Abendprogramm GrauSchumacher Piano Duo / Isabelle Faust

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2. September 2016
GrauSchumacher Piano Duo
Manoury: Le temps, mode d‘emploi
Isabelle Faust
Nono: La lontananza
Berliner Festspiele in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker
Berliner Festspiele
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Berliner Festspiele in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker
Bildnachweise
Titel:Caspar David Friedrich, „Wanderer über dem Nebelmeer“, 1818
S. 8Philippe Manoury, „Le temps, mode d’emploi“, Ausschnitt aus der Partitur
© Philippe Manoury und Durand, Salabert, Eschig
S. 11Venedig 1975, Foto: Paolo Monti, Wikimedia Commons
S. 17 Bodenstruktur © Dieter Wendland
S. 22Philippe Manoury © Philippe Stirnweiss
S. 23Luigi Nono 1979, Niederländisches Nationalarchiv, Foto: Fernando Peirera, Wikimedia Commons
S. 24Isabelle Faust © Felix Broede
S. 26GrauSchumacher Piano Duo © Dietmar Scholz
S. 27 André Richard © Klaus Fröhlich
Musikfest Berlin 2016
Freitag, 2. September, 19:00 Uhr und 21:30 Uhr
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Konzertprogramm
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Thomas Meyer: Zeit-Spiel-Räume (Manoury)
Luigi Nono: La lontananza
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Lydia Jeschke: Momente von Unmittelbarkeit (Nono)
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Interview mit Isabelle Faust
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Komponisten
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Interpreten
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Musikfest Berlin 2016 im Radio und Internet
34
Musikfest Berlin 2016 Programmübersicht
36
Impressum
3
12
Weitere Texte und Beiträge zum Musikfest Berlin lesen Sie im Blog der Berliner Festspiele:
blog.berlinerfestspiele.de
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Bitte schalten Sie Ihr Mobiltelefon vor Beginn des Konzerts aus.
Bitte beachten Sie, dass Mitschnitte und Fotografieren
während des Konzerts nicht erlaubt sind.
Programm
Freitag, 2. September
19:00 Uhr
Kammermusiksaal
Dauer: ca. 50 Minuten
Philippe Manoury (* 1952)
Le temps, mode d’emploi für zwei Klaviere und Live-Elektronik (2013/14)
GrauSchumacher Piano Duo
Andreas Grau / Götz Schumacher Klaviere
Philippe Manoury / Thomas Goepfer
Live-elektronische Realisierung
Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin
Freitag, 2. September
21:30 Uhr
Kammermusiksaal
Dauer: ca. 50 Minuten
Luigi Nono (1924 –1990)
La lontananza nostalgica
utopica futura
für Solovioline und Tonbänder (1988)
Isabelle Faust Violine
André Richard Klangregie
Entstehungszeit: 1988
Auftraggeber: Berliner Festwochen 1988
Uraufführung: 3. September 1988 im Rahmen der Berliner Festwochen
mit Gidon Kremer (Violine), dem Experimentalstudio der
Heinrich Strobel Stiftung des Südwestfunks, Hans-Peter Haller
und Luigi Nono (Klang­regie) sowie Bernd Noll, André Richard,
Rudolf Strauss, Alvise Vidolin.
Widmungsträger: Salvatore Sciarrino
(„A Salvatore Sciarrino ‚caminante’ esemplare”)
Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin
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Entstehungszeit: 2014
Auftraggeber: Kompositionsauftrag des Experimentalstudios des SWR,
des WDR, der Wigmore Hall London, des Wiener Konzerthaus
und der Stadt Witten, finanziert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung mit Unterstützung des Deutsch-französischen Fonds für
zeitgenössische Musik / Impuls neue Musik.
Uraufführung: 11. Mai 2014 in Witten, Wittener Tage für neue Kammermusik, GrauSchumacher Piano Duo und Experimentalstudio des SWR
Widmungsträger: GrauSchumacher Piano Duo
Essay
Zeit-Spiel-Räume
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Philippe Manoury Le temps, mode d’emploi
für zwei Klaviere und Live-Elektronik
Gebrauchsanweisungen sind nützlich, aber auch etwas lästig, denn sie nehmen
uns den Stolz, selbst mit etwas fertig zu werden. Glücklich also, wer ohne auskommt. Wenn nun ein Künstler sein Werk als eine Gebrauchsanweisung bezeichnet, kann eigentlich nur Ironie dahinter stecken. Der Schriftsteller Georges Perec
etwa, ein Meister aus der experimentierfreudigen Oulipo-Gruppe, verwendete
das Wort, als er 1979 ein Buch „La vie, mode d’emploi“ („Das Leben. Gebrauchsanweisung“) betitelte und darin kapitelweise und äußerlich recht schematisch
ein Haus, seine Zimmer und seine Bewohner an einer fiktiven Pariser Adresse
beschrieb. Er fügte dem Text verschiedene „erklärende“ Register als (Des-)
Orientierungshilfe bei. Das wird man nun bei diesem Werk des französischen
Komponisten Philippe Manoury vermissen. „Le temps, mode d’emploi“ kennt
keine Orientierungshilfen, allenfalls ist der Titel eine, insofern er darauf hinweist,
dass die Zeit hier anders verwendet wird. Wer die Besetzung – zwei Klaviere mitsamt Live-Elektronik – sieht, wird sich vielleicht an ein epochales Werk von Karlheinz Stockhausen erinnert fühlen: „Mantra“ für zwei Klaviere und Ringmodulation aus dem Jahr 1970. Tatsächlich gibt da mehr als nur eine fundamentale
Übereinstimmung, wobei wir freilich in die Jugendzeit Manourys zurückkehren
müssen.
Philippe Manoury, geboren 1952 in Tulle (Limousin), also in der Provinz, war zunächst begeistert von spätromantischer Orchestermusik, von Richard Wagner,
Richard Strauss und Gustav Mahler. Langsam nur näherte er sich als Jugend­
licher der Moderne an und entdeckte unter der Anleitung des SchönbergSchülers Max Deutsch in Paris die Musik der Wiener Schule. Zu seinem persön­
lichen „Woodstock“, wie er sagt, wurden Stockhausens allwinterliche Pariser
Konzerte zu einem Ort der inneren Befreiung, gerade auch im Umgang mit
elektronischer Musik, die ihn als Komponisten, Forscher und Dozenten sein weiteres Leben begleitete. Karlheinz Stockhausen, so pflegt er zu sagen, sei für die
elektronische Musik, was Claudio Monteverdi für die Oper war. Er habe sie nicht
erfunden, aber als erster eine Vision entwickelt.
Damals, in den frühen 70ern, entdeckte Manoury eben „Mantra“, dieses Schlüsselwerk für die live-elektronische Musik (etwa auch für die Arbeit des Experimentalstudios des SWR). Im Vergleich mit der heutigen Technik mag es „rudimentär“ wirken, wie hier der Klavierklang über zwei Sinusgenerationen und
Ringmodulation verändert wurde – und doch war es eine Initialzündung, denn
seine Auffassung der elektronischen Musik, so Manoury, sei sehr eng mit dem
Interpreten verbunden. Seine ersten Versuche mit Elektronik in den 70er Jahren
Essay
„Le temps, mode d’emploi“ ist also mit dem Hinweis auf Stockhausens „Mantra“
auch eine Gebrauchsanweisung für den Umgang mit Zeit. Das Ohr muss ständig zwischen unterschiedlichen, manchmal parallel ablaufenden „Zeitlichkeiten“
hin und her switchen. Das Stück, so Manoury, sei „ein großes musikalisches
Fresko über verschiedene Arten, Zeit auszudrücken: kontemplative und aktive
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hatten ihn enttäuscht, er fand es traurig, dass man bei den Tonbandkonzerten
nur die Lautsprecher sehen konnte. Bei „Mantra“ hingegen agierten die Musiker,
das Ergebnis lebte. Von dort ausgehend experimentierte er mit der Interaktion
zwischen Elektronik und Live-Performance. „Für mich drückt sich Musik durch
ein Medium, durch den Interpreten, aus.“ Und so finden sich in seinem Werkverzeichnis auch kaum rein elektronische Stücke. Er glaubt an das Konzert­erlebnis.
„Mantra“ wurde so zur Offenbarung bzw. zum Schock; „une onde de choc“, wie
Manoury sagt. Zum einen wurden so neue Klänge möglich – der „natürliche“
Klang wird über die Elektronik ja transformiert, verfremdet, zum Beispiel hin
zum Glockenähnlichen. Zum anderen wird der Klang verräumlicht – bei „Le
temps, mode d’emploi“ sind die sechs Lautsprecher rund ums Publikum postiert.
