Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden

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Leseprobe
Schwarz / Beck
Konflikte konstruktiv lösen:
Leitlinien – Strategien – Methoden
PERSONALMANAGEMENT ALS FÜHRUNGSKONZEPT
Studienbrief 2-020-1505
2. Auflage 2008
HDL
HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING
Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Impressum
Die Berufsbezogenen Weiterbildungsstudiengänge Sozialmanagement und Öffentliches Dienstleistungsmanagement in der Studienform Fernstudium wurden als Projekt entwickelt und durch die Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung gefördert.
Verfasser:
Prof. Dr. Gotthart Schwarz
em. Professor für Politikwissenschaft im Fachbereich Sozialwesen
der Hochschule München und
Geschäftsführer des Instituts für Sozialmanagement (ISM), München
Prof. Dr. Reinhilde Beck
Professorin für Pädagogik und Psychologie im Fachbereich Sozialwesen
der Hochschule München
Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Modul „Personalmanagement als Führungskonzept“ und der Evaluation von Prof. Dr. G. Schwarz verfasst und bearbeitet. Die Bestätigung des
Curriculums, der Ergebnisse der Evaluation und des Studienbriefes erfolgten durch den
Fachausschuss für Sozialmanagement,
dem folgende Mitglieder angehören:
Dr. P. Bachmann (TFH Wildau), Prof. Dr. H. Bassarak (FH Nürnberg), RD G. Guldner (TFH Wildau), Prof. Dr. L.
Kolhoff (FH Braunschweig / Wolfenbüttel), Prof. D. Kramer PhD (ASFH Berlin), Dipl.-Phil. T. Liewald (Parität.
Akademie gGmbH, Berlin), Prof. Dr. K. Schellberg (HS München), Prof. Dr. G. Schwarz (HS München (em.) /
Inst. f. Sozialmanagement, München), Prof. Dr. L. Ungvári (TFH Wildau), Prof. Dr. S. Wagner (Parität. Akademie gGmbH, Berlin), Prof. Dr. A. Wöhrle (HS Mittweida), Dr. R. Wulfert (Service-Agentur des HDL, Brandenburg).
2., aktualisierte Auflage 2008
ISBN 978-3-86946-043-7
Redaktionsschluss: Juli 2008
Studienbrief 2-020-1505
© 2008 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning.
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auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer
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Leiter: Dr. Reinhard Wulfert
c/o Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V.
Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg
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E-Mail:
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Inhaltsverzeichnis
Einleitung..........................................................................................................................................................................................5
Literaturempfehlung.....................................................................................................................................................................6
1
Funktion und Bewertung von Konflikten im gesellschaftlichen Kontext...............................................7
1.1
Zur Ambivalenz von Konfliktangst und Konfliktregelung..........................................................................................................8
1.2
Gemeinschaft statt Gesellschaft – Harmoniebedürfnis mit Tradition...................................................................................9
1.3
Streit als „positive Sozialkraft“ für gesellschaftlichen Wandel............................................................................................... 10
2
Konflikt: Definition, Konfliktarten und -varianten.........................................................................................11
2.1
Begriffsbestimmung...............................................................................................................................................................................11
2.2
Konflikte und Nicht-Konflikte............................................................................................................................................................. 13
2.3
Nicht der Konflikt ist das Problem.................................................................................................................................................... 15
2.4
Arten, Varianten und Typen von Konflikten.................................................................................................................................. 16
2.4.1
Konflikte nach unterschiedlichen Streitgegenständen............................................................................................................ 18
2.4.2
Erscheinungsformen der Auseinandersetzung........................................................................................................................... 19
2.4.3
Ordnung der Konflikte nach Merkmalen der Konfliktparteien.............................................................................................. 21
3
Konflikte in Organisationen als komplexe „Wirklichkeitskonstruktionen“.......................................... 22
3.1
Linear-kausale Sicht................................................................................................................................................................................ 23
3.2
Systemische Sicht.................................................................................................................................................................................... 24
3.3
Wirklichkeitskonstruktive Sicht.......................................................................................................................................................... 26
4
Individuelle Reaktionen und subjektive Profilierung in Konflikten....................................................... 28
5
Einfluss von Organisationskultur auf Konfliktentstehung und ‑steuerung.........................................31
5.1
Organisation und individuelle Reaktionen................................................................................................................................... 32
5.2
Eingespielte und eingeschliffene Muster im Umgang mit Konflikten................................................................................ 33
6
Optimieren von Konfliktlösungen..................................................................................................................... 37
7
Leitlinien für konstruktive Konfliktlösungen.................................................................................................. 45
7.1
Interessenorientierung......................................................................................................................................................................... 45
7.2
Ziel- und Lösungsorientierung..........................................................................................................................................................46
7.3
Ressourcenorientierung....................................................................................................................................................................... 47
7.4
Effizienzorientierung............................................................................................................................................................................. 47
7.5
Prozessorientierung...............................................................................................................................................................................48
8
Interessenorientierte Verhandlungsführung:
Effektive Methode konstruktiver Konfliktlösung......................................................................................... 50
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4
Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Lösungshinweise zu den Kontrollfragen............................................................................................................................. 55
Literaturverzeichnis.................................................................................................................................................................... 57
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
K 5.1
Welche Bedeutung haben interne Regeln, Normen und Signale für
das Verhalten von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern?
