses würde es dann wiederum erlauben, in Gesellschaft mit Sokrates, nicht nur das eigene Wissen anzuzweifeln, sondern es gar ermöglichen zu erkennen, dass man nicht darüber verfügt. Vorerst soll aber nur festgehalten werden, dass die relative Einschätzung eigener Antworten bei jüngeren Kindern sehr gut ist, die Überwachung falscher Antworten sich aber mit zunehmendem Alter noch verbessert. Einflussfaktoren Neben den oben berichteten Hauptergebnissen zum prozeduralen Metagedächtnis wurden in jeder Studie zusätzlich Faktoren untersucht, von denen angenommen wurde, dass sie einen Einfluss auf die Entwicklung des prozeduralen Metagedächtnisses haben. Um den Einfluss erschwerender Umstände auf die metakognitive Überwachung zu untersuchen wurden in den Studien 1 und 2 die Aufgabenbedingungen zwischen zwei Durchgängen der Kanji-Aufgabe experimentell manipuliert. In der 3. Studie wurde die Schwierigkeit der Fragen innerhalb des Aufgabendurchgangs verändert. Die Fragestellung in den Lückentextstudien (Studien 4 und 5) hingegen war auf den Zusammenhang von interindividuellen Unterschieden eines Aspektes des Arbeitsgedächtnisses mit dem prozeduralen Metagedächtnis ausgerichtet. Kognitive Ressourcen Der Verfügbarkeit von kognitiven Ressourcen wird von vielen Entwicklungspsychologen eine wichtige Rolle in der kognitiven Entwicklung zugemessen (Bjorklund, 2005; Case, 1985: Pascual-Leone, 2000). Deshalb wurde in zwei der Kanji-Studien neben der Entwicklung des prozeduralen Metagedächtnisses auch der Einfluss der verfügbaren kognitiven Ressourcen auf diese Fähigkeiten untersucht (Roderer & Roebers, 2009c). Kognitive Prozesse höherer Ordnung, zu denen auch metakognitive Überwachungsprozesse gehören, gelten als besonders ressourcenintensiv und sind deshalb bei Einschränkungen der Ressourcen besonders anfällig für Leistungseinbussen. Eine Möglichkeit, den Einfluss eingeschränkter metakognitiver Ressourcen zu untersuchen, ist neben der Hauptaufgabe eine zweite einzuführen, die gleichzeitig gelöst werden soll. Die beiden Aufgaben konkurrieren so um die gleichen Ressourcen, was eine Leistungsverschlechterung in einer oder beiden Aufgaben erwarten lässt. In vielen Studien mit solchen sogenannten Doppelaufgaben wurde gefunden, dass die Leistung in verschiedenen kognitiven Bereichen durch das gleichzeitige Ausführen motorischer Aufgaben 14 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern wie Fingerklopfen, Gehen oder Balanceaufgaben beeinträchtigt wird (Guttentag, 1989; Schäfer, 2005). Dabei wird die Leistung jüngerer Kinder oft stärker beeinflusst als die älterer Kinder oder Erwachsener, was auf eine erhöhte Verfügbarkeit von kognitiven Ressourcen mit zunehmendem Alter zurückgeführt wird. Diese Erkenntnisse sollen mit den ersten beiden Studien auf die Entwicklung metakognitiver Prozesse ausgedehnt werden. Die Frage, die hier angegangen wurde, kann abstrakt so formuliert werden: Ist es auch unter erschwerten Bedingungen möglich zu wissen, was man weiss und was nicht? Konkret wurde untersucht, ob das gleichzeitige Balancieren auf einem Bein die metakognitive Überwachung des Gedächtnisses beeinflusst. Wenn dieser Effekt ausserdem für jüngere Kinder stärker ist als für ältere, kann abgeleitet werden, dass die wachsende Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen ein wichtiger Faktor in der metakognitiven Entwicklung darstellt. In einer Untersuchung mit 74 8 bis 11-jährigen Kindern wurde sichergestellt, dass die Einbeinstandaufgabe tatsächlich kognitive Ressourcen beansprucht. Es zeigte sich, dass die Leistung in einer Aufgabe zur Erfassung der Arbeitsgedächtniskapazität (backwards digit recall: Pickering & Gathercole, 2001) schlechter war, wenn die Kinder dabei auf einem Bein balancieren mussten als wenn sie auf beiden Beinen standen. In den Untersuchungen selbst durchliefen alle Kinder zwei Durchgänge, in denen sie je 10 Kanji lernten und danach gleich im Anschluss an den Abruf die Korrektheit der Antworten einschätzen mussten. Bei einem dieser Durchgänge, der Doppelaufgabebedingung, mussten sie zudem gleichzeitig auf einem Bein balancieren. In der ersten Kanji-Studie zeigte sich, dass sich die metakognitive Überwachung zwischen den Bedingungen mit oder ohne Doppelaufgabe, unabhängig von der untersuchten Altersgruppe, nicht unterschied. Das gleichzeitige Stehen auf einem Bein hatte also keinen Einfluss auf die metakognitiven Prozesse. Um mögliche Ursachen für dieses unerwartete Resultat ausfindig zu machen, wurden in der zweiten Kanji-Studie einige methodische Veränderungen vorgenommen. Die motorische Aufgabe wurde verändert, indem nicht mehr auf einem festen, sondern einem unstabilen Untergrund, konkret einer weichen Matte, auf einem Bein balanciert werden musste. Durch die höhere Schwierigkeit der Aufgabe sollte der Verbrauch kognitiver Ressourcen angehoben werden, wodurch ein stärkerer Einfluss auf die Einschätzung des Gedächtnisses erwartet werden kann. Weiterhin wurde gemessen wie lange die Kinder in beiden Bedingungen für die metakognitive Aufgabe brauchten, um auszuschliessen, dass die erhöhte Schwierigkeit in der Doppelaufgabenbedingung durch längere Lösungszeiten kompensiert wurde. Zusätzlich wurde gezählt, wie oft die Kinder während dem Einbeinstand 15 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern abstehen mussten um den Zusammenhang zwischen individuellen Unterschieden bei Balanceproblemen und der Metagedächtnisleistung einschätzen zu können. Die Erwartungen konnten auch in dieser Untersuchung nicht bestätigt werden. Es zeigten sich wieder keinerlei Einflüsse der Doppelaufgabe auf die Einschätzung des eigenen Gedächtnisses. Die Analysen der Lösungszeit ergaben zudem bloss, dass ältere Kinder insgesamt weniger Zeit für die Aufgaben benötigten als die jüngeren, während sich jedoch zwischen den Bedingungen mit oder ohne Doppelaufgabe keine Unterschiede zeigten. Da auch kein Zusammenhang zwischen Balanceproblemen und dem Metagedächtnis erkennbar wurde, kann auch diese Analyse keine Erklärung dafür liefern, weshalb sich der erwartete Effekt eingeschränkter kognitiver Ressourcen nicht zeigte. Aufgrund der Resultate dieser beiden Studien scheint es deshalb so, als hätte das gleichzeitige Balancieren auf einem Bein keinen Einfluss auf metakognitive Überwachungsprozesse, obwohl diese als ressourcenintensiv gelten. Entsprechend können auch keine Aussagen zum Zusammenhang zwischen metakognitiver Entwicklung und kognitiven Ressourcen gemacht werden. Natürlich sind diese Ergebnisse nicht abschliessend, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch in diesem Entwicklungsbereich Effekte der Doppelaufgabe gefunden werden. Dazu müssten Aufgaben entworfen werden, in denen der Einfluss vieler Faktoren, die neben den verfügbaren Ressourcen auch auf die metakognitive Überwachung einwirken, reduziert ist. Aufgrund der aktuellen Ergebnisse muss aber davon ausgegangen werden, dass Sokrates auch auf einem Bein stehend zur Einschätzung gelangt wäre, dass er nicht weiss. Dem entsprechend sollen es auch die Denker an der von Aristoteles, dem Schüler von Sokrates, gegründeten Akademie Peripatos (Wandelhalle) bevorzugt haben, während des Gehens zu philosophieren. Aufgabenschwierigkeit Aufgrund der negativen Resultate zum Effekt von Doppelaufgaben wurde in der dritten Kanji-Studie eine andere experimentelle Methode verwendet, um den Einfluss einer erhöhten Aufgabenschwierigkeit auf das prozedurale Metagedächtnis zu untersuchen. Auch hier mussten wieder in zwei Durchgängen Kanji gelernt, abgerufen