Die Elektronik kombiniert die beiden Klaviere mit vier weiteren virtuellen In­
strumenten und einem „sehr ausgeklügelten System von Synthesen, Klangverarbeitung und Klangaufspaltungen“, so dass ein Ensemble von sechs Klavieren
entsteht. Als wesentliches Drittes aber – und von daher rührt der Titel – kommt
ein neues Zeitverständnis hinzu, dadurch, dass die Elektronik die transformierten Töne live bzw. gleichzeitig, en temps réel/in Echtzeit wiedergibt. Damit kann
man nun zu spielen und zu gestalten beginnen, über Verzögerungen etwa, Beschleunigungen und Verlangsamungen. Die Zufallsoperationen des Computers
bringen eine gewisse Unvorhersehbarkeit mit sich. In „Le temps, mode d’emploi“
setzt Manoury zum Beispiel an bestimmten Stellen sogenannte Markow-Ketten
ein, stochastische, auf Wahrscheinlichkeitskalkülen basierende Prozesse. Die
Ergebnisse seien dadurch zwar weitgehend kontrollier- und wiedererkennbar,
aber doch jedes Mal anders. Solches Arbeiten mit Live-Elektronik ist im wahrsten Sinne experimentell. „Wichtig ist, das Experiment zu akzeptieren.“ erklärte
Manoury einmal im Gespräch: „Man kann diese Musik nicht wie ein normales
Instrumentalstück komponieren. Wenn ich ein Orchesterwerk schreibe, brauche
ich nur Papier, Bleistift, Radiergummi und mein Gedächtnis, denn ich weiß, wie
das Orchester klingt. Bei der Elektronik aber kann ich mich nicht auf mein
Gedächtnis verlassen, hier muss ich am Klang selbst experimentell arbeiten.“
8
Essay
Gewiss braucht es dafür keine weitere Hörhilfe, aber gute Gebrauchsanweisungen zeigen uns ja auch noch weitere Möglichkeiten im Umgang mit Geräten
auf – sie fordern auf, Weiteres zu entdecken. „Le temps, mode d’emploi“, 2013/14
komponiert und 2014 in Witten uraufgeführt, ist „in acht Abschnitte gegliedert,
die innerhalb einer Großform direkt aufeinander folgen und reagieren“. Jeder
Abschnitt verlangt einen etwas veränderten Hörzugang. Einige sind durch
starke Gesten (akkordische Blöcke, dahinrasende Passagen, Glissandostürme)
geprägt, aber im ruhigeren zweiten Teil erscheinen etwa auch kurze Dreiklangmotive, denen das Ohr folgt, ohne sie freilich je fixieren zu können. In späteren
Abschnitten werden Verläufe, die sich allmählich ausgedehnt haben, auf einmal
durch harte Interventionen beschnitten, gekappt, aufgebrochen, so dass das
Ohr im Zeiterleben, in dem es sich einmal niedergelassen hatte, aufgestört wird.
Die Störelemente nehmen vielleicht sogar einen immer größeren Platz ein. Und
schließlich: Was lässt uns spüren, dass etwas zu Ende gehen wird? Das Nachlassen der zuvor so enormen Spannkraft, das Abstürzen, das Sich-Auflösen der
Musik, das Loslassen der Zeit …?
So werden in den acht Teilen Prozesse initiiert, variiert, umgebogen. In dieses
Zeitstück spielt auch eine dramatische Ebene hinein. Die Konstruktionen drohen
manchmal zu explodieren. Strenge und Chaos stehen nebeneinander. Anhand
seines Orchesterstücks „Sound and Fury“ („Klang und Wut“) beschrieb er die
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Zeit, verzögerte und echte Zeit, kontinuierliche und unterbrochene, heterogene
oder homogene, geglättete oder gerippelte, pulsierende, aufgehobene, wiederaufgenommene, zirkuläre, gekrümmte Zeit …“ Darin agieren / reagieren auch
die Musiker – Echtzeit also nicht nur in der Live-Elektronik, sondern auch im Spiel
der Musiker. Die Zeit oder besser: der Umgang mit ihr wird wesentlich, wie ein
Blick in die Partitur zeigt: Da gibt es nicht nur die üblichen Takt-, sondern auch
ständige Tempowechsel mit manchmal unterschiedlichen Metronomzahlen für
die beiden Klaviere. Außerdem wechseln Passagen, die exakt im Takt gespielt
werden sollen, mit sogenannt taktlosen („non mesuré“) ab, die dem Interpreten
eine mehr oder weniger große Freiheit im Rubato und in der Gestaltung lassen.
Dadurch kann sich die Zeit ausdehnen oder zusammenziehen, kann sie sich öffnen oder strukturieren oder perforieren (rippeln), wenn Löcher entstehen. Die
Elektronik folgt dem Spiel der Interpreten, beeinflusst es aber auch. Aus dem
Moment heraus entsteht ein Dialog, was die Lebendigkeit der Aufführung ausmacht. Auf elastische und gut durchhörbare Weise werden kontinuierliche und
diskontinuierliche, fragmentierte und freie, gedrängte und entspannte Zeit­
formen übereinandergelegt, wobei Manoury die Wahrnehmungsweisen unterscheidet: „Die physische oder musikalische Zeit, aber auch die psychische Zeit.
Zeit ist nicht nur ein Gefäß, das unser Leben sowie unsere Taten und Wahrnehmungen umfasst; sie kann ihre eigene Struktur haben, eine Art Umhüllung, die
ihren Ausdruck auf uns hinterlässt.“ Und die Musik könne das eben seit jeher
viel besser ausdrücken als irgendein anderes Medium. An diesen zeitlichen Organisationen arbeitet Manoury.
10
Essay
Grundvaleurs seiner Musik: Zum einen ein Gespür für die Sinnlichkeit der Klänge,
auch in ihrer Raumwirkung; zum anderen eine zuweilen sehr heftige Expressivität. Das Stück, so schreibt der Komponist, entwickle sich in einem Prozess „hin
zu heftigeren, erregteren Strukturen voller Wut, die momenteweise durch eine
immer ‚wildere‘ musikalische Übersättigung geprägt seien. Diese Heftigkeit ist
indessen, wie immer bei mir, völlig durchorganisiert, sei es ausgehend von einem
Wachsen oder Wuchern eines klar strukturierten Grundmaterials, sei es durch
das plötzliche Einbrechen eines Elements, dessen Auftritt nichts in diesem Kontext zuvor erahnen ließ. Es ist, so hoffe ich, eine auskomponierte Gewalt­
tätigkeit.” Das gilt auch für „Le temps, mode de emploi“, ein Stück, das wie
einige historische Vorbilder im Genre für zwei Klaviere, zum Beispiel Ludwig van
Beethovens Bearbeitung der „Großen Fuge“, Max Regers „Variationen und Fuge“
über ein Thema von Beethoven, Ferruccio Busonis „Fantasia contrappuntistica“,
Pierre Boulez‘ „Structures I und II“ oder eben „Mantra“, einen Zug zur monumentalen Architektur, aber auch zum allesverschlingenden Ausbrechen hat. Mit
Gebrauchsanweisungen ist da nicht mehr viel auszurichten, es geht Manoury
gerade um die Grundfrage (immer wieder), wie aus einer sehr rationalen Konstruktion etwas Irrationales entstehen könne, das chaotisch und heterogen ist?
Er vergleicht diesen Kontrast mit dem zwischen den beiden Philosophen Hegel
und Nietzsche: Der eine gehe vom System aus, der andere vom Rausch, obwohl
das System seinerseits rauschhaft sei. So lasse sich das Delirium konstruieren.
Gerade dieses Stück für zwei Klaviere, eine weite, über fünfzigminütige Klangarchitektur, ist dank der Live-Elektronik auch ein gewaltiger Klangrausch, ein
faszinierendes Geläute.
Thomas Meyer
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Gedicht
La lontananza nostalgica utopica futura
mi è amica e disperante
in continua inquietudine.
Le rare qualità dei suoni
inventati da Gidon fanno
suonare i vari spazi
della Kleine Philharmonie.
Come gli articolati spazi Voci di tanti „Caminantes”.
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della Kleine Philharmonie
offrono altri spazi per i
suoni originali di Gidon:
lontani – vicini –
incontri – scontri – silenzi –
interni – esterni –
confilitti sovrapposti.
Nastri magnetici come voci
di madrigali si accompagnano
al violino solista e al live electronics.
Nessuna elaborazione o trasformazione:
i suoni di Gidon sono originali.
tre giorni di registrazione pura allo
Studio Sperimentale S.W.F. di Freiburg.
Ascolti infiniti – tentativi
di scelte per affinità elettive vari sentimenti compositivi
voce per voce.
come gli antichi fiamminghi immaginifici.
E Gidon si abbandona
ai vari spazi con altra
scrittura-invenzione.
E li abbandona.
Luigi Nono
Venezia, 25.7.88
Text Luigi Nonos anlässlich der
Uraufführung des Werks am 3. September 1988
im Kammermusiksaal der Phiharmonie.
