Beilage zu Hochparterre Nr. 4 | 2004 Fiberglas: Das Material mit Eigenschaften Impressum Texte und Redaktion: Benedikt Loderer Inhalt Design: Barbara Schrag Produktion: Sue Lüthi Korrektur: Elisabeth Sele Verlag: Susanne von Arx Designkonzept: Susanne Kreuzer Litho: Team media GmbH, Obfelden Druck: Südostschweiz Print, Chur Umschlagfoto aussen: Yves André Umschlagfoto innen: Mike Frei 4 6 8 10 17 20 22 Fiberglas an der Expo: Der leuchtende Hügel Die Geschichte: Kunststoff am Bau Fiberglas als Fassade Fiberglas in Projekten Fiberglas im Design Fiberglas im Brückenbau Grundwissen für Ingenieure: Fiberglas im Bau Eine Beilage zu Hochparterre 4/04 © Hochparterre, Ausstellungsstrasse 25, 8005 Zürich Herausgegeben vom Verlag Hochparterre in Zusammenarbeit mit Swissfiber, Zürich Zu beziehen bei: Swissfiber, Bachmattstrasse 53, 8048 Zürich, 01 433 12 12, www.swissfiber.ch Preisausschreiben ‹Fiberglas im Bauwesen› Der Fiberglaspreis wurde 2004 von der Firma Swissfiber gestiftet, um gut gestaltete und werkstoffgerechte Objekte aus Fiberglas bekannt zu machen. Mit dem Preis werden beispielhafte Leistungen der Architektur, des Designs und der Ingenieurbaukunst ausgezeichnet. Teilnehmen können Architekten, Ingenieure und Bauherren. Neben Wohn-, Verwaltungs- und Industriebauten können auch Ingenieurbauwerke wie Fernsehtürme, Brücken oder auch grössere Sportstätten eingereicht werden. Die Preisträger werden durch eine Fachjury ermittelt. Die Preisverleihung findet im Rahmen eines Anlasses statt. --› Aufgabe: Die Teilnehmer sollen aufzeigen, wie Fiberglas / advanced composites optimal, das heisst gut gestaltet, form- und werkstoffgerecht im Bauwesen eingesetzt wurde oder werden soll. --› Anmeldung: Anmeldeformular und Wettbewerbsbedingungen unter www.swissfiber.com/fiberglaspreis Ein Lichtbaustoff In diesem Sonderheft geht es um ein Material: Um glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) oder im Volksmund Fiberglas genannt. Ein Material mit Eigenschaften. Mit vielen Eigenschaften. Fiberglas verrottet nicht, fault nicht. Man kann es kleben, sägen, wie Stahl belasten. Es ist als Platte, Hohlprofil oder Formstück zu haben. Man kann es färben wie man will, kann sich die Oberflächenstruktur aussuchen. Fiberglas ist brandsicher, abriebfest, chemieresistent, schneepflugtauglich. Fiberglas fürchtet sich weder vor ultraviolettem Licht noch vor Strassensalz. Das alles beeindruckt noch keine Architektin und keinen Architekten. Es gibt aber eine Eigenschaft, die alle andern überstrahlt: Fiberglas ist transluzent. Fiberglas leuchtet, beleuchtet, erleuchtet. Mit Fiberglas wird ein alter Architektentraum Wirklichkeit: die leuchtende Wand. Man kann schimmernde, glänzende, strahlende Oberflächen erzielen, kann mit Farben spielen, kann die Wirkung dosieren. Mit Fiberglas kommt man zu einer neuen Lichtarchitektur. Alle Beispiele in diesem Sonderheft nützen die Transluzenz des Materials aus. Ohne diese wäre Fiberglas nur ein Material mehr auf dem Markt, mit Transluzenz ist es ein Lichtbaustoff. Was ist Fiberglas? Ein Laminat. Dazu braucht es eine Form, wie die Schalung beim Beton. Darin wird zuerst eine Lage Harz (meistens Polyester, ein Erdölderivat) aufgebracht. Darauf kommen Matten oder Gewebe aus Glasfasern, die mit einer Art Roller ins Harz gedrückt werden und sich damit verbinden. Es folgt eine nächste Harzschicht, dann wieder die Glasfasern und so weiter, bis die für den Zweck nötige Stärke erreicht ist. Die äusserste Schicht wird besonders gewählt, damit sie die Oberfläche und die Beständigkeit hat, die man braucht. Die gewünschten Farben werden durch Zusätze im Harz ermöglicht. Ohne ist Fiberglas klar und schimmert bläulich oder gelblich. Nach dem Laminieren bindet Fiberglas ab und zwar auch unter Wärme. Komplizierte Werkstücke aus Fiberglas sind Handarbeit, Serien Manufaktur, aber es gibt auch eine automatische, industrielle Produktion. Das Harz als die Matrix übernimmt die Druck-, die Fasern als die Armierung die Zugkräfte. Verwendet man tragendes Fiberglas, so gilt die alte Ingenieurregel: Je weniger Material, desto besser. Denn Fiberglas ist verhältnismässig teuer. Nützt man die Tragfähigkeit des Materials aus und setzt man Fiberglas werkstoffgerecht ein, so kommt man zu leichteren und wirtschaftlichen Lösungen mit grossen statischen Höhen. Es ergeben sich andere Formen als im Stahl- oder Betonbau. Dieses Sonderheft richtet sich an Architektinnen, Designer und Ingenieure und versucht durch realisierte Beispiele zu überzeugen. Sie stammen alle aus den letzten Jahren und wollen illustrieren, wofür man Fiberglas alles brauchen kann. Benedikt Loderer Editorial 3 Der leuchtende Hügel ‹Forum Soft›. So unscharf wie der Name war das Gebilde. Ein Gebäude? Nein. Ein Dach? Nicht nur. Ein Hügel? Das auch. Man muss dieses schimmernde Ding als einen Bestandteil der Ausstellungslandschaft der Arteplage von Yverdon verstehen. Das Forum Soft war einer der Buckelhügel. Superstruktur heisst diese Konstruktion in der Planersprache. Sie ist ein 350 Meter langes Schutzdach, das sich über die darunter gestellten Ausstellungspavillons wölbte. Im Kern eine Stahlkonstruktion: Fischbauchträger auf schrägen Stützen, äusserlich ein Walfisch, der auf einer Stützenpalisade ruht. Am eindrücklichsten ist das Forum Soft noch ohne die Ausstellungspavillons: ein riesiger, leuchtender Baldachin aus drei sich überschiebenden, langgestreckten Wolken. Rund 12 000 m 2 Bodenfläche wurden überdeckt, wofür rund 48 000 m 2 Haut nötig waren. Denn der Fischbauchträger ist sowohl auf der Ober- wie der Unterseite eingepackt. Die fliessenden, organischen Formen verlangten nach einer anpassungsfähigen Haut. Nach vielen Varianten fand sich die Lösung mit Fiberglas: Auf der Oberseite wurden U-Profile, 80 cm breit und 10 cm hoch, wie Mönch- und Nonnenziegel ineinander gefügt und mit Stahlnägeln auf der Unterkonstruktion befestigt. An der Unterseite waren die Profile nur 40 cm breit und wurden neben-, nicht ineinander montiert. Die Elemente sind bis zu 12 m lang. Diese Übergrössen verhinderten eine Montage bei Wind. Da das Dach kaum einen rechten Winkel hat, glichen konische Elemente die Differenzen aus. Die Nachgiebigkeit des Materials Fiberglas erlaubt es, sich den Verdrehungen der gebogenen Oberflächen anzupassen. Trotzdem war viel Einpassarbeit nötig. Die Trennscheibe und die Handsäge waren die wichtigsten Werkzeuge auf der Baustelle. Vier Fünftel der Montagearbeit entsprachen den Plänen, ein Fünftel musste auf der Ausstellungspavillon ‹Forum Soft› Arteplage Yverdon, Expo.02, Schweiz --› Bauherrschaft: Expo.02 --› Architektur: Vehovar + Jauslin, Zürich; Mühlemann & Partner, Grenchen --› Ingenieure: Swissfiber, Zürich --› Generalunternehmung: Swissfiber, Zürich 2 3 Baustelle improvisiert werden. Das Ergebnis war eine Fugenteilung ‹im Flussprinzip›, das den organischen Formen folgte und keine gespannte, sondern eine geschuppte Haut ergab. Die Dachhaut ist nur 3 Kilogramm pro Quadratmeter schwer und hat eine Wandstärke von 2 mm. Wegen der Windlasten sind kritische Stellen mit Silikon geklebt. Der Rückbau des Forum Soft hingegen war wenig ruhmvoll. Die Platten wurden demontiert und «thermisch wiederverwertet», was verhäckselt und verbrannt bedeutet. Immerhin kann man Fiberglas in einer Rauchgasreinigungsanlage bedenkenlos verbrennen. schweifen lassen konnten. Das Deck der Angel Bar und die darunter liegende Tragkonstruktion bestanden aus Fiberglasplatten beziehungsweise -Profilen. Die Träger, von denen kaum einer dieselbe Form hatte wie der andere, waren Massarbeit. Sie waren in einer S-Form doppelt gebogen und handlaminiert. Der Vorteil der anpassungsfähigen formbarkeit des Materials Fiberglas wurde hier noch einmal unter Beweis gestellt. Aus Stahl oder Holz wären solche geschweifte Formen nur mit riesigem Aufwand machbar gewesen. Die Platten wurden von Hand zugeschnitten und nahmen die Hügelformen auf. Dafür brauchte es sorgfältige Einpassarbeit, da die Träger gespreizt waren, also nicht parallel zueinander lagen. Die hohe Elastizität des Fiberglases erlaubte eine harmonische Anpassung an die Wölbungen, denn die Platten konnten in sich gebogen werden, folgten unter Zwang der gewünschten Form, in der sie mit Nieten festgehalten wurden.