10. Chemische Bindung 10.1 Hybridisierung 10.2 Massenwirkungsgesetz Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.1 van de Waals Bindung van de Waals-Wechselwirkung wirkt zwischen neutralen inerten Atomen/Molekülen (z.B. Edelgas- Atome) ohne permanentes elektrisches DipolMoment (EDM); leitet oft kovalente Molekülbildung ein. induziertes EDM: pind= αE, wobei elektrisches Feld E von induziertem EDM eines Nachbaratoms im Abstand r herrührt. attraktives Potenzial ist V = − pind·E = −αE2, mit dem elektrischen Feld eines Dipols E ~ 1/r3, dh. Va = −B/r6. "hard core" Abstoßung der Atome angenähert durch repulsives Potenzial Vr = +A/r12, ergibt zusammen Lennard-Jones Potenzial: V(r) = A/r12 − B/r6 Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.2 10.1 Hybridisierung Bindung ist stark, wenn der Überlapp der Wellenfunktionen groß ist 1. Beispiel H2: Bindung durch Überlapp der beiden Elektronen zwischen den Protonen, "kovalente" Elektronenpaar-Bindung: H : H oder H ¯ H px py pz n=2 n=1 2. Beispiel Kohlenstoff-Verbindungen: n=2: 2 s-Elektronen und 2 ungepaarte p-Valenz-Elektronen. Winkelanteil der Wellenfunktionen (n=2) s = Y00(θ,φ) = (1/4π)½ px = (Y1−1 − Y1+1)/√2 = (3/4π)½ sinθ cosφ py = i (Y1−1 + Y1+1)/√2 = (3/4π)½ sinθ sinφ s Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung py →z px 10.3 p-Orbitale z.B. pz = Y10(θ,φ) = (3/4π)½ cosθ im Polar-Diagramm. Thales-Kreis Amplitude Ψ Wahrscheinlichkeit |Ψ|2 px, py, pz sind 3 zueinander orthogonale reelle Wellenfunktionen (<pαpβ> = ∫4π pα(θ,φ) pβ(θ,φ) dΩ = δαβ) Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.4 Hybridisierung Bindung mit einem anderen Atom: Die weitgehend inerten 2s-Elektronen des Kohlenstoff-Atoms können mehr zur Bindung beitragen, wenn sie bei Annäherung des anderen Atoms 2p−Beimischungen bekommen, dh. statt zwei s-Zuständen (n=2) entstehen z.B. die (orthogonalen) Linear-Kombinationen: Ψi = ai s + bi pz (i=1,2). NB: + und − bezieht sich auf Vorzeichen der Wellenfunktionen Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.5 Energie-Bilanz ___2p ~ 4eV___2s Das kostet zwar zuerst einmal Anregungs-Energie, aber dies wird überkompensiert durch die zusätzliche Bindungsenergie infolge eines stärkeren Überlapps der Wellenfunktionen der bindenden Atome. ___1s Das Mischungsverhältnis |a|2/|b|2 ist so, dass die Energie minimiert wird. Bei Mischungsverhältnis 1:1, 1:2, 1:3: "sp, sp2, sp3-Hybridisierung". (Ähnliches gilt für Hybridisierung mit d- etc. Orbitals.) Hybridisierung = Zustands-Mischung = Rearrangement der Wellenfunktionen, um eine stärkere Bindung durch stärkeren Überlapp der Wellenfunktionen zu bekommen, z.B.: 2pz(leer) Atom 1 Atom 2 2s(↑) sp Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.6 1. sp-Hybridisierung s-Orbital + ± pz-Orbital = z − + sp-Hybrid Fremdatom ← an die herausstehende "Keulen" können andere Atome (rosa) andocken, mit maximalem Überlapp der Wellenfunktionen Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.7 etwas genauer: bei sp-Hybridisierung sind die Koeffizienten a = ± b, dh. zwei neue (orthogonale + antisymmetrisierte) Zustände: Ψ1 = (s + pz)/√2 Ψ2 = (s − pz)/√2 n=2, p s dh. Ψ1,2 = 1/(2√π) (1±√3 cosθ) n=1, s C ± C* 2 entgegengerichtete Orbitale des Atoms: sp-Hybidisierung günstig für lineare Bindung mit anderem Atom ψ1 + ψ2 = Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung ψ1 + ψ2 10.8 σ- und π-Bindung σ-Bindung: lokalisierte Bindung zwischen spz-Keulen und anderem Atom: oder dessen Keulen: ("head-on", Rotation erlaubt) σ pz σ σ π-Bindung: Die anderen beiden vorhandenen Orbitale px und py können ggf. auch eine Bindung eingehen, z.B. mit anderem C-Atom: ("edge-to-edge", Rotation behindert). insgesamt: C ≡ C C ¯ C py π py py π py s-p Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung σ py s-p 10.9 px Dreifach-Bindung zweier C-Atome px sp-Hybridisierung zweier C-Atome erlaubt lineare Dreifach-Bindung: π σ spz π eine starke σ-Bindung zwischen den spz-Hybriden py zwei schwächere π-Bindungen zwischen den reinen px-px und py-py Orbitalen Beispiel Acetylen: positive H+ sind maximal getrennt: oder H:C:::C:H Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.10 2. sp2-Hybridisierung in die Linear-Kombination können mehrere p- (oder andere) Orbitale einbezogen werden, z.B.: c1 s + c2 p x + c3 p y = sp2 + − + − − + + Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.11 etwas genauer: z sp2-Hybridisierung = ein s-Orbital + zwei p-Orbitale px, py superponiert zu dreiblättrigem, dh. trigonalem ebenen Orbital: y x Ψ1 =(s + √2 px)/√3 Ψ2 = s/√3 − px/√6 + py/√2 Ψ3 = s/√3 − px/√6 − py/√2 günstig für ebene 1200 Bindungen. Beispiel: sp2-Hybridisierung des C-Atoms Beispiele: Äthylen, Formaldehyd mit Doppelbindung C=C oder C::C eine sp2 σ-Bindung und eine pz π-Bindung Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.12 Doppel-Bindung zweier C-Atome ↑z pz pz sp2 + sp2 π σ = Äthylen Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.13 Beispiel: Bindungen im Benzol-Ring Benzol-Ring = + sp2 σ-Bindungen Die pz-Keulen verbinden sich zu einem elektrisch leitenden ringförmigen Zustand: + pz π-Bindungen: Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.14 3. sp3-Hybridisierung c1 s + c 2 px + c3 p y + Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung c 4 pz 10.15 etwas genauer: sp3-Hybridisierung des s- mit allen drei p-Orbitalen führt zu tetragonal angeordneten Orbitalen: genauer: Ψ1 = (s + px + py + pz)/2 Ψ2 = (s + px − py − pz)/2 Ψ3 = (s − px + py − pz)/2 Ψ2 = (s − px − py + pz)/2 Energiebilanz: Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.16 Beispiele sp3-Hybridisierung Methan CH4 H ·· H :C: H ·· H Ammoniak NH3 ·· H :N: H ·· H Wasser H2O ·· H :O: H ·· Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung Diamant C C ·· :C: ·· C:C:C ·· 10.17 CH4-Molekül sp3-Hybridisierung günstig zur Bildung von 4 tetragonalen σ-Einfach-Bindungen: Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.18 H2O-Molekül H2O: Bindungs-Winkel 1050, nahe Tetraeder-Winkel von 1090. daher sp3-Hybridisierung des O-Atoms naheliegend, mit zwei σ-Einfach-Bindungen H:O:H oder H¯O¯H Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.19 Zusammenfassung Hybridisierung sp-Hybrid: pz py px: ←px, py Orbitale unter 900, plus s: ←2 lineare s-pz Orbitale, 1800 z.B. σππ 3-fachbindung C≡C ___________________________________________________________________ oder sp2-Hybrid: ←pz-Orbital, 900, plus ←3 ebene Hybrid-Orbitale, 1200 z.B. σπ Doppelbindung C=C __________________________________________________________________ oder sp3-Hybrid: ←4 tetragonale Hybrid-Orbitale, unter 1090, z.B. σ Einfachbindung C−C im Diamant-Gitter Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.20 aber Vorsicht: Ab initio Rechnungen der Elektronen-Dichteverteilung bestätigen nicht immer die