Auftragswerk der Berliner Festwochen
Gedicht
Die nostalgisch-utopische zukünftige Ferne
ist mir Freundin und Verzweifelnde zugleich
In fortwährender Unruhe.
Die seltene Qualität der von
Gidon erfundenen Klänge.
Sie lassen die verschiedenen Räume
der Kleinen Philharmonie erklingen.
Stimmen so vieler „Wanderer“.
Tonbänder gesellen sich
den Stimmen der Madrigale gleich
zu Solovioline und Live-Elektronik
Keine Verarbeitung oder Transformation:
Die Klänge von Gidon sind original.
Drei Tage lang nichts als Aufnahmen
Im Experimentalstudio des SWF in Freiburg.
Hören ohne Ende – Versuche
durch Wahlverwandtschaften auszuwählen–
Manigfaltige kompositorische Gefühle
Stimme für Stimme
Wie die imaginativen alten Niederländer.
Und Gidon verliert sich
in diesen verschiedenen Räumen
mit anderer Schrift, „Erfindung“.
Und er verlässt sie.
Übertragung: Helga von Kügelken für
die Uraufführung des Werks am 3. September 1988
im Kammermusiksaal der Philharmonie,
Auftragswerk der Berliner Festwochen
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Wie die gegliederten Räume
der Kleinen Philharmonie
den originalen Klängen von Gidon
andere Räume eröffnen:
der Ferne – der Nähe –
der Begegnungen – der Zusammenstöße – der Stille
des Innen – des Außen
der sich überlagernden Konflikte.
Essay
Momente von Unmittelbarkeit
Luigi Nonos „La lontananza nostalgica utopica futura“
14
Hörmoment I:
Venedig, ein vernebelt dunkler Januarabend Mitte der 1990er.
Wenige Jahre nach dem Tod des Komponisten ist das Archivio Luigi Nono, das
seinen künstlerischen Nachlass verwalten soll, noch im Aufbau. Wenn es nicht
regnet, sind wir mit der Sackkarre über den Giudecca-Kanal und dann quer
durch die Stadt zum Banktresor unterwegs – Nuria Schoenberg Nono, Erika
Schaller und ich, mit unserer überschaubaren Muskelkraft und schwerer Fracht
stets etwas abschätzig beäugt von den umstehenden, vor allem männlichen
Venezianern – , um nach und nach die zu Paketen verschnürten Skizzen in die
Archivräume zu bringen, sie zu sortieren, zu studieren und zu erfassen. Jede
neue Paketladung bringt neue Entdeckungen, gibt neue Rätsel auf, stellt Fragen
und beantwortet andere. Luigi Nono, das wird schnell klar, war kein Vorordner
des Eigenen, keiner, der schon zu Lebzeiten an die spätere Forschung zu seinem
Œuvre gedacht oder sie schon in bestimmte, möglichst fehlerresistente Bahnen
gelenkt hätte. Und so ist es eine Art Entdeckungsreise mit nur sehr ungefähren
Haltepunkten, auf der wir deutschen und italienischen Musikwissenschaftlerinnen uns damals, in dieser frühen Phase der Archivierung befinden. Die Tage
im Archiv sind entsprechend: ruhig-konzentriert und aufregend zugleich, sie
sind meistens lang und vergehen doch wie im Flug.
Aus dem Abend dieses speziellen Tages im Januar aber ist Nacht geworden.
­ uria Nono, Erika, die spätere langjährige wissenschaftliche Leiterin des Archivs,
N
und weitere Besucher des Archivio Nono haben sich verabschiedet. Ich bin, während vor dem Fenster noch die Lichter einzelner größerer Schiffe kon­tem­plativ-unscharf den Hafen durch den Kanal verlassen, noch in eine Recherche vergraben. Und so ist die Entdeckung dieses Tages, dieser Nacht, eine ebenso zufällige wie intensive, denn auf der Suche nach Klangmaterial zum zentralen
Werk in Nonos spätem Schaffen, zur Hörtragödie „Prometeo“, finde ich eine
Dat-Kassette mit dem Mitschnitt einer frühen Aufführung von Nonos spätestem
Spätwerk: „La lontananza nostalgica utopica futura“. Gidon Kremer und Luigi
Nono sind die Interpreten an Violine und Mischpult, viel mehr gibt die Beschriftung nicht preis. Ist es die Berliner Uraufführung von 1988 oder die kurz später
revidierte Version? Ich aktiviere die Lautsprecher. Vielleicht liefert die winternächtliche Dunkelheit auf der schlafenden Giudecca-Insel den richtigen Rahmen, vielleicht spielt auch die Überraschung der Sinne eine Rolle, darüber, dass
in die große Stille des Archivs plötzlich überhaupt etwas klingt – jedenfalls scheinen sich,in der nun folgenden Stunde Musik, verschiedene Räume und Zeiten
einander zu überlagern, zu kommentieren, zu verdichten und gelegentlich
Essay
Überlagerung und Wanderung
„La lontananza nostalgica utopica futura“ basiert auf Klängen, die Nono im
Februar 1988 im Freiburger Experimentalstudio des SWR aufzeichnete: Er bat
den Geiger Gidon Kremer, den er wenige Monate zuvor kennengelernt hatte,
vor den Mikrofonen zu improvisieren. Aber es gibt auch einen Berliner Zu­
sammenhang in der Entstehung des Stücks: Zwischen 1986 und 1988 hat Luigi
Nono größtenteils in Berlin gelebt. Er war nicht nur Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (1986/87), sondern auch Fellow am Wissenschaftskolleg
und hat an der damaligen Hochschule der Künste Isang Yun als Gastprofessor
vertreten. Die Frage des räumlichen Hörens, die Beziehung zwischen Komposition, Rezeption und den architektonischen Gegebenheiten der konventionellen
Konzertsäle, haben ihn zu dieser Zeit sehr beschäftigt. Überlegungen dazu, aber
auch zur Ortsspezifik des Kammermusiksaals der Philharmonie sind in die
Raum-Konzeption von „La lontananza“ eingeflossen, das als Auftragswerk der
Berliner Festwochen dort 1988 im Rahmen der Komponistenportraits der Berli­
ner Festwochen uraufgeführt wurde.
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auszuhebeln. Es entsteht einer dieser seltenen Momente von Unmittelbarkeit,
in denen Vergangenes und Zukünftiges präsent (eben: Präsenz) werden. Nonos
Musik wandert beredt zwischen seinen aufgeschlagenen Skizzen und Büchern –
oder ist es der Geiger, der in der Aufnahme hörbar die Richtung und Entfernung
wechselt? Was geschieht wo? Studio, Aufführungsraum und Abspielstätte, Klang­archiv und Forschungsort, aufgezeichnete, verarbeitete und aktuelle Klänge
und Geräusche werden bald so ununterscheidbar, dass ich mich (als einzige
Person im Raum) unwillkürlich angesprochen fühle, als in der Aufnahme plötzlich jemand redet.
Was geschieht wann? Die Musik erinnert, fern, an weit zurück liegende Zeiten,
kommt gleich darauf in fast beängstigende Nähe, akustisch und stilistisch. Sie
überblendet beides in einer mehrfachen, mehrdeutigen Perspektive, so als wäre
auch die Hörerin einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, schon miteinkomponiert. Ein besonderer Musik-Moment sicherlich. Das alles aber hat nicht
nur mit der damaligen venezianischen Nacht und dem persönlichen Hörerlebnis
zwischen dem noch unsortierten und daher beinahe undistanzierten Nachlass
zu tun. Sondern auch sehr viel mit der Struktur und dem Aufbau dieser Komposition. Überlagerung, Korrespondenz und Variabilität sind darin wichtige
Stichworte.
16
Essay
Das Material aus der mehrtätigen Session mit Gidon Kremer: Fragmente aus
traditionellem Repertoire, einzelne Geigentöne, Phrasen, Klangexperimente,
aber auch Arbeitsgeräusche, Schritte, Poltern, Gesprächsfetzen, wurde später
mit elektronischen Mitteln verarbeitet. Tonhöhen wurden verändert, Klänge gefiltert oder verzögert, mit anderem Nachhall versehen, räumlich neu verteilt. So
entstanden insgesamt acht Zuspiel-Spuren, deren Texturen André Richard grob
klassifiziert in: „sehr dicht überlagertes harmonisches Material“ (1 und 2), „Originalklänge verschiedener Spielweisen, einzelne Töne und Quinten“ (3 und 4),
„Stimmen, Worte, Geräusche von Türen, Stühlen usw., auch Violinklänge“ (5 und
6) und „melodisches Material hoch klingend, Flageolettmelodien, schnelle
Tremoli, springender und geworfener Bogen“ (7 und 8). Die damals von Gidon
Kremer eingespielten Klänge sind also durch Nonos Verarbeitung im Studio einander überlagert worden, zugleich neu kombiniert und gruppiert. Die daraus
entstandenen Zuspiele (alle acht Spuren sind so lang wie die maximale Aufführungsdauer des Stücks: gut eine Stunde) sind aber selbst wiederum Material,
das den aktuell im Konzertsaal gespielten Geigenklängen überlagert werden
kann. Die Kombinationsmöglichkeiten sind unzählig: Welche Spur(en) wir in
welcher Dynamik an welcher Stelle hören, bleibt der Entscheidung des Klang­
regisseurs überlassen, auch: aus welchen Lautsprechern im Saal sie klingen.