• Angel Bar Die Wolke war nicht nur eine Sprühmaschine, sondern auch eine Aussichtsterrasse. Dort befand sich die Angel Bar, wo die Besucher aus fünfzig verschiedenen Mineralwassern auswählen und ihren Blick über den See und zum Jura --› Kosten: CHF 7,5 Mio. --› Material: Fiberglas und Stahl Angel Bar Arteplage Yverdon, Expo.02, Schweiz --› Bauherrschaft: Expo.02 --› Architektur: Diller und Scofidio, New York --› Ingenieure: Staubli, Kurath + Partner, Zürich --› Generalunternehmer: HRS, Kreuzlingen --› Material: Fiberglas und Stahl 5 6 Fiberglas eignet sich für organische Formen. Beim ‹Forum Soft› an der Expo.02 überlagern sich drei Leuchtbänder. 1 Querschnitt und Eckdedail durch die Dachkante. Oben greifen die U-Profile ineinander, unten liegen sie nebeneinader. 2-3 Die Reihe von Stützen trägt die Fischbauchträger, die oben und unten verkleidet sind. Kein Querschnitt ist wie der andere. 4 Foto: Yves André Die Angel Bar im Bau und in Betrieb: Fiberglas lässt sich verformen und ermöglicht neue gestalterische Wege. 5-6 4 1 4 Fiberglas an der Expo Fiberglas an der Expo 5 Kunststoff am Bau Um 1960 wollte man aus Kunststoffen Häuser produzieren wie man Autos baut. Die Plastikwelt Verner Pantons zum Beispiel versprach eine bunte Zukunft. Doch dann kam der Erdölschock, der den Einsatz von Kunststoffen am Bau bremste. Heute ist Kunststoff wieder im Aufschwung. 1 2 3 Folien, Schaum, Beschichtung, chemischer Zusatz; es gibt keinen Bau mehr, der ohne Kunststoff auskommt. Mit Kunststoff wird gedichtet, isoliert, abgedeckt, entwässert, aber nicht gestaltet. Das Haus als Plastik ist nie aus Plastik. Das war allerdings in den Fünfzigerjahren anders. Ein Haus zu bauen, wie man Autos baut, das war damals der Leitgedanke der Industrie: vom Boden unabhängige Fertighäuser, die leicht transportierbar und als Massenprodukt auch billig sind. Das Futuro-Haus des Architekten Matti Suuronen von 1968 zum Beispiel sah aus wie ein eben gelandetes Raumschiff. Es wurde auch mit dem Helikopter angeliefert und seine vorgefertigten Teile konnten von nur drei Arbeitern von Hand montiert werden. Das Haus besteht aus selbsttragenden Fiberglaselementen, die mit Polyurethanschaum isoliert sind. Im gleichen Jahr war an der Mustermesse in Basel ‹Rondo› zu sehen, ein Entwurf von Casoni & Casoni. Die gleichen Architekten waren für die Raststätte Pratteln im Jahr 1987 verantwortlich. Die geodätische Kuppel der Beobachtungsstation Leuk von Heidi und Peter Wenger zeigte, wie man mit Fiberglas ungewöhnliche Formen bewältigt. Verner Panton entwickelte ab 1959 den ersten spritzgussgeformten Stuhl aus einem einzigen Stück. Dieser Panton-Stuhl (Baydur) wird heute noch von Vitra produziert. An den olympischen Spielen von München 1972 zeigten Günter Behnisch und Frei Otto mit der gigantischen Überdachung der Sportanlagen, was man mit Kunststoffen erreichen kann. Lichtdurchlässige Wellplatten wa- 4 ren die ersten Produkte aus glasfaserverstärkten Polyester (GF-UP), die in den Fünfzigerjahren auf den Baustellen auftauchten. Doch den Durchbruch schaffte das neue Material nicht auf dem Bau, sondern in der Fahr- und Flugzeugindustrie, vor allem aber im Bootsbau. Führend in der Entwicklung war Grossbritannien, ein Beispiel war das europäische Hauptquartier der American Express Company in Brighton 1967. Für Aufsehen unter den Architekten sorgte das Trainingscenter für die Olivetti-Manager im südenglischen Haslemere von James Stirling, errichtet zwischen 1969 und 1973. Stirling zeigte, wie nahe sich Architektur und Industriedesign einmal waren. Ein Betonskelett ist mit Sandwichelementen aus Fiberglas verkleidet und sieht aus wie ein vergrössertes Olivettiprodukt. Die knalligen Farben, die ‹Wet-look› Oberflächen und abgerundeten Gebäudekanten (Soft-Edge) machen aus einem Gebäude eine Maschine, es ist eher eine Karosserie als eine Fassade. Die erste Welle der Kunststoffbegeisterung ging im Erdölschock von 1973 unter. Die auf Erdöl basierenden Thermoplaste hatten plötzlich einen üblen Ruf. Aus dem Soft-Edge-Design der frühen Siebzigerjahre entwickelten sich zwanzig Jahre später die Bubbles und Blobs. Der Künstler Joep van Lieshout entwickelte seine eigene Version. Er hängte an ein bestehendes Gebäude seine ‹Micro-Architecture› an, eine Lebenszelle. Nur wenige Architekten haben sich in den letzten Jahren mit Kunststoff auseinander gesetzt. Herzog & de Meuron haben es mit ihrer Fabrik für Ricola-Europe SA in Mulhouse-Brunn- 11 12 Die Entwicklung des Panton-Stuhl, gestaltet von Verner Panton, begann 1959. statt im Elsass 1993 zum ersten Mal durchgespielt. Die Acrylplatten von der Stange sind im Siebdruckverfahren mit einem Pflanzenmotiv des Fotografen Karl Blossfedt bedruckt, die Fassade wird zum Bildträger. Sie kann auch zur Farbpalette werden, wie 2003 beim Laban Dance Center in London derselben Architekten. Zarte ‹Täfelifarben› schimmern durch die transluzenten Kunststoffplatten der Fassaden. Die grösste und Aufsehen erregendste Blase steht heute in Graz: Das Kunsthaus von Peter Cook und Colin Fournier. Arnold Amsler hat intensiv mit Fiberglas experimentiert und dabei konsequent die Transluzenz des Materials erkundet, was auch die Architekten Knapkiewicz + Fickert beschäftigte. Das Forum Soft an der Expo.02 setzte neue Massstäbe. Im Brückenbau sind innovative Wege beschritten worden. Sie nützen die Tragfähigkeit und Witterrungsbeständigkeit von Fiberglas aus. Vor allem die Transluzenz von Fiberglas interessiert die Architekten heute. Sie eröffnet neue gestalterische Möglichkeiten, die noch lange nicht ausgeschöpft sind. Die Wirkungen isolierender, aber trotzdem lichtdurchlässiger Fassadenplatten sind noch lange nicht alle ausgereizt. Auch im Innenausbau steht die Anwendung von Fiberglas erst am Anfang. Die Industrieprodukte sind von beeindruckender Perfektion, der Transfer des technischen Wissens ist jedoch gering. Die Architekten müssen die Industrie herausfordern, ihr technisches Können auch auf dem Bau einzusetzen, ihre Gestaltungsideen zu verwirklichen. Das Material Fiberglas steht erst am Anfang. • 14 13 Der provisorische S-Bahnhof Sihlpost in Zürich, 2002, der Knapkiewicz + Fickert Architekten 1 11 Das Hauptquartier der American Express Company in Brigthon aus dem Jahre 1967 2 12 Hi-Tech Schrauben aus PEEK mit Glasfasern, 2003 Futurohaus von Matti Suuronen, 1968. Ein Haus wie ein kleines Raumschiff. 3 13 Gebaute Farbpalette: Laban Dance Center in London, 2003, von Herzog & de Meuron ‹Rondo› von Casoni & Casoni wird 1968 an der Mustermesse in Basel gezeigt. 4 14 Transluzenz im Innenausbau: Restaurant ‹National› in Winterthur, 2003, der Architekten Vrendli und Arnold Amsler Das Trainingscenter für Olivetti in Haslemere sieht wie ein Produkt von Olivetti aus. James Stirling, 1969-1973 5 6 5 15 15 7 16 Ski- und Snowboardhelm, 2003. Fixationsstift zur Versteifung von Lendenwirbeln, 2003 17 16 Geodätische Kuppel der Station Leuk der Architekten Heidi und Peter Wenger 6 17 Die Raststätte in Pratteln, 1987, ebenfalls der Architekten Casoni & Casoni. Sie ist das Orientierungszeichen für Autofahrer. 7 Tennisracket mit Fiberglasrahmen, 2003 Die grosse Blase mit der Fiberglasverkleidung: Das Kunstmuseum in Graz, 2003, von Peter Cook und Colin Fournier 18 Bildträger für Ricola 1993 in Muhlhouse, der Architekten Herzog & de Meuron 8 Fiberglasprofile als Wellenbrecher zum Schutz des Hafens Zürich-Enge, 2004. Sie verrotten nicht mehr. 19 Joep van Lieshout hängte 1997 seine Lebenszelle ans Centraal Museum in Utrecht. 9 20 Fussgängersteg bei Zürich Höngg, 2004, aus Fiberglas und und zur Freude des Tiefbauamts unterhaltsfrei. ICN-Neigezug fürs SBB-Programm Bahn 2000 mit Zugspitze aus Fiberglas 10 8 6 9 Die Geschichte 10 18 19 20 Die Geschichte 7 Das farbige Eigenleben Die bisher ländlich geprägte Gemeinde Menzingen im Kanton Zug gerät in den Sog der Agglomertion Zürich. Die Gemeinde hat sich vorbereitet und weitsichtig geplant. Die Bevölkerung wächst, der Bedarf an Schulraum auch. Für die Erweiterung des Schulhauses Ochsenmatt organisierte die Gemeinde im Dezember 2000 einen Architekturwettbewerb, den Peter Lüchinger gewann. Die Architektengemeinschaft Lüchinger Novaron aus St. Gallen stellten die beiden scharfkantigen Kuben des Schulhauses und der Dreiffachturnhalle in einer spannungsvollen räumlichen Beziehung nebeneinander. Die Erdgeschosse erlauben mit ihren durchgehenden Fensterfronten überraschende Durchblicke in die voralpine Landschaft. Die Fassaden sind mit transluzenten Wellplatten aus Fiberglas verkleidet, das erste vollständig mit diesem Material eingehüllte Schulhaus der Schweiz. Der Gebäudekomplex wurde zu einem leuchtenden, zuweilen glänzenden Objekt. Schulhaus Ochsenmatt, 200? Menzingen --› Bauherrschaft: Gemeinde Menzingen --› Architektur und Ausführung: Arge Peter Lüchinger und Novaron, St. Gallen --› Ingenieure: Swissfiber, Zürich --› Auftragsart: Wettbewerb, Preisträger Peter Lüchinger, St. Gallen --› Material: ‹Swissfiber skin 01›, Fiberglas-Wellplatten auf FiberglasLattung 2 Die Wintersonne unterstreicht zwei Muster auf den Fassaden: die kleinteilige Plattenund grosse Vasarely-Welle. Fotos: Oli Rust 1 2 Die Baukörper wirken trotz gleicher Farbe anders: die Anthrazitwellplatten haben eine gelben oder blauen Untergrund. Zweiteiliges Fassadensystem Für die Schulhauserweiterung in Menzingen entwickelten die Architekten zusammen mit Swissfiber ein neues Fassadensystem. Doch nicht die Konstruktion allein interessierte die Architekten. Wichtig ist auch das farbige Eigenleben der Fassaden: die Sonne als Maler auf Fiberglas. 