Kapitel 24 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 24.1 Feynman Regeln Wir können nun die elementaren Feynman-Regeln für die elektroschwache Wechselwirkung zusammenfasssen. In der QED haben wir gefunden, dass der Term ( ) ( ) −ie jµem A µ = −ie ψγ µ Qψ A µ den folgenden Vertexfaktor liefert: γ f = e–,q,µ–,τ– γ → ff f = e+,q,µ+,τ+ −ieQf γ µ wobei Qf die elektrische Ladung des Fermions f ist: 2 Qe = −1, Qu = + , 3 Teilchenphysik Qd = − 1 3 437 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Der geladene schwache Strom ist gegeben durch W± g µ 1− γ 5 W ± → eν e , µν µ ,τντ , ud ′, cs′ −i γ 2 2 Wir können den neutralen schwachen Strom als Funktion des schwachen Isospins und der elektrischen Ladung ausdrücken: −i ( ) g j 3 − sin 2 θW jµem Z µ = cosθW µ −i 1− γ 5 µ g 2 ψ I 3 − sin θW QψZ cosθW 2 Der neutrale schwache Strom ist damit gegeben durch Z0 f = e–,q,µ–,τ– Z 0 → ff f = e+,q,µ+,τ+ −i c f − c Afγ 5 g γ µ V cosθW 2 wobei für das Fermion f gilt cVf = I 3f − 2sin 2 θW Qf f f c A = I 3 Kopplungskonstante Die Kopplungskonstanten der Elementarfermionen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. 438 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Feynman Regeln TABLE 1. Elektrische Ladung, Vektor- und AxialvektorKopplungskonstanten der Fermionen Qf CA CV νe,νµ,ντ 0 1 2 1 2 e,µ,τ -1 − 1 2 1 − + 2 sin 2 θW 2 u ,c ,t + 2 3 − 1 3 1 2 1 4 2 − sin θW 2 3 d ,s ,b − 1 2 1 2 − + sin 2 θW 2 3 In der Tabelle haben wir den folgenden Teilcheninhalt angenommen: ν e ν µ ντ , , , e R , µ R ,τ R eL µL τ L u c t , , , uR , c R , tR , dR′ , sR′ , bR′ d ′ L s′ L b′ L Teilchenphysik 439 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 24.2 Eichinvarianz H. Weyl (1921) Studium der Eichinvarianz In der Quantenmechanik ist die absolute Phase der Wellenfunktion nicht beobachtbar. Man kann diese Tatsache formalisieren und eine globale Transformation der Phase der Wellenfunktion betrachten. Diese wird als eine globale Eichtransformation bezeichnet: ψ ( x ) → e iα ψ ( x ) wobei α = reelle Zahl Diese Transformation soll unbeobachtbar sein! Wir können nun die Dirac-Gleichung eines freien Teilchens betrachten: L Dirac ≡ iψγ µ ∂ µψ − mψψ Die globale Eichtransformation wirkt als ψ ( x µ ) → e iα ψ ( x µ ) − iα µ µ ψ ( x ) → e ψ ( x ) iα µ ∂ µψ → e ∂ µψ ( x ) und damit L Dirac → ie − iα ψγ µ e iα ∂ µψ − me iα e − iα ψψ = L Dirac d.h., die Lagrange-Funktion ist invariant unter der Eichtransformation! 440 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Eichinvarianz 24.2.1 Globale Eichinvarianz Die Menge der Eichtransformationen bildet eine Gruppe von Transformationen U, die von einem kontinuierlichen Parameter abhängen: U (α ) ≡ e iα wobei α ein reeller, kontinuierlicher Parameter ist. Die Transformation wirkt als ψ ( x ) → Uψ ( x ) Die U(α)-Tranformationen bilden eine unitäre Gruppe: die U(1) Gruppe. Die Kommutativität zwischen Transformationen gilt, und wir sagen, dass U(1) eine Abelsche Gruppe ist: U (α1 )U (α 2 ) = U (α 2 )U (α1 ) : Abelsche Gruppe U(1)-Invarianz: die Invarianz unter der U(1)-Gruppe ist eine wichtige Symmetrie ! Wir betrachten eine infinitesimale U(1)-Transformation: Uψ ( x ) ≈ (1 + iα )ψ ( x ) ≈ ψ ( x ) + iαψ ( x ) Teilchenphysik α →0 441 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Wir betrachten die Änderung der Lagrange-Funktion unter einer infinitesimalen U(1)-Transformation: ∂L ∂L δψ + δ ∂ µψ + [ψ → ψ ] ∂ψ ∂ ∂ µψ ( ) ( ) ∂L ∂L δ (iα∂ ψ ) + [ψ → ψ ] = iαψ ( x ) + ∂ψ ∂(∂ ψ ) δL ≡ µ µ ∂L ∂L ∂L ψ + iα ψ − iα ∂ µ = iα∂ µ ψ + [ψ → ψ ] ∂ ∂ ψ ∂ ∂ ψ ∂ ψ µ µ 1444442444443 ( ) ( ) = 0 wegen der Euler − Lagrange −Gleichung Wenn die Lagrange-Funktion invariant unter der U(1)-Transformation ist, erhalten wir: δL = 0 oder ∂µ j µ = 0 wobei ∂L ∂L µ µ ψ −ψ j µ = i = i(iψγ ψ − 0) = −ψγ ψ ∂ ∂ ψ ∂ ∂ µψ µ ( ) ( ) Wir erkennen den elektromagnetischen Vektorstrom! D.h., wenn wir die Eichtransformation als ψ ( x ) → e iQα ψ ( x ) 442 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Eichinvarianz annehmen, wobei Q die elektrische Ladung ist, erhalten wir den Strom j µ = −Qψγ µψ Eine Beziehung zwischen der globalen Eichinvarianz und der elektrischen Ladung ist explizit ! Als Folge des Nöther-Theorems können wir auch erwarten, dass die U(1)-Invarianz die Erhaltung einer Grösse erzwingen wird. Wir nehmen an, dass die elektrische Ladung die erhaltene Grösse der U(1)-Invarianz ist. 24.2.2 Lokale Eichinvarianz Bisher haben wir die Folgerungen einer globalen Phaseninvarianz analysiert. Was passiert, wenn die Phase der Transformation lokal ist, d.h., wenn der Parameter α eine Funktion des Raumzeitvektors ist ? α ≡ α(x µ ) Wir betrachten damit die lokale Eichtransformation: µ ψ ( x µ ) → e iQα ( x )ψ ( x µ ) Lokale Eichtransformation Der Massenterm mΨΨ ist invariant. Der kinetische Term ist wegen der Ableitung aber nicht invariant: µ µ ∂ µψ → e iQα ( x )∂ µψ ( x µ ) + iQe iQα ( x )ψ∂ µ (α ) 1442443 Brechung der Eichinvarianz Teilchenphysik 443 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Der Ursprung des Problems kommt von der Ableitung der Phase. Wir können das fundamentale Postulat einführen: Fundamentales Gesetz: die Theorie muss lokal-eichinvariant sein! Um diese Invarianz einzufügen, werden wir die Ableitung durch eine “eichkovariante” Ableitung ersetzen: kovariante ∂ µ → Dµ ≡ ∂ µ + iQAµ Ableitung Mit dieser Definition erhalten wir: Dµψ → e iQα ( x µ ) (D ψ ) µ wenn das Eichfeld Aµ sich transformiert wie: Aµ → Aµ − ∂ µα ( x ) Hier ist das Eichfeld Aµ eine beliebige Funktion der Raumzeit, das die lokale Eichtransformation der Phase kompensiert, so dass die Gleichung schliesslich eichinvariant ist. Die physikalische Bedeutung dieses Eichfeldes ist noch nicht explizit. Wir ersetzen daher die Ableitung ∂µ in der Dirac-Gleichung durch die kovariante Ableitung Dµ: L U(1) ≡ iψγ µ Dµψ − mψψ = iψγ µ ∂ µψ − mψψ − QAµ (ψγ µψ ) 444 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Eichinvarianz Im Fall der elementaren Ladung Q=e erhalten wir die LagrangeDichte der QED-Theorie (Siehe Kap. 9.3.2): L U(1) = L frei − e(ψγ µψ ) Aµ = L QED !! Die U(1)-Invarianz hat die QED-Lagrange-Funktion erzeugt! Wir können nun die Funktion Aµ als das Photonfeld betrachten. Die Eichtransformation Aµ → Aµ − ∂ µα ( x ) wird durch den Eichfreiheitsgrad der Maxwellschen