Live Aargauer Zeitung, 24.07.2003 - Kinder

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Live Aargauer Zeitung, 24. Juli 2003
THEATER Internationales Kindertheaterfest in Turgi mit der Uraufführung
von «Läbe im Aargau geschter, hüt… und morn?»
Theaterfieber und Zeitstrudel
«Wer kommt denn da?»,
fragen sich die alte Eiche
und die Eule. Foto: André
Albrecht
Das 3. Internationale Kindertheaterfest in Turgi gewährt nicht nur
Einblicke ins europäische Kindertheaterschaffen, sondern zeigt mit der
Uraufführung von «Läbe im Aargau geschter, hüt… und morn?» auch einen
Beitrag zum Kantonsjubiläum. Für diese Produktion haben das Kinder- und
Jugendtheater Turgi, das Jugendtheater Widen und die Stafikids Herznach
erstmals zusammengearbeitet. Regie führt Doris Janser, Gründerin und
Leiterin des Kinder- und Jugendtheaters Turgi.
Die Idee für die Jubiläums-Geschichte ist bestechend: Drei Kindertheatergruppen
aus dem Aargau unternehmen einen Bootsausflug. Die Stafikids auf der Aare, das
Jugendtheater Widen auf der Reuss und das Kinder- und Jugendtheater Turgi auf
der Limmat. Alle beschliessen, auf dem Aareinseli bei Vogelsang eine Rast
einzulegen. Dort lernen sie einander kennen. Infolge eines Unwetters können sie
nicht mehr ans Ufer zurück. Sie flüchten unter eine grosse alte Eiche. Ein Kind ist
jedoch noch in einem Boot, wird von einem Strudel erfasst, einige springen
hinterher: So gelangen sie in die Vergangenheit, auf einen Markt, wie er vor 200
Jahren aussah. Später kehren sie zurück, sprechen über die Gegenwart und reisen
gar noch in die Zukunft. Viel mehr soll jedoch an dieser Stelle nicht verraten
werden.
Die Handlung haben Doris Janser und Mitarbeiterinnen mit rund 60 Kindern und
Jugendlichen gemeinsam erarbeitet. «Zunächst wollte uns zum Kantonsjubiläum
nicht viel einfallen. Höchstens Ähnliches, das wir 1998 bereits zu der Helvetik
erarbeitet hatten. So verteilten wir den Kindern Zettel. Darauf sollten sie festhalten,
wie ihrer Ansicht nach die Welt vor 200 Jahren ausgesehen haben könnte», erzählt
die 60-jährige Janser. Da kam einiges zusammen, und sofort begann man einzelne
Szenen zu improvisieren.
Die Improvisationstechnik ist in Jansers Theaterarbeit stets wichtig. «Viele Kinder
können das gar nicht mehr», weiss Janser, die 1989 das Kinder- und Jugendtheater
Turgi gegründet hat. Ein Kindergartenkind beispielsweise plappere einfach drauflos,
sei oft gar nicht mehr zu bremsen, wenn man ihm ein Thema gebe. Später gehe
das meist verloren. «Oft kommt dann ein fragender Blick zu mir: ‹Mache ich es
richtig?› Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, etwas zu machen, und
vielleicht kann man es noch besser machen. Aber falsch ist es bestimmt nicht, denn
bei mir gibt es keinen Leistungsdruck.»
Janser arbeitet während des ganzen Jahres mit rund 70 Kindern und Jugendlichen.
Da der Andrang mit den Jahren so gross geworden sei, gibt es beim Kinder- und
Jugendtheater Turgi mittlerweile drei Alterskategorien: 6–11 Jahre, 11–15 Jahre
und 15–25 Jahre. Janser ist es wichtig, dass die Kinder das ganze Jahr hindurch
Theater spielen können. «Denn wenn man nur eine Produktion macht, – etwa ein
Weihnachtsmärchen – und sagt nachher tschüss, dann spürt man, dass die Kinder
an etwas geleckt haben, das für sie wichtig war.» Bei Janser werden die Kinder
intensiv in die Theaterarbeit einbezogen. «Es herrscht gegenseitiger Respekt
voreinander. Ich verlange viel von den Kindern, aber ich muss es begründen
können. Und sie auch.»
Mittlerweile hat Janser schon Hunderte von Kindern in die Welt des Theaters
geführt. Dabei wünscht sie sich, dass etwa zehn Prozent von ihren Schützlingen
irgendwann selbst einmal Theater mit Kindern machen werden. «Denn dafür
besteht ein riesiges Bedürfnis», ist sie überzeugt. Ein weiterer Wunsch wäre die
Anerkennung der Arbeit der Kinder. «Oft hört man nur, ‹Jö, ist das herzig. Kinder
sind halt einfach so talentiert.› Dabei haben sie gearbeitet, das ganze Jahr; und
haben vor einer Premiere noch viele Wochenend-Proben hinter sich. Diese Leistung
sollte man anerkennen. Nicht wegen mir, sondern wegen der Kinder.»
Marianne Koller
Spielen und heiraten
Das 3. Internationale Kinder- und Jugendtheaterfest in Turgi bietet nach 1991 und
1998 die Gelegenheit, den Austausch und die Zusammenarbeit unter jungen
Theaterschaffenden aus verschiedenen Sprach- und Kulturregionen zu pflegen.
Hauptakteure sind rund 250 theaterbegeisterte Kinder und Jugendliche aus
Luxemburg, Litauen, Deutschland, Frankreich, Tschechien, Russland und der
Schweiz.
Den Weg nach Turgi finden die Gruppen einerseits auf Einladung, andererseits
durch Ausschreibungen in Theaterzeitungen und Zeitschriften. Die Russen
beispielsweise hat Initantin Doris Janser bereits gesehen, die Tschechen,
Luxemburger und Litauer kennt sie schon lange, die Franzosen haben sich
angemeldet. Als Aufnahmekriterium nennt Janser die Bedingung, dass die Gruppen
nicht mehr als 15 Kinder im Alter zwischen 9 und 14 Jahren umfassen sollen.
Bewusst findet keine Bewertung der Produktionen statt. «Wir wollen einander
zeigen, wie weit wir sind, oder wie weit man kommen könnte.» Wichtig sind auch
die Freundschaften, die über Jahre und gegenseitige Besuche entstehen. «Es gab
sogar einmal ein Hochzeitspaar», erzählt Janser. mko
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