1 8 Für die hinterlüftete Fassade entwickelten die Architekten zusammen mit Swissfiber das Fassadensystem ‹skin 01›. Es besteht aus zwei Bauteilen: der Lattung und der Wellplatte, beide aus Fiberglas. Die neuartige Lattung ist ein U-Profil mit eine Wandstärke von 2 mm. In den beiden der Platte zugewandten Schenkeln ist die Geometrie der Welle eingearbeitet. Wellplatte und Tragprofil entsprechen sich. Die Platte ist 1,5 mm dick und hat einen Abstand von 78 mm von Wellenberg zu Wellenberg. Die Höhe der Welle beträgt von Tal zu Berg 30 mm. Die Hinterlüftung wird durch die Geometrie des U-Profils garantiert. Mindestens 30 mm Abstand sorgen für das Abführen der Wärme und des Kondenswassers. Mit Computersimulation prüften die Fachleute von Swissfiber die Tauglichkeit der Konstruktion noch vor der Montage. Die grösste Produktionsbreite der Wellplatte beträgt zirka 1 m. Für das Schulhaus und die Turnhalle in Menzingen wurden Platten von bis zu 4 m Länge verwendet. Die Fugen der horizontalen Stösse werden durch die Überlappung von einer Wellenlänge geschlossen. Die senkrechten Fugen bleiben mit einem Abstand von 1 cm offen. In den Gebäudeecken schnitt man die Platten auf Gehrung und schloss die Fuge mit einem Aluminiumprofil. Swissfiber übernahm auch die statische Berechnung der Fassaden. Entscheidend sind die Windlasten, aus denen die Abstände der Befestigungsschrauben, Fix- und Gleitpunkte genannt, abgeleitet wurden. Die Gleitpunkte, Schraubenlöcher mit Toleranz, nehmen die Dilatation der Platten auf. Sie wurden industriell, die Profile im Handlaminierverfahren hergestellt. Mit einem Preis von 180 Franken pro Quadratmeter ist das Fassadensystem ‹skin 01› absolut konkurrenzfähig. Die Architekten verlangten eine glatte, glänzende Oberfläche der waagrecht montierten Wellplatten. Sie wurden mit Anthrazit-Pigmenten eingefärbt (RAL 7016). Die Platte bleibt aber transluzent. Die Lattung ist je nach Lichteinfall mehr oder weniger sichtbar. Auf der Nord- und Südseite wurde die Oberfläche der Wärmedämmschicht mit einem satten Gelb gestrichen, auf den Ost- und Westfassaden grünblau. Je nach Standort des Betrachters verändert sich die Wirkung des Gelb und des Grün, frontal sind die Farben kräftiger, aus einem anderen Winkel lässt das Material die Farbe diffuser, gräulicher durchschimmern. Scheint nun die Sonne, liegt frischer Schnee oder blühen grüne Matten, die Fassaden mit dem gelben und grünen Untergrund erscheinen verspielt in kräftigem Glanz. • 5 Die Pausenhalle zwischen den zwei Schultrakten ist mit Fiberglasplatten überdeckt. Die Lichführung nützt die Transluzenz aus. 3 Die die Turnhalle links und die Schultrakte stehen auf einem gemeinsamen Sockel. 4 Vertikalschnitt durch den Fenstersturz: Ein speziell entwickltes Tragprofil folgt den Wellen der Fiberglasplatte. 5 3 4 Fiberglas als Fassade Fiberglas als Fassade 9 Ein neues Kleid Lernen am Schulhaus Die Talstation der Zamang-Hochjoch-Bahn im vorarlbergischen Schruns nimmt die beiden Richtungen auf, denen sie dient. Die Schräge des Aufwärtsfahrens und die Waagrechte des Fussgängers sind durch zwei ineinander greifende Baukörper ausgedrückt. Der unsentimentale Bau aus den Siebzigerjahren war allerdings mit einer Bretterfassade eingepackt, die kraftlos wirkte – ein alpenländisches Holztruckli. Im Gebäudeinnern steckte eine konventionelle Betonkonstruktion. Die Bahn sanierte ihre Technik. Niemand dachte ursprünglich an die Fassade. Die hatte man schon und über ihre Wirkung machten sich die Bahnleute keine Gedanken. Ein Architekt ging am Gebäude vorbei und dachte: Diese Fassade könnte mit einem zeitgemässen Material viel an Spannung gewinnen. Und zwar mit Fiberglas. Die Bahnverantwortlichen liessen sich überzeugen, sie hofften auf einen Prestigegewinn. Man beschloss über die bestehende Holzfassade ein neues Kleid zu ziehen. Aus den Offerten mit verschiedenen Materialien ging Fiberglas als Sieger hervor. Fiberglas war rund zehn Prozent billiger als Eternit und dazu noch wesentlich leichter. Ein Vorteil war auch, dass der Architekt die Transluzenz von Fiberglas als architektonisches Gestaltungsmittel ausnützen konnte. Jetzt leuchtet die Zamang-Station in der Nacht wie eine grosse Laterne im Talboden. Die Montage der neuen Fassade war ein Wettlauf mit der Zeit. Im September 2003 kam die erste Anfrage. Schon drei Monate später, am 6. Dezember, als Samichlausgeschenk, wurde die Zamang-Bahn wiedereröffnet. Für die Produktion, den Zuschnitt und die Lieferung der Platten blieben sechs Wochen Zeit. Vorher mussten die Oberfläche, die Farbe, die Plattenmasse und die Materialstärke festgelegt werden, denn die Produktion von industriell hergestellten Fiberglasplatten richtet sich nach den jeweiligen Kundenwünschen. Es wird nicht auf Vorrat produziert. Ein Plattenlager für Schnelllieferungen gibt es nicht. Auf die bestehende Holzfassade wurde eine neue Unterkonstruktion befestigt. Sie glich alle Vor- und Rücksprünge aus, damit die neuen Fassadenplatten in einer Ebene zu liegen kamen und damit den Baukörper durch einen klaren Umriss hervorhoben. Mit grossen Formaten von bis zu 2,5 mal 4 m war eine rasche Montage möglich. Das Fugenbild gleicht einem vergrösserten Läuferverband. Durchgehende Waagrechte und versetzte Senkrechte. Die rote Farbe (Ral 80.12) bestimmte der Architekt. Die Oberfläche ist glatt und hat eine Schutzschicht gegen Erosion und die Zersetzung durch die Ultraviolettstrahlung. Die grossartige Berglandschaft spiegelt sich heute in den Fassaden, die Platten können gleissend weiss wirken, aber auch tief dunkel. Das Licht- und Farbenspiel auf den glattten Oberflächen ist ein architektonisches Gestaltungsmittel. Während der Umriss des Baukörpers schärfer wird, wird seine Haut mehrdeutig. Aus dem Holztruckli wurde ein zeitgenössischer, scharf geschnittener, leuchtender Bau. Ein gelungenes Vorzeigestück. Die Schulanlage Buchwiesen in Zürich Seebach ist ein Werk des Stadtbaumeisters Albert Heinrich Steiner und wurde in zwei Etappen, 1951 und 1957, errichtet. Die notwendig gewordenen Ergänzungsbauten erforderten den Abbruch der Turnhalle und des Singsaals. Das Dach der Turnhalle und der obere Teil einer ihrer Seitenwände ist mit neuartigen isolierenden, aber trotzdem lichtdurchlässigen Fiberglaselementen ausgefacht. Die doppelschaligen Sandwichplatten sind mit einer Füllung von Nanogel™ gefüllt. Es handelt sich um ein nanoporöses Material, ein anorganisches Aerogel, das aus einer Siliziumlösung gewonnen wird. Die NASA bestätigt, dass Nanogel™ die höchste Isolierfähigkeit aller festen Werkstoffe hat. Die Platten wiegen nur 12,5 Kilogramm pro Quadratmeter, sind also wesentlich leichter als Glas mit rund 80 Kilo, was grössere lichte Flächen erlaubt. Das weiche, gleichmässige Licht ergibt eine schattenfreie Helligkeit, so wie man es sich beim Einsatz in einem Museum wünscht. Bei Nanogel™ tauchte die Frage auf, ob es Allergien auslösen könnte? Nein. Doch zäher als bei den Lehrern, war die Überzeugungsarbeit des Architekten bei der Bauherrschaft. Sie wollte den Vergleich mit einer Glaskonstruktion durchgerechnet haben. Auch die Umweltverträglichkeit musste nachgewiesen werden. Die Feuerpolizei stellte hohe Anforderungen. Eigentlich sind unbrennbare Decken verboten und Nanogel™ ist mit Brandklasse 6 zu flammwidrig. Daher mussten komplizierte Rauchabzüge entwickelt werden, die auch die Hitzeabfuhr garantieren. Die EMPA prüfte die Wärmedämmung und kam auf einen Gesamtenergiedurchlass (g-Wert) von 0,25 bis 0,30 und einen U-Wert von 0,52 W/m 2. Zum Vergleich mit einer konventionellen Konstruktion: Heute kommt ein hochisoliertes Mauerwerk von 39 cm auf einen Wert von 0.46 W/m 2. Das Material wird in Flockenform hergestellt, ist absolut trocken, chemisch inert und unbrennbar. Entscheidend ist auch, dass Nanogel™ die Infrarotstrahlung gut abschirmt und sich damit die Halle bei Sonneneinstrahlung nicht aufheizt. Selbstverständlich sind die Lichtelemente der mechanischen Beanspruchung des Turnbetriebs gewachsen, ebenso jenen von Wind, Schnee, Regen und Hagelschlag. Darüber hinaus könnte ein einzelnes beschädigtes Element einfach ausgewechselt und ersetzt werden. Für das Dach und die Seitenfassade wurden 1350 m 2 Lichtplatten mit einer Grösse von 2,0 mal 2,2 m beziehungsweise 5,0 mal 2,5 m eingebaut. Die Plattenstärke beträgt 50 mm. Die bereits mit Nanogel™ gefüllten Platten wurden einbaufertig auf die Baustelle geliefert und waren dank ihrem geringen Gewicht einfach zu montieren. Was bisher nur an bescheidenen Bauten experimentiert wurde, wurde hier in grossem Massstab erfolgreich eingesetzt: die leuchtende und trotzdem isolierende Wand. Die Turnhalle Buchwiesen ist ein Durchbruch der mit Aerosol isolierten Dach- und Wandplatte und ein Leitbau in der Anwendung von Fiberglas. 