Gleichungen erlaubt! Wenn wir das Eichfeld Aµ als das Photonfeld betrachten, werden wir seinen kinetischen Term zusätzlich einfügen: 1 − Fµν F µν 4 Masse der Eichbosonen: wenn wir die Eichinvarianz der Theorie erzwingen, werden als Folge die Eichbosonen (die Bosonen, die in der quantisierten Theorie ausgetauscht werden) masselos sein! Wir können den Fall der QED betrachten. Der Massenterm des Photonfelds wird eine solche Form besitzen: L Masse = 1 2 µ m A Aµ 2 γ Unter der Eichtransformation wird das Produkt der Felder sich so ändern: ( ) A µ Aµ → ( A µ − ∂ µα ) Aµ − ∂ µα ≠ A µ Aµ Teilchenphysik 445 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Wir schliessen daraus: Die Eichinvarianz zwingt das Photon, masselos zu sein. Experimentell ist der Grenzwert gleich mγ < 2 × 10 −16 eV 90%C .L. 24.3 Nicht-Abelsche Eichtheorien Heutzutage glaubt man, dass alle Teilchenwechselwirkungen (elektromagnetisch, schwach, stark, (Gravitation?)) als lokal eichinvariante Quantenfeldtheorien ausgedrückt werden müssen. Die Eichinvarianzbedingung hat im Fall der QED eine eindeutige Form der Lagrange-Funktion definiert, und hat sozusagen die Form des Wechselwirkungsterms vorausgesagt. Können solche Eichinvarianzeigenschaften erweitert werden? Yang/Mills (1954) Erweiterung des Konzeptes der lokalen Invarianz im Fall von Nicht-Abelschen Gruppen Wir betrachten ein Feld, das eine Dublettstruktur besitzt: ψ1 ψ = ψ 2 und ψ = (ψ 1 ψ 2 ) Die Lagrange-Dichte kann so geschrieben werden: L ≡ iψγ µ ∂ µψ − ψ Mψ 446 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Nicht-Abelsche Eichtheorien wobei M die Massenmatrix ist: m1 M= 0 0 m2 Das Feld ψ hat zwei Komponenten. Wir betrachten die allgemeine SU(2) unitäre Transformation: ψ → Uψ U = 2 × 2 Matrix ∈ SU (2) Es gilt, ψ → ψU + und U +U = 1 Damit ist das Produkt ψψ = ψ U +Uψ eine Invariante der SU(2)-Transformation. Wenn die Invarianz exakt gilt, müssen auch die zwei Teilchen gleiche Masse besitzen: SU (2) − Invarianz ⇒ m1 = m2 24.3.1 Lokale, Nicht-Abelsche Eichinvarianz Wir betrachten die folgende Transformation, die einer Erweiterung der Phasentransformation entspricht: µ µ ψ ( x ) → U ( x )ψ ( x ) = e wobei Teilchenphysik i r r σ ⋅α ( x ) 2 ψ (xµ ) r α = (α1,α 2 ,α 3 ) = drei reelle Zahlen 447 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) und σ die Pauli-Matrizen sind. Wir bemerken, dass ( ) ( ) ∂ µψ → U ∂ µψ + ∂ µU ψ Wie im Fall der lokalen, Abelschen Transformation wird die “freie” Lagrange-Dichte nicht eichinvariant sein. Um die Eichinvarianz wieder herzustellen, werden wir die Ableitung durch eine kovariante Ableitung ersetzen, der Form: gr r Dµ ≡ 1∂ µ + i σ ⋅ W µ 2 wobei g eine Kopplungskonstante ist (Vergleich mit der Ladung Q im Fall der U(1)-Symmetrie). Dabei haben wir drei Eichfelder Wµ eingeführt: r W µ ≡ W1µ ,W 2 µ ,W 3 µ ( ) d.h., wir brauchen drei unabhängige Funktionen der Raumzeit, um die lokalen Änderungen der Phasen zu kompensieren. Transformation der Eichfelder: wir erzwingen die Invarianz der Lagrange-Dichte unter einer SU(2)-Transformation. Eine hinreichende Bedingung ist, dass die kovariante Ableitung des Feldes ψ sich so transformiert: ( Dµψ → Dµ′ψ ′ = U Dµψ 448 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia ) Nicht-Abelsche Eichtheorien Wenn die Bedingung gilt, ist die Lagrange-Dichte invariant. Wir berechnen diese Ableitung: gr r Dµ′ψ ′ = ∂ µ + i σ ⋅ W µ′ψ ′ 2 ( ) ( ) = U ∂ µψ + ∂ µU ψ + i g r r σ ⋅ W ′ Uψ 2 ( ) Gleichzeitig gilt gr r U Dµψ = U ∂ µ + i σ ⋅ W µ ψ 2 g r r = U ∂ µψ + i U σ ⋅ W µψ 2 ( ) ( ( ) ) Wir erhalten die folgende Bedingung g r r g r r i σ ⋅ W µ′ Uψ = i U σ ⋅ W µψ − ∂ µU ψ 2 2 g r r = i U σ ⋅ W µ ψ − ∂ µU ψ 2 ( ) ( ( ) ( ) ) ( ) Diese Gleichung muss für ein beliebiges Feld ψ gelten. Durch die Substitution ψ→U–1ψ erhalten wir: r r r r 2i σ ⋅ W µ′ = U σ ⋅ W µ U −1 + ∂ µU U −1 g 14 4244 3 14243 SU ( 2 )− Rotation ( ) ( ) ( ) Gradientterm Teilchenphysik 449 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Der erste Term entspricht einer SU(2)-Transformation des Feldes. Der zusätzliche Term wird als Gradientterm bezeichnet. Wir können das mit der QED erläutern: ( ) U = e iQα ( x) ⇒ Aµ′ = U Aµ U −1 + = Aµ − ∂ µα ( ) i ∂ U U −1 Q µ OK! Wir erhalten, wie erwartet, die bekannte Eichtransformation des Potentials. Wir betrachten nun eine infinitesimale Eichtransformation der Form: i r r U = 1 + σ ⋅ α ( x) 2 αi → 0 mit Die Transformation der Eichfelder ist damit r r (σr ⋅ W ′) = 1 + 2i σr ⋅ αr (σr ⋅ W )1 − 2i σr ⋅ αr µ µ + ( ( )) r 2i r i r r σ ⋅ ∂ µα 1 − σ ⋅ α 2 g Mit der bekannten Beziehung r r r r r r r r r (σ ⋅ a) σ ⋅ b = a ⋅ b + iσ ⋅ a × b ( ) ( ) kann das folgende Ergebnis für die Transformation der Eichfelder hergeleitet werden: r r r r 1 r Transformation der Eichfelder W µ′ = W µ − α × W µ − ∂ µα g 450 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Nicht-Abelsche Eichtheorien Wenn wir das Ergebnis mit dem der QED vergleichen, bemerken wir, dass es einen zusätztlichen Term gibt: Aµ → Aµ − ∂ µα Der Vektorproduktterm α × W µ kommt aus der Nicht-Abelschen Natur der SU(2)-Gruppe. SU(2)-Invarianz der Lagrange-Dichte: wir diskutieren nun die Invarianz der Dirac-Lagrange-Dichte mit Hilfe der kovarianten Ableitung Dµ: ( ) L = ψ iγ µ Dµ − m ψ ( m = m1 = m2 ) r r g = L frei − ψ (γ µσψ ) ⋅ W µ 2 Die Form des Wechselwirkungsterms wurde von der Eichinvarianz vorausgesagt. Um die vollständige Lagrange-Dichte zu bauen, müssen wir noch den kinetischen Term der Eichfelder betrachten: r W µ ≡ W1µ ,W 2 µ ,W 3 µ ( ) Der kinetische Term ist von der Form (Vergleich mit der LagrangeProca-Funktion des elektromagnetischen Photonfeldes im Kap. 9.3.1): 1 r r − W µνW µν 4 Teilchenphysik 451 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) wobei r r r r r W µν ≡ ∂ µWν − ∂νW µ − gW µ × Wν Vergleich mit F µν ≡ ∂ µ Aν − ∂ν A µ Der zusätzliche Term gW µ × W ν kommt auch aus der Nicht-Abelschen Natur der SU(2)-Gruppe. Ein solcher Term war abwesend im Fall der Abelschen U(1)-Invarianz der QED. Man kann zeigen, dass dieser Term gebraucht wird, um die Invarianz des kinetischen Terms zu erzwingen. Was entspricht diesem Term? Dieser zusätzliche Term wirkt als ein “Selbst-Wechselwirkungs-Term”: d.h., die Eichbosonen werden miteinander wechselwirken. Die Eichbosonen tragen die Ladung “g” der Wechselwirkung. Diese Situation ist verschieden von der QED, wo das Photon elektrisch ungeladen ist. Diese Art von Wechselwirkung kommt aus der Nicht-Abelschen Natur der SU(2)-Gruppe. In Nicht-Abelschen Eichfeldtheorien werden Bosonen erzeugt, die Selbst-Wechselwirkungen besitzen. 