K 5.2
Was haben Sie über die Bedeutung, Rolle und Funktion der sog. Organisationskultur erfahren?
K 5.3
Welche Strategiemuster für die Lösung von Konflikten haben Sie
kennen gelernt?
6
Optimieren von Konfliktlösungen
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Kontrollfragen
In diesem Kapitel stehen folgende Sachverhalte zur Diskussion:
•• Sie lernen ein Modell zur Optimierung von Konfliktlösungsschritten kennen;
Studienziele
•• Sie können anhand mehrerer Checklisten die vielfältigen Faktoren, Einflüsse
und Zusammenhänge in Konfliktsituationen analysieren und konkret bearbeiten.
Angenommen, Sie möchten Konflikte zwischen Einzelpersonen oder Konflikte
im Team, in einer Abteilung, einer Einrichtung oder gar zwischen den Repräsentantinnen/Repräsentanten einer Organisation und ihren externen Partnerinnen/Partnern zukünftig effektiver lösen, so setzt dies eine Bestandsaufnahme und Untersuchung des bestehenden Konfliktlösungssystems voraus. Aus
einer solchen Untersuchung und der Reflexion ihrer Ergebnisse aus Sicht der
betroffenen Personen/Parteien lassen sich wichtige Hinweise für die Entwicklung effektiverer Vorgehensweisen bei der Konfliktlösung, aber auch Hinweise
auf vorhandene Hindernisse ableiten, die es zu berücksichtigen gilt.
Das in Bild 6.1 dargestellte Orientierungsmodell für Konfliktlösungen kann Ihnen bei der Untersuchung eines bestehenden und der Entwicklung eines effektiveren Konfliktlösungssystems behilflich sein. Wir stützen uns im Folgenden
auf das von Ury/Brett/Goldberg (1990) in seinen Grundstrukturen entwickelte
Orientierungsmodell, das wir für unsere Zwecke an verschiedenen Stellen modifizieren, ausbauen und konkretisieren.
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Orientierungsmodell für Konfliktlösungen
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soziale
Unterstützung
Verfahren
Methoden
Strategien
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W IR T S CHA F T L I C H E S Bild 6.1
Orientierungsmodell für Konfliktlösungen
(vgl. Ury/Brett/Goldberg, 1990, S. 40)
Worin liegt der Nutzen eines solchen Orientierungsmodells? Es kann Ihnen
helfen,
–– die Aufmerksamkeit auf zentrale Bereiche und Dimensionen von Konflikten zu richten;
–– Zusammenhänge und „Muster“ von Konfliktabläufen herauszuarbeiten;
–– die Informationsflut zu ordnen und zu strukturieren;
–– Komplexität zu reduzieren, den Überblick und Handlungsfähigkeit zu
bewahren.