und Sicherheitsurteile für die Antworten abgegeben werden. Die Erinnerungsleistung wurde jedoch nicht mehr durch freien Abruf, sondern mit einer Rekognitionsaufgabe erhoben. Die Kinder sollten dabei aus 4 Antwortalternativen, die auf dem Bildschirm rechts neben dem Kanji präsentiert wurden, die richtige Antwort auswählen. Die Aufgabe wurde in zwei Durchgänge mit je 10 Kanji aufgeteilt, um sie etwas einfacher zu machen und damit sicherzustellen, dass auch von den jüngeren 16 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Kindern von jeder Schwierigkeitskategorie genügend Items für eine sinnvolle Auswertung erinnert werden. Die Aufgabenschwierigkeit wurde in dieser Studie dementsprechend nicht mehr zwischen, sondern innerhalb der Durchgänge manipuliert, indem in beiden Durchgängen einfach und schwierig zu lernende Kanji verwendet wurden. Die Itemschwierigkeiten wurden in der bereits erwähnten Pilotierung der Kanji ermittelt. In einigen Studien konnte nachgewiesen werden, dass bereits 7-jährige Kinder ihre prospektiven Urteile, wie gut sie einzelne Items gelernt hatten, der Aufgabenschwierigkeit anpassen konnten (Koriat, Ackerman, Lockl, & Schneider, 2009; Koriat & Shitzer-Reichert, 2002; Lockl & Schneider, 2003). Die Urteile standen dabei im Zusammenhang mit der Zeit, die sie für das Lernen der Items aufgewendet hatten. Die Kinder wendeten also eine Heuristik an, bei der sie aus der aufgewendeten Anstrengung und Lernzeit (kognitive Ressourcen) darauf schlossen, wie gut sie ein gelerntes Item in der Zukunft werden abrufen können. Allerdings gelang das den älteren Kindern besser als den jüngeren, was sich in genaueren Urteilen des Lernens niederschlug. In der dritten Kanji-Studie sollten diese Ergebnisse auf Sicherheitsurteile für die Korrektheit der Antwort nach dem Abruf ausgedehnt werden. Während davon ausgegangen werden kann, dass für schwierigere Kanji tiefere Sicherheitsurteile abgegeben werden, stellt sich zusätzlich die Frage, wie gut die Kinder verschiedener Altersgruppen zwischen richtigen und falschen Antworten, in Abhängigkeit von der Aufgabenschwierigkeit, differenzieren können. Es ist anzunehmen, dass die richtige Einschätzung der Korrektheit bei einfachen Items leichter fällt als bei schwierigen. Während einfache Items schnell und mit wenig Anstrengung gelernt werden, sollte es besonders auffallen falls doch einmal Schwierigkeiten beim Lernen oder Abruf eines Kanji entstehen. Schwierige Items erfordern jedoch alle einen grösseren Aufwand während des Lernens und des Abrufs. Die Entscheidung nach dem Abruf, ob ein Item nun richtig oder falsch erinnert wurde, sollte deshalb schwerer fallen. Um zusätzliche Erkenntnisse über die Entwicklung der Unsicherheitsüberwachung zu gewinnen, wurden neben einfachen und schwierigen auch unbeantwortbare Items verwendet. Wenn bei Kanji, die nie gelernt wurden, Antworten erzwungen werden, müssen die Teilnehmer raten. Pillow und Kollegen konnten nachweisen, dass ältere Kinder besser darin sind, nur geratene und damit sehr unsichere Antworten zu identifizieren als jüngere, die auch bei geratenen Antworten hohe Sicherheitsurteile abgaben (Pillow, 2002; Pillow & Anderson, 2006; Pillow, Hill, Boyce, & Stein, 2000). Zudem konnten in einigen Studien nachgewiesen werden, dass ältere Kinder oder Erwachsene bei solchen Fragen unter bestimmten Bedingungen angemessenere Sicherheitsurteile abgaben als jüngere Kinder (Roebers, von der Linden, 17 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern & Howie, 2007; Roebers, von der Linden, Schneider, & Howie, 2007), während in anderen Untersuchungen keine Unterschiede gefunden wurden (von der Linden & Roebers, 2006). Aufgrund dieser Ergebnisse kann angenommen werden, dass bei den einfachen Kanji auch jüngere Kinder gut zwischen richtigen und falschen Antworten differenzieren können, während Entwicklungsunterschiede mit ansteigender Itemschwierigkeit zunehmen. Die Ergebnisse bei den beantwortbaren Aufgaben weisen tatsächlich auf zunehmende Überwachungsprobleme mit ansteigender Aufgabenschwierigkeit hin. Während die Sicherheitsurteile für richtige und falsche Antworten bei einfachen Kanji relativ weit auseinander lagen, ist diese Differenz bei schwierigen Kanji sichtlich kleiner. Der Effekt ist unabhängig vom Alter der Kinder und kam hauptsächlich dadurch zu Stande, dass die Sicherheitsurteile für richtige Antworten bei schwierigen Kanji tiefer waren als bei einfachen, während die Urteile für falsche Antworten unabhängig von der Schwierigkeit gleich tief waren. Für eine weitere Analyse wurden bei den beantwortbaren Fragen die Sicherheitsurteile über die Korrektheit der Antworten hinweg zusammengefasst. Dadurch wurde es möglich, die durchschnittlichen Sicherheitsurteile für einfache, schwierige und unbeantwortbare Kanji miteinander zu vergleichen. Es zeigte sich, dass sowohl die 9-jährigen als auch die 7-jährigen Kinder bei schwierigen Kanji ihre Antworten als weniger sicher einschätzten als die von einfachen Kanji. Bei den unbeantwortbaren Kanji zeigte sich jedoch ein Alterseffekt. Während 7-jährige Kinder die (falschen) Antworten auf diese Fragen als gleich sicher einschätzen wie diejenigen von schwierigen Kanji, zeigen die 9-jährigen eine bessere Unsicherheitsüberwachung. Ihre Sicherheitsurteile für unbeantwortbare Kanji lagen nicht nur signifikant unter denen der schwierigen Fragen, sondern sie waren auch signifikant tiefer als der Durchschnitt der Sicherheitsurteile für alle falschen Antworten der beantwortbaren Kanji. Es gelang also nur den 9jährigen Kindern metakognitiv zwischen ausschliesslich erratenen und gelernten aber nicht erinnerten Antworten zu unterscheiden. Das Ergebnis stimmt mit dem von Pillow und Anderson (2006) überein, bei dem es den Erstklässlern, gleich wie den 7-jährigen in dieser Studie nicht gelang, Antworten die nur durch Raten zustande kamen von abgerufenen zu unterscheiden. Diese Resultate sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da es in vielen Situationen wichtig ist zu wissen, ob eine Frage schwierig oder nicht beantwortbar ist und ob bei einer unsicheren Antwort nur geraten wurde oder ob der Abruf schwierig und die Antwort deshalb möglicherweise falsch war. Dass sich bei den Sicherheitsurteilen für richtige Antworten und der verminderten Differenzierungsfähigkeit bei schwierigen Kanji keine 18 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Altersunterschiede zeigten, kann als ein Zeichen dafür gesehen werden, dass in beiden Altersgruppen bei beantwortbaren Kanji ähnliche, abrufbasierte Heuristiken angewendet werden. Es scheint, als ob zunehmende Ungewissheit, zum Beispiel aufgrund fehlender Abrufhinweise oder der Unklarheit der Frage, die richtige Einschätzung der Antwort erschwert. Bei noch schwierigeren Fragen, die über den einfachen Gedächtnisabruf hinausgehen und in den Bereich der Erkenntnistheorie fallen, sind deshalb noch schlechtere Überwachungsfähigkeiten zu erwarten. Insofern scheint Sokrates’ Einschätzung seines eigenen Wissens eine besondere metakognitive Leistung darzustellen, da sie aus erkenntnistheoretischer Sicht wohl angemessen scheint. Erfahrung mit der Aufgabe Hatte er vielleicht mit dieser Art von Fragen einfach mehr Erfahrung, da er sich selbst diese Aufgabe öfters gestellt hatte, so wie es sich für einen Philosophen auch gehören würde? Auch den Kindern in allen Kanji-Studien wurde die Aufgabe zweimal kurz hintereinander gestellt. Wie sich zeigte, hatte die experimentelle Manipulation der Durchgänge in den ersten beiden Studien keinen