Wann die live gespielte Violine in den verschiedenen Abschnitten hinzutritt, ist
Sache des Geigers oder der Geigerin.
Die Geigenstimme verteilt sich auf insgesamt sechs Abschnitte. Nono bezeichnet sie in den Noten als sechs „leggii“, also „Lesepulte“ oder „Notenständer“,
nicht einfach „Teile“ oder „Sätze“. Damit verweist er auf die Grunddisposition
des Violinparts als im Raum wandernd. „Madrigale per piú ‚caminantes‘ con
Gidon Kremer“ lautet der Untertitel des Stücks – Madrigal also für mehr ‚Wanderer‘. Auf Nonos Faszination für das Umherwandern, die mehr oder weniger
alle seine Werke in den 1980er Jahren beeinflusst, ist oft hingewiesen worden.
Das spanische Wort „caminante“ weist direkt auf die Verse des Dichters Antonio
Machado, die Nono auf einer Mauer in Toledo entdeckte: „Caminante, son tus
huellas el camino, y nada más (...)“ – „Wanderer, deine Spuren sind der Weg,
sonst nichts (...)“ und die zu Titelworten mehrerer Kompositionen werden.
Der zentrale Aspekt, den Nono von Machado übernimmt (zunächst offenbar,
ohne den Autor der Zeilen zu kennen), ist der der nicht zielgerichteten Bewegung, der wandernden Bewegung als Zweck und Aussage selbst. Und so ist auch
die Violinist*in in Nonos beiden letzten Werken, „La lontananza nostalgica utopica futura“ und dem daraus hervorgehenden Violinduo „Hay que caminar
sognando“, angewiesen, sich während der Aufführung umherzubewegen, nicht
zielsicher, sondern suchend, tastend, den Weg zwischen den Stationen der Notenpulte als Teil des Geschehens zelebrierend. Konkret heißt es in der Geigenstimme zu „La lontananza am Ende des ersten Abschnitts: „cammina lentamente con improvvise fermate come e cercando e andando verso il II. leggio“
(„wandere langsam mit plötzlichen Halten wie suchend und gehend zum
Essay
17
II. Notenpult“, Hervorhebung im Original). „Quasi incerto“ („gleichsam unsicher“) heißt es an späterer Stelle, und der letzte Ortswechsel nach Abschnitt
fünf soll (nunmehr ohne „als ob“-Einschränkung) tatsächlich „vagando incerto“
(„unsicher umherirrend“) geschehen. Die Notenpulte mit den sechs Abschnitten
werden im Raum verteilt, die Abstände zwischen ihnen sind in jedem Aufführungsraum neu zu definieren. Damit die Wege nicht doch allzu vorhersehbar
werden, wählt der Solist nicht die kürzesten Verbindungen, die ihn alle Pulte
erreichen lassen, sondern kreuzt den Raum möglichst mehrmals. Zusätzlich
sieht Nono zwei bis vier weitere Notenpulte vor, die aufgestellt, aber letztlich
vom Spieler nicht genutzt werden – als unausgeschöpfte Richtungen und Haltepunkte der Wanderungen sozusagen. Sollte sich der Solist tatsächlich in dieser
unübersichtlichen Disposition verirren, wäre es Teil des Spiels.
Essay
18
Variabilität und Korrespondenzen
„Il suono va e viene“ („der Klang geht und kommt“), heißt es in „leggio II“, am
zweiten Notenpult der Komposition. „Interrotto“ soll das Spiel der Geiger*in sein,
„unterbrochen“, und „niemals statisch“ („mai statico“). Der räumlichen Vagheit
des Klangs steht dort die der Tongebung gegenüber. Auch in den Tonhöhen: in
mehreren Abschnitten findet sich die Aufforderung, den Ton zu variieren: um
Mikrointervalle, die kleiner als ein Sechzehntelton sind. Häufig wechselnde
Bogentechniken zwischen Spiel mit Bogenhaaren oder -holz, zwischen Strich an
„normaler“ Stelle oder auf dem Steg erreichen einen ähnlichen Effekt. Oft irisieren die Klänge in Flageolett-Höhen oder sie hauchen mehr, als dass sie klingen,
im vielfachen pianissimo („leggio III“). Kommen und Gehen bestimmen die
Ak­tionen der Solist*in, die sich nacheinander den verschiedenen Notenpulten
nähert. Tempo und Wegstrecke beeinflussen jeweils die Abstände zwischen den
live gespielten Abschnitten. Auch innerhalb dieser Abschnitte gibt es flexibel zu
gestaltende Fermaten und Pausen.
Das alles trifft sich mit den Gestaltungsmöglichkeiten des Klangregisseurs, der
zwar das Zuspiel nicht anhält, aber die gesamte Aufführung hindurch bestimmt,
welche Spur wann wo klingt – und auch, ob überhaupt etwas zu hören ist. Wie
in der Violine ist auch im Zuspiel Schweigen möglich. „La lontananza nostalgica
utopica futura“ für Violine und Elektronik ist Kammermusik. Damit sie gelingt,
müssen die beiden Interpreten an den Reglern und der Geige in ein sehr sensi­
bles Wechselspiel eintreten, müssen auf die spontanen Entscheidungen des jeweils Anderen musikalisch reagieren. Wenn das gelingt, ergeben sich faszinierende Korrespondenzen in verschiedenen Schichten: Die aufgezeichnete Violine
korrespondiert mit der live gespielten, der Aufführungsraum mit dem der
Studioproduktion, die damalige Situation mit all ihren „Nebengeräuschen“ mit
der des Konzerts (mit seinen eigenen unvorhergese­henen Nebenklängen).
Hörmoment II:
Amsterdam, der laue Abend eines strahlenden Frühsommertages
im Juni 2014.
In einem umgebauten Gashouder findet im Rahmen des Hollandfestivals ein
Schwerpunktwochenende mit Werken Luigi Nonos statt. Vier große Konzerte
und ein Nono-Kongress liegen bereits hinter uns, nun wartet auf die etwas erschöpften Hörer noch ein Nachtkonzert mit dem Geiger Irvine Arditti und dem
Klangregisseur André Richard. Die Probe zu „La lontananza ...“, zeitlich gedrängt wenige Stunden zuvor, ist mehr eine letzte Sondierung des riesigen
runden Saals, ein Verifizieren der geplanten Standorte und Wanderwege. Die
Lautsprecher sind eingerichtet, die Interpreten aufeinander eingespielt, bereits
1992 erschien eine CD-Produktion mit Arditti / Richard und diesem Werk, zahlreiche Aufführungen folgten.
Essay
Lydia Jeschke 2016
19
Routine? Das Gegenteil ist der Fall. Was folgt, im dunklen Rund des atmosphärisch besonderen Ambientes, ist eine Begegnung als Grenzgang. Hörbarkeitsschwellen werden erreicht und überschritten, die Positionen der Lautsprecher
und des Geigers nicht nur an verschiedenen Seiten des Saals, sondern durch
Gerüstkonstruktionen mit Podesten auch auf verschiedenen Höhenebenen in
der riesigen Kuppel, lassen die Versuche einer Ortung der Klänge ins Imaginär-Visionäre übergehen: „utopica“ hatte Nono nach der Uraufführung als zusätzlichen Begriff in seinen Werktitel eingefügt. Wieder ist es ein besonderer
Moment des Hörens, sommernächtlich in Amsterdam. Aber es ist, verglichen
mit demjenigen zwanzig Jahre zuvor, zugleich auch die Dokumentation eines
Paradigmenwechsels. Aus dem intimen Dialog des Komponisten mit dem Geiger
der Uraufführung und dem dieser beiden mit sich selbst ist ein Musikstück geworden, das sich interpretieren und zwischen Nono / Kremer und den aktuellen
Interpreten wieder neue Korrespondenzen entstehen lässt. Interpret*innen wie
Isabelle Faust werden wiederum eigene und andere Zugänge finden. Intim ist
das Werk immer noch, und jedes Mal anders – ein Stück für den Zauber des
Moments. Man möchte ihn festhalten. Als kennte sie diesen Wunsch, greift die
Elektronik ein einziges Mal im Stück direkt auf den live gespielten Geigenklang
zu. Dann nämlich, wenn die Solistin, ihren letzten Ton spielend, den Raum
verlassen hat und dieser feine Ton uns im Saal doch scheinbar noch erhalten
bleibt: utopica.
