Der solare Einfluss auf den Klimawandel in Westeuropa seit 1672

Werbung
Beiträge zur Berliner Wetterkarte
Herausgegeben vom Verein BERLINER WETTERKARTE e.V.
zur Förderung der meteorologischen Wissenschaft
c/o Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin, C.-H.-Becker-Weg 6-10, D - 12165 Berlin
74/09
http://www.Berliner-Wetterkarte.de
ISSN 0177-3984
SO 37/09
24.11.2009
Der solare Einfluss auf den Klimawandel in Westeuropa seit 1672
Horst Malberg, Univ.-Prof. (a.D.) für Meteorologie und Klimatologie
In dem Beitrag zur Berliner Wetterkarte SO 29/09 war die langfristige Klimaentwicklung während der letzten Jahrhunderte auf der globalen sowie der lokalen und regionalen Klimaskala in
Mitteleuropa analysiert worden. Der hohe Zusammenhang zwischen den Veränderungen der
solaren Aktivität und der Temperaturentwicklung konnte durch Korrelationskoeffizienten um
+ 0,90 bei einer statistische Zuverlässigkeit von über 99% belegt werden.
Es liegt nahe, den methodischen Ansatz zur Diagnose der primären Ursache des langfristigen
Klimawandels auf die längste durchgehende Temperaturreihe der Erde, die Central England
Temperaturen „CET“ (nach G. Manley), auszudehnen. Im Gegensatz zum kontinentaler geprägten Klima Mitteleuropas handelt es sich in Westeuropa um einen Klimabereich, bei dem auf der
kurzen Klimaskala der ozeanische Einfluss eine wesentliche Rolle spielt.
Betrachtet man die klimatische Wärmebilanz Q für einen Ort bzw. eine begrenzte Region, so
hat sie für das System Erde-Atmosphäre die Form
Q = Iabs – R + Aozean + Aatm.
Dabei ist Iabs. die absorbierte kurzwellige (direkte solare und diffuse) Strahlung, R ist der langwellige Wärmeverlust an den Weltraum. Die Terme Aozean und Aatm. beschreiben die Wärmetransporte durch die planetarischen Meeres- und Luftströmungen. Bei einem stabilen Klima
wäre folglich die zeitliche Änderung der Wärmebilanz Q gleich Null.
Bei der Betrachtung des globalen Klimas spielen die beiden Advektionsterme keine Rolle, da
sich die Wärmetransporte global kompensieren. Die Frage nach dem dominierenden Antrieb für
den Klimawandel beschränkt sich dann auf den Ausdruck (Iabs – R). Nach der Arbeitshypothese
der Klimamodelle, wonach der anthropogene Treibhaus-/CO2-Effekt den Klimawandel primär
bestimme, würde der Wärmeverlust R an den Weltraum geringer werden, und zwar infolge
einer Treibhausverstärkung. Nach klimadiagnostischen Untersuchungen ist es dagegen der solare Einstrahlungsterm Iabs, dessen zeitliche Schwankungen primär den langfristigen Klimawandel bestimmen. Dem CO2-Effekt kommt danach nur eine sekundäre Bedeutung zu.
Diese klimadiagnostische Aussage soll nun durch die Analyse der längsten Klimareihe der Erde, den Central England Temperaturen (www.cru.uk) überprüft werden. Im Vergleich zu Mitteleuropa wirkt sich zu den kurzperiodischen globalen Klimaeinflüssen (Vulkanausbrüche, El
Niño usw.) auf den Britischen Inseln zusätzlich der hohe Klimaeinfluss des Golfstroms aus, d.h.
in den CET-Daten ist auch der veränderliche ozeanische Wärmetransport aus tropischen und
subtropischen Breiten enthalten.
Wie schon in dem Beitrag zur Berliner Wetterkarte SO 29/09 ausgeführt, macht es wenig Sinn,
kurzperiodische Klimaeinflüsse, d.h. Klimafluktuationen, in die Ursachenanalyse über den
langfristigen Klimawandel einzubeziehen. Dieser Ansatz erscheint auch deswegen sinnvoll,
weil die kurzperiodischen klimatischen „Oberschwingungen“ keine nachhaltigen Auswirkungen auf Mensch und Natur haben. Entsprechend wurde die Untersuchung wiederum in Anlehnung an die in der Meteorologie gebräuchlichen 30-jährigen Klimaperioden durchgeführt, d.h.
wegen der Anpassung an das zeitliche Verhalten der Sonnenaktivität an Perioden von drei Sonnenfleckenzyklen (im Mittel 33 Jahre).