Im Zentrum des Modells stehen die typischen bzw. möglichen Muster der Konfliktbewältigung (machtorientierte oder ausgleichsorientierte Strategien), auf
welche die Konfliktparteien bei der Lösung ihrer Konflikte zurückgreifen können. Mit diesen Bewältigungsstrategien (Inputs) korrespondiert jeweils ein bestimmbarer Kosten/Nutzen-Effekt (Output). Er lässt sich anhand folgender Kriterien ermitteln:
–– Transaktionskosten,
–– Zufriedenheit der Konfliktparteien mit den Ergebnissen,
–– beziehungsgestaltende Auswirkungen der gewählten Konfliktstrategien,
–– Häufigkeit, mit der alte Konflikte wieder neu aufflammen.
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Die angewandten Strategien der Konfliktbewältigung werden ihrerseits beeinflusst durch die zur Verfügung stehenden und in Anspruch genommenen Ressourcen:
–– persönliche Ressourcen: Motivation, Wissen, Fähigkeiten der Konfliktbeteiligten;
–– materielle Ressourcen: Budget, Sachmittel, Zeit;
–– soziale Ressourcen: Unterstützung durch andere Personen;
–– methodische Ressourcen: verfügbare, vom Konsens getragene Verfahren/
Strategien;
–– kulturelle Ressourcen: akzeptierte Normen und Regeln der Organisationskultur.
Das Konfliktlösungssystem ist eingebettet in den umfassenderen Kontext einer Organisation und wird von diesem beeinflusst. Die Organisation unterliegt
ihrerseits wiederum Einflüssen ihres sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen
Umfelds.
Den genannten Bereichen des Orientierungsmodells lassen sich Beschreibungsdimensionen zuordnen, die mögliche Suchrichtungen für die Klärung
eines Konfliktkontextes und für die Entwicklung von Lösungsvisionen und
‑schritten aufweisen (siehe auch Checklisten 1 bis 10 im folgenden Bild 6.2):
Bild 6.2
Konfliktlösungen untersuchen und optimieren
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Wir haben den einzelnen Dimensionen Checklisten zugeordnet, in denen konkretere Suchrichtungen angegeben werden. Diese Checklisten enthalten im
Wesentlichen zirkuläre Fragen (Tomm, 2004). Im Unterschied zu linearen Fragen
sind sie besonders gut geeignet, Wirkungszusammenhänge zu erfassen und
zu klären.
Außerdem werden Sie feststellen, dass viele Fragen auf die Herausarbeitung
von Unterschieden – mehr/weniger, besser/schlechter, stärker/schwächer –
zielen. Dieses Vorgehen dient dazu, das im Ablauf des Konfliktgeschehens zunehmend enger gewordene Spektrum der Wahrnehmungs-, Denk-, Fühl- und
Verhaltensmöglichkeiten der Konfliktbeteiligten wieder zu erweitern und zu
flexibilisieren. Damit können vorhandene, aber nicht mehr wahrgenommene
und genutzte Ressourcen für alternative Möglichkeiten der Konfliktlösung wieder verdeutlicht und ins Blickfeld gerückt werden.
Die Frage nach den Unterschieden ist daher vor allem für die Entwicklung von
Lösungsalternativen und Lösungsschritten sehr nützlich (vgl. Tomm, 2004).
Bitte beachten Sie:
–– Nicht alle Dimensionen sind in einem Konfliktfall von gleicher Bedeutung.
Wie pauschal oder wie differenziert die Beschreibung/Klärung erfolgen soll,
hängt von der konkreten Situation ab. Wichtig ist nicht nur die Beschreibung/Klärung einzelner Aspekte. Vielmehr geht es darum, Zusammenhänge und „Muster“, mit anderen Worten das „Konflikt-Gewebe“ und ein „Lösungs-Gewebe“, herauszuarbeiten.
–– Nicht immer muss das ganze „Muster“ verstanden und bearbeitet werden.
Es reicht aus, wenn ein oder mehrere Elemente angegangen werden. Diesem Vorgehen liegt die systemische Annahme zugrunde, dass eine interdependente (zirkuläre) Wechselwirkung der Elemente auf allen Ebenen besteht und somit indirekt alle Musterbestandteile erfasst werden und ihre
Wechselwirkungsorganisation sich verändert.