452 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Spontane Symmetriebrechung (SSB) Im Fall der elektroschwachen Theorie, die eine SU(2)L Eichfeldtheorie ist, werden folgende Wechselwirkungen vorausgesagt: Z0/γ g W+ W– Z0/γ Z0/γ W+ r r r r g ∂ µWν − ∂νW µ W µ × W ν ( )( r r r r g 2 W µ × Wν W µ × W ν ( )( ) ) W– W+ W+ W– W– Die Wirkung solcher Terme wurde am LEP-Beschleuniger studiert und die experimentellen Resultate stimmen mit der vorausgesagten Form überein. 24.4 Spontane Symmetriebrechung (SSB) Warum wird eine spontane Brechung der Symmetrie gebraucht? Teilchenphysik 453 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) a) Die schwachen Eichbosonen müssen massiv sein: wir errinern uns daran, dass (Siehe Kap. 21.6) 1 GF g2 ≡ 2 8 MW2 ⇒ 1 g 2 2 e 1 2 2 MW = = sin θW 2 2 GF 2 2 GF Wir schreiben die Masse des W-Bosons als: 1 MW = A sin θW wobei πα 2 A≡ 2GF Numerisch kann A aus den gemessenen Werten für α und GF bestimmt werden: A ≈ 37 GeV Wie schon erwähnt, muss das W-Boson sehr schwer sein. Diese Tatsache ist stark im Widerspruch zur Eichinvarianz-Bedingung, die verlangt, dass die Eichbosonen masselos sind. b) Wir wollen die Eichinvarianz-Bedingung nicht aufgeben: wir haben gesehen, dass die Eichinvarianz eine eindeutige Form der Wechselwirkung in der Lagrange-Funktion voraussagt. Wenn wir die Eichinvarianz aufgeben, müssen wir noch einmal die Form der Wechselwirkung erklären. Zusätztlich war im Fall der elektroschwachen Theorie die Eichinvarianz eine sehr nützliche Bedingung, die Renormierung der Theorie zu erklären. Die Renormierung der elektroschwachen Theorie in allen Ordnungen der Reihenentwicklung ist nicht trivial: G. t’Hooft, M. Veltmann (1972) Beweis der Renormierbarkeit der elektroschwachen Theorie. 454 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Spontane Symmetriebrechung (SSB) Das Problem war das folgende: die Lagrange-Dichte der elektroschwachen Theorie durch die Eichinvarianz sei gegeben: r Eichinvarianz → L elektroschwach ψ , Bµ ,W µ ( ) Die Theorie wird zu einer Quantenfeldtheorie und wir müssen die (elektromagnetischen und schwachen) Strahlungskorrekturen betrachten. Diese Strahlungskorrekturen werden die effektiven Parameter der Theorie ändern: z.B. die Masse der W- und Z-Bosonen und der Weinberg-Winkel θW werden modifiziert: r ψ , Bµ ,W µ quantisiert → δMW ,δM Z ,δ sin 2 θW ,... Die Renormierbarkeit der elektroschwachen Theorie basiert auf der Eichinvarianz. 24.4.1 Klassische SSB Wir betrachten ein klassisches reelles Feld φ(x) mit der folgenden Lagrange-Dichte (sogenannte φ4-Theorie) Lφ ≡ ( ) 2 1 1 4 ∂ µφ − µ 2φ 2 − λφ 1 2 3 24 4 224 12 31 4 3 Wechselwirkung kinetischer Term = ( ) 2 1 ∂ µφ − V (φ ) 2 Massenterm ( Lorentz − in var iant ) wobei das Potential gleich 1 V (φ ) = µ 2φ 2 + λφ 4 2 ist. Teilchenphysik 455 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Wir bemerken, dass diese Theorie eine diskrete Symmetrie besitzt: wenn wir die folgende Substitution φ → −φ durchführen, bleibt die Lagrange-Dichte unverändert: die Theorie ist unter der φ→ −φ-Symmetrie invariant. Feld-Konfiguration der niedrigsten Energie: das Vakuum (der Grundzustand der Theorie) Es gilt, ∂ 1 2 2 ∂V 4 2 2 =0= µ φ + λφ = φ (µ + 4 λφ ) ∂φ 2 ∂φ Damit ist das Vakuum durch φ=0 oder φ2 = − µ2 4λ gegeben (Siehe Abb. 1). Wenn λ>0 und µ2>0, erhalten wir nur die Lösung φ=0 weil die andere Lösung nicht reell ist. Wenn λ>0 und µ2<0, erhalten wir die zwei Lösungen: φVakuum = ±v = ± − 456 µ2 4λ Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Spontane Symmetriebrechung (SSB) wobei v als Vakuumerwartungswert (VEW) (“vacuum expectation value” (vev)) bezeichnet wird. Figur 1. Konfiguration des Feldes φ, das die Symmetrie spontan bricht. Um die Lagrange-Dichte im diesem Fall (µ2<0) zu interpretieren, werden wir eine Entwicklung in der Nähe des Minimums betrachten. Wenn wir das Minimum betrachten, das z.B. in φ=+v liegt, können wir das Feld so ausdrücken: φ ( x ) ≡ v + h( x ) wobei die Funktion h(x) die Änderungen des Feldes relativ zu seinem Vakuumzustand beschreibt. Teilchenphysik 457 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Damit ist die Lagrange-Dichte gleich ( ) 2 1 1 ∂ µφ − µ 2φ 2 − λφ 4 2 2 2 1 1 2 4 = ∂ µ (v + h ( x )) − µ 2 (v + h ) − λ (v + h ) 2 2 2 1 1 1 = ∂ µ h − µ 2v 2 − µ 2vh − µ 2 h 2 2 2 2 4 3 2 2 − λ (v + 4 v h + 6v h + 4 vh 3 + h 4 ) Lφ ≡ ( ) ( ) = 2 1 1 1 ∂ µ h − µ 2v 2 − (µ 2v − 4 λv 3 ) h − µ 2 + 6v 2λ h 2 2 2 2 ( ) − (λv 4 + 4 λvh 3 + λh 4 ) Wir bemerken, dass gilt µ 4λ (µ 2v − 4 λv 3 ) = 0 1 2 1 2 µ2 2 λ = −µ 2 6 µ λ µ + = − 6 v λ 2 4 2 2 v2 = − ⇒ Wir vernachlässigen die Terme der Lagrange-Dichte, die konstant sind und erhalten schliesslich die Lagrange-Dichte des Feldes h(x): ( ) 2 1 ∂ µ h + µ 2 h 2 − 4 λvh 3 − λh 4 2 2 2 1 1 2µ h 2 − V ( h ) = ∂µ h + 2 2 Lh = ( ) ( ) Diese Lagrange-Dichte beschreibt ein einfaches skalares Feldes h(x) mit Teilchen der positiven Masse: 1 1 − m 2h 2 = 2 2 458 ( ) 2 2µ h 2 ⇒ m2 = − ( 2µ Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia ) 2 > 0 weil µ 2 < 0 Spontane Symmetriebrechung (SSB) Mit dieser Entwicklung haben wir zwei Sachen gelernt: 1. Die Anregungen in der Nähe des Minimums des Feldes werden massive Teilchen erzeugen. Das Feld h verhält sich wie ein Teilchen der Masse m = −2µ 2 2. Die φ→ −φ-Symmetrie ist scheinbar nicht mehr gültig. Wir haben das Feld h(x) in der Nähe der positiven Lösung entwickelt. Man könnte auch in der Nähe der negativen Lösung entwickeln. Hier liegt die Symmetrie. Aber wenn wir eine Lösung gewählt haben und in der Nähe dieses Minimums die Anregungen entwickeln, ist die Symmetrie verschwunden. 