1
In Abb. 1 ist die Temperaturentwicklung Westeuropas im Zeitraum 1672-1999 dargestellt. Der
Kleinen Eiszeit im 17. Jahrhundert folgte eine Erwärmung im 18. Jahrhundert. An sie schloss
sich eine Abkühlung im 19. Jahrhundert an, der die Erwärmung des 20. Jahrhunderts folgte.
Abb.1 Central England Temperaturen (CET) über 3 SF-Zyklen gleitend
1672 - 1999
10,0
9,8
9,6
9,4
°C
9,2
9,0
8,8
8,6
8,4
8,2
8,0
16
72
-1
70
4
16
94
-1
72
6
17
17
-1
74
9
17
38
-1
76
8
17
61
-1
78
6
17
78
-1
81
5
18
04
-1
83
6
18
30
-1
85
9
18
48
-1
88
2
18
70
-1
90
4
18
93
-1
92
7
19
17
-1
94
6
19
37
-1
96
7
19
57
-1
98
8
7,8
In Abb.2 ist die mittlere Zahl der Sonnenflecken über 3 Sonnenfleckenzyklen wiedergegeben,
also das Verhalten der Sonnenaktivität seit 1672. Dass die Sonnenfleckenzahl ein Indikator für
den jeweiligen solaren Energiefluss ist, wurde durch Satellitenbeobachtungen belegt.
Abb.2 Mittlere Sonnenfleckenzahl über 3 SF-Zyklen gleitend
1672 - 1999
80,0
70,0
60,0
SF
50,0
40,0
30,0
20,0
10,0
16
72
-1
70
4
16
94
-1
72
6
17
17
-1
74
9
17
38
-1
76
8
17
61
-1
78
6
17
78
-1
81
5
18
04
-1
83
6
18
30
-1
85
9
18
48
-1
88
2
18
70
-1
90
4
18
93
-1
92
7
19
17
-1
94
6
19
37
-1
96
7
19
57
-1
98
8
0,0
Dem Maunder-Minimum der solaren Aktivität im 17.Jahrhundert folgte eine deutliche Zunahme der Sonnenfleckenzahl im 18.Jahrhundert. An diese schloss sich das Dalton–Minimum der
solaren Aktivität vom Ende des 18. zum 19.Jahrhundert an. Danach kam es zu einer erneuten
Zunahme der Sonnenfleckenzahl auf die hohen Werte im 20.Jahrhundert. Damit folgt: Sonnenaktivität und Klimawandel verlaufen auf der langfristigen Klimaskala seit der Kleinen Eiszeit
synchron. Der solare Rhythmus bestimmt maßgeblich den Klimarhythmus.
2
Aufschlussreich für die Deutung des kausalen Zusammenhangs zwischen der solaren Aktivität
und der Klimaentwicklung ist insbesondere die Betrachtung der jeweiligen Anomalien, also der
Abweichungen beider Parameter vom langzeitlichen Mittelwert.
In Abb.3 sind die Anomalien der CET, in Abb.4 die Anomalien der mittleren Sonnenfleckenzahl für die definierten quasi-30jährigen Klimaperioden dargestellt.
Abb.3 Anomalien der Central England Temperatur über 3 SF-Zyklen
gleitend
1672- 1999
0,60
0,40
0,20
°C(K)
0,00
-0,20
-0,40
-0,60
-0,80
1968-1999
1957-1988
1947-1978
1937-1967
1928-1956
1917-1946
1905-1936
1893-1927
1883-1916
1870-1904
1860-1892
1848-1882
1837-1869
1830-1859
1816-1847
1804-1836
1787-1829
1778-1815
1769-1803
1761-1786
1750-1777
1738-1768
1727-1760
1717-1749
1705-1737
1694-1726
1683-1716
1672-1704
-1,00
Abb.4 Anomalien der mittleren Sonnenfleckenzahl über 3 SF-Zyklen
gleitend
1672 - 1999
40,0
30,0
20,0
SF-SFm
10,0
0,0
-10,0
-20,0
-30,0
-40,0
16
72
-1
70
4
16
94
-1
72
6
17
17
-1
74
9
17
38
-1
76
8
17
61
-1
78
6
17
78
-1
81
5
18
04
-1
83
6
18
30
-1
85
9
18
48
-1
88
2
18
70
-1
90
4
18
93
-1
92
7
19
17
-1
94
6
19
37
-1
96
7
19
57
-1
98
8
-50,0
Wie man sieht, fallen die negativen Temperaturanomalien, d.h., die ausgedehnten Kälteperioden der Kleinen Eiszeit und des 19.Jahrhunderts, mit den Phasen unternormaler Sonnenaktivität
zusammen, mit einer ruhigen Sonne. Die Wärmeperioden des 18. und 20. Jahrhunderts, gekennzeichnet durch positive Temperaturanomalien, entsprechen den aktiven Sonnenphasen,
also den Zeiten mit übernormalen/positiven Anomalien der mittleren Sonnenfleckenzahl. Deutlich wird ferner, dass sowohl das langfristige Klima - wie das solare Verhalten - eine sinusartige
Schwingung aufweisen mit einer Periodenlänge von rund 200 Jahren (De-Vries-Zyklus).
