Der Kampf zwischen imperium und sacerdocium im Mittelalter

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Der Kampf zwischen imperium und sacerdocium im Mittelalter
Die politische Wirkung des arianischen Streites war im Westen die Forderung der Freiheit der Kirche
vom Staat und zugleich die Unterstellung des Kaisers als eines Glied der Kirche unter die kirchliche
Zucht (so Ambrosius ggn. Valentinian II. und Theodosius (im 4. Jhd.). Gelasius I. (492-496) entwickelte daraus die Zwei-Gewalten-Theorie: das Schwert des Papstes ist der Bann, weil er über die Kirche
als Heilsvermittlerin herrscht; das Schwert der Welt ist es, Krieg zu führen und Ordnung herzustellen.
Papst Gregor d. Gr. (590-604) legte durch die Zusammenfassung des päpstlichen Besitzes faktisch
den Grund für den Kirchenstaat.
Nach germanischem Brauch ist der weltliche Herrscher zugleich auch der Leiter des
Kultes. Dies wurde nach der Christianisierung in der Form der Salbung des Königs
übernommnen: Bonifatius salbte Pippin (741-768) zum König (751). Mit der pippinischen Schenkung („Pakt von Quierzy: 754) begann dann ein Bündnis zwischen imperium und sacerdocium, das mit der Formel „katholisch gleich römisch“ aufräumte
und das Gewicht verlagerte: Pippin wurde weltlicher Schutzherr über Rom; dafür erhielt der Papst einige weitere Gebiete und verhinderte Einfluss der italienischen Politik (bis ins 19. Jhd.) - faktisch der Beginn des eigenen Kirchenstaates. Da spielt es
keine Rolle, dass diese Gebiete durch eine gefälschte Urkunde legitimiert wurde,
nach der schon Konstantin dem Papst italienische Gebiete geschenkt habe.
Die Folge der pippinischen Schenkung war eine engere Verklammerung von geistlicher und weltlicher Sphäre: Der Papst rückte Pippin durch die Salbung unmittelbar in
die Nähe Gottes (gab ihm quasi ein sakrales Amt); der Papst wurde Landesherr und
damit auch weltlicher Herrscher: ein corpus (Reich) hatte zwei Häupter.
Karl der Gr. und die Karolingerherrschaft (768-814)
Ab 750 stieg das fränkische Herrschergeschlecht der Karolinger als zweites Imperium neben Byzanz auf. Die Grenzen von imperium und sacerdocium vermischten
sich, bzw. dem „einen Reich“ wurde eschatologische Würde verliehen: Heiden gab
es nicht mehr, das Reich sollte zur Civitas Dei gemacht werden; der Kaiser herrschte
als endzeitliche Gestalt über Kirche1 und Staat: Etwa kann es sich Karl erlauben, gegen das 7. ökumenische Konzil 878 (Konstantinopel über den Bilderstreit) einzuwenden, dass die byzantinische Reichssynode nicht für die ganze Kirche sprechen könne. Die Kaiserkrönung Karl d. Gr. 800 durch Leo III ist der Inbegriff für den Aufsteig
der weltlichen Zentralgewalt und das Ineinander von sacerdocium und imperium.
Otto der Große (936-973) und die päpstliche Schwäche
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Er ruft Reichssynoden ein, fällt theologische Entscheidungen.
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Die Machtkonzentration verfiel nach dem Tod Karls schnell, das Papsttum witterte
seine Chance: Nikolaus I erneute die Machtansprüche des Papstes und schwsng
sich als „Richter über die ganze Welt“ auf. Doch Machtverfall, moralischer Verwahrlosung und die Abhängigkeiten zur italienischen Politik waren zu groß, so dass die
Kaiserkrönung Ottos (962) die Verflechtung erneuert wurde: ein Kaiser mit kirchlichen Würden, ein an das deutsche Königtum gebundener Papst (bis 1803/6!).
Das ottonische Reichskrichensystem sorgte für beiderseitige Vorteilnahmen (z.B.
Verfolgung der Heiden), verschaffte dem Königtum. Der König war kein kirchlicher
Laie, sondern ein Mittler zwischen Klerus und Volk mit sakralem Glanz: Für das Krönungszeremoniel gab es eine eigene Krönungsliturgie; es verkam fast zu einem Sakrament. Der Höhepunkt war die Synode von Sutri (1046): Heinrich III (1039-1056)
setzte drei nebeneinander regierende Päpste ab und machte den deutschen Bischof
zum neuen Papst.
Langsam begann sich das Blatt zu wenden: Papst Leo IX führte Reformen ein (gegen Simonie und Priesterehe) und setzte den Patriarchen von Konstantinopel ab
(1054); Nikolaus II entzog dem Adel und dem deutschen Kaiser den rechtlichen Einfluss auf die Papstwahl (Papstwahldekret, 1059). Ein Grundsatzstreit bahnte sich an.
