Die göttliche Sonne - rontalerbrattig.ch

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Die göttliche Sonne
von Paolo Brenni, Luzern
Leben auf unserem Planeten Erde war und ist nur mög­
lich, weil ein idealer Abstand zwischen der Sonne und der
sie umkreisenden Erde herrscht. Die Sonne gehört zu den
rund 200'000 Millionen Himmelskörpern unserer Galaxie
(Milchstrasse) und gilt da astronomisch eher als ((Zwerg­
Stern»! Trotzdem hat sie eine Oberfläche die 11'800-mal
grösser ist als diejenige unserer Erde, mit einer Masse, die
333'000-mal schwerer ist als unser Planet. Die Erde ist im
Vergleich zur Sonne wie ein Stecknadelkopf zu einer
grossen Kugel auf der Kegelbahn.
Unsere Welt - nicht nur wir Menschen, sondern auch Tie­
re und Pflanzen - können ohne Einstrahlung der Sonne
nicht leben. Kein Wunder also, dass für die Menschen die
lebensnotwendige Sonne schon immer eine grosse Rolle
gespielt hat. Die Sonne ist wohl das häufigste Symbol
aller Zeiten und Zonen und entspricht einem ((Archetyp»
Echnatan, Begründer eines altägyptischen Sonnenkultes
von Carl Gustav Jung: Als Kreis oder Kugel - Zeichen der
Vollkommenheit. Auffallend oft setzen Kinder die strah­
Die Sonne galt eh und je als unsterblich und göttlich, weil
lende Sonne in ihre Zeichnungen, nicht einfach nur als
sie jeden Morgen neu aufgeht, nachdem sie am Abend ins
Gestirn am Horizont, sondern auch als Ausdruck ihres
Totenreich abgesunken ist. Dazu schrieb Dante Alighieri:
Gemütszustandes und ihrer Erlebnisse. Der ehemalige
Zuger Regierungsrat Andreas Iten hat als Pädagoge und
((Es gibt nichts Sichtbares auf der ganzen Welt, das es
Schriftsteller darüber nach langjährigen Beobachtungen
mehr verdient als Symbol für Gott zu dienen, als die Son­
interessante Bücher verfasst. Sensiblen Erziehern eröff­
ne, die zuerst sich selbst und danach alle Körper des Him­
net damit ein Blick in die Innenwelt des zeichnenden Kin­
mels und der Welt mit sichtbarem Leben erleuchtet.»
des die Möglichkeit, sich in die jungen Menschen einzu­
fühlen und ihnen zu helfen.
Als in verschiedenen Kulturen die Sonne als Gottheit des
Lichtes und des Lebens verehrt wurde, entwickelten sich
Feiern, etwa zur täglichen Wiedergeburt, zur jahreszeitli­
chen Sonnenwende oder zur Beschwörung der Lebens­
energie, mit Ritualen und Sonnentänzen. Berühmte Kul­
turstätten zeugen von den Sonnenkulten: Heliopolis in
Ägypten, Czci, die Stadt der Inkas, mit ihren Sonnentem­
peln in Peru, die Megalithen von Stonehenge in England
oder das Heiligtum von Externsteine im Teutoburger
Wald, deren Altäre, den Wendepunkt des Sonnenlaufs
markieren. Die Sonne bestimmte schliesslich den Lauf der
Zeit und schon früh wurde ihre Strahlung mit der Son­
nenuhr - der wohl ersten Zeitmessung - genutzt. Die
Babyionier verehrten den Sonnengott Schamasch, die
Ägypter Horus und nannten ihn Re als Sonne im Zenit
und Osiris als untergehende Sonne. Das hat zu faszinie­
renden Fresken und Reliefs animiert und zu den aus
einem einzigen Steinstück gehauenen Obelisken (heute
noch sichtbar auf dem römischen Petersplatz, an der Pla­
ce de la Concorde in Paris ua.) Der schöne Reiher galt hier
als verwandelter Sonnengott auf Erden. Man erzählte, er
habe sich selber verbrannt. Aus seiner Asche sei er aber
Sonnentanz der Dakota-Indianer
11n
nach langer Zeit neu geboren worden. Die Griechen über
rechts:
Kultwagen mit goldener Sonnenscheibe und Pferd im germanischen
Mythos
unten:
Sonnenauge des ägyptischen Gottes Re, zeigt als Symbol die Sonne
und das Auge zugleich
Selbstverständlich
wurde
auch
im
Christentum
von
Anfang an die Sonne bestenfalls Sinnbild des Göttlichen.
In der Geschichte von der Verklärung Jesu (Matthäus
17)
heisst es, «sein Gesicht leuchtete wie die Sonne)). So wur­
nahmen die Fabel dieses Vogels und nannten ihn Phönix.
de später häufig Jesus als «Sonne der Gerechtigkeitn
Er wurde in Helio-Polis (Stadt des Sonnenkönigs) verehrt.
gepriesen. Nach dem Zeugnis des Kirchenvaters Eusebius
die
von Alexandrien beteiligten sich die Christen noch im 5.
der Sohn des Sonnengottes
Jahrhundert an der Verehrung der aufgehenden Sonne.
