Quo Vadis Kompensation? Tagung zur Zukunft der Eingriffsregelung Vortrag: Empfehlungen zur Ableitung sachgerechter Kompensationsmaßnahmen in der Eingriffsregelung Kurzfassung: Methodik der Eingriffsregelung Empfehlungen zur Ableitung sachgerechter Kompensationsmaßnahmen in der Eingriffsregelung Dip. Ing. Klaus Müller-Pfannenstiel - Mitglied im bdla (Bosch & Partner GmbH: Herne, München, Hannover, Berlin – www.boschpartner.de) Einleitung Die Bedeutung der Eingriffsregelung ist in dem inhaltlich breiten Schutzgut- bzw. Funktionsansatz und dem flächendeckenden Anwendungsbereich begründet. Die maßgeblichen Schutzgüter der Eingriffsregelung Klima/ Luft, Wasser, Boden/ Geotope, Tierund Pflanzenarten, Biotope und Landschaften sind mit den für Naturschutz und Landschaftspflege einschlägigen Zieldimensionen des §§ 1, 2 BNatSchG zu verknüpfen, um hieraus die Schutzgut- und Funktionsbereiche abzuleiten. Natur und Landschaft sollen in der Gesamtbilanz von eingriffsbedingten Verschlechterungen und kompensationsbedingten Verbesserungen in der gleichen Qualität vorliegen wie vor dem Eingriff. Da aber jedes Vorhaben, das den Handlungstatbestand der Eingriffsregelung gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG erfüllt, zu strukturellen und funktionalen Veränderungen von Natur und Landschaft führt, kann nicht die Herstellung des tatsächlichen Zustands vor dem Eingriff das Ziel der Eingriffsregelung sein, sondern (nur) ein Zustand, der dem ursprünglichen funktional möglichst weitgehend entspricht. Dies gilt insbesondere, als der Gesetzgeber mit den Begriffen „gleichartig“ und „gleichwertig“ sowie „landschaftsgerecht wiederherstellen bzw. neugestalten“ nur einen Rahmen abgesteckt hat, der inhaltlich auszufüllen ist. Einordnung der Schwere der Beeinträchtigung Für eine funktionsbezogene Kompensation bedarf es der Konkretisierung der Bewertungsund Kompensationsmaßstäbe mit dem Ziel, die naturschutzbezogene Bedeutung der Schutzgüter und Funktionsbereiche zu ermitteln und die erheblichen Beeinträchtigungen nach ihrer Schwere einzuordnen. Diese Einordnung der Schwere der Beeinträchtigung bildet die Grundlage für die Ableitung von Vorkehrungen zur Vermeidung und für eine sachgerechte, funktionsspezifische Realkompensation. Dabei gilt: Je wertvoller die beeinträchtigte Funktion (bzw. das betroffene Schutzgut) und je schwerwiegender die erhebliche Beeinträchtigung, desto strikter sollte der Funktionsbezug verstanden werden und desto geringer ist der Spielraum für eine Flexibilisierung. Funktionsspezifische Maßnahmen Ausgleich und Ersatz stehen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG als Formen der Realkompensation alternativ nebeneinander. Durch die Gleichstellung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen besteht keine Rangfolge mehr zwischen den Maßnahmen bzw. kein Vorrang von Ausgleichsmaßnahmen vor Ersatzmaßnahmen. Hierdurch ergibt sich jedoch kein Wahlrecht des Eingriffsverursachers im Hinblick auf die von ihm geschuldete 17.05.2016 1 Quo Vadis Kompensation? Tagung zur Zukunft der Eingriffsregelung Vortrag: Empfehlungen zur Ableitung sachgerechter Kompensationsmaßnahmen in der Eingriffsregelung Kompensationsleistung, sondern vielmehr die Notwendigkeit einer Einzelfallentscheidung, welche Maßnahmen die aus fachlicher Sicht sachgerechte Kompensation darstellen. Die Wahl zwischen Ausgleich und Ersatz hat anhand der Zweckmäßigkeit im Rahmen der funktionsspezifischen Kompensation zu erfolgen. Eine funktionsspezifische Kompensation ist für erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes besonderer Schwere vorzusehen, wobei diese je nach funktionsräumlichem Zusammenhang sowohl durch Ausgleichs- wie auch durch Ersatzmaßnahmen umgesetzt werden kann. Bei einer funktionsspezifischen Kompensation im Sinne des Ausgleichs wird die beeinträchtigte Funktion des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes gleichartig innerhalb des betroffenen Funktionsraums wiederhergestellt. Bei einer funktionsspezifischen Kompensation im Sinne des Ersatzes ist die beeinträchtigte Funktion gleichwertig innerhalb des betroffenen Naturraums wiederherzustellen. Sofern eine Kompensationsmaßnahme eine funktionsspezifische Wiederherstellung ermöglicht, räumlich aber nicht im direkt betroffenen Funktionsraum, sondern in einem räumlich direkt angrenzenden Funktionsraum liegen würde, ist im Einzelfall zu entscheiden, ob die Maßnahmen dem Ausgleich oder Ersatz zuzuordnen ist. Für erhebliche Beeinträchtigungen ohne besondere Schwere ist der Funktionszusammenhang gelockert. Eine funktionsspezifische Kompensation ist dabei nicht zwingend, es wird aber jedenfalls eine Orientierung der Kompensationsmaßnahmen an den beeinträchtigten Funktionen empfohlen. Bei dieser gelockerten Form des Funktionsbezugs handelt es sich immer um Ersatzmaßnahmen. Der funktionsspezifische Kompensationsansatz sollte auf einer qualifizierten Landschaftsplanung bzw. auf einem projekt- und landschaftsraumbezogenen Kompensationskonzept für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufbauen. Das Konzept formuliert die Ziele zur Wiederherstellung der Funktionen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes und gewährleistet dadurch eine räumliche Steuerung der Maßnahmen bzw. eine naturschutzfachlich sinnvolle Einbindung der geplanten Maßnahmen in die Leitbilder des entsprechenden Planungs- bzw. Naturraums. Innerhalb dieses planerischen Rahmens für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können die funktionsspezifischen Kompensations-erfordernisse zugeordnet, räumliche Flexibilitäten bei der Maßnahmenzuordnung (Funktions-, Naturraum) und Maßnahmenalternativen abgeleitet werden. Dabei sind insbesondere die beeinträchtigten Funktionen besonderer Schwere zu berücksichtigen sowie die projektbezogenen Maßnahmenerfordernisse, die sich aus weiteren fachgesetzlichen Anforderungen (u.a. Artenschutz, Natura 2000 Gebietsschutz, geschützte Biotope, Ersatzaufforstungen, Hochwasserschutz) ergeben. Der Prüfauftrag für die in § 15 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG genannten Maßnahmen (Entsiegelung, Wiedervernetzung von Lebensräumen und Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen) zielt darauf ab, nach Möglichkeit eine Reduzierung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche zu vermeiden. Welche der genannten Maßnahmen im Einzelfall eingesetzt werden kann, ist abhängig von den zu kompensierenden Funktionen. 17.05.2016 2 Quo Vadis Kompensation? Tagung zur Zukunft der Eingriffsregelung Vortrag: Empfehlungen zur Ableitung sachgerechter Kompensationsmaßnahmen in der Eingriffsregelung Die Maßnahmenplanung sollte in einen kooperativen Planungsprozess, der auch eine frühzeitige Berücksichtigung der agrarstrukturellen Belange ermöglicht, eingebunden werden. 17.05.2016 3