Konfliktparteien/ Schlüsselpersonen (Checkliste 1)
Wer sind die Konfliktparteien?
–– Sind es einzelne Personen, Mitglieder einer Gruppe bzw. eines Teams?
–– Liegen zwei Teams/Abteilungen miteinander im Konflikt?
–– Geht es um den Konflikt zwischen einer Einrichtung und ihrem Träger?
Wer sind die Schlüsselpersonen der Konfliktparteien?
–– Gibt es Personen, die im Konfliktgeschehen eine zentrale Rolle einnehmen?
–– Welche Personen stehen eher am Rande?
Wie ist das Verhältnis innerhalb und zwischen den Konfliktparteien?
–– Ist die Zugehörigkeit der Konfliktparteien eindeutig oder gibt es Überlappungen?
–– Werden Personen bedroht, die sich nicht ausschließlich zu einer Gruppe bekennen?
–– Wie verhält man sich gegenüber indifferenten Personen?
–– Wird Druck ausgeübt? Von wem, auf wen, in welchen Situationen?
–– Was für Auswirkungen hat das für die Betroffenen, welche auf die anderen?
Aus den Antworten, die sich aus Checkliste 1 ergeben, wird für die beratende
Partei erkennbar, welche der Konfliktparteien sich als „Anklägerin“, welche als
„Problemträgerin“ versteht, bzw. gesehen wird und wer eher die Position eines
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Unbeteiligten einnimmt. Dies lässt Vermutungen darüber zu, wer am ehesten
und wer am wenigsten an Veränderungen interessiert ist.
Konfliktthemen (Checkliste 2)
Was sind die zentralen Konfliktthemen, Konfliktinhalte (Issues)?
–– Welche Konfliktpartei definiert was als Problem/ Konflikt?
–– Wo liegen die Übereinstimmungen/Abweichungen?
–– Wer stimmt überein/ weicht ab?
–– Welche Issues haben für welche Parteien starke/ weniger starke/ keine Bedeutung?
–– Wie stark sind die Parteien mit den Issues identifiziert („centrality of the issue”)?
–– Wer sieht Alternativen bzw. lässt welche zu, wer nicht?
–– Wie weit kennen die Beteiligten die Issues der Gegenseite?
  
Wo sehen die Beteiligten die Ursachen für den Konflikt?
–– Gibt es unterschiedliche Sichtweisen, Überschneidungen?
–– Welche Schlussfolgerungen ziehen die Beteiligten aus ihrer Sicht der Ursachen?
–– Welche Veränderungsschritte halten sie für notwendig?
–– Welche Erwartungen haben die Parteien aneinander, gegebenenfalls an eine Drittpartei?
Durch die mit Checkliste 2 beabsichtigte Herausarbeitung der Streitinhalte, der
beschriebenen Ursachen, Zusammenhänge, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung der Beteiligten lassen sich wichtige Hinweise für
die Bearbeitung der Konfliktproblematik gewinnen.
Abstecken des Konfliktrahmens (Checkliste 3)
Auf welchen Ebenen ist der Konflikt lokalisiert?
–– Zwischen einzelnen Personen (Vorgesetzte, Mitarbeiter/ -in, Kollege/ Kollegin), Team/ Gruppe,
Abteilung, Organisation, Organisation – Umfeld (z. B. vorgesetzte Behörde, Trägerverein, Kunde,
Gesetzgeber)
Welche und wie viele Beteiligte, und welche und wie viele Ebenen sind in den Konflikt einbe‑
zogen?
Aus den Antworten auf die gestellten Fragen in Checkliste 3 lässt sich der Konfliktrahmen abstecken. Handelt es sich um Konflikte zwischen Einzelpersonen
(Mikroebene), zwischen Organisationen oder ihren Subsystemen (Mesoebene)
oder zwischen Organisationen und ihrem Umfeld (Makroebene)? Je weiter der
Konfliktrahmen gesteckt werden muss, desto komplexer ist das „Konfliktgewebe“.
Häufigkeit von Konflikten (Checkliste 4)
Wie häufig kommt es zu Konflikten?
–– in welchen Situationen?
–– zu welchen Zeiten?
–– bei welchen Beteiligten?