Interview
La lontananza nostalgica utopica futura
Isabelle Faust über
Luigi Nonos Werk für Solovioline und Tonbänder
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B: Ist Luigi Nonos „La Lontananza
nostalgica utopica futura“ Ihre erste
Begegnung mit der Musik Nonos?
Faust: Ich habe Luigi Nonos Musik
erstmals ganz bewusst mit dem
LaSalle Quartet erlebt. Damals war
ich 11 oder 12 Jahre alt und nahm
mit meinem Streichquartett an den
Meisterkursen in Basel teil. Die Interpretation des LaSalle Quartets von
Luigi Nonos Streichquartett „Stille,
an Diotima“ war spektakulär, und
das hat mich damals schon sehr
beeindruckt. Später habe ich dann
Nonos „Varianti“ für Violine und
Orchester sehr gerne gespielt.
B: Wie geht Nono in diesem Stück
mit der Geige um? Gibt es da
Momente, die ganz besonders
sind, die Sie besonders anziehen?
Faust: Die Violine tritt in diesem
Stück in einen Dialog mit der Musik
von den Tonbändern. Diese werden
vom Klangregisseur spontan ein­
gesetzt, je nachdem, welche der
acht Tonspuren zu welcher Art von
Geigenspiel im jeweiligen Moment
besonders gut passt. Die Violine
erfüllt dabei eine deklamierende,
dia­logisierende, monologisierende
und reagierende Rolle. Und obwohl
sie einem vollständig ausnotierten
Notentext folgt, kommt sie nicht
umhin, die die Tonbandklänge und
das, was sich um sie herum ereignet,
auf sich wirken zu lassen, davon
brüskiert oder geschmeichelt zu
werden, in Einklang oder Zwiespalt
damit, reflektierend oder konstruktiv
damit umzugehen. Es geht hier um
echte Kammermusik, und nicht um
einen Solopart und „8 Tutti-Spieler“.
Geiger und Tonbandmusik beein­
flussen sich gegenseitig, manchmal
sind sie sogar nicht mehr vollständig
auseinander zu halten. Trotzdem
folgt die Solovioline ihrem vorgegebenen, einsamen Weg, ohne sich
davon abbringen zu lassen und
entschwindet am Ende den Raum­klängen, in denen der Geiger auf das
hört, was im Raum um ihn herum
passiert und den richtigen Moment
abwartet, um darauf zu antworten,
während der Klang­regisseur scheinbar genauso in „Lauerstellung“
verharrt, um einen unerhörten
Moment der Einheit zu kreieren.
B: „La lontananza nostalgica utopica
futura“ – Welchen Assoziationsraum
eröffnet dieser Titel für Sie?
Faust: Für mich steht dieser Titel für
eine unerfüllte Suche nach dem Weg
in eine un­erreichbare, bessere Welt.
Bei der Aufführung dieses Werkes
wird das Unerreichbare dieser Suche
meiner Ansicht nach sehr spürbar
gemacht, ebenso die subtilsten
unterschied­lichen Zustände, in die
die Inter­preten und auch das Publikum geraten: Zwischenwelten, psy-
Interview
chologische „Aggregatzustände“. In
„Lontananza“ ver­körpert die Musik
Aufbruch, Suche, Ziellosigkeit. Der
Widmungsträger Salvatore Sciarrino,
Schüler Nonos, interpretiert den Titel
als ästhetische Metapher: „Indem
die Vergangenheit durch die Gegenwart reflektiert wird (nostalgica),
bringt sie eine kreative Utopie hervor
(utopica); die Sehnsucht nach dem
Bekannten wird zum Vehikel für das
Mögliche (futura) durch das Medium
der Entfernung (lontananza).“
B: Wie treten Sie in Interaktion
mit diesen Klängen vom Tonband,
die ja geprägt sind vom Spiel Gidon
Kremers und natürlich von der
Handschrift Nonos?
Faust: Ich finde es extrem spannend,
den Raum in allen akustischen
Varianten zu erforschen und zu
erkunden. Zudem kommt die LiveElektronik ja auch ständig aus an­
deren Ecken des Raumes, was die
Geigerin oder den Geiger unablässig
in andere Relationen setzt, der
Wanderer muss sich permanent in
Frage stellen und neu orientieren.
Für das Publikum ist es nicht anders,
es hört den Solisten immer wieder
aus einer anderen Perspektive,
manchmal nah, manchmal entfernter, manchmal von der Elektronik
fast erschlagen.
Ich bin sehr neugierig darauf, wie
dieses Werk in dem Saal, in dem es
am 3. September 1988 uraufgeführt
wurde, funktionieren wird, welche
Raumerfahrung hier möglich sein
wird. Ich liebe diesen Konzertsaal
sehr, er klingt fantastisch und ich
fühle mich immer ganz besonders
wohl hier. Sicher bringt er durch
seine offene, runde Anordnung
besondere Vorteile mit für ein Stück,
das den Raum gänzlich ins Hör­
erlebnis mit einbezieht.
Die Fragen stellte Barbara Barthelmes
21
Faust: Wie schon beschrieben gibt
die Solovioline viele Anstöße bei diesem Werk, auf die die Live-Elektronik
bzw. der Klangregisseur reagiert
und wiederum die Violine beeinflusst.
Anfang und Schluss gehören der
Elektronik, die „Wander-Violine“
taucht erst nach einer Weile in das
Meer der Klänge und Geräusche ein.
Am Ende vermischt sich der Geigenton mit der Elektronik und die Geige
blendet sich aus, der Wanderer geht
von dannen. Kremers aufgenommenes Spiel wurde von Nono minutiös
elektronisch bearbeitet, er benutzte
dabei unter anderem Harmonizer,
Nachhall, Filter oder Verzögerung.
Dadurch ist enormes re-komponiertes Material entstanden, das einen
großen Teil dieses Stückes ausmacht.
Aber das wirklich Entscheidende für
die jeweilige Aufführung ist, in
welcher Art und zu welchem Zeitpunkt was wo eingesetzt wird.
B: Ein zentrales Thema von Nonos
kompositorischer Arbeit war die
Auseinandersetzung mit dem Raum /
der Architektur und dem räumlichen
Hören. So ist „La lontananza“ in
Bezug auf den Kammermusiksaal
entstanden. Welche Erfahrungen
machen Sie in Bezug auf den Raum
als Solistin des Stücks?
Biografien / Komponisten
22
Philippe Manoury
Der 1952 geborene Philippe Manoury gilt
als einer der wichtigsten französischen
Komponisten und Forscher wie Wegbereiter
auf dem Gebiet der Musik mit Live-Elektronik. Trotz seiner intensiven Ausbildung als
Pianist und Komponist (er besuchte die
École Normale de Musique de Paris sowie
das Pariser Konservatorium und studierte
unter anderem beim Schönberg-Schüler
Max Deutsch, bei Gérard Condé, Michel
Philippot und Ivo Malec) sieht er sich als
Autodidakt. Entsprechend beginnt er auf
eigene Faust mit kompositorischen Versuchen parallel zu seinen ersten musikalischen Lektionen, und schon im Alter von
19 Jahren ist er mit eigenen Werken auf
wichtigen Festivals für neue Musik vertreten. Die Uraufführung seines Klavierwerkes
„Cryptophonos“ durch Claude Helffer verhilft ihm 1974 zum Durchbruch.
Die in die gleiche Zeit fallende Begegnung
mit der Musik Karlheinz Stockhausens beschreibt er als wegweisend für sein
kompositorisches Denken, das sich nun immer mehr mathematischen Modellen ver­schreibt. Dieses Interesse bringt ihn, nach
einer zweijährigen Lehrtätigkeit an brasilianischen Universitäten, ans Pariser Institut
de Recherche et Coordination Acoustique /
Musique (IRCAM): Hier arbeitet er ab 1981
gemeinsam mit dem Mathematiker Miller
Puckette an MAX, einer Programmier­
sprache für interaktive Live-Elektronik.
Aus dieser Forschung heraus komponiert
er zwischen 1987 und 1991 einen Zyklus mit
vier Stücken, „Sonus ex machina“, der sich
der Interaktion zwischen akustischen In­
strumenten und computergenerierten
Klängen in Echtzeit widmet: „Jupiter“,
„Pluton“, „La Partition du ciel et de l’enfer“
und „Neptune“. Neben seiner Arbeit als
Komponist führt er seither seine Forschungstätigkeiten fort. In verschiedenen
pädagogischen und künstlerischen Positionen arbeitet er unter anderem mit dem Ensemble intercontemporain (1983 bis 1987),
am Konservatorium in Lyon (1987 bis 1997),
mit dem Orchestre de Paris (1995 bis 2001),
beim Festival d’Aix-en-Provence (1998 bis
2000) sowie an der Scène Nationale d’Orléans (2001 bis 2003). Er ist emeritierter
Professor der University of California San
Diego, wo er von 2004 bis 2012 unterrichtete. Anfang 2013 verlegt er seinen Wohnsitz wieder vollständig in sein Heimatland
nach Straßburg, wo er an der Académie
Supérieure de la Haute École des Arts du
Rhin zum Kompositionsprofessor berufen
wurde. Seit 2015 findet im Rahmen des
Straßburger Festivals Musica seine eigene
Akademie für junge Komponisten statt.