24.4.2 SSB für eine kontinuierliche Symmetrie Wir betrachten ein komplexwertiges Feld φ(x). Wir drücken das Feld als die Summe von reellen und imaginären Teilen aus: 1 (φ1( x ) + iφ2 ( x )) 2 φ( x) = Die Lagrange-Dichte dieses Feldes wird gegeben duch: ( ) Lφ ≡ ∂ µφ * (∂ µφ ) − µ 2φ *φ − λ (φ *φ ) 2 Wenn λ>0 und µ2<0 ist das Mimimum entartet und es gilt: (φ φ ) * Minimum µ2 1 2 =− = (φ1 + φ 22 ) 2λ 2 Das Minimum ist ein Kreis im komplexwertigen Raum (Siehe Abb. 2). Die Lagrange-Dichte ist invariant unter der kontinuierlichen Teilchenphysik 459 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Rotation dieses Kreises. Um die Symmetrie zu brechen, müssen wir eine Richtung wählen: φVakuum = (φ1,φ 2 ) = (0, v ) Figur 2. SSB für eine kontinuierliche Symmetrie. Die Entwicklung in der Nähe des Minimums wird so ausgedrückt: φ ( x ) ≡ (Π( x ), v + h ( x )) Man kann zeigen, dass wenn wir das Feld φ(x) in der LagrangeDichte ersetzen, erhalten wir zwei neue skalare Teilchen: das h(x)Feld wird ein massives Teilchen beschreiben und das π(x)-Feld wird ein masseloses Teilchen beschreiben: das sogenannte GoldstoneBoson. 460 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Eichtheorien mit SSB ( Higgs-Mechanismus ) Dieses Ergebnis ist eine allgemeine Eigenschaft der spontanen Symmetriebrechung: Goldstone-Theorem (Goldstone, 1961): die spontane Brechung einer kontinuierlichen Symmetrie wird masselose Goldstone-Bosonen erzeugen. Dass die Goldstone-Bosonen masselos sein müssen, kann man so erklären: in Richtung der π(x)-Anregung wird das Potential konstant sein. Diese Anregungen werden masselose Teilchen erzeugen. In Richtung des h(x)-Feldes wird das Potential zunehmen. Diese Anregungen werden massive Teilchen erzeugen. 24.5 Eichtheorien mit SSB (“HiggsMechanismus”) Es ist ganz natürlich eine Theorie mit lokaler Eichinvarianz und spontaner Brechung der Symmetrie zu betrachten. 24.5.1 Der U(1)-Fall Wir beginnen mit einem komplexwertigen skalaren Feld φ(x): ( ) Lφ ≡ ∂ µφ * (∂ µφ ) − µ 2φ *φ − λ (φ *φ ) 2 = ∂ µφ − V (φ ) wobei 2 2 ≡( )* ( ) Die U(1)-Invarianz erzwingt die Verwendung der kovarianten Ableitung: ∂ µ → Dµ = ∂ µ + ieAµ Teilchenphysik 461 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) und wir interpretieren die Funktion Aµ als das Feld der Eichbosonen. Wir fügen deshalb einen kinetischen Term ein, der Form: 1 − Fµν F µν 4 Die eichkovariante Lagrange-Dichte ist damit gleich 2 Lφ = Dµφ − V (φ ) − 1 Fµν F µν 4 wobei 2 V (φ ) = µ 2 φ + λ φ 4 Mit der Bedingung µ2<0, wird die Symmetrie des Systems gebrochen und das Vakuum (das Minimum) wird gegeben durch: 2 φ0 = − µ2 2λ Wir sagen, dass das Vakuum einen VEW bekommen hat und die U(1)-Symmetrie wurde spontan gebrochen. Wir entwickeln das Feld in der Nähe des Minimums: φ ( x) = φ0 + 1 (φ1( x ) + iφ2 ( x )) 2 Wir ersezten die Entwicklung in der ursprünglichen Lagrange-Dichte und wir erhalten: 1 massives Boson der Masse m=2µ 1 masseloses Goldstone-Boson 462 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Eichtheorien mit SSB ( Higgs-Mechanismus ) Wir betrachten die Wirkung der kovarianten Ableitung auf das spontan gebrochene Vakuum (wir betrachten nur die relevanten Terme): (D φ )(D φ ) = D φ * µ µ µ + * 0 1 1 φ1 − iφ 2 ) Dµ φ 0 + φ1 + iφ 2 ) ( ( 2 2 ( ) ( ) 1 D (φ − iφ 2 ) ( Dµ (φ1 + iφ 2 )) + Dµφ 0* ( Dµφ 0 ) + ... 2 µ 1 2 2 1 1 = Dµφ1 + Dµφ 2 + ieAµφ 0* (ieA µφ 0 ) + ... 2 2 2 2 1 1 = ∂ µφ1 + ∂ µφ 2 − e 2φ 02 Aµ A µ + ... 2 2 = ( ) ( ( ) ( ) ( ) ) Wir bemerken, dass der VEW einen Term der Form einer Masse erzeugt! Tatsächlich können wir die Masse des Eichbosons des AµEichfeldes so bestimmen: 1 − mA2 Aµ A µ ≡ −e 2φ 02 Aµ A µ 2 und damit ist die Masse des Eichbosons gleich mA2 = 2e 2φ 02 Das Eichboson, das die Eichinvarianz gezwungen hat, masselos zu sein, hat eine Masse bekommen! Der SSB-Mechanismus kann massive Eichbosonen in eichinvarianten Theorien erzeugen. Teilchenphysik 463 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 24.5.2 Der SU(2)-Fall Wir müssen ein skalares Feld betrachten, das sich als ein SU(2)Spinor transformiert. Die einfachste Lösung ist ein SU(2)-DublettFeld: φ1 φ= φ 2 Wegen der SSB wird das Vakuum gleich 0 φ0 = v sein. Die SU(2)-kovariante Ableitung wird so definiert: gr r Dµ = ∂ µ + i σ ⋅ W µ 2 Die Berechnung des Terms D µ φ 2 wird den folgenden Massenterm liefern: 0 g 2 (0 v )σ iσ j W µiW v jµ Dieser Term wird vereinfacht mit Hilfe der Eigenschaften der PauliMatrizen und wir erhalten: g 2v 2W µiW iµ (i = 1, 2, 3) d.h., alle drei Eichbosonen werden dieselbe Masse bekommen! 464 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia SSB in der elektroschwachen Theorie 24.6 SSB in der elektroschwachen Theorie Wir betrachten nun die SSB in der SU(2)L⊗U(1)Y-Symmetrie. Der Mechanismus wird drei massive Eichbosonen und ein masseloses Eichboson erzeugen: SSB SU (2) L ⊗ U (1)Y 3 massive Eichbosonen ⇒ 1 masseloses Eichboson Wir müssen ein skalares Feld (das Higgs-Feld) betrachten, das bestimmte Transformationseigenschaften gegenüber der Symmetrie besitzt. Im “minimalen” Higgs-Sektor ist das Feld ein I=1/2 SU(2)L-Isodublett mit einer Hyperladung Y=1: φ≡ minimaler I=1 ⇒ 2 Higgs − Sektor Y = 1 1 φ1 + iφ 2 ) ( 2 1 φ 3 + iφ 4 ) ( 2 wobei wir 4 reelle Felder φi (i=1,2,3,4) verwendet haben. Weil die folgende Beziehung zwischen elektrischer Ladung Q und den anderen Quantenzahlen gilt: Q = I3 + Teilchenphysik Y 2 465 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) bemerken wir, dass der Zustand mit I3=+1/2 elektrisch geladen und der Zustand mit I3=–1/2 elektrisch neutral ist: geladen φ + φ ≡ 0 φ neutral 24.6.1 Masse der Eichbosonen Die Lagrange-Dichte des Higgs-Feldes φ ist gleich 2 2 Lφ = Dµφ − µ 2 φ − λ φ 4 Wenn λ>0 und µ2<0, besitzt das Potential ein Minimum bei: φ +φ = − µ2 1 2 = (φ + φ 22 + φ 32 + φ 42 ) 2λ 2 1 Die Symmetrie ist hier explizit: es gibt drei Goldstone-Bosonen. Um die Symmetrie spontan zu brechen, wählen wir das folgende Vakuum: φ1 = φ 2 = φ 4 = 0 und φ 3 = v und damit ist das Higgs-Dublett-Vakuum gleich φ0 ≡ 466 1 0 2 v Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia SSB in der elektroschwachen Theorie Wie in früheren Fällen wird die Berechnung des Terms D µ φ 2 die Massenterme liefern. Die kovariante Ableitung Dµ ist jetzt wegen der SU(2)L⊗U(1)Y-Eichsymmetrie gleich gr r Y Dµ = ∂ µ + i σ ⋅ W µ + ig′ Bµ 2 2 wobei SU (2) L ⊗ U (1)Y − kovariante Ableitung r W µ = SU (2) L − Eichbosonen Bµ = U (1)Y − Eichboson Wir berechnen D µ φ 2 am Vakuumpunkt: ( 3 1 gW µ + g′ Bµ Dµφ = 2 2 g W µ1 + iW µ2 2 ( ) ( ) 2 g W µ1 − iW µ2 0 + ... − gW µ3 + g′ Bµ v ) 2 1 2 v g W µ − iW µ = + ... 