naiven Bilder der Hybridisierungs-Modelle. Z.B. zeigt die berechnete Elektronen-Verteilung des Wasser-Moleküls im Bild links keine Anzeichen der ungesättigten Elektronen-Paare auf den sp3-Keulen des Hybridisierungs-Modells im Bild rechts. H O versus: H Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.21 10.2 Massenwirkungs-Gesetz Ideales Gas aus 2 Atomarten A und B: nA und nB. Teilchenzahl-Dichten (cm-3): (bzw. Partial-Drücke (Pa): pA = nAkT und pB = nBkT) Zusammenstöße von A mit B: Die Stoßrate der ist proportional zu nA und zu nB, dh. zu nA·nB. A B A A B analog: Lösung von 2 Molekülarten A und B in Lösungsmittel: Konzentrationen (Mol/Liter) Chem. Reaktion von A mit B: [A] ~ nA und [B] ~ nB. A+B→C+D+… Die Reaktionsrate oder Reaktionsgeschwindigkeit υ1 ist proportional zu [A] und [B]: υ1 = k1 [A] [B] genauer: oder: A+B↔C+D+… "Edukte" ↔ "Produkte" Die Rück-Reaktionsrate υ2 ist proportional zu [C] und [D] … , z.B. υ2 = k2 [C] [D] Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.22 Chemisches Gleichgewicht Die Reaktion läuft so lange, bis im Gleichgewicht (t → ∞) die Konzentrationen [A], [B], [C], … ihre Endwerte erreicht haben, d.h. Hin-Reaktionsrate = Rück-Reaktionsrate: υ1 = υ2, und k2 [C]·[D] υ2/υ1 = ———— = 1 k1 [A]·[B] oder: [C]·[D] ——— = k1/k2 = K(T) [A]·[B] Beispiel: HI-Säure: H2 + I2 ↔ 2HI = HI + HI Im Gleichgewicht: [HI]2 ——— = K(T) [H2]·[I2] allg.: wenn in der Reaktionsgleichung n gleiche Moleküle M stehen, dann müssen für die Reaktion (egal ob Hin → oder Rück ←) n Moleküle M zusammentreffen, mit Rate ~ [M]n Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.23 Massenwirkungs-Gesetz Allgemeine chemische Reaktion: aA + bB + … ↔ cC + dD + … mit ganzzahligen stöchiometrischen Gewichten a, b, … und Molekül-Spezies A, B, … Im Gleichgewicht stellen sich die Molekül-Konzentrationen [A], [B], … ein nach dem Massenwirkungs-Gesetz: [C]c·[D]d ——— = K(T) a b [A] ·[B] Beispiel: H2 + I2 ↔ 2 HI, mit: Anfangs-Konzentration: End-Konzentration: 1 1 0 1−x 1−x 2x Mol/ℓ (ℓ=Liter) Mol/ℓ Massenwirkungs-Gesetz: (2x)2/(1−x)2 = K → x=(1− (1−α)½)/α Mol/Liter, mit α=(K−4)/K aus Tabelle: Rest-Konzentration: Produkt-Ausbeute: bei T=5000C ist K=46, dh. x = 0.77 Mol/ℓ: [H2]=[I2]=0.23 Mol/ℓ, [HI]=1.54 Mol/ℓ Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.24 Gleichgewichts-Konstante K(T) Die Gleichgewichts-Konstante K(T) im Massenwirkungs-Gesetz ist bestimmt durch einen Boltzmann-Faktor, aber im Exponenten steht nicht ∆E, sondern ∆G = Differenz der Freien ("Gibbs"-) Enthalpie zwischen Produkten und Edukten: ∆G = ∆H −T·∆S ↑ ↑ Entropie Wärme + Arbeit (Druck p=const) dh.: K(T) = exp(−∆G/kT) Die Entropie der Stoffe wird aus der gemessenen spezifischen Wärme berechnet: S(T) = ∫0T dQrev/T = ∫0T Cp(T) dT/T Die Enthalpie der Reaktionen wird gemessen; S und ∆H sind tabelliert. Beispiel Ammoniaksynthese: N2+3H2↔2NH3 ∆S = (2·0.193−0.191−3·0.131) = −0.198 kJ K−1Mol−1, ∆H = −2·46 kJ/Mol, dh. bei T=250C: ∆G = −92 + 298·0.198 = −33 kJ/Mol →K=105.5 (aber: Katalysator, hohe T, p nötig!) Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.25 Anwendungen des MassenwirkungsGesetzes Ausbeuten chemischer Reaktionen, deren Temperatur-Abhängigkeit, Änderung durch Zugabe von Edukten oder Wegnahme von Produkten, Änderung bei Verdünnung, Löslichkeit fester Stoffe, Elektrolytische Dissoziation, pH-Wert, Titration, etc. Physik IV SS 2005 9. Chemische Bindung 10.26