Für seine Werke ist Philippe Manoury mit
zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden,
unter anderem von der Stadt Paris und der
SACEM und zuletzt bei den Victoires de la
musique classique als Komponist des Jahres 2012. Das französische Kulturministe­-
Biografien / Komponisten
rium ernannte ihn 2014 zum Officier des
Arts et des Lettres. Philippe Manoury ist
Mitglied des Ehrenkomitees des Deutschfranzösischen Fonds für zeitgenössische
Musik / Impuls neue Musik. Seit Sommer
2015 ist er Mitglied der Akademie der
Künste zu Berlin.
Luigi Nono
23
Luigi Nono wurde 1924 in eine venezianische Familie von Künstlern und Juristen
geboren und empfing eine humanistische
Bildung. Weit gespannte künstlerische,
literarische und philosophische Interessen
sollten später auch für den reifen Komponisten charakteristisch sein. Nonos Vater
war mit Gian Francesco Malipiero befreundet, dem Direktor des Konservatoriums von
Venedig, und dieser sorgte für die Förderung der kompositorischen Talente des
Heranwachsenden. Insbesondere brachte
er Nono mit dem ein wenig älteren Kom­
ponisten und Dirigenten Bruno Maderna
zusammen. Zwischen beiden entwickelte
sich eine dauerhafte und künstlerisch hoch
produktive Freundschaft. Von 1946 an beschäftigten sie sich mit der unter dem Faschismus unterdrückten neuen Musik, zumal mit der Schönbergschule. Malipiero
regte Maderna und Nono auch an, im
Sommer 1948 einen Dirigierkurs bei Hermann Scherchen zu besuchen, eine Begegnung, die für Nono musikalisch und politisch immens wichtig wurde. Scherchen
förderte Nono und Maderna für einige
Jahre wie ein Mentor und empfahl Nono
bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue
Musik. 1950 nahm Nono erstmals an diesen
Kursen teil, in deren Rahmen seine „Variazioni canoniche“ uraufgeführt wurden, die
eine heftige Kontroverse auslösten. Wenn
die musikalische Avantgarde der 1950er
Jahre überhaupt ein Zentrum hatte, dann
waren es die Darmstädter Ferienkurse und
rasch entwickelte sich Nono hier zu einer
der Schlüsselfiguren neben Pierre Boulez
und Karlheinz Stockhausen. Bis 1959 nahm
er jedes Jahr an den Ferienkursen teil, ab
1957 als Dozent.
Die 50er Jahre brachten weitere Veränderungen in Nonos Leben. 1955 heiratete er
die Tochter Arnold Schönbergs, Nuria. Drei
Jahre zuvor war er in die Kommunistische
Partei Italiens (KPI) eingetreten, in der er
aktiv und tatkräftig mitarbeitete. Nono
stand mit seinem Engagement für die KPI
nicht allein da, Künstler und Akademiker
waren in der von Intellektuellen geführten
Partei hoch willkommen. Anders als die
kommunistischen Parteien in anderen
westeuropäischen Ländern war die KPI
keine marginale Splittergruppe, sondern
eine ernst zu nehmende politische Kraft,
die 1976 die zweitstärkste Fraktion im ita­
lienischen Parlament stellte. Nono nahm
seine Parteimitgliedschaft sehr ernst,
24
Biografien / Interpreten
intensivierte seinen Einsatz von den 60er
Jahren an erheblich und ließ sich 1975 sogar ins Zentralkomitee der KPI wählen.
Den internationalen Durchbruch als Komponist brachte 1956 die Uraufführung der
Kantate „Il canto sospeso“, in der Nono
Briefe zum Tode verurteilter europäischer
Widerstandskämpfer vertonte. In diesem
Werk wie in seinem ganzen Schaffen dieser
Phase vereinigt Nono eine kompromisslos
avantgardistische Musik mit konkreten politischen Aussagen. Von 1960 an machte er
sich die Möglichkeiten der elektronischen
Musik zu Nutze. Beinahe alle der bis 1975
geschriebenen Kompositionen verwenden
in vielfältiger Weise im Studio hergestellte
Tonbänder, die oft auf Alltags­geräuschen
von Industrielärm bis zu politischen Parolen basieren. Mit dem schwer in Gattungszusammenhänge einzuordnenden Bühnenwerk „Al gran sole carico d’amore“ (UA
1975) zog er eine vorläufige Summe seines
Schaffens. Danach verstummte der Komponist für einige Jahre und stellte sich und
sein Künstlertum radikal in Frage. Das Ergebnis dieses Reflexionsprozesses war das
Spätwerk der 1980er Jahre, das in der 1985
uraufgeführten Oper „Prometeo“ kulminierte. Die Jahre 1986 bis 1988 verbrachte
Nono als Gast des DAAD und Mitglied des
Wissenschaftskollegs in Berlin. 1988 widmeten die Berliner Fest­wochen Luigi Nono
ein Komponistenportrait. „La lontananza
utopica nostalgica futura“ ist noch im Auftrag der Berliner Festwochen entstanden
und von Gidon Kremer im Kammermusiksaal der Philharmonie uraufgeführt worden. Im Sommer 1989 verschlechterte
sich sein Gesundheitszustand rapide.
Luigi Nono starb am 8. Mai 1990 in seiner
Heimatstadt Venedig, wo er auch beigesetzt wurde.
Isabelle Faust
„Ihr Klang hat Leidenschaft, er hat Biss
und er elektrisiert, aber er ist auch von
einer entwaffnenden Wärme und Süße,
die den verborgenen Lyrismus der Musik
sichtbar werden lässt …“
(„The New York Times“)
Ihr unmittelbarer Zugang zur Musik lässt
Isabelle Faust zum Wesentlichen der Werke
vordringen. Das Publikum spürt ihre natürliche Musikalität ebenso wie den Drang,
die Kenntnis des Repertoires durch ein genaues Studium der Partituren und musikhistorische Recherchen zu vertiefen.
Als Preisträgerin des Leopold-Mozart-Wettbewerbs in Augsburg und des Paganini-­
Wettbewerbs in Genua musizierte sie bereits in jungen Jahren mit bedeutenden
Orchestern in aller Welt, wie den Berliner
Biografien / Interpreten
25
konzert und dem Klaviertrio Nr. 2 op. 63.
Philharmonikern, dem Boston Symphony
Die dritte und letzte Einspielung setzt
Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra
Tokyo, dem Freiburger Barockorchester
sich mit Schumanns Cellokonzert und das
oder dem Chamber Orchestra of Europe.
Klaviertrio Nr. 1 aus­einander – sie wird im
Isabelle Faust spielt ein Repertoire, das von
Frühjahr 2016 er­scheinen.
Johann Sebastian Bach bis hin zu Werken
Isabelle Faust spielt die „Dornröschen“zeitgenössischer Komponisten wie György
Stradivari von 1704, eine Leihgabe der
Ligeti, Helmut Lachenmann oder Jörg
L-Bank Baden-Württemberg.
Widmann reicht. Ihre künstlerische Aufgeschlossenheit eröffnet ihr Wege zu vielfäl­
tigen musikalischen Partnerschaften.
Neben den großen symphonischen Violin­GrauSchumacher Piano Duo
kon­zerten führt sie beispielsweise mit
der Sopranistin Christine Schäfer György
„Mit diesen klanglich-sublimen wie hinreiKurtágs „Kafka Fragmente“ oder auch
ßend-fulminanten Einspielungen haben
sich Andreas Grau und Götz Schumacher
Johannes Brahms’ und Wofgang Amadeus
Mozarts Klarinettenquintette mit historiendgültig als das führende Klavierduo etaschen Instrumenten auf. Regelmäßig arbliert, das nur noch mit den legendären
beitet sie mit Dirigenten wie Frans Brüggen, Gebrüdern Kontarsky verglichen werden
Mariss Jansons, Giovanni Antonini, Philippe
kann – und in solchem Vergleich sogar
Herreweghe, Daniel Harding und Bernard
noch die Interpretationskunst des BrüderHaitink zusammen. Eine besonders enge
paares verblassen lässt.“ („Fonoforum“)
Beziehung verband sie in den letzten Jahren mit Claudio Abbado, mit dem sie in
Klug zusammengestellte Programme sind
mehreren Ländern konzertierte und für
das Markenzeichen, mit dem sich Andreas
harmonia mundi eine mehrfach preisgeGrau und Götz Schumacher als eines der
international renommiertesten Klavierduos
krönte CD mit den Violinkonzerten Ludwig
van Beethovens und Alban Bergs einspielte. profiliert haben. Ihr Miteinander am Klavier
lässt sie als künstlerische Seelenverwandte
Die Aufnahme mit dem Orchestra Mozart
erscheinen.