2 2 − gW µ3 + g′ Bµ ( ) v2 2 1 2 = g W µ + g 2 W µ2 8 ( ) Mit – Wµ = der Definition 1 2 1 ------- ( W µ + W µ ) erhalten 2 ( ) + (− gW der 2 3 µ geladenen ) 2 + g′ Bµ + ... W-Bosonenfelder wir den folgenden Massenterm: MW2 W +W − Teilchenphysik 467 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) wobei MW ± = g v 2 Die Masse des Z-Bosons wird mit Hilfe der Mischung bestimmt. Wir erinnern uns, dass Zµ0 ≡ − Bµ sin θW + W µ3 cosθW − g′ Bµ + gW µ3 = g 2 + g′ 2 und damit v2 − gW µ3 + g′ Bµ 8 ( ) 2 v2 = 8 ( ) 2 g 2 + g′ 2 Zµ0 Z 0 µ Die Masse des Z-Bosons wird gegeben durch: 1 2 0 0µ M Z Z 2 Z µ ⇒ M Z = g 2 + g′ 2 v 2 Und schliesslich gibt es keinen Term, der zu Aµ0 = gBµ + g′ W µ3 g 2 + g′ 2 proportional ist und das Photonfeld bleibt daher masselos: MA = 0 Als Folge der schwachen Mischung sind die Massen des W- und des Z-Bosons nicht gleich. Sie sind aber korreliert. 468 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia SSB in der elektroschwachen Theorie Das Verhältnis der Massen ist gleich g g = 2 v g + g′ 2 g 2 + g′ 2 2 e sin θW MW = MZ = = v 2 (e sinθW )2 + (e cosθW )2 1 sin θW = cosθW 1 sin θW cosθW d.h. MW = M Z cosθW Was ist der Wert des VEW ? Es gilt, MW ± = g v 2 und GF g2 = 2 8 MW2 ± und damit v= 2 MW ± g 1 = 2GF 1/ 2 ≈ 246 GeV Der Ursprung dieses Werts ist ziemlich geheimnisvoll und nicht verstanden. Wenn wir den VEW als eine Form von Energie betrachten, die allgemein im Vakuum enthalten ist, dann ist eine solch grosse Energie schwierig zu erklären. Ob dieser Mechanismus für die Erzeugung der Eichbosonenmassen verantwortlich ist, weiss man heute nicht. Teilchenphysik 469 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 24.6.2 Masse der Fermionen Die Quantenzahlen I, I3 und Y werden die Kopplung mit den Eichbosonen völlig bestimmen: ν e L = − e L 1 1 I = , I 3 = ± , Y = −1 2 2 R = eR− I = 0, I 3 = 0, Y = −2 Wir bemerken, dass linkshändige und rechtshändige Komponenten unterschiedliche Quantenzahlen besitzen. Wie bekannt, ist ihre Kopplung mit den Eichbosonen verschieden. Als Folge daraus können Massenterme, die die links- und rechtshändigen Komponenten des Teilchens mischen, nicht eichinvariant sein! Tatsächlich, 1− γ 5 1 + γ 5 me ee = me e + e 2 2 1− γ 5 1 + γ 5 + = me (eL + eR ) (e + eR ) 2 L 2 = me (eL eR + eR eL ) Dieser Massenterm ist durch die Eichinvarianz verboten! Die rechtsund linkshändigen Komponenten gehören zu unterschiedlichen Darstellungen der SU(2)L-Gruppe und besitzen verschiedene U(1)YHyperladungen. Wie werden die Massen der Fermionen erzeugt, wenn solche Terme in der Lagrange-Dichte nicht erlaubt sind? Wir verwenden noch einmal den SSB-Mechanismus und benutzen das Higgs-Feld φ, das 470 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia SSB in der elektroschwachen Theorie schon die Masse der Eichbosonen erzeugt hat. Wir fügen z.B. für das Elektron einen eichinvarianten Term ein, der Form: L e = −λ e ( L φR + R φ + L) = −λ e (ν e ( φ + * e − ) L 0 eR + eR (φ + ) φ ve − L (φ ) ) e 0 * wobei λe eine neue Kopplung ist. Wenn φ≡ 1 0 2 v erhalten wir, L e = −λ e (ν e =− e − )L ve 1 0 1 0 v ) − ( eR + eR e L 2 v 2 λe v (eL eR + eR eL ) 2 D.h., dass die Masse des Elektrons gegeben ist durch me = λ ev 2 In ähnlicher Weise kann die Masse der anderen Fermionen erzeugt werden. Um die Masse der “up”-artigen Quarks zu erzeugen, betrachten wir eine Brechung der Symmetrie des Higgs-Dubletts der Form: φ= Teilchenphysik 1 v 2 0 471 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) und wir erhalten (z.B. für das u-Quark) L u = −λ u (u =− d )L u 1 v 1 v 0) ( uR + uR d L 2 0 2 λu v ( uL uR + uR uL ) 2 Zusammenfassend: Die Massen der Eichbosonen, sowie die Massen der Fermionen können mit Hilfe des Higgs-Feldes erzeugt werden. Die Massen der Eichbosonen können aus den Kopplungskonstanten (z.B. GF, g,g’) berechnet werden. Die Massen der Fermionen sind unbestimmt (die Proportionalitäts-Faktoren λf sind unbekannt). Die Fermion-Massen sind “freie” Parameter der Theorie. 24.7 Experimentelle Überprüfung der elektroschwachen Theorie 24.7.1 Entdeckung der W,Z-Bosonen (1983) Die W- und Z-Bosonen wurden erstmal 1983 am CERN direkt nachgewiesen. Die elementaren Prozesse ud → W + → e +ν e , µ +ν µ − − − ud → W → e ν e , µ ν µ uu, dd → Z 0 → e +e − , µ +µ − 472 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie werden in Proton-Antiproton-Kollisionen beobachtet: u u d u p u d p Jedes Quark trägt einen Bruchteil des Proton-Impulses. Die Eichbosonen werden in harten Kollisionen von 2 Quarks erzeugt, wobei die anderen Quarks die Rolle der Zuschauer spielen. Wir betrachten die zwei Quarks, die an der harten Kollision teilnehmen. Ihre Impulse werden als Funktion des Proton-Impulses ausgedrückt: x1Pp = 4 − Impuls des ersten Quarks x 2 Pp = 4 − Impuls des zweiten Quarks Die Schwerpunktsenergie im Quark-System ist gleich s′ = (x P 1 p + x 2 Pp ) 2 ≤ (P p + Pp ) 2 = s d.h., nicht die ganze Energie der Protonen-Antiprotonen wird an der harten Wechselwirkung teilnehmen. Bei einer Proton-Antiproton-Schwerpunktsenergie von 540 GeV, wie am CERN-SPS-Beschleuniger, war die Erzeugung von Eichbosonen sehr selten: σ ( pp → W → eν ) ≈ 1 nb σ ( pp → Z → ee) ≈ 0,1 nb Teilchenphysik s = 540 GeV 473 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Im Vergleich dazu ist der totale Wirkungsquerschnitt gleich σ tot ( pp) ≈ 40 mb ≈ 4 × 10 7 nb Um die seltenen Signalereignisse vom Untergrund zu unterscheiden, wurden die leptonischen Zerfälle der Eichbosonen gesucht. In diesen Zerfällen werden wegen der hohen Massen der Eichbosonen Elektronen und Myonen mit sehr grossen Transversal-Impulsen erzeugt. Im Gegensatz dazu, haben Elektronen und Myonen von Untergrundreaktionen einen sehr kleinen Transversalimpuls. 