Ethik-Zentrum / UFSP Ethik Ethik und Unternehmen: Zur Umsetzung von ethischen Normen und Werten Prof. Dr. Markus Huppenbauer [email protected] 08.10.2010 Seite 1 Ethische Herausforderungen von Unternehmen • • • • Staaten mit anderen (oder keinen) Gesetzgebungen als bei uns z.B. bezüglich Arbeits- und Umweltrecht. Staaten, in denen basale Menschenrechte nicht respektiert werden, respektive nicht durchgesetzt werden. Ethikrelevante Spannungen und Konflikte zwischen unterschiedlichsten Normen und Zielen (nicht nur zwischen Ökonomie und Ethik!). Kritische NGOs und Medien in einer ethiksensiblen Gesellschaft. Unternehmen reagieren darauf mit ethischen Kodizes, Corporate Social Responsibility-Programmen, Stakeholderdialogen, Ethikverantwortlichen usw. Themen 1. Ethikumsetzung grundsätzlich 2. Ethik in Unternehmen: Compliance und Integrity 3. Implementierungsmassnahmen Fokus im Folgenden nicht auf spezifischen Umsetzungsinstrumenten von Unternehmen, sondern auf grundsätzlichen Überlegungen. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 3 1. Ethikumsetzung grundsätzlich • • • Ethische Normen und Werte (wie Menschenwürde, Loyalität, Respekt, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit) zu respektieren, geht über das blosse Befolgen (nationaler) gesetzlicher Vorschriften und Regeln hinaus. Ethikumsetzung bewegt sich in der Spannung von Wünschbarem und Erreichbarem. Ziel muss eine umsetzbare und realistische Ethik sein. Ethikumsetzung kann etwas kosten. Unternehmen befürchten, durch Ethikanforderungen Nachteile am Markt einzufahren. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 4 Nachteile durch Ethik? • • Wenn Ethik für Unternehmen mit grundsätzlich ethisch legitimen Unternehmenszielen gravierende Nachteile am Markt bringt, ist Akzeptanz und Umsetzung unwahrscheinlich. Frage natürlich: Was ist zumutbar und was nicht? Nicht zu früh auf Sachzwänge rekurrieren, sind häufig bloss fantasielose Verteidigung eigener Interessen. Stattdessen: Spielräume entdecken und nutzen! Aber (freiwillig eingegangene) ethische Verpflichtungen können sich auch lohnen: Reputationsgewinne oder Vermeidung von Reputationsrisiken. Spannung zur Eigenlogik der Ethik bleibt. Moralische Normen und Werte sollten um ihrer selbst willen und wegen moralisch positiver Folgen eingehalten werden (auch wenn keine Belohnung durch Reputation). 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 5 Beispiel aus dem Lehrbuch • • • • Anlässlich eines Audits entdeckte ein Manager von Levi Strauss & Co., dass ein Zulieferer in Bangladesch Kinder unter 14 Jahren einsetzt (nicht gemäss nationalem Recht, aber gemäss ILO und Code of Conduct verboten). Möglich wäre: Nichts unternehmen, „die andern tun‘s auch“. Hoffen, dass niemand davon erfährt. Geboten ist (1) Abbruch der Beziehung zum Lieferanten oder (2) Entlassung der Kinder (was für deren Familien gravierende Folgen gehabt hätte). Kreativer Kompromiss: Zulieferer beschäftigt in Zukunft keine Kinder unter 14 Jahren. Jetzt betroffene Kinder werden noch bezahlt, aber auf Kosten von Levi Strauss & Co. zur Schule geschickt und später wieder angestellt. lokale Usanzen und Bedürfnisse sowie ethische Standards der ILO, respektive kulturelle Differenzen, werden respektiert. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 6 Themen 1. Ethikumsetzung grundsätzlich 2. Ethik in Unternehmen: Compliance und Integrity 3. Implementierungsmassnahmen 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 7 2. Compliance-Strategie • • • • • Zentral ist die Regelbefolgung (häufig im Hinblick auf Sanktionsvermeidung und Reputationsverlust). Regelwerke definieren die ethischen Standards im Detail (vgl. ausführliche Codes of Conduct, Terms of Engagement oder Business Ethics Checklists). bezüglich Bestechung, Nutzung von Unternehmenseigentum, Umgang mit Informationen, Umweltbelastung usw. Macht aufwendige Schulung, Aufsicht