1 2 1 Die neu mit Fiberglasplatten eingekleidete Talstation der Zamang-Hochbahn ist zu einem scharfgeschnittenen Baukörper geworden. Fotos: Oli Rust 2 Die Transluzenz der Fassadenplatte lässt die Unterkonstruktion durchschimmern und ist auch der Schrifträger. Je nach dem Betrachtungswinkel verändert sich die Wirkung der Platten, zum Beispiel spiegelt sich die Landschaft. 3 Die Eingangsseite wird von einer Fensterwand dominiert. Hier ergänzen sich die Platten und Fenster nahtlos. 4 3 1 2 3 Der Querschnitt durch die gesamte Anlage zeigt rechts die neue Turnhalle, die an das neue Schulhaus anschliesst. 1 Vom Sportfeld aus wirkt die Turnhalle als ruhiger Kubus mit Zackendach. Nachts aber ist es eine Laterne. Foto: Mike Frei 2 3 Der Detailschnitt durchs Dach zeigt die geneigten Fiberglasplatten und die speziell entwickelten, senkrechten Rauchklappen. Blick von der Halle zu den Korridoren des Schulhausneubaus. Das museumstaugliche Licht strömt durch die leuchtende Decke. 4 Talstation Zamang-Hochjoch-Bahn, 2003 Erweiterung Schulhaus Buchwiesen, 2004 Schruns, Österreich Zürich-Seebach, Schönauweg 13, --› Bauherrschaft: Zamang-Hochjoch-Bahnen --› Bauherrschaft: Stadt Zürich, Amt für Hochbauten --› Architektur: Novaron GmbH, Diepoldsau --› Architektur: Vrendli + Arnold Amsler, Winterthur; --› Ingenieure: Swissfiber, Zürich Mitarbeiter: Christian Suter --› Montage: Ohnsorg & Gadola, Cham --› Bauingenieur: Ruggli + Partner, Zürich --› Material: Fiberglas Flachplatten --› Bauphysik: Christoph Keller, BWS Labor AG, Winterthur 4 10 Fiberglas in Projekten Foto: Gaston Wicky 4 Fiberglas in Projekten 11 Drei Stadtlaternen Ein farbiger Querschnitt Voraussichtlich noch bis zum Jahr 2013 wird das Provisorium S-Bahnhof Sihlpost stehen. Solange wird es noch dauern, bis der zweite unterirdische Durchgangsbahnhof Zürichs, der Bahnhof Löwenstrasse fertig ist. Knapkiewicz + Fickert haben das Provisorium als gestalterische Chance erfasst und aus dem bereits vorhandenen Projekt der SBB eine Lichtinszenierung gemacht. Vier Gleise kommen am S-Bahnhof Sihlpost an. Ihre Zugänge und der Raum vor den Gleisenden des Kopfbahnhofs sind mit einfachen Flachdächern geschützt, eine Geradeauskonstruktion aus Stahlträgern und Holzsparrenlagen. Die frei sichtbaren Sparrenköpfe unterstreichen das Provisorische der Anlage. Man ahnt heute schon die spätere Wiederverwertung der Einzelteile. In die verhältnismässig niedrigen Decken sind drei grosse, rechteckige Löcher geschnitten, über denen drei hohe Kuben sitzen, die drei riesigen Laternen. Vier stählerne Eckpfosten tragen das undurchsichtige Sparrendach aus Stahlprofilen. Die Aussteifung übernehmen diagonal gespannte Stahlseile, die wie ein weitmaschiges Netz die senkrechten Wände abspannen. An diesen Seilen sind die Wellplatten aus Fiberglas befestigt. Die Befestigungen zeichnen sich aussen wie diagonale Schmucknarben auf den Wellplatten ab. Im Innern bilden die auf ihren Ecken stehenden Seilquadrate ein fast textiles Muster und die Platten wirken wie gespannter Stoff. Die Konstruktion beweist, dass auch weit gespannte Fiberglasplatten möglich sind. Die Transluzenz des Fiberglases wird Beispiel setzend ausgenützt. Die drei Laternen sind Lichtmaschinen. Die leuchtende Wand ist hier mit letzter Konsequenz verwirklicht. Kommt man durch die funktional schlichte Unterführung Sihlquai auf den Bahnhof Sihlpost zu, so leuchtet das grüne Licht am Ende des Tunnels verheissungsvoll entgegen. Man spürt: Dort ist es. Fährt man unter der grünen Haube auf der Rolltreppe in die Höhe, so wird man zur gelben Wand der benachbarten Laterne getragen, taucht in ein Lichtbad über den Köpfen ein. Das grüne und gelbe Licht hat etwas Unwirkliches und Überraschendes: es gehört nicht zur erwarteten Erlebniswelt eines Bahnhofs. Man fühlt sich geheimnisvoll angerührt und hat doch keine Erklärung dafür. Die Laternen setzen aber auch einen Akzent in die Stadtlandschaft. Nachts leuchten sie in milden Bonbonfarben und weisen auf den etwas versteckten Bahnhof hin. Auch bei Tag wirken sie als Merkzeichen, das den Bahnhof ankündigt. Die drei Stadtlaternen sind ein Beweis dafür, dass das Provisorium den Freiheitsgrad der Architekten erhöht. Vermutlich wäre man bei einem definitiven Bau vor der Theaterwirkung dieser Lichtarchitektur zurückgeschreckt. Als Provisorium hingegen sind so starke Effekte erlaubt, ja sie unterstreichen das nicht Bleibende. Man steht unter dem Lichtkubus und spürt: Das kommt wieder weg. Der Stadtteil Winterthur Töss ist kein nobles Quartier. Er wird beherrscht von den Industriebauten der Rieter AG und den Silotürmen der Mühlen. Die Autobahn und die Eisenbahnlinie zerschneiden den Stadtteil. Darum übersieht man leicht die landschaftliche Schönheit des Grünraums der Töss. Das neue Maisonette-Haus am Tössufer ist aber ganz auf diesen baumbestandenen Grünraum ausgerichtet. Blickt man aus den hohen Fenstern, so hat man einen Waldrand als Gegenüber. Das viergeschossige Gebäude mit seinen Dachaufbauten muss durch seinen Querschnitt erklärt werden. Es enthält 14 Maisonette-Wohnungen, man würde besser sagen 14 Reiheneinfamilienhäuser in zwei Schichten übereinander. Die unteren sieben haben einen ebenerdigen Sitzplatz zur Töss, die oberen sieben eine grosszügige Dachterrasse. Ein von einem Lift bedienter Laubengang im obersten Wohngeschoss erschliesst die oberen Wohnungen. Die Schlafzimmer im ersten und zweiten Stock liegen damit als Mittelschicht übereinander, die die Wohnzimmer trennt. Ein lärmabschirmendes Verfahren. Die hinterlüfteten Fassaden werden von grossflächigen Holzelementen gebildet, die vor der konventionellen Betonkonstruktion montiert sind. Auch die Dachaufbauten sind hölzerne Leichtkonstruktionen. Die Wetterhaut besteht aus senkrecht montierten Wellplatten aus Fiberglas. Sie werden von Winkelprofilen getragen, die an Befestigungspunkten wiederum durch Winkel auf die Holzelemente montiert werden. Den Abschluss gegen die Tür- und Fensteröffnungen bilden Metallzargen. Die gesamte Konstruktion ist bewusst sehr einfach und kostengünstig gewählt worden. Die Architekten suchten nach einem Fassadenmaterial, das im besonderen Quartier von Töss den Gedanken eines einfachen, aber eigenständigen Wohnungsbaus transportiert. Bald schon war klar, dass es Fiberglas sein wird, doch die zuerst vorgesehenen flachen Platten erwiesen sich als zu teuer. Das Industrieprodukt Wellplatte unterstreicht zusätzlich noch den industriellen Charakter der Umgebung. Die Längsfassaden sind meerblau, die Querfassaden orange. Die kammartigen Dachaufbauten und die Gebäudeecken lassen jeweils Meerblau auf Orange stossen. Hier wird der Baugedanke unterstrichen: die Entwicklung des Gebäudes aus dem Querschnitt. Die Farben wurden in Zusammenarbeit mit dem Künstler Thomas Rutherfoord bestimmt. Sie sind quartiertypisch und fremd zugleich. Die Wellplatten finden sich an den Industriebauten der Umgebung, die blaue Farbe an einem benachbarten Gebäude der Rieter AG. Das Orange ist etwas flussaufwärts beim ‹Kubus›, einer grossen Wohnscheibe zu finden, die eine innere Verwandtschaft mit den Maisonette-Häusern hat. Die leicht glitzernde Oberfläche schafft einen Bezug zur reflektierenden Wasseroberfläche der Töss. Der Architekt fasst zusammen: «Die beiden Farben Blau und Orange harmonieren miteinander und geben dem Gebäude einen einzigartigen Auftritt und eine unverkennbare Präsenz.» 