Heinrich IV und Gregor VII: Die Konfrontation zwischen Kaiser und Papst
Heinrich III herrschte seit 1032 in Personalunion über die Königreiche Deutschland,
Burgund, Italien, 1065 war folgte ihm Heinrich IV.
Gregor VII erhob mit Vehemenz den Anspruch auf die weltliche Herrschaft. Ziel seiner Kirchenreform: die libertas ecclesiae. Er wollte keinen Einfluss weltlicher Herren
bei der Besetzung kirchlicher Ämter mehr, sondern vielmehr das kanonische Recht;
generell als er eine Höherwertigkeit des Priesteramtes über der weltlichen Macht. Er
hatte ein unglaubliche Sendungsbewusstein: Gott habe ihn an den höchsten Platz
der Christenheit gestellt, er sei dem göttlichen Willen verpflichtet (Programmschrift
„Dictatus Papae: Oberherrschaft und Richtergewalt des Papstes) . Aus der Tatsache,
dass die Kirche nach Mt 16,16 die Schlüsselgewalt habe, leitete Gregor auch politische Machtansprüche für die Kirche ab: Faktisch lagen seiner Ansicht nach die beiden Schwerter beide in Händen des Papstes.
Der Streit entzündete sich an der Laieninvestitur, d.h. dass deutsche Bischöfe durch
den deutschen Kaiser, nicht aber durch den Papst eingesetzt wurden.2 Auf der
Fastensynode 1075 verbat Gregor VII die Laieninvestitur, die den Treueeid des Bi2
Investitur heißt die Einkleidung, die Amtseinsetzung des Bischofs, d.h. die Übergabe des Hirtenstabes (als
Symbol der Gemeindeleistung), des Rings (Symbol der Verbindung zur Kirche).
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schofs auf den König und die Belhenung eines Bischofsamtes durch den König beinhalten konnte.
Dies führte zum offen Kampf: Gregor setzte 1075 den Erzbischof von Mailand ein,
was rechtmäßig, aber politisch brisant war und eine Attacke gegen Heinrichs Königswürde bedeutete. Daraufhin setze Heinrich Gregor als Papst ab (Synode von
Worms, Januar 1076): Er habe das Recht dazu, weil das imperium die Kirche vor
den Feinden der Kirche schütze, hier vor dem Papst.
Auf der Fastensynode 1076 setzte der Papst Heinrich ab und exkommunizierte ihn.
Damit waren alle Untertanen vom Gehorsamseid entbunden (aufgrund des kirchlichen Banns auf Heinrich). Dies unterstützte der deutsche Adel, der nun auf mehr
Autonomie gegenüber dem König hoffte. 1077 war eine Versammlung geplant, auf
der Heinrich abgesetzt werden sollte. Dieser kam dem mit seinem Bußgang in Canossa (1077) zuvor, wo er dem Papst seine priesterlichen Pflichten abnötigte.
Dennoch war der Schaden für das Königtum immens: Der König war als Laie und
Sünder aufgetreten, die Sakralwürde des weltlichen Herrschers war erschüttert.
Das Wormser Konkordat (1122) fixierte den kaiserlichen Verzicht auf die Investitur. In
Deutschland blieb es zwar bei der Beibehaltung der Reichskirche (Bischöfe als
Lehnsträger des Königs), in Burgund und Italien verloren das imperium aber den Einfluss auf die Wahl der Bischöfe. Langfristig wurden die Bischöfe freier vom König aber auch auch unabhängiger vom Papst.
Die langfristigen Folgen waren eine Entsakralisierung des imperiums, eine Verselbständigung der Fürsten und eine Distanzierung der Bischöfe von Rom. Beide Seiten
erlitten ein Machtvakuum: 1077 spaltete sich das deutsche Reich unter dem Gegenkönig der Fürsten, Rudolf von Schwaben; in der Kirche gab es mit Clemens III einen
Gegenpapst, der mit Henrich IV sympathisierte. Gregor VII floh.
Beide Universalansprüche waren also aufeinandergeprallt, zunächst hatte das Papsttum als solches sich durchgesetzt: Innocenz III (1198-1216) war der Papst mit dem
wohl größten weltlichen Macht aller Päpste. Er setzte weltliche Herrscher ein und ab
(1245: Kaiser abgesetzt und Kreuzzug gegen die Ketzer gestartet); auf der vierten
Lateransynode 1215 konnte er das Papsttum ausbauen. 1268 fiel der letzte Stauferkönig. Für mehrere Jahrhunderte bedeutet der Sieg des Papstes die Ausschaltung
des deutschen Kaisers aus der Politik.
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