Einfluss auf das Metagedächtnis. Die beiden Durchgänge der dritten Studien waren grundsätzlich gleich. Die Reihenfolgen der Präsentation der beiden Sätze von Kanji wurden in allen Studien über die Studienteilnehmer hinweg ausbalanciert. Analysen ergaben, dass sich die Ergebnisse zum Abruf und Metagedächtnis zwischen den beiden Sätzen nicht unterschieden. Vor diesem Hintergrund war es deshalb möglich, nach Erfahrungseffekten, also Leistungsveränderungen zwischen dem ersten und zweiten Durchgang zu suchen. Entsprechende Effekte könnten im Rahmen eines Ressourcenansatzes erklärt werden. Untersuchungen zum Einfluss von Erfahrung, Übung und dem Gebrauch von effizienten Strategien fanden reduzierte Anforderungen an kognitive Ressourcen und bessere Leistungen mit zunehmender Aufgabenerfahrung (Case, 1985, 1992, 1998; Imbo & Vandierendonck, 2007; Temprado, Monno, Zanone, & Kelso, 2002). Im Bereich der Metakognition fanden Nietfeld, Cao and Osborne (2006), dass Studenten, die mehr Übungen zur metakognitiven Überwachung bekommen hatten, genauere Sicherheitsurteile abgaben. Ausserdem wurde wiederholt nachgewiesen, dass die ursprüngliche Überschätzung der eigenen Leistung bei Wiederholung der Aufgabe über zwei oder mehr Durchgänge abnimmt, wodurch sich die Differenzierung zwischen richtigen und falschen Antworten verbessert (Finn & Metcalfe, 2007; Koriat, Ma’ayan & Nussinson, 2006; Koriat, Sheffer, & Ma’ayan, 2002; Renner & Renner, 2001). 19 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Tatsächlich konnten in allen drei Kanji-Studien Erfahrungseffekte nachgewiesen werden, die in ihrem Muster identisch waren. Dabei war es so, dass pro Studie ausschliesslich die jüngere Altersgruppe im zweiten Durchgang höhere Sicherheitsurteile für richtige Antworten abgaben. Es gelang ihnen also mit zunehmender Erfahrung mit der Aufgabe besser zu erkennen, welche Antworten richtig waren. Dieser Effekte hatte auch einen Einfluss auf die relativen Fähigkeiten, zwischen richtigen und falschen Antworten zu differenzieren. Analysen der Gamma-Korrelationen zeigten, dass diese bei den jüngeren Kindern zwischen dem ersten und zweiten Durchgang höher wurden. Bei den älteren Kindern zeigte sich kein Erfahrungseffekt, da sie bereits im ersten Durchgang eine sehr gute Differenzierung zeigten, wodurch das Verbesserungspotential klein war. Die Fähigkeit der jüngeren Kinder, sich in der Überwachung der eigenen Antworten zwischen nur zwei Durchgängen zu verbessern, ist umso bemerkenswerter, als dass sie keine Rückmeldung, weder zu ihrem Abruf, noch zur Angemessenheit der Sicherheitsurteile, bekommen hatten. Die komplexe Struktur und die ungewohnten Lernmaterialien gaben den Kindern anscheinend reichliche Möglichkeiten zu lernen, wie mit dieser neuen Aufgabe umzugehen ist. So könnte es sein, dass den Kindern durch Automatisierungsprozesse oder die Anwendung besserer Strategien mehr kognitive Ressourcen zur Verfügung standen, die für die metakognitive Überwachung eingesetzt werden konnten. Andererseits könnte die zusätzliche Erfahrung mit diesem neuen Lernmaterial auch dabei geholfen haben aufgrund abrufbasierter Hinweise, wie die Komplexität des Zeichens oder die für den Abruf benötigte Zeit, die Korrektheit der Antworten einzuschätzen. Ausserdem ist es möglich, dass der Erfahrungseffekt bei den ersten beiden Kanji-Studien den Effekt der experimentellen Bedingung der Doppelaufgabe überlagerte, so dass dieser nicht zur Geltung kam. Interindividuelle Unterschiede: Arbeitsgedächtnis Neben der experimentellen Manipulation der Aufgabenschwierigkeit soll hier auf eine weitere Möglichkeit, den Zusammenhang von verfügbaren kognitiven Ressourcen und Metagedächtnis zu untersuchen, eingegangen werden. Interindividuelle Unterschiede der Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen könnte mit der Genauigkeit der metakognitiven Überwachung korreliert werden, wodurch es möglich wird auf Zusammenhänge zu schliessen. Tatsächlich konnte nachgewiesen werden, dass interindividuelle Unterschiede im Arbeitsgedächtnis mit der Entwicklung in verschiedensten Bereichen komplexer Kognitionen zusammenhängen (Barrouillet & Lépine, 2005; De Bruin, Rikers, & Schmidt, 2005; Gaultney, Kipp, & Kirk, 2005; Schneider, Kron, Hünnerkopf, & Krajewski, 2004). Es wurde deshalb davon 20 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern ausgegangen, dass auch metakognitive Prozesse mit individuellen Unterschieden des Arbeitsgedächtnisses zusammenhängen. Deshalb wurde mit den Kindern in den beiden Lückentextstudien auch zwei Arbeitsgedächtnistests (backwards digit recall, listening recall) aus der WMTB-C Testbatterie durchgeführt, mit denen hauptsächlich die Kapazität für zentral exekutive Prozesse gemessen wird (Pickering & Gathercole, 2001). Die zentrale Exekutive ist relevant für ein breites Spektrum von kognitiven Aktivitäten wobei die dafür verfügbaren Ressourcen limitiert sind und sich interindividuell stark unterscheiden (Baddeley, 1996; Just & Carpenter, 1992). Aufgrund dieser Eigenschaften wurden die entsprechenden Tests herangezogen, um Zusammenhänge zwischen kognitiven Ressourcen und dem prozeduralen Metagedächtnis zu untersuchen. Da die Werte beider Tests sehr hoch und hochsignifikant korreliert waren, wurden sie zu einem Arbeitgedächtniswert zusammengefasst. Die Korrelationen dieses Wertes mit den Gamma-Korrelationen ergab jedoch unabhängig von der Studie, sowohl für jüngere als auch ältere Kinder, sehr niedrige und ausschliesslich nicht signifikante Zusammenhänge. Zwischen einem Aspekt der Arbeitsgedächtniskapazität, den zentral exekutiven Funktionen und der Fähigkeit das eigene Gedächtnis zu überwachen scheint es also keinen Zusammenhang zu geben. Auch mit der Erhebung individueller Unterschiede konnte der Einfluss verfügbarer kognitiver Ressourcen auf das Metagedächtnis nicht nachgewiesen werden. Natürlich ist es möglich, dass mit den beiden ausgewählten Arbeitsgedächtnistests kognitive Prozesse angesprochen werden, die für metakognitive Überwachungsprozesse wenig relevant sind. In weiteren Untersuchungen muss deshalb nachgeforscht werden, welche anderen Arbeitsgedächtnisprozesse oder exekutiven Funktionen (Selektion, Überwachung, Inhibition usw.) mit metakognitiven Prozessen assoziiert sind. Die Ergebnisse, die soweit aus den präsentierten Untersuchungen vorliegen, scheinen jedoch nahezulegen, dass weder interindividuelle Unterschiede zwischen den Versuchsteilnehmern noch experimentelle Manipulationen der Verfügbarkeit dieser Ressourcen einen Einfluss auf oder Zusammenhang mit metakognitiven Differenzierungsfähigkeiten haben. Tiefe Leistungen in Arbeitsgedächtnistests sollen also nicht davon abhalten eigenes Wissen zu überwachen und hinterfragen. Diesbezüglich scheint es also allen gleichermassen offenzustehen zu tiefgründigen sokratischen Schlüssen zu gelangen. Implizites Metagedächtnis Mit den in der dritten Kanji-Studie erfassten Augenbewegungen wurde versucht eine neue Datenbasis für die Bewertung der metakognitiven Fähigkeiten und deren Entwicklung zu erschliessen. Explizite Sicherheitsurteile können, besonders bei jüngeren Kindern, durch 21 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern motivationale und soziale Einflussfaktoren beeinflusst werden (Schneider, 1998; Schneider & Lockl, 2008). Deshalb ist es möglich, dass sich Befunde mit metakognitiven Massen, die weniger auf bewussten und mehr auf schnellen abrufbasierten Prozessen beruhen, sich von Resultaten mit expliziten Sicherheitsurteilen unterscheiden. So könnte es