und Kontrolle nötig. Ausführliche Reglementierung als Problem: Hindernis für Eigenverantwortung; Wo keine festgelegte Regel, keine falsche Handlung: „Schlaumeier“ nutzen Lücken. Kein Reglement deckt alles ab: Haltungen und Einstellungen von Personen (eigenverantwortliches Handeln) sind auch relevant. Integrity-Strategie • • • • Zentral ist die moralische Integrität von einzelnen Personen (Führungskräfte und Angestellte generell). in spezifischen Situationen (mit Spielräumen) zuverlässig und unbestechlich nicht-eigennütziges, also moralisches Verhalten zeigen. Wenige, allgemeine Werte selbstständig und situationsspezifisch umsetzen (vgl. etwa die Core Values von Levi Strauss & Co.: Empathy, originality, integrity und courage). Warum? Ausdruck von innerer Überzeugung und guten (moralischen) Gründen (nicht im Hinblick auf äusseren Zwang oder Reputation). Setzt Arbeit an ethischer Unternehmenskultur voraus: Ethikkompetenzen, auch kognitiv-methodischer Art, aktiv fördern. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 9 Probleme mit Integrity • • • • Nur teilweise unternehmensintern generierbar: anspruchsvolle Personalselektion nötig. Vagheit der allgemeinen Normen und Werte führt zu Überforderung der Angestellten. Gefahr, dass die Angestellten allein gelassen werden (Unternehmen delegieren die Verantwortung an sie). Ersetzt nicht compliance bezüglich konkreter Gesetze und moralischer Regelwerke.. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 10 Weiterführende Thesen 1. Manager und andere Angestellte müssen nicht moralisch perfekt, aber sie sollten moralisch integer sein. 2. Vertrauen allein auf die moralische Integrität von Managern und Angestellten (und deren gute Absichten) ist unrealistisch und naiv. 3. Unternehmensinterne Strukturen und eventuell sogar staatliche Gesetze müssen moralische Integrität und entsprechendes unternehmerisches Handeln belohnen, resp. entsprechende Anreize setzen. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 11 Themen 1. Ethikumsetzung grundsätzlich 2. Ethik in Unternehmen: Compliance und Integrity 3. Implementierungsmassnahmen 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 12 3. Massnahmen 1 1. „Ökonomische Anreize“ (innerhalb, aber auch für Unternehmen als solche): monetäre oder Reputationsgewinne. Moral wird auch für nicht an Moral Interessierte interessant. Oft sind dazu bestimmte äussere Rahmenbedingungen nötig: etwa gesetzliche Regelungen (z.B. bei Lenkungsabgaben). Verzicht auf rechtliche Verbote. 2. Freiwillige Bindungen und Verpflichtungen von Unternehmen (unternehmens- oder branchenintern): Codes of Conduct oder Voluntary Agreements usw. (vgl. etwa UN Global Compact). Unternehmensinterne Führungs- und Organisationsstrukturen müssen die Umsetzung unterstützen. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 13 Massnahmen 2 3. Rechtliche Kodifizierung: für alle Beteiligten gleiche und zwingende Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Ethik keine Nachteile für die einzelnen Akteure mit sich bringt. Vor allem in den Bereichen Arbeit und Umwelt, aber auch wenn andere Massnahmen nicht erfolgreich sind. 4. Attraktive Vorbilder: Moralisch integres Verhalten bspw. von Führungsverantwortlichen löst Bewunderung aus und motiviert. 08.10.2010 UZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 14 Abschluss • • • Gesetze und detaillierte Reglementierungen sind oft keine optimalen Umsetzungsinstrumente. Genauso wichtig: freiwillige Selbstverpflichtungen und Förderung von moralischer Integrität. Ethikkompetenz fällt nicht vom Himmel: Man muss auch in unternehmerischen Kontexten entsprechende kognitivmethodische und praktische Kompetenzen fördern. Weil Menschen begrenzt und fehlbar sind, müssen unternehmensinterne Organisations- und Führungsstrukturen die Umsetzung von Ethik fördern. 08.10.2010 Huppenbauer / UFSP EthikUZH / Huppenbauer / Ethik-Zentrum Seite 15