–– zu welchen Konfliktfällen?
Gibt es Zeiten/ Umstände, in denen die Zahl der Konflikte eher gering/ eher hoch ist?
–– Welche Erklärungen geben die Beteiligten hierfür?
Durch eine Untersuchung der bisher angewandten Konfliktlösungsstrategien
können typische Muster der Konfliktbearbeitung konkret und detailliert herausgearbeitet werden (Checkliste 4), um sich ein Bild zu verschaffen, wie in
dem betreffenden System Konflikte bisher angegangen wurden.
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Konfliktverlauf – Konflikteskalation (Checkliste 5)
Was erleben die Konfliktparteien als positive/ negative Wendepunkte im Konfliktverlauf
(„kritische Momente“)?
–– Was sind typische, exemplarische Episoden („crucial events“) im Konfliktverlauf?
–– Was ist geeignet, den Konflikt zu intensivieren/zu schwächen?
–– Wurde der Konflikt intensiviert?
–– Gibt es Situationen, Anlässe in denen eine Distanzierung vom Konflikt möglich ist? Wann mehr,
wann weniger?
–– Welche Erklärungen haben die Beteiligten dafür?
–– Welche Schlussfolgerungen ziehen sie daraus?
–– In welchen Situationen wird der Konflikt heiß/kalt?
–– Wer oder was trägt dazu bei, den Konflikt eher heiß/kalt werden zu lassen?
Die Klärung des Eskalationsgrades eines Konflikts mit Hilfe der in Checkliste 5
aufgeworfenen Fragen kann Anhaltspunkte für die notwendigen Sofortmaßnahmen liefern. Wie kann ein Unkontrollierbar-Werden des Konfliktes verhindert werden? Wo müssen mittel- und langfristige Maßnahmen ansetzen?
Muster der Konfliktbewältigung (Checkliste 6)
Welche Strategien werden von welchen Personen/ Gruppen in welchen Konfliktsituationen,
mit welchen Konsequenzen eingesetzt?
–– Gibt es in der Organisation institutionalisierte Verfahren der Konfliktbewältigung?
–– Wie verbindlich sind diese Verfahren?
–– Wer greift wann darauf zurück?
–– Welche Lösungsversuche gab es bisher schon, mit welchen Auswirkungen für wen?
Anhand der Kriterien in Checkliste 6 müssen die typischen Verlaufsmuster bisheriger vergeblicher (oder nur kurzfristiger vermeintlicher) Konfliktlösungen
so konkret und detailliert wie möglich analysiert werden, um herauszufinden,
wo die Ursachen ihres Misserfolgs liegen. Ein Beziehungssystem verfügt in der
Regel über eine Auswahl eingeschliffener, eingespielter Konfliktlösungsmuster,
die aber nicht immer erfolgreich sein müssen.
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Organisation als Konfliktquelle (Checkliste 7)
Entspricht der Zweck der Organisation noch den aktuellen, gesellschaft‑lichen Anforderun‑
gen?
–– Ist eine Überprüfung, Klärung, Neubestimmung erforderlich?
–– Ist die Kernaufgabe der Organisation für Mitarbeiter/-innen, Vorgesetzte klar?
–– Gibt es (geeignete, ausreichende) Leitsätze, Strategien, Programme zur Konkretisierung der Kernaufgaben?
–– Sind diese Leitsätze den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern bekannt, transparent?
–– Wie zweckdienlich sind die Organisationskonzepte im Hinblick auf die Kernaufgaben, die aktuellen Ziele, die zur Verfügung stehenden Ressourcen?
–– Sind die Organisationseinheiten für die Mitarbeiter/-innen übersichtlich?
–– Wie werden die Mitarbeiter/-innen in ihren Kompetenzen gefordert und eingesetzt?
–– Werden Bedürfnisse, Interessen, Ziele der Mitarbeiter/-innen berücksichtigt?
–– Welche Personen, Gruppen verfügen in der Organisation über starken Einfluss/reale Macht? Wer
hat nur geringen Einfluss?
–– Inwieweit deckt sich dies mit der formellen Position?
–– Wie laufen Entscheidungsprozesse ab?
–– Was für Entscheidungsarten werden bevorzugt?