sein, dass motivationale Prozesse, die eher explizite als abrufbasierte implizite metakognitive Prozesse beeinflussen, für die schlechtere Unsicherheitsüberwachung bei jüngeren Kindern verantwortlich sind. Evaluationen der Sicherheit im Bezug auf eine Antwort vor dem expliziten Urteil beruhen wahrscheinlich bei Kindern aller Altersgruppen auf den gleichen abrufbasierten Bewertungsprozessen, so dass keine Alterseffekte erwartet werden. Daten, die von vorbewussten Prozessen herrühren, könnten deshalb interessante Ergebnisse zur Entwicklung des Metagedächtnisses liefern. Ergebnisse aus der Kleinkindforschung stützen diese Annahmen. Erhebungen mittels expliziten Messungen von Gestik oder verbalen Äusserungen liessen manchmal Defizite in diversen Bereichen kognitiver Entwicklung vermuten. Wenn in solchen Untersuchungen jedoch Augenbewegungen erfasst wurden, konnte nachgewiesen werden, dass sich Fähigkeiten in Bereichen wie falschem Glauben (Clements & Perner, 1994), Kausalität (Leslie & Keeble, 1987), Objektpermanenz und –identität (Baillargeon, 1987; Spelke & Kestenbaum, 1986), Unterscheidung von Kategorien (Pauen, 2002) und einfachen mathematischen Berechnungen (Wynn, 1992) bereits sehr früh entwickeln. Diese Kompetenzen, die mit expliziten Äusserungen nur unzureichend erfasst werden, erfordern neue Messmethoden und können als implizite Fähigkeiten bezeichnet werden. Auch metakognitive Urteile können an der Schnittstelle zwischen impliziten und expliziten Prozessen eingeordnet werden (Koriat, 1998, 2000). Kelley und Jacoby (1996) gehen sogar davon aus, dass Metakognition und das implizite Gedächtnis kaum von einander getrennt werden können. In dieser Studie wurde deshalb der Versuch unternommen, schnelle abrufbasierte, metakognitive Überwachungsprozesse mittels eines Eyetrackers zu erfassen. Solche frühen Überwachungsprozesse können insofern als „implizit“ bezeichnet werden, als dass sie von Erfahrung abhängig sind, die bewusste und absichtliche Erinnerung an diese Erfahrung jedoch nicht nötig ist (Schacter, 1987). Das abrufbasierte implizite Metagedächtnis wird hauptsächlich durch Zugänglichkeit, Menge und Intensität der Information, die während dem Abrufprozess aktiviert wird, beeinflusst. Da explizite Urteile von denselben Informationen beeinflusst werden (Koriat, 1993; 1995), sollten starke Zusammenhänge zwischen impliziten und expliziten Metagedächtnismassen bestehen. Aus den Blickbewegungsdaten, die vor dem expliziten Sicherheitsurteil auf die Sicherheitsskala fielen, wurden implizite Sicherheitsurteile berechnet. Dadurch entstand ein 22 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Mass für Überwachungsprozesse, die gleichzeitig mit oder nur Millisekunden nach Abrufprozessen stattfinden. Die Daten wurden nicht nur nach Altersunterschieden und Korrektheit der Antwort, sondern auch nach Itemschwierigkeit ausgewertet. Da die Resultate für alle beantwortbaren Kanji keine eindeutigen Effekte ergaben, wurden die impliziten Sicherheitsurteile für einfache und schwierige Kanji getrennt analysiert. Bei den einfachen Kanji wiesen höhere implizite Sicherheitsurteile für richtige als für falsche Antworten darauf hin, dass die Kinder unabhängig vom Alter die Korrektheit ihrer Antworten angemessen einschätzten. Bei den schwierigen Antworten hingegen konnte jedoch eine bessere metakognitive Überwachung bei den 9-jährigen Kindern nachgewiesen werden, mit höheren impliziten Sicherheitsurteilen für richtige Antworten als für falsche, während die Werte bei den 7-jährigen gerade umgekehrt waren. Wenn die durchschnittlichen impliziten Sicherheitsurteile für alle drei Aufgabenschwierigkeiten inklusive den unbeantwortbaren Kanji analysiert wurden, zeigte sich, dass die Höhe der Urteile über die zunehmende Aufgabenschwierigkeit abnahmen, wobei dieser Effekt bei den 9-jährigen ausgeprägter war als bei den 7-jährigen Kindern. Im Vergleich mit den expliziten Sicherheitsurteilen zeigen diese Ergebnisse starke Parallelen auf. Demnach lassen sich Altersunterschiede, die für die expliziten Urteile mehrfach bestätigt wurden, bereits in einem frühen Stadium des metakognitiven Prozesses, mit Daten die aus Augenbewegungen abgeleitet wurden, bestätigen. Allerdings zeigen sich auch wichtige Unterschiede. Die Differenzierung zwischen richtigen und falschen Antworten ist nicht so deutlich wie bei den expliziten Urteilen, was vor allem an relativ tiefen Werten für die richtigen Antworten liegt. Eine hohe Korrelation von r = .70 zwischen den impliziten und expliziten Urteilen bestätigt, dass die entsprechenden metakognitiven Prozesse stark zusammenhängen oder aufeinander aufbauen. Die Korrelationen waren ausserdem bei den 7-jährigen mit r = .77 besonders hoch, während sie bei den 9-jährigen Kindern etwas tiefer lagen (r = .55). Zusammengenommen kann aus diesen Resultaten herausgelesen werden, dass obwohl sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Kindern implizite, abrufbasierte Überwachungsprozesse stark mit expliziten Urteilen zusammenhängen, bei den letzteren noch weitere Bewertungsprozesse hinzukommen. Erkennbar wird dies in der viel besseren Differenzierung zwischen richtigen und falschen Antworten einerseits, andererseits sind die Korrelationen bei den 9-jährigen Kindern, die über eine bessere explizite Unsicherheitsüberwachung verfügen, niedriger. Möglicherweise stützen sie sich bei ihren Urteilen mehr auf Prozesse wie bewusstes Erinnern an Lernstrategien, ob geraten wurde, Vergleiche der Komplexität der Zeichen, usw., als 7-jährige Kinder. Dass sich Altersunterschiede auch bei den impliziten Sicherheitsurteilen bei den 23 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern schwierigen und unbeantwortbare Fragen zeigen, weist ausserdem darauf hin, dass bereits in sehr frühen Stadien der metakognitiven Überwachung und bei schnellen, abrufbasierten metakognitiven Prozessen Altersunterschiede in der Unsicherheitsüberwachung bestehen, die sich später auch in expliziten Einschätzungen der Antworten ausdrücken. Auffällig ist zudem, dass bereits die impliziten wie auch später die expliziten Sicherheitsurteile für falsche Antworten über dem mittleren Wert und damit hoch sind. Analysen der Augenbewegungsdaten zeigten, dass die tiefen Skalenwerte nur sehr selten und am wenigsten lange angesehen wurden. Es scheint also so, dass tiefe Sicherheitsurteile im wörtlichen Sinn kaum in Betracht gezogen werden, was die relative Überschätzung der Sicherheit bei falschen Antworten mit erklären kann. Solche Verzerrungen finden also bereits in einem sehr frühen Stadium des Überwachungsprozesses, sogar noch vor den bewussten expliziten Urteilen statt. Andererseits verbessert sich die Einschätzung der richtigen Antworten der expliziten gegenüber den impliziten Urteilen. Bewusste Überwachungsprozesse scheinen also bei der angemessenen Einschätzung richtiger Antworten eine wichtige Rolle zu spielen. Natürlich kann man kaum davon ausgehen, dass ein Blick in Sokrates‘ Augen gereicht hätte, um Vorherzusagen, welches Urteil er über sein eigenes Wissen fällen wird. Das hängt natürlich auch mit dem Inhalten, mit denen er sich beschäftigt hat, zusammen: Bei solchen weitreichenden Erkenntnissen ist eine einfache Einteilung in richtige und falsche Antworten kaum möglich. Es kann aber angenommen werden, dass seinem expliziten Urteil ebenfalls implizite Überwachungsprozesse vorangingen, die wohl durch seine Diskussionen über Wissen mit den Bürgern Athens genährt wurden und in ein hohen Sicherheitsurteil bezüglich seines Nichtwissens (und nicht eines tiefen Sicherheitsurteils zu seinem Wissen) mündete. Die Korrektheit seiner Antwort und damit die Angemessenheit seiner metakognitiven Überwachungs- und Kontrollprozesse wurden ihm dann auch von einer einem Versuchsleiter entsprechenden Instanz, dem Orakel von Delphi, bestätigt. Metakognitive Kontrolle Mindestens ebenso wichtig wie Sokrates’ Erkenntnis des Nichtwissens ist allerdings auch, dass er diese geäussert hat. Seine Sicherheit diesbezüglich war also so gross, dass er trotz eines Umfeldes, von dem angenommen werden kann, dass es besonders an Philosophen hohe Anforderungen bezüglich ihres Wissens stellt, seine Erkenntnis aussprach. Was das Kontrollverhalten von Kindern angeht, so konnte Roebers (2006) nachweisen, dass diese ihr Antwortverhalten bereits im Alter zwischen 7 und 11 Jahren an verschiedene Aufgabenanforderungen anpassen konnten. In einem Interview über den selben 24 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Lehrfilm der in den Studien 4 und 5 verwendet wurde, zeigte sich, dass Kinder in experimentellen Bedingungen, in denen sie für angemessenes Kontrollverhalten mit Punkten belohnt wurden öfter richtig und häufiger mit „weiss nicht“ antworteten und seltener falsche Antworten gaben als die Kinder in der Kontrollbedingung ohne Belohnung. Allerdings zeigten sich in dieser Studie keine Altersunterschiede im Kontrollverhalten. Im Anschluss an diese Untersuchung wurden hier metakognitive Überwachungs- und Kontrollprozesse bei Kindern in einer Situation untersucht, die so gestaltet wurde, dass sie einer Lernkontrolle in der Schule glich. Dazu mussten die Kinder in den Studien 4 und 5 einen Lückentext über den zuvor gesehenen Lehrfilm ausfüllen. Dabei wurden die metakognitiven Kontrollprozesse erfasst, indem den Kindern die Möglichkeit gegeben wurde, unsichere Antworten zurückzuhalten beziehungsweise sie später zurückzuziehen. An der Studie 4 nahmen 9 und 11 Jahre alte Kinder (Roderer & Roebers, 2009a) teil, bei der Studie 5 waren es 9/10 und 11/12 Jahre alte Kinder (Roebers, Schmid, & Roderer, 2009). Der Ablauf der Untersuchungen war dabei in beiden Studien der gleiche und bestand aus drei Phasen. Den Kindern wurde im Abstand von einer Woche zweimal ein Lehrfilm gezeigt. Nachdem die Kinder den Lehrfilm das zweite Mal gesehen hatten, füllten sie in kleinen Gruppen von bis zu 8 Kindern den Lückentext aus (Abbildung 2). Dabei konnten sie in der ersten Studie Lücken offen lassen, wenn sie keine Antwort wussten, während in der zweiten immer eine Antwort verlangt wurde. In der nächsten Phase konnten sie neben jeder Antwort auf einer 7-stufigen Skala ihre Sicherheit eintragen, dass die entsprechende Antwort richtig ist. Zuletzt konnten sie noch einmal alle Antworten durchgehen und diejenige wegstreichen, von denen sie annahmen, dass sie falsch seien. An dieser Stelle und bevor die Kinder mit wegstreichen anfingen wurden noch drei experimentelle Bedingungen eingeführt. In der Kontrollbedingung wurden den Kindern neben den Instruktionen keine weiteren Informationen gegeben. In den experimentellen Bedingungen wurden die situationsabhängigen Anforderungen an die Korrektheit der gegebenen Antworten manipuliert. Den Kindern wurde gesagt, dass sie mit ihren Antworten Punkte sammeln können um Geschenke zu kaufen (die sie dann natürlich unabhängig von der Leistung bekamen). In den +1:-1 (nur Studie 4) und +1:-3 (Studie 4 und 5) Bedingungen konnten sie für jede richtige Antwort einen Punkt gewinnen, für jede falsche, die sie nicht durchstrichen, wurde ihnen aber wieder 1 bzw. 3 Punkte abgezogen. In der etwas ungewöhnlichen +3:+1 Bedingung (nur Studie 5) bekamen sie für alle Antworten Punkte, 3 für richtige, 1 für falsche. Die Daten wurden im Bezug auf verschiedene Aspekte metakognitiver Kontrolle analysiert. Von Interesse war neben der Häufigkeit mit der Antworten zurückgezogen wurden 25 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern auch wie sich das Verhältnis richtiger zu falscher Antworten durch das Kontrollverhalten veränderte sowie der Zusammenhang zwischen Kontroll- und Überwachungsprozessen. In der ersten Studie zeigte sich, dass jüngere Kinder weniger Antworten stehen liessen. Dieser Unterschied ist aber wohl eher auf schlechtere Erinnerungsleistungen der 9-jährigen Kinder als eine vorsichtigere oder bessere Kontrollstrategie zurückzuführen, da sie bereits beim Ausfüllen mehr Lücken offen liessen. In der Kontrollbedingung wurden ausserdem mehr Antworten ausgelassen als in den experimentellen Bedingungen, die sich nicht voneinander unterschieden. Neun und 10-jährige Kinder passten ihre Kontrollstrategien in einem vergleichbaren Ausmass an die Bedingungen an, allerdings schlug sich das nicht in der Genauigkeit der Antworten nieder, die über beide Altersgruppen und alle Bedingungen hinweg vergleichbar war. Andererseits zeigte sich neben einem Alterseffekt mit mehr korrekten Antworten der 11-jährigen Kinder, dass in den Experimentalbedingungen weniger korrekte Antworten gegeben wurden als in der Kontrollbedingung. Das stärkere Kontrollverhalten in den Experimentalbedingungen scheint also dazu geführt zu haben, dass nicht nur mehr falsche, sondern auch mehr richtige Antworten zurückgehalten wurden. Die Kontrollstrategien beider Altersgruppen scheinen also noch nicht optimal zu sein. Da in der zweiten Studie bei allen Fragen eine Antworte verlangt wurde, konnte zusätzlich erfasst werden, welche Antworten weggestrichen wurden, ob diese richtig oder falsch waren und welche Sicherheitsurteile ihnen zugewiesen wurden. Ausserdem wurde die +1:-1 Bedingung durch eine Bedingung ersetzt (+3:+1), bei der die richtige Strategie um die maximale Punktzahl zu erreichen darin besteht, unabhängig von der Leistung keine Antworten durchzustreichen. Insgesamt strichen die Kinder in beiden Altersgruppen mehr als zweimal so viele falsche im Vergleich zu richtigen Antworten durch. Ausserdem zeigte sich, dass die 11/12jährigen Kinder in der +1:-3 Bedingung besonders viele falsche Antworten durchstrichen, und so ihre Kontrollstrategie den Anforderungen der Bedingungen anpassten, während bei dem Kontrollverhalten der 9/10-jährigen über die Bedingungen hinweg keine Unterschiede erkennbar waren. Wichtig ist, dass unabhängig vom Alter auch in der +3:+1 Bedingung sehr oft einige Antworten weggestrichen wurden, was bedeutet, dass die Kinder entweder die optimale Strategie nicht erkannten oder von sich aus selbst strenge Kriterien für die Korrektheit der Antworten in die Testsituation mitbringen, die über deren Anforderungen hinausgehen. Das Kontrollverhalten in beiden Altersgruppen schien zudem auf der metakognitiven Überwachung zu beruhen. Sowohl bei den richtigen als auch bei den falschen Antworten, die zurückgezogen wurden, waren die Sicherheitsurteile tiefer als bei denen, die 26 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern die Kinder stehen liessen. Während sich die durchschnittliche Werte der Sicherheitsurteile der 9/10-jährigen Kindern zwischen den Bedingungen nicht unterschieden, strichen die 11/12jährigen Kinder in der +3:+1 Bedingung nur besonders tiefe Sicherheitsurteile durch, zeigten also ein weniger strenges Kontrollverhalten. Die Genauigkeit der Antworten als Verhältnis richtiger zu falscher Antworten verbesserte sich durch das Wegstreichen in beiden Altersgruppen gleichermassen um ca. 10%. Ausserdem waren die Verbesserungen unabhängig vom Alter in der +1:-3 Bedingung am grössten und in der +3:+1 Bedingung am kleinsten. Die Werte der 11/12-jährigen Kinder lagen dabei aber immer etwas über denen der 9/10-jährigen. Diese Ergebnisse zeigen, dass Kinder, wenn sie die Möglichkeit bekommen ihr Antwortverhalten zu kontrollieren, die Genauigkeit ihrer Antworten verbessern können, indem sie vorwiegend falsche Antworten zurückhalten. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass die Kinder im Alter von 9 Jahren noch nicht im Stande sind, ihr Kontrollverhalten an verschiedene Anforderungen der Situation anzupassen. Allerdings ist es möglich, dass bei diesen Kindern die Bedingungseffekte durch die strengen Kriterien, die die Kinder bereits von sich aus an die Genauigkeit der Antworten anlegen, überlagert wurden. Dabei ist es wichtig anzumerken, dass auch in den Kontrollbedingungen viele Antworten zurückgehalten wurden, ohne dass Punkteabzüge bei Fehlern erwähnt wurden. Und auch in der +3:+1 Bedingung, strichen viele Kinder lieber Antworten durch und verzichteten so auf Punkte, als dass sie falsche Antworten stehen liessen. Es scheint so als hätten Sokrates ähnliche Motive bewegt, da er mit seinen Zweifeln von sich aus höhere Anforderungen an das Wissen stellte als sein Umfeld. Allerdings bewegten sich die Fragen, mit denen er sich befasste, auf einem anderen konzeptionellen Niveau, während in den präsentierten Untersuchung glücklicherweise richtige von falschen Antworten unterschieden werden konnten. Darum ist auch anzunehmen, dass die Kinder in diesen Studien nicht Antworten zurückhielten um die Tugend des Zweifels hochzuhalten und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, sondern dass sie aus bisherigen Erfahrungen gelernt haben, dass keine Antwort zu geben besser ist als eine (in ihren Augen offensichtlich) falsche. Fazit Die grundlegendste Erkenntnis aus all diesen Untersuchungen besteht darin, dass Kinder ab dem Alter von 7 Jahren auch bei schulnahen Aufgaben über gute metakognitive Überwachungsfähigkeiten im Bereich des prozeduralen Metagedächtnisses verfügen. Die GammaKorrelationen als Masse der relativen Differenzierungsfähigkeit bewegen sich in Abhängig27 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern keit von der Aufgabe zwischen r = .60 und r = .85. Somit sind sie, ebenso wie die Sicherheitsurteile selbst, die im Durchschnitt für falsche Antworten immer tiefer waren als für richtige, ein klarer Hinweis auf eine gut entwickelte Differenzierungsfähigkeit. Mit diesen Ergebnissen werden aber nicht bloss Befunde aus der Forschung bestätigt, sondern in einer wichtigen Hinsicht auch erweitert. Die hier verwendeten Aufgaben erlaubten es metakognitive Fähigkeiten zu testen, von denen angenommen werden kann, dass sie im schulischen Alltag direkt relevant sind. Renner & Renner (2001) verwendeten zwar ebenfalls schulisch relevantes Lernmaterial für die Erhebung metakognitiver Überwachungsprozesse, dabei wurde aber eine Studentenstichprobe untersucht. Auf der Alterstufe von Primarschulkindern finden sich hingegen vor allem Laborstudien in denen beispielsweise mehr oder weniger stark assoziierte Bild- oder Wortpaare gelernt werden mussten (Koriat, et al., 2009; Lockl & Schneider, 2003; Schneider et al., 2000). Pressley und Kollegen (1987) fragten ähnlich wie in den Kanji-Studien mit Bildern Vokabeln ab und erhoben die dazugehörigen metakognitive Überwachungsfähigkeiten. Es handelte sich dabei aber um einen Test des lexikalischen Wissens in der eigenen Sprache. In den Kanji-Studien hingegen mussten, ähnlich wie beim Erwerb von Vokabeln in einer Fremdsprache, komplexe Zeichen und ihre Bedeutung erst gelernt werden. Entsprechend wurden metakognitive Urteile über neu erworbenes Wissen abgefragt. In anderen Studien, die sich mit der Entwicklung des kindlichen Metagedächtnisses befassten, wurden die Kinder über den Inhalt von Filmen befragt. Die Fragestellung war dabei aber oft nicht auf schulische Lern- und Testsituationen ausgerichtet, sondern auf metakognitive Fähigkeiten im Kontext des Augenzeugengedächtnisses, welche entsprechend mit mündlichen Befragungen erhoben wurden (Roebers, 2002; Roebers & Fernandez, 2002; Roebers & Howie, 2003; Roebers et al., 2007; Schwarz & Roebers, 2006). In der Studie von Roebers 2006 wurde der selbe Lehrfilm verwendet wie in den Lückentextstudien, wobei Effekte der situationsbedingten Anforderungen auf das Kontrollverhalten der Kinder gefunden wurden. Mit der Erhebung von Sicherheitsurteilen und der Verwendung eines Lückentextes ermöglichten die Studien 4 und 5 aber zusätzlich Erkenntnisse über metakognitive Überwachungsfähigkeiten in einer schulähnlichen Testsituation. Eine einzige Ausnahme von den allgemein guten Differenzierungsfähigkeiten findet sich bei den impliziten Sicherheitsurteilen in der dritten Kanji-Studie, bei denen 7-jährige Kinder nur für einfache Aufgaben die Korrektheit richtig einschätzen. Aber bereits bei 9jährigen Kindern lässt sich innerhalb von wenigen Millisekunden auch bei schwierigen Aufgaben und nur aufgrund von Augenbewegungen vor den expliziten Urteilen erkennen, dass richtige Antworten als sicherer eingeschätzt werden als falsche. Trotz diesen allgemein 28 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern guten Fähigkeiten bleibt aber noch viel Spielraum für eine Verbesserung des prozeduralen Metagedächtnisses. So zeigt sich die Unsicherheit bezüglich einer Antwort bei jüngeren Kindern vor allem als Unentschlossenheit zwischen sicheren und unsicheren Urteilen, während ältere Kinder tatsächlich beginnen eine (leichte) Unsicherheit auszudrücken. Obwohl sich bereits in Urteilen, dass eine falsche Antwort „sicher richtig“ und eine korrekte „sehr sicher richtig“ ist, hohe relative Differenzierungsfähigkeiten ausdrücken können, ist es doch relevant, welche absoluten Werte von den Kindern benutzt werden. So lässt einerseits eine breitere Spanne der verwendeten Sicherheitsurteile feiner abgestufte Urteile zu. In alltäglichen und schulischen Situationen andererseits drückt eine geäusserte Unsicherheit auch etwas ganz anderes aus als eine Unentschlossenheit, oder gar leichte Sicherheit, dass eine falsche Antwort richtig ist. In diesem Zusammenhang ist die in allen Studien bestätigte bessere Unsicherheitsüberwachung bei älteren Kindern hoch relevant. Das gleiche gilt auch für die Altersunterschiede in der Überwachung unbeantwortbarer Fragen. Da es sich hier um Fragen handelte, deren Antworten nur erraten werden konnten, weisen Altersunterschiede möglicherweise auf einen grundlegenden Wandel in der Einschätzung der eigenen Antworten hin. So könnte es sein, dass ältere Kinder nicht nur geratene Urteile besser als solche erkennen und ihnen auch tiefere Sicherheitsurteile zuweisen (Pillow, 2002; Pillow & Anderson, 2006; Pillow, Hill, Boyce, & Stein, 2000), sondern dass sie beginnen, Antworten bei denen Erinnerungsspuren aufgrund schneller Abrufzeiten, hoher Familiarität usw. auf einen erfolgreichen Abruf schliessen lassen als sicher richtig einstufen und die übrigen als deutlich unsicherer. Bei jüngeren Kindern ist diese Differenz zwischen geratenen und erinnerten und damit falschen und richtigen Antworten möglicherweise deshalb kleiner, weil aufgrund der allgemeinen schlechteren Erinnerungsleistung das Erraten von Antworten einen grösseren Anteil zu den richtigen Antworten beisteuert und ausserdem eher toleriert wird als bei älteren Kindern. In diesem Bereich sind möglicherweise auch die Erfahrungseffekte, die ausschliesslich aber durchgehend bei jüngeren Kindern gefunden wurden, einzuordnen. So könnte es sein, dass die zunehmende Erfahrung mit dem Lernmaterial den jüngeren Kindern dabei half, abrufbasierte Informationen, die mit Erinnerungsspuren zusammenhängen, richtig einzuordnen und aufgrund dessen erinnerte von erratenen Antworten zu unterscheiden. Diese geschärfte Bewusstheit für vorhandene Erinnerungen könnte es gewesen sein, die sich in höheren Sicherheitsurteilen im zweiten Durchgang und einer besseren Differenzierung niederschlug. Auch deshalb, obwohl methodisch nicht unproblematisch, wäre es sicher interessant, vor oder mit den Sicherheitsurteilen zu erfassen, ob eine Antwort erinnert oder erraten wurde. 