1 2 Die Laternen künden als leuchtende Merkzeichen schon von weitem den provisorischen Bahnhof an. Fotos: Heinrich Helfenstein 1 2 Kommt man vom Bahnsteig, so weiss man, hier ist es. Das Licht zeichnet einen Aufmerksamkeitsfleck auf den Boden. Die leuchtende Wand ist von einem Gespinst von Kabeln überzogen und wirkt wie ein gespannter Stoff. 3 Provisorium S-Bahnhof Sihlpost, 2002 Zürich 1 2 3 5 4 Zu oberst sitzen – wie Kämme – die Schöpfe auf den Dachterrassen. Fotos: Oli Rust 1 2 Ein Ausschnitt aus der Rückfassade zeigt, wie die senkrechten Wellplatten an die Metallzargen der Fenster anschliessen. An den Gebäudeecken stossen das Blau der Längs- und das Orange der Querfassaden aufeinander. Oben der Laubengang. 3 --› Bauherrschaft: SBB AG --› Architektur: Knapkiewicz + Fickert, Alexander Fickert; Maisonette-Haus am Tössufer, 2004 Mitarbeiter: Balz Amrain Neumühlestrasse 10–36, Winterthur --› Statik: Ingenieurgemeinschaft INGELHL: Ernst Basler --› Bauherrschaft: Guido Thaler AG, Winterthur Partner AG; Toscano-Bernardi-Frei AG; Dobler, --› Architektur: Beat Rothen Architektur, Winterthur; Schällibaum und Partner AG Mitarbeit: Beat Rothen, Fabian Streuli --› Fassadeningenieur: Mebatech AG, Jan Zaba --› Fassadenplaner: Lerch AG, Winterthur --› Material: Fiberglas-Wellplatten --› Kunst: Thomas Rutherfoord, Winterthur Der Detailschnitt durch den Dachrand: Die Wellplattten sind mit Winkelprofilen auf die Holzelemente der Fassaden befestigt. 4 Zwei Reiheneinfamilienhäuser sind übereinander gestellt. Der Laubengang erschliesst das dritte Obergeschoss. 5 3 12 Fiberglas in Projekten Fiberglas in Projekten 13 Eine plane Haut Kerzenwachs im Fiberglas Ein grosses Lernspielzeug soll die Schule werden, wünscht sich ihr Architekt Andrea Bassi, der im März 2000 den Wettbewerb gewann. Die Ecole de la Maladière steht am Rande eines Parks am Rande der Stadt Neuenburg in der Nähe des gleichnamigen Fussballstadions. In der lockeren Bebauung hatte sich die Aussparung eines Parks erhalten, in den das Schulhaus eingefügt werden musste. Das Gebäude soll sich wie eine grosse Pflanze in den Park integrieren und in ihm aufgehen. So wenig Land wie nur möglich wird besetzt, was dazu führt, dass die Turnhalle unter dem Klassentrakt im Boden eingegraben wird. Das Gebäude ist bewusst an den Rand gerückt, damit der Park als grosse Freifläche erlebbar bleibt. Das Schulhaus und der Park stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Das Haus dient jetzt auch den Schulkindern als Werkzeug, den Park und die Natur zu entdecken. Die Grundrisse sind einfach und haben wenig funktionelle Festlegungen. Die neutralen Räume der Schule müssen sich später den veränderten Bedürfnissen anpassen können. Jedes Schulhaus wird älter als die pädagogischen Konzepte zur Zeit seines Baus. Spannend ist die ganz unterschiedliche Orientierung der Klassenzimmer. Von einer einseitigen Ausrichtung keine Spur mehr, im Laufe des Tages und der Jahreszeiten gibt es wechselnde Stimmungen in den verschiedenen Klassenzimmern. Im Erdgeschoss sind die von der Schule unabhängigen Nutzungen zusammengefasst: die Eingangshalle, der Kindergarten, die Abwartswohnung und zwei Mehrzweckräume. Die beiden oberen Geschosse nehmen die Primarschule auf, neun Klassenzimmer, Spezialräume und das Lehrerzimmer. Ein zentrales Treppenhaus sorgt für die Vertikalerschliessung. Die zwei Untergeschosse – sie sind separat zugänglich – nehmen die Turnhalle und die Garderoben auf. Von einer Galerie blickt man in die Turnhalle. Auf einen niedrigen Energieverbrauch wurde besonders Wert gelegt. Man denkt im Lebenszyklus des Gebäudes und rechnet bereits mit seinem Rückbau. Man ist sich bewusst, das der Neubau nur gerade 30 Prozent der Gesamtkosten eines Gebäudes ausmacht. Der kompakte Baukörper mit einer Skelettstruktur wird mit leichten Materialien ausgefacht, die demontierbar und wieder verwendbar sind. Dass das Dach begrünt und das Regenwasser zurückgehalten wird, ist selbstverständlich. Alle Elemente der Fassaden liegen auf derselben Ebene. Dafür wird ein erheblicher planerischer und konstruktiver Aufwand in Kauf genommen. Das Schulhaus soll wie ein strahlendes Objekt mit einer glatten, planen Haut im Park stehen. Die Fassadenplatten aus Fiberglas sind ohne sichtbare Befestigungen montiert, einzigartig in der Schweiz. Die Platten haben einen nach innen gebogenen Rand, der sie stabilisiert und die verdeckte Befestigung aufnimmt. Das Schulhaus de la Maladière ist nicht zuletzt ein Beispiel einer gut ineinander greifenden Zusammenarbeit des Architekten, der Fassadenplaner und der Plattenlieferanten. Der Bau einer Kerzenfabrik ist eine anspruchsvolle Bauaufgabe, denn die Kerzen, ihr Licht und ihr Geruch sind ein starkes sinnliches Erlebnis, das im Entwurf und seiner Materialisierung eine Entsprechung finden muss. Auch für die Bauherrschaft – die Kerzenfabrik ist ein 300 Jahre alter Familienbetrieb – war diese sinnliche Wahrnehmung ein wichtiges Anliegen. Ein Teil der Kerzen wird auch heute noch von Hand gezogen. Das Areal ist 15 000 m 2 gross und liegt mitten im Städtchen Altstätten im St. Galler Rheintal. Es entsteht nicht nur ein Haus, sondern ein neues Quartier. Das betrachtete die Familie nicht als eine rein architektonische Aufgabe. Die Mitarbeiter und die Bewohner sollen sich hier wohl fühlen.Ein privater, eingeladener Architekturwettbewerb sollte die Lösungen finden. Das bedeutet eine intensive Auseinandersetzung mit der Aufgabe, nicht bloss für die Architekten, sondern ebenso für die Bauherrschaft. Gewonnen hat jenes Projekt, das die bestehende Struktur am klarsichtigsten analysierte und mit ihr umzugehen wusste. Zu beachten war, dass eine ‹Geschäftsfabrik› in eine Wohnzone zu stehen kommt. Die bestehenden Gebäude der Kerzenfabrik können als Schnittpunkt von zwei Achsen interpretiert werden: Die Bahnhofstrasse dominiert die Situation, dahinter – in der zweiten Reihe – ist die Struktur von der bestehenden Bebauung geprägt. Die Erweiterung der Kerzenfabrik ist das Gelenk dieser beiden Achsen. Dabei werden die beiden bestehenden Fabrikationsgebäude erhalten und durch einen Erweiterungsbau ergänzt. Es entsteht so eine – vor allem was die Anordnung der Gebäude anbelangt – spannende Verbindung zwischen Tradition und Moderne. In erster Linie wurden die Lagerräume erweitert. Ein in die Erde versenktes Hochregallager ersetzte die verstreuten Einzelgaragen. Kernstück des Projektes ist der Verkaufsraum, der auch für verschiedene Anlässe und Führungen genutzt wird. Während in den bestehenden Gebäuden traditionelle Kerzenmacherei gezeigt werden, wird Besucherinnen und Besuchern im neuen Produktionsgebäude die moderne, mechanisierte Kerzenherstellung präsentiert. Die Fassade soll eine Assoziation zu den Kerzen wecken. Das Material Fiberglas hat eine gefühlsmässige Übereinstimmung mit dem Wachs. Es ist transluzent und strahlt Wärme aus. Die 2,5 mal 1,50 m grossen Platten werden als vorgesetzte Haut auf ein Stahlgerüst geschraubt. Die waagrechten Fugen laufen durch, die senkrechten richten sich nach den Plattenmassen. An einigen Stellen wurden die Platten weggelassen, um die dahinter liegenden Fenster nicht zu verdecken. Die Haut aus Fiberglas vereinheitlicht die Gesamtwirkung des Gebäudes. Die unterschiedlichen Nutzungen, die hinter der vorgesetzten Schicht stattfinden, sind nicht mehr ablesbar. Die Platten sind in der Senkrechten gebogen. Sie haben eine Stichhöhe von 15 cm. Die Dreidimensionalität der Platte trägt zu ihrer Stabilisierung bei und sie führt zu einer plastischen Wirkung. Die Sonne zeichnet in ihrem Tageslauf mit den Schlagschatten ein sich wandelndes Muster auf die Fassade. 1 2 3 Das Schulhaus ist ein glattes Objekt im Park. Die Fenster und Fassadenplatten liegen auf derselben Ebene. 1 Ecole de la Maladière, im Bau Neuenburg --› Bauherrschaft: Ville de Neuchâtel --› Architekt: Andrea Bassi, Genf --› Fassadenplaner: BCS études et planification, Comondrèche --› Material: Fiberglas Fassadenplatten, unsichtbar befestigt Das Schulhaus und der Park ergänzen sich: Das Gebäude ist ein Instrument, die umgebende Natur kennen zu lernen. 2 Die hoch isolierten Aussenwände richten sich nach dem Prinzip der ‹montage à sec›. Aussen wird eine glatte Haut erreicht. 3 1 2 3 Im Situationsplan wird deutlich, wie ein Gewerbebetrieb in ein Wohnquartier integriert werden musste. 1 Die Fassaden erläutern das Prinzip der vor die Baukörper gestellten zweiten Schicht, die die Bauten zusammenbindet. 