–– Welche formellen/informellen Positionen/Beziehungen gibt es?
––
––
––
––
––
––
Stehen Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung, Gehalt in einem ausgewogenen Verhältnis?
Wie viel Planung, Kontrolle, Gestaltungsmöglichkeiten lässt die eigene Funktion zu?
Gibt es Engpässe, Schwachstellen, Umwege, Verzögerungen im Ablauf?
Wie menschengerecht sind eingesetzte Mittel, Maschinen, Technologien?
Wie viel Zeit steht wem für die Aufgabenerfüllung zur Verfügung?
Welche Gestaltungsspielräume für individuelle Arbeitszeitwünsche stehen wem, wann zur Verfügung?
Anhand der Analyse in Checkliste 7 wird deutlich, dass Konflikte nicht nur in
mikrosystemischen, persönlichen Beziehungen entstehen, sondern auch von
dem umfassenden organisatorischen Gesamtrahmen beeinflusst werden.
Mögliche organisationelle Konfliktquellen sind z. B. Streitigkeiten über Aufgaben, Kompetenzen, Prozeduren, Widersprüche zwischen der Zentrale und den
Subsystemen (Abteilungen), formelle und informelle Positionen oder Beziehungen, Veränderungen in der Organisation oder von außen durch verschärften Wettbewerb, erhöhte Anforderungen an die Qualität der Produkte, technische Neuerungen etc. Eine Klärung des Konfliktpotenzials einer Organisation
ist für die Strategie der Konfliktvorbeugung unverzichtbar.
Bilanzierung der Kosten bisheriger Bewältigungsstrategien (Checkliste 8)
Welche Bedrohungen/ Einbußen/Verluste/ Beeinträchtigungen (vergeudete Zeit, materielle Verluste, nervliche Belastungen, verpasste Chancen, Prestigeverlust) sind mit welchen auf die
Konfliktbewältigung bezogenen Verhaltensweisen, Verfahren, Strategien verbunden?
–– Wer ist am meisten/ am wenigsten davon betroffen?
Indem sich die Beteiligten mit der Bilanzierung der Kosten für die bislang bevorzugte Art der Konfliktbewältigung beschäftigen (Checkliste 8), können sie
dazu angeregt werden, ihren Blick auf die Frage nach der Zieldienlichkeit der
praktizierten Strategien zu richten.
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Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
Zusammenhänge zwischen Ressourcen und Art der Konfliktbewältigung (Checkliste 9)
Welche Umgangsweisen mit Konflikten werden von Vorgesetzten/ Kolleginnen/Kollegen ge‑
lobt, unterstützt/ bestraft, nicht unterstützt/ blockiert (formelles/ informelles Lob)?
–– Nach welchen Kriterien und über welche Verfahren werden Schlüsselpositionen besetzt?
–– Spielt das Kriterium „Kommunikations- und Konfliktfähigkeit” bei der Auswahl von Führungspersonal eher eine geringe/eine große Rolle?
–– Wie gut können die Parteien einander zuhören, nach kreativen Lösungen suchen?
–– Welche unternehmenskulturellen Botschaften fördern/ behindern interessenorientierte Lösungsstrategien?
–– Gibt es Personen, die (in oder außerhalb der Einrichtung/des Unternehmens) von den Konfliktparteien um Unterstützung gebeten werden können?
Welche Rolle spielt der Mangel an Geld und Sachmitteln bei Konfliktfällen?
In Checkliste 9 geht es um die Klärung von Zusammenhängen zwischen Ressourcen (materiellen und nichtmateriellen) und der gewählten Art der Konfliktbewältigung; ferner um die Frage, ob die für eine tragfähige Konfliktlösung
benötigten Ressourcen in der Organisation in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Die Ressourcenklärung („Was steht uns an Mitteln für die Konfliktlösung zur Verfügung?“) gibt wichtige Hinweise für die Interventionsplanung
und für die Konstruktion von Lösungsschritten.