Helios, die feurigen Pferde der Sonne nicht zu zügeln ver­
Als Festtag der Geburt Jesu wählten sie ja den Tag, da die
stand, sodass sie nahe an die Erde gerieten, Wälder ent­
heidnischen Römer den Sol, den Sonnengott verehrten -
Berühmt
ist
aus
der
griechischen
Geschichte, wie Phaeton,
Mythologie
zündeten, Menschen verkohlten und Lybien zur Wüste
nämlich den Tag, da die Sonne wieder zu steigen
verdorren liessen. In indischen Erzählungen überwindet
beginnt.: Ende Dezember. Und schliesslich ist der siebte
der Gott Indra als Sonne den Drachen des Chaos und der
Tag der Schöpfung jede Woche einmal als Sonntag dem
Finsternis Vrty. Auch Shiva gilt als indischer Sonnengott,
Schöpfer geheiligt. Ein Mosaik aus dem 4. Jahrhundert in
dessen Strahlen die schöpferischen Shaktri sind und
den vatikanischen Grotten zeigt Christus als (griechi­
Leben in die Welt setzen.
schen) Helios im Strahlenkranz auf dem Sonnenwagen.
In liturgischen Texten und in Gedichten und Geschichten
der Christenheit wird die Sonne häufig als Gottes-Sym­
Der griechische
bol besungen - so im berühmten Sonnengesang des Hei­
Sonnengott Helios
ligen Franz von Assisi:
((Gelobt seiest du, mein Herr
mit all deinen Geschöpfen:
vornehmlich der edlen Herrin,
Schwester Sonne,
die uns den Tag schenkt durch ihr Licht,
und schön ist sie und strahlend in grossem Glanz:
dein Sinnbild, Höchster)).
Die weisen Juden waren es, die zwei Jahrtausende vor
Galilei und Kepler erkannten, dass Sonne, Mond und
Sterne nicht Götter, sondern Geschöpfe sind und Gott
selber Geist ist. So hörte allmählich die Sonnenanbetung
auf. Damit distanzierte sich das Volk Israel von den
umliegenden Völkern. Trotzdem waren sich die Juden der
wichtigen Stellung der Sonne im Weltall bewusst. Weit
über hundertmal wird in der Bibel die Sonne dankbar
erwähnt. Sie wird aufgefordert, mit den Menschen und
den Engeln Gott zu verherrlichen. Der Prophet Moham­
med - beeinflusst von der Bibel - hat bei den arabischen
Stämmen die Sonne ebenfalls als Gottheit entthront.
Dennoch wird im Islam die Sonne als «Auge Gottes))
bezeichnet. Mystiker aller Zeiten und Religionen bezeich­
Megalithen als Heiligtümer und astronomische Orte der Kraft, wie hier
nen etwa das «Licht des kosmischen Bewusstseins)) als so
in Stonehenge. Deren Altäre morkierten den Wendepunkt des Sonnen­
hell wie tausend Sonnen.
laufs.
(Farbbild auf der letzten Seite)
111
Die "Sonnensteine!! von Stonehenge - faszinierend, mythisch und
mysteriös.
Heute ist die Sonne in
unsern Lebensbereichen schon
fast allgegenwärtig, als Segen und als Gefahr, von Ernte­
dank bis Dürre und Hungersnot, von strahlendem Wetter
bis bedrohlicher Klimaveränderung. Die Sonne ist ein glo­
balisierendes Thema geworden.
Die Nutzung der Son­
Sonnenuhr an der alten Kirche von Buchrain
nenstrahlen hat sich von der Zeitmessung zur alternati­
ven Energie, ja sogar
(Morgenseite)
bis zum Solarmobil und zur
Solar-Börse weiterentwickelt. Uhren und Rechner laufen
mit Sonnenenergie. ({Sonnige)) Orte tragen ihren Namen auch bei uns im Rontal -, wie etwa Sonnhalde, Sonnen­
platz oder die Gasthäuser ({zur Sonne)). Selbst ab Brief­
marken ({lacht die Sonne)). Wer einen ({Platz an der Son­
ne)) und ({Sonne im Herzen)) hat, ist ein ({Sonnyboy» oder
({Sonny Girl)) und lebt ({on den sunny side of the streetn.
Berühmt ist das Wort, das der in einem Fass lebende Phi­
losoph Diogenes dem Eroberer Athens Alexander dem
Grossen entgegengeschleudert hat, als dieser ihm jeden
Wunsch zu erfüllen verprach. Statt Reichtum und Macht
zu erbitten sagte Diogenes:({Bitte geh mir aus der Son­
ne!))
Sonnen­
Bilder
aus unserem
Alltag
Wirtshaus-Schilder
"zur Sonne!! finden
wir landauf und lan­
dab. auch im Rontal
und Habsburgeramt.
Die Fotos zu unsern
zwei Beispielen wur­
den uns zur Verfü­
gung gestellt von
Josef Ritler, Ebikon
oben:
Gasthaus Sonne
Inwil
links:
Gasthaus Sonne
Ebikon
Zeichnung von Urban aus dem Buch "Die Sonne in der Kinderzeichnung
und ihre phsychologische Bedeutung!! von Andreas Iten,
im Verlag H.R. Balmer, Zug
Schweizer Briefmarke aus dem
internationalen Kinderwettbe­
werb 1999 "Zeichne die
Zukunft!! an dem sich 37'000
Kinder beteiligten.
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