3
Wie bei der Klimadiagnose von Mitteleuropa soll auch für den Klimawandel in Westeuropa
eine Korrelationsanalyse Aufschluss geben über den Grad des Zusammenhangs von solarer
Aktivität und langfristigem Temperaturverhalten. Die Ergebnisse sind in Abb.5 dargestellt.
Abb.5 Korrelation von Central England Temperatur (CET) und
mittlerer Sonnenfleckenzahl über 3 SF-Zyklen gleitend
1,00
0,90
0,80
Korr.koeff.k
0,70
0,60
0,50
0,40
0,30
0,20
0,10
0,00
1672-1760 1672-1669 1672-1777 1769-1815 1848-1999 1860-1999 1870-1999 1883-1999
Für die rasche Erwärmung nach der Kleinen Eiszeit ergeben sich für die quasi-30jährigen Klimaperioden Korrelationskoeffizienten von +0,94 bzw. +0,87 mit der mittleren Sonnenfleckenzahl. Mit dem Übergang zur nachfolgenden Abkühlung sinkt die lineare Korrelation auf +0,82.
Hoch, wenn auch wegen der zeitlichen Kürze nicht signifikant, ist die Korrelation für die markante Abkühlung 1769-1815. Der jüngste Temperaturanstieg weist mit der Zunahme der solaren Aktivität Korrelationskoeffizienten von +0,81 (1860-1999) bis +0,85 (1883-1999) auf. Damit vermag der (direkte und indirekte) solare Effekt im ozeanisch geprägten Klimabereich
Westeuropa bei der Erwärmung im 18. Jahrhundert rund 80% und bei der Erwärmung des 20.
Jahrhunderts rund 70% des Temperaturverhaltens signifikant (99%-Niveau) zu erklären.
Zusammenfassende Schlussbetrachtungen
Der auf der langfristigen Klimaskala dominierende solare Einfluss auf den Klimawandel seit
der Kleinen Eiszeit lässt sich auch anhand der Central England Temperaturen eindeutig belegen. Damit werden die für die globale und regionale Klimaskala Mitteleuropas gefundenen Ergebnisse in vollem Umfang bestätigt. Trotz des Einflusses durch den Golfstrom folgt das langperiodische Klimaverhalten grundsätzlich den Veränderungen der solaren Aktivität. Ferner wird
auch anhand der CET sichtbar, dass die globale Klimareihe für eine Beurteilung des langfristigen Klimawandels zu kurz ist und dass sie in der lebensfeindlichen Kälteperiode des 19. Jahrhunderts beginnt, als aufgrund von Missernten in Mitteleuropa Menschen verhungert sind. Die
Erwärmung im 20.Jahrhundert ist vor diesem Hintergrund ein Segen und kein Desaster.
Da auch die Central England Temperaturen die synchrone 200-jährige Schwingung von Klimaund Sonnenverhalten belegen, kann man auch nach dieser Klimadiagnose folgern, dass wir mit
hoher Wahrscheinlichkeit am Ende der Erwärmung angekommen sind und vor einer Abkühlung
in den nächsten Jahrzehnten stehen. Die solare Aktivität geht nach astrophysikalischen Prognosen zurück. Der Übergang zur ruhigen Sonne hat offensichtlich bereits begonnen. Auch wenn
die komplexen solaren Umsetzungsmechanismen im Klimasystem im Einzelnen noch nicht
verstanden sind, kann man aufgrund der Klimadiagnose sagen: Die von den CO2-dominierten
Klimamodellen vorhergesagte fortschreitende Erwärmung erscheint höchst unwahrscheinlich.
Literatur und Daten: s. Beiträge zur Berliner Wetterkarte SO 29/09.
4
Herunterladen