2-3 Die Computerbilder zeigen die Transparenz des zweischichtigen Baukörpers und die räumliche Wirkung der Höfe. 4-5 4 Kerzenfabrik Hongler Altstätten, im Bau Altstätten SG --› Bauherrschaft: Kerzenfabrik Hongler, Altstätten --› Architekten: Novaron, Diepoldsau --› Auftragsart: Wettbewerb --› Material: Fiberglas-Platten 5 14 Fiberglas in Projekten Fiberglas in Projekten 15 Der Rost wird Brüstung Hochstrebende Hopfen Die Überbauung Häberlimatte in Zollikofen nördlich von Bern begann 1995 mit einem mehrstufigen Wettbewerb, den Burkhard, Meyer aus Baden gewannen. Veranstalter war die Generalunternehmung Marazzi AG. In einem Richtplan legten die Architekten vorweg ihr Hauptanliegen fest: «Das Projekt zeichnet sich durch die präzise Platzierung einfacher Baukörper innerhalb der parkartigen Umgebung aus. Das Gleichgewicht zwischen dem linearen Siedlungsmuster und dem öffentlichen Grünraum mit seinem bedeutenden Baumbestand führt zu einem spezifischen Charakter der Überbauung und schafft einen unverwechselbaren Lebensraum.» Burkhard, Meyer schufen eine Komposition, in der sich die Baumasse und Landschaftsraum die Waage halten. Die gesamte Überbauung wird 142 Wohnungen umfassen und im Jahr 2006 fertig sein. Die erste Etappe mit 4 von insgesamt 13 Häusern realisierte die Prevista AG, eine Tochter der Zürcher Kantonalbank. Die Bauten genügen dem Minergiestandard. Die 2,3 m tiefe Veranda vor den Geschosswohnungen steht auf vorfabrizierten Betonelementen. Die Fiberglasroste werden als Brüstungen eingesetzt. Die gleichen Roste, diesmal aber mit einer hintenliegenden Deckschicht, werden als Schiebeläden verwendet. Warum gerade Fiberglas? Die Architekten Burkhard, Meyer haben das Material eher zufällig entdeckt. Ein Materialmuster im Büro fiel auf. Während die gewöhnlichen Fiberglasmuster durchgehend eingefärbt waren, weckte die Transluzenz eines roh belassenen Stücks die gestalterische Neugier. Zusammen mit dem Lieferanten begannen die Architekten die Materialeigenschaften auszuloten. Eine ganze Reihe von Farbversuchen zeigte, was an transluzenten Effekten möglich war. Ein alle Häuser umfassendes Farbkonzept wählte aus dieser Palette die Farben aus. Auch die vorfabrizierten Betonelemente wurden nach diesen Regeln eingefärbt und die Farbe der geschosshohen Eternitplatten bestimmt. Die Struktur des Rostes als Brüstung hat den Vorteil, dass die Maschen einen ausreichenden Sichtschutz bieten. Die 4 cm tiefen Stege überlagern sich in der Schrägsicht und schliessen optisch ab. Bei der Frontalansicht ist der Rost eine optische Grenze, der Balkon dahinter bleibt im Dunkeln. Die Bewohner fühlen sich nicht ausgestellt, wie sie das, bei Metallstaketen zum Beispiel, tun. Sie werden also auch nicht mit Schilfmatten einen improvisierten Sichtschutz herstellen und damit die Fassade des Architekten beeinträchtigen. Die Schiebeläden verdunkeln die Schlafräume nicht, dazu dient der Vorhang. Die Idee ist einfach und überzeugend: Der waagrechte Rost wird senkrecht gestellt und durch die Farbe spezifisch gemacht. Das relativ raue Industrieprodukt wird dabei veredelt. Das verlangt sehr saubere Schalungen beim Laminieren. Die Stege werden mechanisch abgeschliffen und mit einer Reinharzschicht gegen das Ausbleichen am Ultraviolettlicht geschützt. Die Oberflächen müssen zum Schluss auch für Kinderhände ungefährlich sein. Das Areal der Brauerei Hürlimann in Zürich-Enge wird seit der Einstellung des Braubetriebs in ein dichtes, städtisches Quartier mit Wohn- und Dienstleistungsnutzungen umgebaut. An der Brandschenkestrasse liegt ein städtebaulich markantes, neues Bürogebäude für eine Anwaltskanzlei. Es gehorcht dem Zwiebelprinzip, ist in Schichten organisiert und umschliesst einen introvertierten Innenhof, der als ruhiger Garten gestaltet ist (hortus conclusus). In seinem Zentrum steht leicht erhöht ein flächiger Pflanztrog, der von niedrigen Betonelementen eingefasst wird. Der Kiesbelag im Trog gibt dem Raum eine eigene, weiche Atmosphäre. Der Hof ist mit aufstrebenden Pflanzstelen aus farbigem Fiberglas mikadoartig durchwirkt. Der daran emporrankende Hopfen schafft einen deutlichen Vegetationswechsel im Lauf der Jahreszeiten. Der Hopfen erinnert verschlüsselt an die einstige Brauerei Hürlimann. Immergrüne Buchsbaumkörper und Akuben bilden einen Kontrast zu den dynamischen Hopfenpflanzen und der intensiven Farbigkeit der Rankstelen. Ein Brunnen in Pink bildet den optischen Schwerpunkt des Hofs. Der Wasserkörper mit gespanntem Wasserspiegel wird von transluzentem Fiberglas gefasst. Das stete Überquellen erfüllt den Raum mit einem geheimnisvollen murmelnden Geräusch. 1 Der Schnitt durch den Innenhof: In der Mitte der flache Pflanzentrog mit dem Brunnen und den farbigen Stelen. 1 An den Stelen aus Fiberglas wachsen die ersten Hopfenschösslinge. Schon bald werden sie zu grünen Säulen werden. 2 Gestaltung Innenhof Bürogebäude, Hürlimann-Areal, 2003 Brandschenkestrasse, Zürich --› Bauherrschaft: REG Real Estate AG, Zürich --› Entwurf: Rotzler Krebs Partner, Landschaftsarchitekten, 1 Winterthur 2 Die leuchtende Zypresse Das Material Fiberglas erlaubt prinzipiell jede Form und Farbe, also auch eine organische. Erfindung und Sehnsucht verbinden sich und daraus wird eine Skulptur. Das künstlerische Objekt ist einer Zypresse nachempfunden und setzt Assoziationen in Gang und bietet viel Spielraum für Erinnerungen und Träume. ‹Giardino Emozione› ist auch das Stichwort des Designers Urs Sutter-Micheroli, der die Zypresse entworfen und entwickelt hat. Die Form stammt aus der Natur, doch ist es eine Gestalt, die wir schon in uns tragen. Die Zypresse ist einer jener Bäume, die jedes Kind zeichnen kann. Die Zypresse setzt Landmarken, sei es als Einzelbaum an markanter Stelle, sei es als Allee. Die ersten 20 Fiberglaszypressen (vom Designer handsigniert!) bestehen aus einem Kern, der mit einer Fiberglashaut überzogen wurde. Der Kern wurde individuell geformt, keine der Zypressen ist wie die andere. Später wird man zwei Hälften in einer Schalung herstellen und sie zusammenfügen. Die verbesserte Herstellungsart wird mit Formgleichheit bezahlt. Der nächste Schritt ist, transluzentes Fiberglas zu verwenden. Eine eingebaute Leuchte macht nachts aus der Zypresse eine schimmernde Stele. Die Gartenzypresse ist zwischen 2,5 und 3,5 m hoch und wiegt nur 10 Kilogramm. Sie wird in eine Bodenhülse gesteckt oder steht auf einem Metallfuss. 2 Das Industrieprodukt Gitterrost wird neu interpretiert: Was Tragrost war, wird zum Lichtfilter. 1 Mit sorgfältigen Material- und Farbstudien wurde für die Gebäudegruppe eine ausgewogene Gesamtwirkung erreicht. 2 Der Fassadenschnitt zeigt den Aufbau der Konstruktion und wie die Schiebeläden funktionieren. 3 Wohnüberbauung Häberlimatte, 2003 Zollikofen --› Bauherrschaft: Prevista Anlagestiftung, Zürich --› Architektur: Burkhard, Meyer Architekten, Baden Skulptur ‹Giardino Emozione› --› Auftragsart: Wettbewerb 1994 --› Auftraggeber und Entwickler: Swissfiber AG, Zürich --› Anlagekosten (BKP 1–9): CHF 20 Mio. --› Designer: Urs Sutter-Micheroli, Gartendesign GmbH, --› Material: Fiberglas-Brüstungen 16 Fiberglas in Projekten 3 Tuggen Die Zypresse aus Fiberglas ist ein Spielund Dekorationsgerät für Garten und Haus. Sie wird eines Tages leuchten. Foto: Oli Rust 1 Fiberglas im Design 17 Der leuchtende Tisch Die schwebende Treppe Wenn man das Material Fiberglas nicht einfach anwendet, sondern nach seinen Möglichkeiten befragt, so stellt sich bald einmal die Frage: Welche unerwarteten Anwendungen sind noch nicht ausprobiert? Kann man auch ein Möbel daraus machen? Kann man, einen Tisch zum Beispiel. Er ist robust und witterungsbeständig, kann sowohl im Innenwie im Aussenraum benützt werden. Die Architekten von Novaron, die zuvor schon zwei Fassaden mit Fiberglas entworfen hatten, wollten das Material auch im Möbelbau ausprobieren. Leicht soll der Tisch werden, je leichter, je besser. Doch muss man die Form vom Material her entwickeln. Das heisst, zuerst die gestalterischen Möglichkeiten ausreizen, konkret die Transluzenz zum Thema des Entwurfs machen. Tische gibt es viele, neu jedoch ist der leuchtende Tisch. Doch wie findet sich die Lösung der technischen Probleme? Die einfachste Form, in der Fiberglas produziert wird, ist die flache Platte. Und hier setzte der Designer Till Lücke an. Was ist eine Platte? Die Antwort: ein Band. Daraus entstand die Idee des Tischs als abgeknicktes Band. Die Platte wird zweimal im rechten Winkel umgebogen und die grosse U-Form ist gefunden. Fiberglas ist elastisch und biegt sich leicht durch. Der Tisch als glatte Platte verformt sich zu stark, wie ein Prototyp