Solothurns verpasste Chance Das Stadthaus wurde nie gebaut Das

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Solothurns verpasste Chance
Das Stadthaus wurde nie gebaut
Das Gespräch am Salvisbergtisch im Touringhaus drehte sich diesmal um den Schöpfer dieses
Tisches: Otto Rudolf Salvisberg (1882 – 1940). Bernd Nicolai, Kunsthistoriker und Ordinarius für
Architekturgeschichte und Denkmalpflege am Kunsthistorischen Institut der Universität Bern, wusste
in einem reich illustrierten Vortrag viel Wissenswertes über diesen Architekten zu berichten. Obwohl
seinerzeit in den Nachrufen festgehalten wurde, dass er einen immerwährenden Platz in der
schweizerischen Architekturgeschichte haben werde, ist er weitgehend in Vergessenheit geraten.
Noch stehen aber verschiedene Bauwerke von ihm und zeugen von seiner architektonischen Kraft
und seiner künstlerischen Kreativität. Der Referent vertritt die Ansicht, dass Salvisberg „zum falschen
Zeitpunkt“ gestorben ist. Es war Krieg und die Kultur war auf die geistige Landesverteidigung
eingeschworen und nach dem Krieg kam eine neue Generation von Architekten zum Zuge. Studien,
was Salvisbergs Studenten sich von ihm zu Eigen gemacht haben, fehlen. Zwischen 1910 und 1930
gehörte Salvisberg in Berlin zu den führenden Architekten und ist mit Hans Poelzig, Bruno Taut,
Johann Emil Schaudt oder Erich Mendelsohn in einem Atemzug zu nennen. Die Genannten wie auch
die Exponenten des Bauhauses, Mies van der Rohe oder Walter Gropius, haben sich gegenseitig
beeinflusst. Salvisberg hat seine Bauten zwischen Tradition und Moderne realisiert, wobei ihm immer
der Zweck wichtig war. Das wird vor allem beim Lory-Spital in Bern deutlich. Er hat Spitalbauten und
Sanatorien studiert und dann diesen Bau mit symmetrischer Anordnung entworfen. In die Fassade
eingeschlossen sind Pavillons, damit Patienten an die frische Luft kommen.
Salvisberg und Solothurn
Während er in Berlin viel beschäftigt war, hat er 1914 an einem Wettbewerb für den Bau eines
Stadthauses in Solothurn teilgenommen. Für ein Haus an der Barfüssergasse erhielt er den ersten
Preis und für ein Haus auf dem Chantierareal ex-aequo den zweiten Preis. Mit Letzterem wollte er
mit einem Gebäude zwischen Barock und Moderne die Stadterweiterung nach Osten markieren.
Beide Projekte wurden nicht realisiert. Vermutlich ist der Ausbruch des Ersten Weltkrieges daran
nicht ganz unschuldig. Dennoch für Solothurn eine verpasste Chance. Doch 1926 war es dennoch so
weit, dass ein preisgekröntes Wettbewerbsprojekt in Solothurn realisiert wurde: die ehemalige
Volksbank (heute Credit-Suisse). Bernd Nicolai hat vor seinem Referat dieses Gebäude erstmals in
Natura gesehen und zeigte sich beeindruckt. Es galt, auf einem dreieckigen Grundstück einen
Repräsentativbau zu errichten. Der Architekt entwickelte hier eine ganz klare Sprache. An der
Schmalfront macht er das Gebäude mit drei Arkaden durchlässig und erinnere, so der Referent, an
einen italienischen Palazzo Comunale. Die Loggia korrespondierte ursprünglich mit dem Inneren.
Ganz klar gegliedert, waren das Parterre für die Geldgeschäfte mit der Kundschaft und der erste
Stock für die Administration. Sogar der Tisch (eben der Salvisbergtisch) war in den Plänen bereits
eingezeichnet. Bernd Nicolai bezeichnete denn den Tisch als typisch für Salvisberg: Festigkeit,
Materialbeherrschung und konstruktive Idee. Die Architektur der Volksbank war auch Vorbild für
Gebäude wie das Haus der Freundschaft von Bruno Paul in Istanbul oder das Kunstmuseum Basel von
Bonatz/Christ. Eine städtebauliche Beurteilung des Gebäudes fällt Bernd Nicolai schwer. Worauf in
der Diskussion Roswitha Schild daran erinnerte, dass die alte Post noch stand und statt eines
Parkplatzes vis-à-vis mit weiteren Bauten zu rechnen war. Auch hier eine verpasste städtebauliche
Chance. Immerhin steht der Solothurner Sitz der Credit Suisse in einer Linie mit dem SUVA-Haus in
Bern, dem Fernheizwerk und Maschinenlaboratorium der ETH in Zürich, den Firmenbauten der
Hoffmann-La Roche in Basel und dem Haus der Kirche in Berlin-Steglitz, um nur einige zu nennen.
Helmuth Zipperlen
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