Konfliktlösungen untersuchen und optimieren (Checkliste 10)
1.Bündeln und gewichten Sie die Ergebnisse, indem Sie festhalten,
–– welche Konfliktfälle, wie häufig, zwischen welchen Konfliktparteien auftreten;
–– wer mit welchen Konfliktfällen wie umgeht;
–– von wem bestimmte Verfahren warum bevorzugt eingesetzt werden;
–– welche Verfahren unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht einsetzbar sind;
–– ob ausreichend Ressourcen vorhanden sind, die die Konfliktparteien bei der Konfliktlösung unterstützen können;
–– ob Hilfsmittel nötig sind;
–– ob beteiligte Personen gefördert, geschult, gecoacht oder ausgewechselt werden sollten.
2.Ordnen Sie die Informationen danach,
–– was eher zum konflikterhaltenden System und
–– was eher zum Lösungssystem gehört.
3.Entwickeln Sie Ideen darüber,
–– welche Elemente im Konfliktsystem im Sinne der Zieldienlichkeit und einer Kostenoptimierung
verändert/ersetzt/ergänzt werden könnten.
4.Setzen Sie Prioritäten!
–– Jeder genannte Bereich umfasst eine Menge von Elementen, die sich für eine Musteränderung
anbieten. Daher sollten Sie gewichten und Prioritäten setzen.
–– Schätzen Sie ein, welche Elemente sich am leichtesten und kostengünstigsten für eine Änderung
eignen, welche am wenigsten.
Mit Hilfe der vorgegebenen Analyse in Checkliste 10 können Sie Ihre Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung (Checklisten 1 bis 9) zusammenfassen, ordnen und gewichten. Auf dieser Basis werden Sie in der Lage sein,
detaillierte, konkrete Lösungsschritte zu entwickeln und Interventionen zu planen. Jeder Konfliktbeteiligte muss sich in Phasen der Konfliktbearbeitung entscheiden, ob er/sie Teil des Problems bleiben oder Teil der Lösung werden will.
Diese Chance nicht abzulehnen oder zu verspielen, sondern als Verantwortung
zu begreifen, ist eine wesentliche Voraussetzung und Aufgabe jedes erfolgreichen Konfliktmanagements.
HDL
Konflikte konstruktiv lösen: Leitlinien – Strategien – Methoden
K 6.1
Welchen Nutzen für die Anwendung des vorgestellten Orientierungsmodells zur Konfliktlösung haben Sie kennen gelernt?
K 6.2
Welche Faktoren, Elemente, Aspekte und Zusammenhänge von
Konflikten müssen für die Vorbereitung und Durchführung einer
Lösung geklärt werden?
7
Leitlinien für konstruktive
Konfliktlösungen
45
Kontrollfragen
In dem folgenden Kapitel werden Ihnen
•• einige Leitlinien (nach dem Harvard-Modell) für eine erfolgreiche Konfliktbearbeitung vorgestellt;
Studienziele
•• praktische Ratschläge für konkrete Schritte bei der Konfliktbearbeitung angeboten.
Ein effektives Konfliktlösungssystem ist darauf angelegt, die Kosten eines Konfliktfalls zu senken und dauerhafte, zufrieden stellende Lösungen zu entwickeln. Was Sie im Auge behalten sollten, wenn Sie ein solches System entwickeln
möchten, zeigt Bild 7.1.
Prozessorientierung
Effizienzorientierung
Interessenorientierung
Leitlinien
zur
Konfliktlösung
Ziel- und Lösungsorientierung
Ressourcenorientierung
Bild 7.1
Leitlinien zur Konfliktlösung
7.1
Interessenorientierung
Richten Sie die Aufmerksamkeit auf die Interessen der Konfliktparteien. Interessen der Menschen sind kontextabhängig und können sich je nach Situation
verändern. In der Arbeitsbeziehung zu den Kolleginnen/Kollegen können andere Interessen/Ziele verfolgt werden, als im Team und dort wiederum andere
als mit Blick auf die Vorgesetzten oder das ganze Unternehmen. Interessen stehen also häufig in wechselseitiger Konkurrenz, sie aufeinander abzustimmen
ist nicht einfach.
Interessen sind in der Regel stark emotional verankert. Daher sind bei den
meisten Interessenkonflikten auch Gefühle/Emotionen angesprochen. Je stärHDL
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