wurde mit dem Diapason d’or, einem ECHO
Mit ihrem weit reichenden Spektrum an
Klassik, dem Gramophone Award 2012 und
Ausdrucksmöglichkeiten waren sie Gast
dem japanischen Record Academy Award
ausgezeichnet.
bei diversen Festivals und Konzerthäusern,
Mit ihrem Kammermusikpartner Alexander
unter anderem der Kölner Philharmonie,
Melnikov hat sie für harmonia mundi zahlder Berliner Philharmonie, der Cité de la
Musique Paris, den Schwetzinger Festspiereiche Alben eingespielt, wie die letzte
Aufnahme des Duos mit Sonaten für Violen, den Salzburger Festspielen, dem
Lucerne Festival, der Tonhalle Zürich und
line und Klavier von Brahms, die im Sepdem Klavierfestival La Roque d’Anthéron.
tember 2015 erschien. Im August 2015
Sie arbeiteten mit Dirigenten wie Michael
wurde außerdem die zweite Folge der
Gielen, Lothar Zagrosek, Emanuel Krivine,
Schumann-Trilogie mit Alexander Melnikov,
Heinz Holliger, Kent Nagano, Bertrand de
Jean-Guihen Queyras, dem Freiburger
Billy, Andrej Boreyko, Georges Prêtre und
Barockorchester und Pablo Heras-Casado
Zubin Mehta zusammen.
veröffentlicht, mit Schumanns Klavier­
Biografien / Interpreten
26
Zu den jüngeren Projekten gehören Konzerte mit dem Deutschen SymphonieOrches­ter Berlin, den Rundfunkorchestern
des BR, WDR, HR, NDR und SWR, dem Bayerischen Staatsorchester München, dem
Radiosymphonieorchester Wien und dem
Orchestre Philharmonique de Radio France
sowie Auftritte beim Rheingau Musik Fes­
tival, beim Klarafestival Brüssel, an der
Wigmore Hall London, im Gewandhaus
Leipzig, am Wiener Konzerthaus, am
Mozarteum Salzburg, am De Doelen Rotterdam, der Handelsbeurs Gent und im
Concertgebouw Brügge. Über ihre Aufführungen bekannter Orchesterkonzerte von
Komponisten wie Johann Sebastian Bach,
Wolfgang Amadeus Mozart, Felix Mendelssohn Bartholdy, Béla Bartók oder Francis
Poulenc hinaus ist das Grau­Schumacher
Piano Duo stets auf der Suche nach neuen
Ideen, um das Repertoire für zwei Klaviere
und Orchester zu erweitern. So initiierte es
unter anderem ein Arrangement von Franz
Liszts berühmtem „Concerto Pathétique“
(Originalfassung für zwei Klaviere) für
zwei Klaviere und Orchester durch Stefan
Heucke. Angeregt durch das virtuose und
feinfühlige Spiel des Duos haben einige der
wichtigsten zeitgenössischen Komponisten
neue Konzerte für Andreas Grau und Götz
Schumacher geschrieben, zuletzt Peter
Eötvös, Philippe Manoury, Jan Müller-­
Wieland und Luca Francesconi. Auch im
Rezitalbereich bringt das Duo laufend
Werke zur Uraufführung, zuletzt von
Hanspeter Kyburz,
Bernd Richard
Deutsch, Brigitta
Muntendorf und
Philipp Manoury.
Den Hang zu ausgefeilten Programmkonzepten dokumentieren auch die
zahlreichen CDEinspielungen des
Duos, die unter anderem in einer eigenen Reihe beim Label Neos erscheinen.
Die Aufnahme von
Karlheinz Stockhausens „Mantra“ wurde
von „Le monde de la musique“ und „Dia­
pason“ ausgezeichnet, „The Gramophone“
kürte die CD „Visions de l’Amen“ mit
Werken von Olivier Messiaen und Heinrich
Schütz / György Kurtág zur Editor’s Choice.
Produktionen mit Orchesterwerken von
Luciano Berio und Igor Strawinskys „Sacre
du Printemps“ wurden von der Kritik euphorisch aufgenommen. Die mit dem
Deutschen Symphonie-Orchester Berlin
eingespielte Serie „Concerti I“ (Mozart,
Bartók, Liszt) und „Concerti II“ (Liszt /
Heucke, Bach, Strawinsky) wird nun mit
der „Concerti III“ Produktion komplettiert.
Die neue CD mit Werken von Francis
­Poulenc, Colin McPhee und John Adams
erscheint in der laufenden Saison.
Biografien / Interpreten
André Richard
27
André Richard ist Interpret von live-elek­
tronischer Musik, Dirigent und Komponist.
Er studierte in Genf Gesang, Musiktheorie
und Komposition sowie bei Klaus Huber
und Brian Ferneyhough in Freiburg i. Br.
Komposition. Bei Hans Peter Haller, im
Experimentalstudio des SWR Freiburg
und am IRCAM in Paris vertiefte er seine
Studien der elektronischen Musik. Neben
Lehrverpflichtungen in Genf und Freiburg
war Richard langjähriger Ge­­schäfts­führer
des Freiburger Instituts für Neue Musik
und Organisator der Horizonte-Konzert­
reihe. Von 1984 bis 2005 war er künstle­
rischer Leiter des Solistenchors Freiburg.
Seine Einspielungen mit dem Solistenchor,
Solisten und dem Experimentalstudio von
„Das atmende Klarsein“ und “Io, frammen­to da Prometeo“ von Luigi Nono erhielten 2004 den Jahrespreis der Deutschen Schall­platten­kritik. In den 1980er
Jahren arbeitete Richard eng mit Nono
für die Aufführungen von dessen Spätwerk
sowohl als Dirigent als auch als Klang­
regisseur zusammen.
Von 1989 bis 2005 stand Richard als künstlerischer Leiter dem Experimentalstudio
der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR
Freiburg vor, dessen technologische Weiterentwicklung er engagiert vorantrieb. Mit
Komponisten, Interpreten und dem Team
des Studios war er an der Erarbeitung zahlreicher bedeutender neuer Werke mit integrierten live-elektronischen Mitteln beteiligt. 1993 bzw. 1995 realisierte er in Salzburg
das Raumklangkonzept und die Klangregie
für die von Ingo Metzmacher dirigierten
Aufführungen von Nonos „Prometeo“ und
„Caminantes … Ayacucho“. Spätere künstlerische Mitwirkungen fanden zum Beispiel
bei Helmut Lachenmanns „Das Mädchen
mit den Schwefelhölzern“ (2002) und
Stockhausens „Helikopter-Streichquartett“
(2003) und „Mixtur“ (2006) statt. 2010
arbeitete er für die Oper „…22,13…“ von
Mark Andre in Berlin und in Hamburg und
realisierte den live elektronischen Part
für „Erinnere Dich an Golgatha“ von Klaus
Huber. 2011 fand die Uraufführung seines
Werkes „y al volver la vista atras se ve …“
durch das ensemble recherche beim
Ultraschall Festival Berlin statt. Mit dem
Arditti Quartet eröffnete er mit dem „Heli­kopter-Streichquartett“ von Karlheinz
Stock­hausen die Biennale di Venezia 2013.
Eine völlig neue Raumklanginstallation
realisierte er für die „Prometeo“-Aufführungen beim Holland Festival 2014, bei der
Ruhrtriennale 2015 und leitete im Dezember 2015 ebenfalls die Klangregie für die
Aufführung in der neuen Philharmonie
von Paris.
André Richard ist Träger des ReinholdSchneider-Preises (1990), des Preises der
Christoph-und Stephan-Kaske-Stiftung
(1994), des Europäischen Kulturpreises für
Neue Musik (1998) sowie des Jahrespreises
der Deutschen Schallplattenkritik (2004).
2017
DORNRÖSCHEN
Sonntag, 22. Januar
SCHWANENSEE
Sonntag, 5. Februar
A CONTEMPORARY
EVENING
Sonntag, 19. März
EIN HELD UNSERER
ZEIT
Sonntag, 9. April
2016
DAS GOLDENE
ZEITALTER
Sonntag, 16. Oktober
im
Delphi Filmpalast
und Filmtheater
am Friedrichshain
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Sonntag, 06. November
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KULTUR
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DONNERSTAGS, 22:15 UHR
Das Musikfest Berlin 2016 im Radio und Internet
32
Deutschlandradio Kultur Die Sendetermine
Sa
3.9.
19:05 Uhr
Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks
Live-Übertragung
Mi
7.9.
20:03 Uhr
„Quartett der Kritiker“
Aufzeichnung vom
6.9.
Do
8.9.