24.7.2 Genaue Tests der Theorie (1989-2001) Die genauesten Messungen und Tests der elektroschwachen Theorie wurden am e+e–-Beschleuniger LEP-I und am SLC gemacht. Dort wurden die Reaktionen im Z0-Peak studiert: e +e − → Z 0 → ff s ≈ M Z 0 ≈ 90GeV Wegen der hohen Luminosität der Beschleuniger wurden Millionen von solchen Reaktionen nachgewiesen, und damit wurden die Eigenschaften der elektroschwachen Wechselwirkung mit hoher Genauigkeit studiert. Beim LEP-II wurde die Schwerpunktsenergie des LEP-Beschleunigers erhöht auf ungefähr zweimal die Masse des W-Bosons und damit wurden die folgenden Reaktionen kinematisch erlaubt: e +e − → Z 0 → W +W − s ≈ 2 MW ± ≈ 160GeV Schliesslich, am Ende des Jahrhunderts, wurde die Schwerpunktsenergie des LEP-Beschleunigers maximal bis zu ≈200 GeV erhöht, um 474 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie das Konzept der spontanen Symmetriebrechung zu untersuchen und das Higgs-Boson H0 (Siehe Kap. 24.7.3) zu suchen via die Reaktion: e +e − → Z 0 ? → HZ 0 s ≈ 200GeV Diese Reaktion wurde aber nicht beobachtet. Zusammenfassend haben die experimentellen Daten bei LEP-I und LEP-II das Standardmodell sehr gut überprüft, und alle Resultate sind in guter Übereinstimmung mit der Theorie. In der elektroschwachen Theorie gibt es a priori 5 freie Parameter: g, g′, MW ± , MW 3 , M B Die Strahlungskorrekturen werden eine zusätzliche Abhängigkeit von der Masse des top-Quarks und des Higgs-Bosons einführen: mt , m H (wir betrachten die Abhängigkeit von den anderen leichten Quarksund Leptonmassen nicht). Schliesslich werden alle Grössen als Funktion von 7 Parametern bestimmt. Als Folge der Mischung und der spontanen Symmetriebrechung erhalten wir zwei Bedinungen, die die Anzahl der freien Parameter auf 5 reduzieren: g sin θW = g′ cosθW = e mγ = 0, MW ± = M Z cosθW Teilchenphysik 475 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) In der Praxis werden die 5 freien Parameter folgendermassen gewählt, weil sie experimentell gut bekannt sind (der relative experimentelle Fehler ist in der zweiten Kolonne aufgelistet): e2 α = 4π πα G = F 2 MW2 sin 2 θW MZ mt mH ±10 −9 g − 2 2 e ±2 × 10 −5 µ − Zerfall ±2 × 10 −5 3% ? LEP / SLC Tevatron ? Wir bemerken, dass die Genauigkeit, mit welcher diese Parameter bekannt sind, sehr hoch ist, ausser für das top-Quark und das HiggsBoson, das nie beobachtet wurde. Art der genauen Messungen. Wegen der grossen Anzahl von nachgewiesenen Ereignissen konnten Messungen mit sehr kleinen statistischen Fehlern gewonnen werden. Zusätzlich sind die Ereignisse in e+e–-Kollisionen sehr sauber. 1. Messung der “Linienform” Die genaue Messung der Z0-Resonanz liefert drei Parameter, die das Z0-Boson charakterisieren: σ0 ΓΖ mΖ 476 √s M Z ≡ Masse ΓZ ≡ Breite σ ≡ maximale Wechselwirkung 0 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie Wegen der kurzen Lebensdauer ist die Breite der Z0-Resonanz ziemlich gross, d.h., ungefähr 2,5 GeV. Die Messungen von den vier LEP-Experimenten (ALEPH, DELPHI, L3 und OPAL) und die LEP-kombinierten Ergebnisse sind in Abb. 3, 4 und 5 gezeigt. Wenn man die drei Parameter α, GF, und MZ kennt, können im Prinzip alle anderen Grössen im Bereich des Standardmodells bestimmt werden. Im Abb. 4 und 5 sind die vom Standardmodell vorausgesagten Werte gezeigt als Funktion der Masse des Higgs-Bosons. Die Übereinstimmung zwischen Experiment und Theorie ist gut. Mass of the Z Boson MZ [MeV] Experiment ALEPH 91189.3 ± 3.1 DELPHI 91186.3 ± 2.8 L3 91189.4 ± 3.0 91185.3 ± 2.9 OPAL 2 χ / dof = 2.2 / 3 91187.5 ± 2.1 LEP common error 91182 1.7 91187 MZ [MeV] 91192 Messung der Masse des Z0-Bosons am LEP-I (http:// lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/) Figur 3. Teilchenphysik 477 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Total Z Width ΓZ [MeV] Experiment ALEPH 2495.9 ± 4.3 DELPHI 2487.6 ± 4.1 L3 2502.5 ± 4.1 OPAL 2494.7 ± 4.1 2 χ / dof = 7.3 / 3 2495.2 ± 2.3 LEP MH [GeV] common error 10 3 10 2 1.2 αS = 0.118±0.002 linearly added to Mt = 174.3±5.1 GeV 10 2.483 2.495 ΓZ [GeV] 2.507 Messung der Breite des Z0-Bosons am LEP-I (http:// lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/) Figur 4. 478 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie Hadronic Pole Cross Section 0 σhad [nb] Experiment ALEPH 41.559 ± 0.057 DELPHI 41.578 ± 0.069 L3 41.536 ± 0.055 41.502 ± 0.055 OPAL 2 χ / dof = 1.2 / 3 41.540 ± 0.037 LEP MH [GeV] common error 10 3 10 2 0.028 αS = 0.118±0.002 linearly added to Mt = 174.3±5.1 GeV 10 41.45 41.55 0 σhad [nb] 41.65 Messung des hadronischen Wirkungsquerschnitts beim Pol des Z0Bosons am LEP-I (http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/) Figur 5. Teilchenphysik 479 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 2. Verzweigungsverhältnisse Das Verzweigungsverhältnis des Zerfalls in ein bestimmtes FermionPaar ist gleich Br( Z 0 → ff ) = Γff ΓZ wobei ( ) Γff = 2 N c (c vf ) + (c Af ) ΓZ0 2 2 und ΓZ0 = GF M Z3 12π 2 und der Farbfaktor ist gegeben durch 1 für Leptonen Nc = 3 für Quarks Das Verhältnis des hadronischen Bruchteils relativ zum leptonischen Bruchteil wird z.B. in Abb. 6 gezeigt. Der theoretische Wert ist als Funktion der Masse des Higgs-Bosons gezeigt. Die Übereinstimmung zwischen Experiment und Theorie ist gut. 480 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie Ratio of Hadronic to Leptonic Width Experiment Rl = Γhad / Γl ALEPH 20.729 ± 0.039 DELPHI 20.730 ± 0.060 L3 20.809 ± 0.060 OPAL 20.822 ± 0.044 2 χ / dof = 3.5 / 3 20.767 ± 0.025 LEP MH [GeV] common error 10 3 10 2 0.007 αS = 0.118±0.002 linearly added to Mt = 174.3±5.1 GeV 10 20.65 20.75 Rl 20.85 Messung des Verhältnisses der hadronischen und leptonischen Zerfallsbreite am LEP-I (http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/). Figur 6. Teilchenphysik 481 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 3. Winkel-Asymmetrien und der Weinberg-Winkel: Am LEP- und SLC-Beschleuniger befindet sich das Schwerpunktssystem im Labor in Ruhe. Das Z0-Boson wird fast in Ruhe erzeugt. Der Streuwinkel θ wird gemessen f θ e– e+ f Die Vorwärts-Rückwärts-Asymmetrie betrachtet: AFB ≡ ∫ dΩ cosθ > 0 (Siehe Kap. 13.3) wird dσ dσ − ∫ dΩ dΩ dΩ cosθ < 0 dσ ∫ dΩ dΩ Wir führen die Links- und Rechts-Kopplungen ein als Funktion der Vektor- und Axialvektor-Kopplungen: f f f c L ≡ cV + c A f c R ≡ cVf − c Af Damit ist der schwache Strom proportional zu 5 1 + γ 5 f 1− γ c −c γ =c + cL 2 2 f V 482 f A 5 f R Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie Mit den Standardmodell-Definitionen (Siehe Kap. 24.1) cVf = I 3f − 2Qf sin 2 θW f c A = I 3f erhalten wir ( c Lf = 2 I 3f − Qf sin 2 θW f 2 c R ≡ −2Qf sin θW ) Um diese Kopplungen zu studieren, betrachten wir die Spin-Abhängigkeit der folgenden Reaktion im ultrarelativistischen Grenzfall (Siehe Kap. 13.2): e +e − → ff Das Elektron und das Positron müssen im Anfangszustand entgegengesetzte Helizitäten besitzen. Wir müssen deshalb nur