29 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Auch die Resultate zu den impliziten Sicherheitsurteilen lassen sich mit abrufbasierten Überwachungsprozessen, unterschiedlichen Bewertungen nur geratener Antworten und tendenziell höheren Sicherheitsurteilen bei jüngeren Kindern in Zusammenhang bringen. So führten abrufbasierte implizite Überwachungsprozesse, wie sie vor allem bei leichten Kanji angenommen werden können, in beiden Altersgruppen zu einer besonders guten Differenzierung zwischen richtigen und falschen Antworten. Die bessere Erinnerungsleistungen und damit mehr abrufbasierte Informationen über die Korrektheit einer Antwort könnte bei älteren Kindern auch bei schwierigen Kanji zu einer angemessenen impliziten Differenzierung beigetragen haben. Bei den jüngeren Kindern hingegen könnte eine Kombination von schwächeren und uneindeutigen Abrufinformationen zusammen mit einer grösseren Anzahl erratener Antworten eine genaue abrufbasierte metakognitive Überwachung stark erschwert und zu einer schlechten Differenzierungsleistung geführt haben. Die bessere Differenzierungsleistung bei den expliziten Urteilen lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass es auch den jüngeren Kindern gelang, aufgrund zusätzlicher Informationen aus bewussten Überwachungsprozessen erratene von erinnerten Antworten angemessen zu unterscheiden. Dass bei schwierigen Kanji neben impliziten Überwachungsprozessen auch andere Variablen einen wichtigen Beitrag zu den expliziten Urteilen beisteuerten, lässt sich aus den relativ tiefsten Korrelationen zwischen impliziten und expliziten Urteilen im Vergleich zu den anderen Aufgabenschwierigkeiten herauslesen. Bei unbeantwortbaren Fragen im Gegensatz dazu waren diese Korrelationen am höchsten. Hier stimmten die Informationen über fehlende Abrufhinweise bei impliziten mit denen aus bewussten Überwachungsprozessen, wie z.B. Erinnerungen, dass keine Information abgerufen werden konnte oder geraten wurde, überein. Zudem können durch blosses Raten, was grundsätzlich mit tiefen Sicherheitsurteilen verbunden ist, keine richtigen Antworten erzielt werden. Die höheren Sicherheitsurteile bei den jüngeren Kindern könnten dabei auf allgemeine Tendenzen zur Überschätzung der Korrektheit oder einer abweichenden Bewertung erratener Antworten im Vergleich zu älteren Kindern hinweisen. Um all diese Annahmen zu untermauern bedarf es allerdings weiterer Forschung. Neben der Identifizierung bewusst erratener Antworten können natürlich auch der Einbezug älterer oder jüngerer Studienteilnehmer und deren mehr oder weniger weit entwickelten Differenzierungsfähigkeiten im Bereich des prozeduralen Metagedächtnisses die entsprechenden Erkenntnisse erweitern. Es soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass mit der Erfassung des impliziten Metagedächtnisses durch Augenbewegungsdaten, den dabei verwendeten Materialien und Vorgehensweisen und deren Auswertungen theoretisches, methodisches und empirisches Neuland betreten wurde. Es ist 30 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern damit zu rechnen, dass aufgrund methodischer Verbesserungen weitere, genauere oder gar abweichende Resultate einen tieferen Einblick in implizite Überwachungsprozesse erlauben werden und die präsentierten Daten nur einen ersten Ausgangspunkt darstellen. Die Ergebnisse zu den metakognitiven Kontrollprozessen lassen soweit den Schluss zu, dass sich die entsprechenden Fähigkeiten, verglichen mit der metakognitiven Überwachung, etwas verzögert entwickeln. Dies, obwohl die Kontrollprozesse mit den Überwachungsprozessen in Verbindung gebracht werden können. So zeigten auch ältere Kinder Defizite in der Fähigkeit, bei einer Bedingung, in der jede Antwort unabhängig von der Korrektheit belohnt wurde, die richtige Kontrollstrategie anzuwenden. Ausserdem wendeten die Kinder unabhängig vom Alter von sich aus relativ strenge Kriterien an, die dazu führten, dass neben tatsächlich falschen auch mit einem Drittel ein hoher Anteil richtiger Antworten zurückgezogen wurde. Übertragen auf alltägliche Situationen würde das bedeuten, dass aufgrund unangemessen strenger Kriterien viele relevante Informationen verloren gehen. Zusätzlich zeigen jüngere Kinder Schwierigkeiten darin, ihr Antwortverhalten an verschiedene Situationen anzupassen. Es wäre deshalb wünschenswert, dass zum Beispiel in einem schulischen Umfeld neben möglichst gutem Lernen das vor allem auf die Quantität des Wissens und der richtigen Antworten abzielt auch das Einschätzen des eigenen Wissen und dadurch einer hohen Genauigkeit oder Qualität der gegebenen Antworten vermittelt werden könnte. Analog des in den präsentierten Studien angewendeten Vorgehens könnten die Kinder neben einer Antwort auf jede Frage auch angeben, ob sie dies als richtig oder falsch beurteilen. Durch eine Rückmeldung über die Korrektheit könnte so speziell die richtige Einschätzung von richtigen aber zurückgehaltenen oder falschen aber gegebenen Antworten und damit generell die Überwachung des eigenen Gedächtnisses geübt werden. Die Resultate zum Einfluss verfügbarer Ressourcen waren weniger aufschlussreich. Weder experimentell manipulierte noch interindividuelle Unterschiede in der Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen liessen auf einen Einfluss auf, oder einen Zusammenhang mit metakognitiven Überwachungsprozessen schliessen. Kritik an den verwendeten Methoden kann im Fall der Doppelaufgabe teilweise mit den Ergebnissen aus der Studie abgewendet werden, in der die Kinder während einer Arbeitsgedächtnisaufgabe auf einem Bein balancieren mussten. Die erwarteten Effekte zum Einfluss der interindividuellen Unterschiede in der Arbeitsgedächtniskapazität lassen sich dagegen mit Hinweisen aus der Literatur über Zusammenhänge zwischen Arbeitsgedächtnis und kognitiven Fähigkeiten höherer Ordnung begründen. Möglicherweise sind die negativen Resultate deshalb auf die verwendeten Aufgaben zur Erfassung des prozeduralen Metagedächtnisses zurückzuführen. Die bereits in sich hoch 31 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern komplexen Anforderungen der zugrundeliegenden Gedächtnisaufgabe kombiniert mit der neuen Aufgabe, die Sicherheit der Antworten einzuschätzen, könnte so viele verschiedene wichtige Bereiche der kognitiven Entwicklung angesprochen haben, dass dabei der Einfluss der Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen in den Hintergrund gedrängt wurde. Vor dem Hintergrund dieser Überlegung würde es vielleicht eine einfachere und direktere Methode erlauben, Einflüsse der Verfügbarkeit kognitiver Ressourcen nachzuweisen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Erfassen von Bewertungen und Einschätzungen mentaler Repräsentation aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren und Störvariablen mit verschiedensten Herausforderungen verbunden ist. So kann allein schon der Gedächtnistest, der als Grundlage dient um prozedurale metakognitive Prozesse zu erfassen, durch verschiedenste Faktoren in Verbindung mit der Stichprobe, dem Versuchsablauf, dem getesteten Material, Aufgabenerfahrung und der Art des Abrufs usw. sowie deren Interaktion die metakognitiven Prozesse beeinflussen. Hinzu kommen weitere situationsbedingte Einflüsse und interindividuelle Unterschiede, die sich sowohl auf das Gedächtnis als auch auf das Metagedächtnis auswirken können. Motivationale und soziale Faktoren (Koriat, Lichtenstein, & Fischhoff, 1980; Schneider, 1998; Schneider & Lockl, 2008) sowie interindividuelle Unterschiede in kognitiven Fähigkeiten und der Persönlichkeit (Stankov & Lee, 2008) können innerhalb oder zwischen den Aufgaben interagieren, wodurch die spezifischen Beiträge von einzelnen Variablen zur Gesamtvarianz verstärkt, abgeschwächt oder komplett überlagert werden können. Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen scheint es besser verständlich, dass in den präsentierten Studien vor allem breite, entwicklungsbasierte Unterschiede dokumentiert werden konnten, während die Resultate zu spezifischen Einflussfaktoren weniger eindeutig waren. Neue Methoden um metakognitive Prozesse zu erfassen, mit denen grössere Quellen von Varianz, zum Beispiel bewusste Bewertungsprozesse, umgangen werden, könnten das Aufdecken von spezifischen Faktoren mit kleineren Effekten erleichtern. Weitere Forschung im Bereich des prozeduralen Metagedächtnisses könnte sich deshalb damit befassen, inwiefern eine aufgabenspezifische oder breitere Erkenntnis des Nichtwissens von individuellen oder entwicklungsbedingten Unterschieden abhängt und wie viel vorbewusste und bewusste Prozesse dazu beitragen. Die Ergebnisse könnten in einem weiteren Schritt mit den Handlungen, die aus diesem Wissen um das Nichtwissen entstehenden, in Verbindung gebracht werden. So könnte die Möglichkeit geschaffen werden, das Wissen um spezifische Einflussfaktoren auch auf metakognitive Kontrollprozesse allgemein zu erweitern. Vielleicht würde dadurch gar ein besseres Verständnis dafür möglich, wie und weshalb Sokrates zu seiner grundsätzlichen Unsicherheit bezüglich seines Wissens gelangte. 32 Mantelpapier Das prozedurale Metagedächtnis bei 7 bis 11-jährigen Kindern Literaturverzeichnis Baddeley, A.D. (1996). Exploring the central executive. Quarterly Journal of Experimental Psychology: Section A, 49, 5–28. Baillargeon, R. (1987). Object permanence in 3 1/2- and 4 1/2-month-old infants. Developmental Psychology, 23, 655-664. Barrouillet, P., & Lépine, R. (2005). Working memory and children's use of retrieval to solve addition problems. Journal of Experimental Child Psychology, 91, 183-204. Baker, J. M. C., & Dunlosky, J. (2006). Does momentary accessibility influence metacomprehension judgments? The influence of study-judgment lags on accessibility effects. 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Roebers Abstract Three studies were conducted in order to explore the influence of attentional resources and test experience on performance and development of two aspects of higher order cognition: working memory and metamemory. With a dual-task paradigm used in all three studies, the effect of available attentional resources contributing to differences in working memory and metamemory performance was investigated. Different samples of children were either required to perform a working memory task (backward digit recall, 7- and 9-year olds) or to recall Japanese symbols and give confidence judgments for their recall in a novel paired association task (8- to 11-year olds). The dual task condition consisted of a postural control task, that is the cognitive tasks were performed while balancing at the same time on one leg. Results of the two trials were analyzed for effects of available attentional resources or practice from the first to the second trial. While the results of the working memory study point to an influence of limited attentional resources but not of practice, both metamemory studies revealed no indication of an effect of available attentional resources on children's metamemorial monitoring, However, effects of experience on recall for all children and on metamemory for the younger age group were found as well as age effects in uncertainty monitoring. Artikel 2 Explicit and Implicit Confidence Judgments Explicit and Implicit Confidence Judgments and Developmental Differences in Metamemory: An Eye-tracking Approach Authors Thomas Roderer and Claudia M. Roebers Abstract In the present study, metamemory development in primary school children with a special focus on uncertainty monitoring is addressed. In order to investigate the effects of memory retrieval processes on monitoring judgments, item difficulty in a vocabulary learning task (Japanese symbols) was manipulated. In order to make a first exploratory step for uncovering fast and retrieval bound (implicit) monitoring processes that take place before explicit confidence judgments (CJ) are given, gaze time allocation during recognition and monitoring was recorded with an eye-tracking device. Results revealed developmental progression in uncertainty (but not in certainty) monitoring between the age of 7 and 9 years. Differences in CJ across levels of item difficulty point to a substantial impact of retrieval processes on 9-yrolds’ but not on 7-yr-olds’ monitoring. Eye-tracking data revealed an overall bias towards medium and high confidence judgments, and confirmed evidence on developmental progression in monitoring skills. Monitoring accuracy was higher in the explicit compared to indicators of implicit judgments. Artikel 3 Children’s Strategic Regulation of Memory Accuracy Children’s Strategic Regulation of Memory Accuracy Authors Thomas Roderer and Claudia M. Roebers Abstract The current chapter introduces a contemporary view on children’s memory development during middle childhood. Traditionally, the memory development literature was dominated by research on either capacity development, strategy development, development of domainspecific knowledge, or metacognitive development. More recently, however, researchers have taken an integrative perspective, looking at memory development as a continuously changing interplay of these four components (e.g., Koriat and Goldsmith, 1996). This perspective change has enabled researchers to look at memory reports in real life, including school learning, test behaviour in school and children’s eyewitness memory. Previous research using adults has shown that, under a strict response criterion, individuals withhold uncertain answers to the benefit of memory accuracy, while under a very liberal response criterion, strategic regulation of memory performance implies to provide answers that are likely to be incorrect. The present chapter presents and discusses developmental studies of strategic regulation of memory performance in which the response criterion was either increased or decreased. Although children aged around 6 years appear to be able to withhold uncertain answers in order to increase overall accuracy of their memory reports, effectiveness and precision of regulation activities continue to improve until late childhood. Moreover, the nature and the quality of the underlying memory representation have been found to substantially affect strategic regulation of memory performance. Inter-individual differences in strategic memory regulation abilities can partly been explained through individual working memory capacities indicating that these processes are resource demanding cognitive operations.