20:03 Uhr
Münchner Philharmoniker
Aufzeichnung vom
6.9.
So
11.9.
20:03 Uhr
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Live-Übertragung
Mi
14.9.
20:03 Uhr
F. Busoni zum 150. Geburtstag:
GrauSchumacher Piano Duo
Aufzeichnung vom
Do
15.9.
20:03 Uhr
Berliner Philharmoniker
Live-Übertragung
Fr
16.9.
20:03 Uhr
Bayerisches Staatsorchester
Aufzeichnung vom
14.9.
Sa
17.9.
21:30 Uhr
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
„Die besondere Aufnahme“
Aufzeichnung vom
16.9.
Di
20.9.
20:03 Uhr
Staatskapelle Berlin
Live-Übertragung
Do
22.9.
20:03 Uhr
Junge Deutsche Philharmonie
Aufzeichnung vom
11.9.
Di
27.9.
20:03 Uhr
IPPNW-Benefizkonzert
Aufzeichnung vom
10.9.
Di
4.10.
20:03 Uhr
Hommage à Pierre Boulez
Pierre-Laurent Aimard
Tamara Stefanovich
Aufzeichnung vom
12.9.
Deutschlandradio Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, digital und über Livestream
auf www.dradio.de zu empfangen.
Neu beim Musikfest Berlin
Ausgewählte Einführungsveranstaltungen finden Sie zum Nachhören auf:
www.berlinerfestspiele.de/einfuehrungen
4.9.
kulturradio vom rbb Die Sendetermine
Do
8.9.
20:04 Uhr
Konzerthausorchester Berlin
Live-Übertragung
im Rahmen des ARD Radiofestival
Do
8.9.
20:04 Uhr
Chor und Orchester der
Deutschen Oper Berlin
Aufzeichnung vom
in Ausschnitten
im Anschluss an die
Live-Übertragung des
Konzerthausorchesters
Berlin vom
7.9.
8.9.
So
25.9.
20:04 Uhr
Berliner Philharmoniker
„Berliner Philharmoniker“
Aufzeichnung vom
9.9.
Sa
1.10.
20:04 Uhr
Chor und Orchester der
Deutschen Oper Berlin
„Konzert am Samstagabend“
Aufzeichnung vom
7.9.
Sa
15.10.
18:04 Uhr
Hommage à Artur Schnabel
Szymanowski Quartett
Aufzeichnung vom
11.9.
33
kulturradio vom rbb ist in Berlin über 92,4 MHz, Kabel 95,35, digital und über Livestream
auf www.kulturradio.de zu empfangen.
Digital Concert Hall Die Sendetermine
Sa
3.9.
19:00 Uhr
Symphonieorchester
des Bayerischen Rundfunks
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
So
4.9.
19:00 Uhr
The John Wilson Orchestra
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
Di
6.9.
20:00 Uhr
Münchner Philharmoniker
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
Do
8.9.
20:00 Uhr
Konzerthausorchester Berlin
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
Sa
10.9.
19:00 Uhr
Berliner Philharmoniker
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
So
11.9.
11:00 Uhr
Junge Deutsche Philharmonie
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
Di
13.9.
20:00 Uhr
Orquesta Sinfónica
Simón Bolívar de Venezuela
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
Mi
14.9.
20:00 Uhr
Bayerisches Staatsorchester
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
Sa
17.9.
19:00 Uhr
Berliner Philharmoniker
Digital Concert Hall
Live-Übertragung
www.digitalconcerthall.com
Veranstaltungsübersicht
2.9.
19:00
Kammermusiksaal
GrauSchumacher Piano Duo
Fr
2.9.
21:30
Kammermusiksaal
Isabelle Faust
Sa
3.9.
19:00
Eröffnungskonzert
Philharmonie
Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks
Daniel Harding
So
4.9.
11:00
Kammermusiksaal
F. Busoni zum 150. Geburtstag:
GrauSchumacher Piano Duo
So
4.9
13:00
Kunstbibliothek am
Kulturforum
Ausstellungseröffnung
„BUSONI: Freiheit für die Tonkunst!”
So
4.9
19:00
Philharmonie
The John Wilson Orchestra
John Wilson
Mo
5.9.
19:00
21:30
Kammermusiksaal
The Danish String Quartet
Late Night: Folk Tunes
Di
6.9.
18:00
Ausstellungsfoyer des
Kammermusiksaals
„Quartett der Kritiker“
Di
6.9.
20:00
Philharmonie
Münchner Philharmoniker
Valery Gergiev
Mi
7.9.
20:00
Philharmonie
Chor und Orchester der
Deutschen Oper Berlin
Donald Runnicles
Do
8.9.
20:00
Philharmonie
Konzerthausorchester Berlin
Iván Fischer
Fr
9.9.
20:00
Haus der Berliner Festspiele
Ensemble intercontemporain
Matthias Pintscher
Fr
Sa
9.9.
10.9.
20:00:
19:00
Philharmonie
Berliner Philharmoniker
Andris Nelsons
Sa
10.9.
20:00
Kammermusiksaal
IPPNW-Benefizkonzert
34
Fr
11.9.
11:00
Philharmonie
Junge Deutsche Philharmonie
Jonathan Nott
So
11.9.
17:00
Haus des Rundfunks
Hommage à Artur Schnabel
So
11.9.
20:00
Philharmonie
Deutsches Symphonie-Orchester
Berlin
Jakub Hrůša
Mo
12.9.
19:00
Kammermusiksaal
Hommage à Pierre Boulez:
Pierre-Laurent Aimard
Tamara Stefanovich
Di
13.9.
20:00
Philharmonie
Orquesta Sinfónica Simón Bolívar
de Venezuela
Gustavo Dudamel
Mi
14.9.
20:00
Philharmonie
Bayerisches Staatsorchester
Kirill Petrenko
Do
Fr
Sa
15.9.
16.9.
17.9.
20:00
20:00
19:00
Philharmonie
Berliner Philharmoniker
John Adams
Fr
16.9.
18:30
Konzerthaus Berlin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Rundfunkchor Berlin
Frank Strobel
Sa
17.9.
19:00
Kammermusiksaal
Tabea Zimmermann &
Ensemble Resonanz
So
18.9.
20:00
Haus der Berliner Festspiele
Varèse & Zappa:
Ensemble Musikfabrik
Mo
Di
19.9.
20.9.
20:00
20:00
Philharmonie
Staatskapelle Berlin
Daniel Barenboim
35
So
Impressum
Musikfest Berlin
Veranstaltet von den Berliner Festspielen
in Zusammenarbeit mit der
Stiftung Berliner Philharmoniker
Künstlerischer Leiter: Dr. Winrich Hopp
Organisation: Anke Buckentin (Ltg.),
Kathrin Müller, Thalia Hertel, Ina Steffan
Presse: Patricia Hofmann, Jennifer Wilkens
36
Programmheft
Herausgeber: Berliner Festspiele
Redaktion: Dr. Barbara Barthelmes
Mitarbeit: Anke Buckentin
Komponistenbiografien: Dr. Volker Rülke
Gestaltung: Ta-Trung, Berlin
Grafik: Christine Berkenhoff und
Fleck · Zimmermann | Visuelle
Kommunikation, Berlin
Herstellung: enka-druck GmbH, Berlin
Stand: August 2016.
Programm- und Besetzungsänderungen
vorbehalten.
Copyright: 2016 Berliner Festspiele,
Autoren und Fotografen
Berliner Festspiele
Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen
des Bundes GmbH
Gefördert durch die Beauftragte der
Bundesregierung für Kultur und Medien
In Zusammenarbeit mit der
Stiftung Berliner Philharmoniker
Intendant: Dr. Thomas Oberender
Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben
Presse: Claudia Nola (Ltg.), Sara Franke,
Patricia Hofmann, Jennifer Wilkens
Redaktion: Christina Tilmann (Ltg.),
Dr. Barbara Barthelmes, Jochen Werner,
Anne Philipps Krug
Internet: Frank Giesker, Jan Köhler
Marketing: Stefan Wollmann (Ltg.),
Gerlind Fichte, Christian Kawalla
Grafik: Christine Berkenhoff
Vertrieb: Uwe Krey, Florian Schinagl
Ticket Office: Ingo Franke (Ltg.), Simone Erlein,
Frano Ivic, Gabriele Mielke, Marika Recknagel,
Torsten Sommer, Alexa Stümpke
Hotelbüro: Heinz Bernd Kleinpaß (Ltg.), Frauke Nissen
Protokoll: Gerhild Heyder
Technik: Andreas Weidmann (Ltg.)
Berliner Festspiele, Schaperstraße 24, 10719 Berlin
T +49 30 254 89 0
www.berlinerfestspiele.de, [email protected]
Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH,
Schöneberger Str. 15, 10963 Berlin, kbb.eu
Die Berliner Festspiele werden
gefördert durch
Medienpartner
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