bewies. Man hätte eine dickere Platte wählen können, doch wird dadurch der Tisch zu schwer. Man kann den Rand umbiegen und damit einen Randträger schaffen, was hilft, aber nicht ausreicht. Die statische Höhe ist zu gering. Höher durfte der Rand nicht werden, damit der Tisch nicht klobig wirkte und die Beinfreiheit unter dem Tisch bewahrt wurde. Die Lösung waren Aussteifungsrippen. Sie werden unter der Tischplatte angefügt und sorgen für eine ausreichende Stabilität der Platte. Sie muss ja mindestens einen Menschen tragen können und mit Schwergewichtigen ist zu rechnen. Die Rippen bestehen aus Trapez-Profilen, die aus Fiberglas-Lamellen geformt werden. Der Tisch wird im Handlaminierungsverfahren in Sperrholzschalungen hergestellt. Mit einer Schalung können über hundert Stück fabriziert werden. Anschliessend muss die Schalung wieder hergerichtet oder ersetzt werden. Zuerst wird die grosse U-Form des Tischs laminiert, darauf werden die Profile eingelegt. Am Schluss werden die Platte und die Rippen mit einer Schicht Laminat zu einem Werkstück verbunden und eine Schutzschicht gegen UV-Strahlen aufgetragen. Der Tisch wird auf dem Kopf produziert, die Platte liegt zuunterst, die ‹Beine› ragen nach oben. Die Produktion ist arbeitsaufwändig, weil die Werkzeugkosten für die maschinelle Fertigung sehr teuer wäre. Die Struktur der Schalung bestimmt die Oberfläche des Tischs. Von einer spiegelglatten Fläche bis zu Reliefmustern ist alles möglich. Die Transluzenz des Fiberglases lässt die Rippen durchschimmern, was ein längs gerichtetes Streifenmuster erzeugt, das dem Designer des Tischs entgegen kam, genauso wie die freie Farbwahl. Die soeben lancierte Möbelkollektion umfasst neben dem Tisch einen Hocker und einen Beistelltisch. Das 1855 erbaute ‹National› sieht aus wie eine kleine italienische Landvilla. Sie blickt mit ihrem Portikus eigentümlich schräg über den Bahnhofplatz. Das kommt daher, dass sie noch vor dem Bahnhof und dem Postgebäude errichtet wurde. Das ‹National› hat den Richtungswechsel nicht mitgemacht. Sein heutiges Gegenüber ist das dominante Stadttor, gegen dessen weisse Wucht das feingliedrige ‹National› schwer aufkommt. Das Haus war um- und verbaut, eine Beiz von minderem Ruf. Heute ist es die Kronenhalle von Winterthur. Das Äussere wurde von späteren Anbauten befreit und die Fassaden sorgfältig rekonstruiert. Der zweigeschossige Eingangsportikus wurde pompejanisch rot ausgemalt, er strahlt als Einladung über den Bahnhofplatz. Ein hoher Glasbau zwischen Postgebäude und ‹National› erlaubt eine gastronomische Nutzung ohne das denkmalgeschützte ‹National› zu bedrängen. Innen betritt man einen überraschend grosszügigen Raum. Das Erd- und Obergeschoss sind zusammengefasst und im Zentrum durch einen Deckendurchbruch verbunden. Eine einläufige Treppe verbindet oben und unten. Der Eindruck des Einraums wird durch die Materialisierung unterstrichen. Boden und Wände sind mit grossflächigen Holzplatten ausgefüttert. Die untere Decke ist mit Blattgold belegt, was sie nach oben fast durchschimmernd macht, der ganze Raum wird zu einem einzigen Gefäss. Fiberglas ist das Material für die Brüstungen und Servicemöbel. Ihr bläuliches, gelbliches Schimmern betont die gehobene Stimmung. Die Spektralfarben im Durchscheinen der Lampen erzeugen einen edlen Hauch. Das gewöhnliche Material Fiberglas verzaubert mit farblichem Reichtum. Dessen Farben aber zu benennen, ist man kaum im Stande, den sie wechseln je nach Standort und Beleuchtung. Die transluzenten Brüstungen verhindern das unangenehme Gefühl des Ausgestelltseins, wirken aber trotzdem nicht Raum abschliessend. Blickt man nach oben, so schimmert die leuchtend gelbe Decke des Obergeschosses durch die Brüstung, der Raum geht bis zuoberst. Über dem Deckendurchbruch jedoch wird durch das Rubinrot der Decke die Mitte des Raums unterstrichen. Die Treppe ist ein gestalterisches und konstruktives Kabinettstück. Sie nützt die Tragkraft der Fiberglastafeln aus, die die Wangen bilden. Das gezackte Band der Stufen schwebt wie von Geisterhand gehalten schräg im Raum, die Wangen wirken immateriell und am Tragen unbeteiligt. Der Handlauf aus Chromstahl stabilisiert zwar die Fiberglasplatten gegen das Ausbauchen, trägt aber die Treppe nicht mit. Die Form der Treppe ist auf das Nötige reduziert, man kann nichts mehr abschrauben. Statisch handelt es sich um ein grosses U-Profil, das als einfacher Balken mit einem Auflager an beiden Enden funktioniert. Die grosse statische Höhe der Wangen nützt die Tragkraft des Fiberglases optimal aus. Mit einem Minimum an Material wird ein Maximum an Wirkung erzielt. Man kann eine Treppe wohl kaum leichter machen. In beidem, dem physischen wie dem ästhetischen Gewicht. 1 Der Tisch aus Fiberglas und der dazugehörige Hocker gehorchen dem gleichen Konstruktionsgedanken. Foto: Oli Rust??? 1 2 Querschnitt durch die Tischplatte: Die U-förmigen Lamellen sorgen für die Stabilität gegen die Durchbiegung. 2 Die Untersicht zeigt die Lamellen, die mit einer Laminatschicht mit der Tischplatte verbunden werden. 3 ‹Tabula›, 2004 Umbau Restaurant ‹National›, 2003 --› Auftraggeber: Swissfiber AG, Zürich Stadthausstrasse 24, Winterthur --› Designer: Novaron, Diepoldsau; Eicher, Hutter, Gepp --› Bauherrschaft: Credit Suisse Financial Services, Zürich GmbH, Till Lücke 1 Das schwarze Zackenband schwebt wie von Geisterhand gehalten im Raum. Die Treppenwangen scheinen nicht zu tragen. 1 Foto: Amsler fragen Eine Brüstung, die zugleich trennt und verbindet: Kein Gefühl des Ausgestelltseins und trotzdem ein durchgehender Raum. 2 Foto: Oli Rust Der Deckendurchbruch bindet die beiden Geschosse zusammen. Die Darstellung betont die Fiberglasbrüstungen. 3 2 --› Architekten: Vrendli und Arnold Amsler, Winterthur; --› Gewicht: 28 kg Mitarbeiter: Kathrin Schmidt, Bettina Haberbeck --› Vertriebspartner: Firma Inogg, Langendorf, www.inogg.ch --› Beleuchtungsberatung: Christian Vogt, Winterthur 3 3 18 Fiberglas im Design Fiberglas im Design 19 Die Bücken-Erfindung Der Wolken-Steg Die beiden Brücken, eine über die Kempt bei Winterthur, die andere zur Wolke auf der Arteplage der Expo.02 in Yverdon, sind das Ergebnis eines KTI-Projektes. KTI heisst Kommission für Technologie und Innovation. Der Bund unterstützt die Zusammenarbeit von privaten Firmen und den Hochschulen. Die kleinere Brücke über die Kempt ist der Prototyp für jene an der Expo. Es handelt sich um so genannte Systembrücken. Sie waren ursprünglich als leichte Notbrücken gedacht, die bei Hochwasser- oder Lawinenkatastrophen schnell einsetzbar sind. Allerdings zeigte sich, dass die geschädigten Gemeinden ihre Notbrücken meist aus ihrem eigenen Holz errichteten. Bisher wurden tragende Elemente aus Kunststoff im Bau nur sehr selten eingesetzt. Dieser Steg über die Kempt ist weltweit die erste Brücke, die zu rund 90 Prozent aus Fiberglas gefertigt ist. Einzig die Schrauben und Vorspannstangen sind aus Stahl. Auch wird hier nicht mit Fiberglas Stahlbau nachgeahmt, sondern die Formgebung aus den Eigenschaften des Materials entwickelt. Ein Kilogramm Stahl kostet fertig verbaut rund zwei Franken, ein Kilogramm glasfaserverstärkter Kunststoff zwischen 10 und 20 Franken. Da leuchtet es ein, dass für eine Fiberglasbrücke die alte Ingenieurregel gilt: Je weniger Material, desto besser. Je leichter die Konstruktion, desto billiger die Brücke. Das führt zu dünnwandigen Trägern mit einer grossen statischen Höhe. Das Eiprofil der Hauptträger erfüllt diese Anforderungen ideal. ‹Form follows function.