die zwei folgenden Konfigurationen betrachten: eL+eR− → ff und eR+ eL− → ff Die entsprechenden Wirkungsquerschnitte werden zu folgenden Kopplungskonstanten proportional sein: e–R e+L (c ) e–L e+R (c ) Teilchenphysik e 2 R e 2 L 483 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Der Endzustand kann auch nur zwei unterschiedliche Spinkonfigurationen besitzen: fR fL fL fR Damit, und wegen der Drehimpulserhaltung, erwarten wir die folgenden Abhängigkeiten (Siehe Kap. 13.2): dσ (eR+ eL− → dΩ dσ (eR+ eL− → dΩ + − dσ (eL eR → dΩ + − dσ (eL eR → dΩ fR fL ) fL fR ) fR fL ) fL fR ) ∝ (c Le ) (c Lf ) (1 + cosθ ) 2 2 ∝ (c Le ) (c Rf ) (1 − cosθ ) 2 2 2 2 ∝ (c Re ) (c Lf ) (1 − cosθ ) 2 2 ∝ (c Re ) (c Rf ) (1 + cosθ ) 2 2 2 2 Als Folge wird die Vorwärts-Rückwärts-Asymmetrie im Allgemeinen nicht verschwinden. Man kann zeigen, dass gilt: AFB 484 3 ≈ Ae A f 4 wobei Af ≡ 2cVf c Af (c ) + (c ) f 2 V Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia f 2 A Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie Der Weinberg-Winkel kann als Funktion der Asymmetrie definiert werden. Es gilt z.B. für die Leptonen: 1 cVl 1 I 3l − 2Ql sin 2 θW 1 − = 1 − I 3l 4 c Al 4 1 2(−1) sin 2 θW 2 = = sin θW 1 4 − 2 Man definiert den effektiven Weinberg-Winkel so: sin θ 2 eff W 1 cVl ≡ 1 − l 4 cA Wenn wir die Strahlungskorrekturen vernachlässigen, sind die beiden Winkel gleich: sin 2 θWeff ≈ sin 2 θW Die gemessenen Werte und die theoretische Erwartung sind in Abb. 7 gezeigt. Die Übereinstimmung zwischen Experiment und Theorie ist gut. Teilchenphysik 485 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Preliminary 0,l Afb 0.23099 ± 0.00053 Al(Pτ) 0.23159 ± 0.00041 Al(SLD) 0.23098 ± 0.00026 0,b 0.23218 ± 0.00031 0,c 0.23220 ± 0.00079 Afb Afb <Qfb> 0.2324 ± 0.0012 0.23149 ± 0.00017 Average mH [GeV] 10 10 χ2/d.o.f.: 10.6 / 5 3 (5) ∆αhad= 0.02761 ± 0.00036 mZ= 91.1875 ± 0.0021 GeV mt= 174.3 ± 5.1 GeV 2 0.23 0.232 2 lept sin θeff = 0.234 (1 − gVl/gAl)/4 Bestimmung des (effektiven) Weinberg-Winkels (http:// lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/). Figur 7. 486 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie 4. Fit der Kopplungen Am LEP-I und SLC wurden die Kopplungen zwischen dem Z0-Boson und den Fermionen mit hoher Genauigkeit gemessen. Diese Messungen erlauben es, einen schlüssigen Test des Konzeptes der SU(2)L⊗U(1)Y-Symmetrie durchzuführen. Die experimentellen Resultate sind in Abb. 8, 9 und 10 gezeigt. -0.032 Preliminary -0.035 gVl mH mt -0.038 ∆α +− -0.041 ll + − ee + − µµ + − ττ -0.503 68% CL -0.502 -0.501 -0.5 gAl Bestimmung der Vektor- und Axialvektor-Kopplung der Leptonen gVl=CVl und gAl=CAl (http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/). Figur 8. Teilchenphysik 487 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 0.22 Preliminary gVc 0.2 SM 0.18 68.3 95.5 99.5 % CL 0.16 0.47 0.5 0.53 gAc Bestimmung der Vektor- und Axialvektor-Kopplung des c-Quarks gVc=CV und gAc=CAc (http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/). Figur 9. c Preliminary -0.3 gVb -0.32 -0.34 -0.36 SM 68.3 95.5 99.5 % CL -0.54 -0.52 -0.5 -0.48 gAb Figur 10. Bestimmung der Vektor- und Axialvektor-Kopplung des b-Quarks gVb=CVb und gAb=CAb (http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/). 488 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie 5. Selbst-Kopplung der Eichbosonen Wegen der Nicht-Abelschen Natur der elektroschwachen Theorie erwarten wir eine Selbst-Kopplung zwischen Eichbosonen. Diese Wechselwirkung wurde direkt am LEP-II überprüft durch das Studium der Erzeugung von W-Boson-Paaren. Die Diagramme, die beitragen, sind die folgenden: e– W– νe Z0/γ + W+ W– e+ W+ Eichboson-Selbst-Kopplung (von Eichinvarianz vorausgesagt) Wir bemerken, dass das einzelne Diagramm stark divergiert, d.h. σ ( s) ∝ s Die Summe der drei Diagramme νWW, γWW und ZWW ist aber nicht divergent. Die Interferenz zwischen den Diagrammen kompensiert die Divergenz: σ ( s) ∝ ln s s Wir sagen, dass die Divergenz wegen der Eichinvarianz kompensiert wird. Die experimentellen Resultate sind in Abb. 11 gezeigt. Sie stimmen mit der Existenz der Eichboson-Selbst-Kopplung überein. Teilchenphysik 489 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 08/07/2001 LEP Preliminary 15 σ WW [pb] 20 10 RacoonWW / YFSWW 1.14 no ZWW vertex (Gentle 2.1) only νe exchange (Gentle 2.1) 5 0 160 170 180 190 200 210 Ecm [GeV] Wirkungsquerschnitt der Reaktion e+e–→W+W– als Funktion der Schwerpunktsenergie. Die Punkte entsprechen den gemessenen Werten und die Linien entsprechen der Theorie mit und ohne Eichboson-SelbstKopplung. Figur 11. 490 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie 24.7.3 Das fehlende Element: das Higgs-Boson Der SSB-Mechanismus hat die Eichinvarianz in der elektroschwachen Theorie “gerettet”. Ist dieser Mechanismus der richtige Mechanismus, der in der Natur für die Erzeugung der Eichbosonmassen und der Fermionenmassen verantwortlich ist? Wenn das Higgs-Feld in der Natur existiert, wird das Higgs-BosonTeilchen vorausgesagt. Das Higgs-Boson kommt aus den Fluktuationen des Higgs-Feldes in der Nähe des Minimums: 1 0 φ( x) = 2 v + h ( x ) v= −µ 2 λ Die Lagrange-Dichte ist gleich (Siehe Kap. 24.4.1): ( ) 2 1 ∂ µ h + µ 2 h 2 − 4 λvh 3 − λh 4 2 2 1 1 = ∂ µ h − mh2 h 2 − 4 2λ mh h 3 − λh 4 2 2 Lh = ( ) wobei mh ≡ (−2µ 2 ) 1/ 2 = λ v 2 Masse des Higgs − Bosons Diese Lagrange-Dichte beschreibt ein skalares Teilchen, das sogenannte Higgs-Boson, der Masse mh. Wir vergleichen dieses Ergebnis mit (Siehe Kap. 24.6.1) MW ± = gv 2 und M Z 0 = g 2 + g′ 2 v 2 Die Masse der W,Z-Bosonen können in der elektroschwachen Theorie aus den Kopplungskonstanten berechnet werden. Im Gegensatz dazu Teilchenphysik 491 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) ist die Higgs-Boson-Masse zur Kopplung λ proportional. Diese Kopplung ist nicht bekannt und die Masse des Higgs-Bosons wird deshalb nicht von der Theorie vorausgesagt: λ = unbekannte Kopplung des φ − Feldes Wenn das Higgs-Feld für die SSB verantwortlich ist, erwarten wir die Existenz des skalaren Higgs-Bosons. Seine Masse ist aber nicht bekannt. Aus theoretischen Gründen, die mit Strahlungskorrekturen zu tun haben, kann man nur sagen, dass die Masse des Higgs-Bosons kleiner als ungefähr 1000 GeV=1 TeV sein muss: mh <≈ 1 TeV ( Strahlungskorrekturen) Als Folge muss im Prinzip das Higgs-Boson experimentell zwischen mh=0 und mh≈1 TeV gesucht werden! Higgs-Boson-Kopplungen: der SSB-Mechanismus sagt die Masse des Higgs-Bosons nicht voraus. Er sagt aber die Kopplung zwischen dem Higgs-Boson und den anderen Fermionen und Eichbosonen voraus: Die Kopplung zwischen dem Higgs-Boson h0 und einem Teilchen hängt von der Masse des Teilchens ab! h0 W+ W– 492 igMW g µν Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia MW2 µν g = 2i v Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie Z0 h0 igM Z µν M2 g = 2i Z g µν v cosθW Z0 Die Kopplung mit Elektronen ist von der Form: − λe 2 me me me g = = = 2 v 2 MW 2v Das Diagramm ist gleich eL (I=1/2,Y=–1) h0 −i (I=1/2,Y=1) eR (I=0,Y=–2) g me 2 MW Als Folge daraus erwarten wir, dass das Higgs-Boson mit grosser Wahrscheinlichkeit in schwere Teilchen zerfallen wird, falls es erzeugt wird: h 0 → bb ,τ +τ − , tt + h → Z Z ,W W 0 0 0 − wenn mh > 2 mt Das Higgs-Boson ist das fehlende Element: Das Higgs-Boson wurde in allen Experimenten gesucht. Insbesondere wurde das Higgs-Boson am LEP gesucht. Es wurde nie beobachtet, obwohl Hinweise für seine Existenz mit einer Masse von ≈115 GeV gefunden wurden ! Wenn es existiert, muss es mindestens eine Masse gleich mh >≈ 110GeV haben. Teilchenphysik 493 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) Der LHC am CERN wird die Existenz des Higgs-Bosons im Massenbereich bis zu ≈1 TeV untersuchen. Der LHC soll die Existenz des Higgs-Bosons schlüssig klären. Bis dann können wir die genauen Messungen von LEP benutzen, um Fits der Standardmodell-Theorie durchzuführen. Die genauen Messungen sind wichtig, weil wir die Existenz eines Teilchens, das nicht direkt an einem Beschleuniger erzeugt werden kann, durch seine Beiträge zu den Strahlungskorrekturen indirekt überprüfen können. Wir können z.B. die Zerfallsbreite des Z0-Bosons in zwei Leptonen erwähnen. Wegen der grossen Anzahl von Z0-Zerfällen, die am LEP-I nachgewiesen wurden, kann diese Breite sehr genau bestimmt werden. Die Born-Zerfallsbreite wird durch Strahlungskorrekturen geändert: Γll = ΓllBorn 1 + ∆ρ) (12 4 4 3 3α 1 + 4π 1 424 3 elektroschwache Strahlungskorrektur elektromagnetische Strahlungskorrektur Im Prinzip werden alle Teilchen, die bekannten und auch die unbekannten (!), zu virtuellen Strahlungskorrekturen beitragen. Wenn wir die Existenz von neuen Teilchen nachweisen wollen, die zu massiv sind, um sie direkt erzeugen zu können, können wir die Strahlungskorrekturen mit diesen Teilchen berechnen und nachher diese Hypothese mit genauen experimentellen Messungen vergleichen. Im Standardmodell hängen die elektroschwachen Strahlungskorrekturen von den Massen des top-Quarks und des Higgs-Bosons ab. Ins- 494 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie besondere sind die Strahlungskorrekturen der Lepton-Zerfallsbreite gleich: α mt2 α mh2 ln ∆ρ ≈ 2 − π M Z 4π M Z2 (die Faktoren sind hier nicht wichtig, was uns interessiert, ist die Massen-Abhängigkeit). Wir bemerken, dass die top-Quark-Abhängigkeit stark ist und die Higgs-Masse-Abhängigkeit wegen des Logarithmus reduziert ist. Abb. 12 zeigt die Korrelation zwischen der top-Quark-Masse und der W-Boson-Masse. Das Band entspricht den vorausgesagten Werten aus einem globalen Fit der Standardmodell-Parameter. Die Breite des Brandes stellt die Higgs-Massen-Abhängigkeit dar. Am LEP-I konnten top- und W-Paare nicht direkt erzeugt werden. Die LEP-I und SLD Ellipse entspricht den Werten der W- und topMassen , die indirekt bestimmt wurden. Mit den genauen Messungen konnten diese Werte trotzdem vorausgesagt werden. Die LEP-II und die Proton-Antiproton-Daten (am Fermilab-TevatronBeschleuniger) entsprechen den Messungen der top-Masse und WMasse durch den direkten Nachweis dieser Teilchen. In diesen Messungen wurden die Teilchen erzeugt und direkt gemessen. Wir bemerken, dass die zwei Ellipsen in recht guter Übereinstimmung miteinander sind. Wenn die angenommene Theorie die Natur richtig beschreibt, werden die indirekten und direkten Messungen übereinstimmen. Teilchenphysik 495 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) 80.6 mW [GeV] 80.5 LEP1, SLD Data − LEP2, pp Data 68% CL 80.4 ∆α 80.3 mH [GeV] 114 300 1000 80.2 130 150 170 Preliminary 190 210 mt [GeV] Korrelation zwischen der Masse des top-Quarks und der des WBosons (http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/). Figur 12. Die ziemlich gute Übereinstimmung zwischen der Theorie und den experimentellen Daten gibt uns Vertrauen in das Standardmodell. Wie im Fall der top- und W-Massen können wir die Existenz des Higgs-Bosons annehmen. Mit Hilfe des Standardmodells kann die Higgs-Massen-Abhängigkeit einer Grösse berechnet werden und mit 496 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Experimentelle berpr fung der elektroschwachen Theorie einem globalen Fit der experimentellen Daten kann die Masse des Higgs-Bosons vorausgesagt werden. Diese Korrelation wird in Abb. 13 gezeigt. Die Ellipse zeigt die vorausgesagten Werte der W-Boson-Masse und der Higgs-Boson-Masse. Alle Higgs-Massen kleiner als ≈110 GeV sind von direkten Untersuchungen ausgeschlossen. Das horizontale Band entspricht der direkten Messung der W-Masse. Heute können wir sagen, dass die Übereinstimmung zwischen der indirekt vorausgesagten Higgs-Boson-Masse und dem Ergebnis der direkten Untersuchungen nicht sehr gut ist. Der grösste Teil des vorausgesagten Bereichs wurde schon direkt ausgeschlossen. Wurde die Entdeckung des Higgs-Bosons verpasst? Waren die Hinweise am LEP richtig? Der LHC soll das beantworten. Oder existiert das Higgs-Boson nicht? In diesem Fall muss ein anderer Mechanismus für die spontane Symmetriebrechung verantwortlich sein. Bis dann können wir nur sagen: Wenn das Standardmodell-Higgs in der Natur existiert, muss es leicht sein, und seine Masse muss im Bereich ≈110 < mh < ≈200 GeV liegen. Teilchenphysik 497 Standardmodell der elektroschwachen Wechselwirkungen (SM) − mW (LEP2, pp) All except mW 68% CL mW [GeV] 80.5 80.4 80.3 Excluded 10 Preliminary 10 2 mH [GeV] 10 Korrelation zwischen der Masse des top-Quarks und der des Higgs-Bosons (http://lepewwg.web.cern.ch/LEPEWWG/). Figur 13. 498 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia 3