› Vier Zugstangen, zwei im Scheitel, zwei am Kiel des Trägers dienen vor allem der Montage der Brücke. Die Biegekräfte übernehmen nach der Montage aufgeklebte Kohlenfaserlamellen, die im Gegensatz zu den Zugstangen korrosionsbeständig sind. Das Durchrosten der Stangen kann in Kauf genommen werden. Wo die einzelnen Elemente aneinander stossen, übernehmen annähernd halbkreisförmige Schotte die Verbindung. Die Querkräfte werden von Nocken und Vertiefungen übertragen. Die Brücke über die Kempt hat eine Spannweite von 16 Metern und wiegt nur 850 Kilogramm. Sie braucht keine betonierten Fundamente, das Eingraben genügt. Im Mai 2000 bauten Angehörige der Armee in zwei Stunden die Brücke zusammen. Damit wurde gezeigt, dass eine Brücke auch von Laien montiert werden kann. Die Stadt Winterthur als Bauherrin bestimmt die Farben. Anthrazit für die Tragelemente und Meergrün für die Brüstungen und die Geländer. Das transluzente Grün hat eine geheimnisvolle Strahlkraft, das technische Werk wird zu einer Zauberleuchte mitten im Wald. An der Zürcher Hochschule Winterthur wurden im Labor die Materialeigenschaften geprüft. Es gab ja noch keine empirisch belegten Werte für diesen neuen Brückentyp. Mit insgesamt sechs Prototypen wurde das Trag- und das Langzeitverhalten untersucht. Diese Messungen sind danach in die Konstruktion und Bemessung der Brücke an der Expo.02 eingeflossen. Damit war dieses KTI-Projekt abgeschlossen, bei dem die Eidgenossenschaft die Kosten für die Messungen übernommen hatte. Die Brücke zur Wolke der Expo.02 in Yverdon hat statt einem zwei eiförmige Träger. Sie steht auf Stahljochen, die schon eine Notbrücke der Armee getragen hatten. Auf den Jochen stehen Stahlstützen, deren verschiedene Höhe für die Neigung der Brücke sorgt. Mit Spannkabeln zwischen dem Brückenkörper und den Jochen wird das Umkippen verhindert. Die Spannweite von Joch zu Joch beträgt 13 m, ein Mass, das von der Armeenotbrücke herstammt. Ein Modul der Träger ist nur 25 Kilogramm schwer. Jedes Bauteil kann beim Einbau von einem einzigen Mann getragen werden. Hunderttausende haben die Wolken-Brücke benutzt. Die Expo.02 war die Gelegenheit, Material und Konstruktion im Gebrauch zu testen, vom Einbau über den Abrieb der Gehwege bis zur Demontage. Die Expo verlangte, dass die Bauten demontiert und wiederverwendet werden konnten. Darum wurde auch diese Brücke wieder in ihre Module zerlegt und rund 250 Meter Steg warten im Lager auf ihren nächsten Einsatz. Die Brüstungen dieses Stegs sind transluzent, was mit der Beleuchtung von unten noch verstärkt wird. Das Meergrün passte genau zur Wolke von Diller + Scofidio. Die meisten Besucher waren im Glauben, sie sei von denselben Leuten gemacht worden. 1 2 In der Untersicht sieht man, wie die Stahlstützen mit der eigentlichen Brücke verbunden sind. 1 Die Wolke von Yverdon war eine der Ikonen der Expo 02. Wolke und Brücke redeten dieselbe architektonische Sprache. 2 Auf den Jochen der militärischen Notbrücke ist die Brücke aufgeständert. Kabel verhindern das Umkippen. 3 Brücke zur Wolke, Expo.02 Arteplage Yverdon --› Bauherrschaft: Expo.02 1 --› Generalunternehmer: Halter GU, Zürich --› Ingenieur: Staubli, Kurath & Partner; Zürich --› Realisation: Swissfiber, Zürich 3 Ein Schritt nach vorn 2 3 1 Die kleine Brücke über die Kempt bei Winterthur: Ein geheimnisvoll leuchtender Balken in der grünen Landschaft. Querschnitt: Die Traglast wird vom eiförmigen Rohr aus Fiberglas übernommen, die Elemente sind mit Schotten verbunden. 2 Fiberglas ist verrottungsbeständig. Die Brücke braucht keine Fundamente und ist direkt auf das Erdreich aufgelagert. 3 Die Untersicht zeigt, wie die einzelnen Bauelemente durch die Schotten zusammengefügt werden. 4 Für einen Fussgängersteg über die Limmat rund 200 Meter unterhalb der Wipkingerbrücke veranstaltete die Stadt Zürich einen eingeladenen Wettbewerb. Swissfiber schlug eine extrem leichte Brücke mit überzeugender technischer Eleganz vor. Die Form der Brücke folgt exakt und ökonomisch den Kräften. Das Tragwerk besteht aus zwei Stahlbögen mit 68 m Spannweite und 14 m Pfeilhöhe, die mit Querstreben ausgesteift sind. Daran sind der Gehweg und die Brüstungen aus Fiberglas aufgehängt. Da diese sehr leicht sind, kann auch der Stahlbogen sehr schlank bemessen werden. Er wird durch ein Speichennetzwerk, das auch als Zugband wirkt, stabilisiert. Die Speichen sind weiss gefärbt, die Hänger schwarz. Damit zeichnen sich die Speichen deutlich ab, die Hänger hingegen treten in den Hintergrund der Uferbäume zurück. Das unterstreicht die Leichtigkeit und Transparenz der Brücke. Die Korrosionsfestigkeit des Fiberglases wird die Unterhaltskosten verringern. Es geht hier um mehr als einen Fussgängersteg: Die Kombination von Stahl und Fiberglas sollte einen Schritt zu einer neuen Entwicklungsphase im Brückenbau werden. Gewählt hat die Jury ein viel braveres Projekt. 1 An einem eleganten, doppelten Stahlbogen hängt der Fussgängersteg, der völlig aus Fiberglas konstruiert ist. 1 Die Gehplatte ist aus rechteckigen, abriebbeständigen und verrottungsfesten Fiberglasprofilen zusammengesetzt. 2-3 Fussgängerbrücke über die Limmat bei der Wipkingerbrücke Brücke über Kempt, Wann? Zürich --› Bauherrschaft: Tiefbauamt der Stadt Winterthur --› Bauherrschaft: Tiefbauamt der Stadt Zürich --› Ingenieure: Staubli, Kurath & Partner, Zürich --› Architekt: Zumbühl & Heggli, Zug --› Projektbeteiligte: KTI (Kommission für Technologie und In- --› Ingenieur: Staubli, Kurath & Partner, Zürich 2 --› Unternehmer: Swissfiber, Zürich novation); Swissfiber, Zürich; Zürcher Hochschule --› Material: Stahlbogen mit selbsttragendem Fiberglasbelag Winterthur; Sika Baustoffe, Zürich 3 4 20 Fiberglas im Brückenbau Fiberglas im Brückenbau 21 Fiberglas im Bau Fiberglas ist als tragender Werkstoff im Bauwesen verhältnismässig neu. Darum gibt es für die Bemessung von Fiberglas-Bauteilen noch kein verbindliches Normenwerk. Trotzdem folgt hier eine kurze Übersicht der aus der Erfahrung gewonnenen Richtwerte. Eine Einführung für Ingenieure. Fiberglas wird als selbsttragender Belag im Stegbau, als Fassadenmaterial, im Gerüstbau, als Brückenoder Dachträger, im Innenausbau oder einfach als Konstruktionsprofil eingesetzt. Nicht nur die herausragende Beständigkeit, sondern auch das geringe Gewicht und die Formen- und Farbenvielfalt eröffnen Fiberglas immer mehr Anwendungsmöglichkeiten. Das konstruktive Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Fiberglas ist, ähnlich wie Beton, ein anisotroper Baustoff, das heisst, die Festigkeitseigenschaften sind richtungsabhängig. Fiberglas ist ein Werkstoff, der zu Höchstleistungen getrimmt werden kann. Neben der Automobilindustrie, dem Flugzeug- und Bahnbau werden die Vorteile immer mehr auch im Bauwesen genutzt. Als Fasern (Armierung) werden meist Glasfasern in Form von Rovings (Faserbündeln), Matten (beliebig angeordnete Faserstreifen), Gewebe (ein- oder zweidimensionale Anordnung) oder Kombinationen davon eingesetzt. Für höchstbeanspruchte Teile, wie aufgeklebte Zuglamellen zur Verstärkung von Betonkonstruktionen, werden auch Kohlefasern (C-Fasern) benützt. Wenn eine hohe Schlagfestigkeit erreicht werden muss, zum Beispiel für die Herstellung kugelsicherer Westen, werden auch synthetische Amid-Fasern verwendet. Als Matrix kommt meist Polyesterharz zum Einsatz, auch Epoxyharzsysteme werden angewendet. Pigmente und Füllstoffe bestimmen die Farbe und viele physikalische Eigenschaften, wie das Brandverhalten, die Beständigkeit und anderes. Hauptkriterien für die Bemessung sind der Fasergehalt und die Faserrichtung. Profiltypen Normen, Bemessung, Profile Optimierte Profile Standardprofile Well- und Flachplatten Eine verbindliche Norm zur Bemessung von Fiberglasbauteilen ist noch nicht vorhanden. Doch sind verschiedene Bestrebungen und Entwürfe im Gange. Die Belastungen entnimmt der Anwender den geltenden Normen des SIA, den DIN- oder EN-Normen. Im Sicherheits- und Nutzungsplan führt man die angenommenen Belastungen und die Bemessungsgrundlagen an. Der Tragfähigkeitsnachweis erfolgt meist mit einem y F = 1.8 für die Materialeigenschaften. Das ist die Grundlage für die entsprechenden Nachweise der Gebrauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit. Die Erfahrung zeigt, dass oft die Gebrauchstauglichkeit massgebend ist. Der Elastizitätsmodul von Fiberglasbauteilen ist richtungsabhängig. Das Ziel besteht darin, den Querschnitt möglichst gut auszunutzen, um den Materialbedarf zu minimieren. Es gilt die Regel: Je leichter, desto besser. Formen und Abmessungen der Profile sind zum Teil dem Stahlbau nachempfunden worden. Neben den Standardformen sind die verschiedensten Spezialformen im Einsatz. Je nach der notwendigen Menge, lohnt es sich, eine spezielle Form für eine bestimmte Anwendung zu entwickeln. Die Materialeigenschaften hängen zum grossen Teil einerseits vom Herstellverfahren ab (Pultrusion, Pressen oder Handlaminieren), andererseits vom Fasergehalt und der Faserrichtung. Als Richtwerte für geprüfte Profile werden die folgenden Werte empfohlen: Eb = 20 000 N/mm 2, ob = 220 N/mm 2, G = 7000 N/mm 2 und T = 40 N/mm 2. Man führt in der Regel die Bemessung elastisch-elastisch durch. Die Form, die statischen Eigenschaften, die Farbe und die Verfügbarkeit bestimmen die Profilauswahl. Als Verbindungen empfehlen sich vor allem Schraub-, Niet- oder Klebverbindungen. • Weitere Angaben: Swissfiberhandbuch ‹Grundlagen zum Bemessen von GFK-Bauteilen›. www.swissfiber.com 22 Grundwissen für Ingenieure