TIERGESUNDHEIT I PRRS I PRRS-Viren draußen halten PRRS-Einträge in Ferkelerzeuger- und Zuchtbetriebe sind mit enormen wirtschaftlichen Schäden verbunden. Können Luftfilter PRRS-negative Betriebe besser schützen? P RRS ist wieder in aller Munde. Dazu beigetragen haben vor allem PRRS-Infektionen auf Besamungsstationen: Im Dezember war zunächst die KB Herbertingen in BadenWürttemberg betroffen. Dann meldete die Besamungsstation im hessischen Lohfelden einen PRRS-Einbruch. Schließlich musste auch die GFS in ihren Stalleinheiten am Standort Ascheberg einen Rückschlag hinnehmen. Wirtschaftlicher Schaden, Imageverlust Wenn innerhalb kurzer Zeit mehrere KB-Stationen Reinfektionen melden, liefert das Thema PRRS sehr viel Gesprächsstoff. In den letzten Monaten sind aber noch weitere Fälle von PRRS-Infektionen in Zucht- und Ferkelerzeugerbetrieben hinzugekommen, die nicht öffentlich gemacht wurden. Der Schaden, der durch einen PRRSV-Eintrag entsteht, ist immens. Verliert ein Zuchtbetrieb oder eine Eberstation den PRRS-negativ-Status, muss der Zuchttier- und Spermaverkauf gestoppt werden. Neben dem Produktionsausfall für den Betrieb geht ein solcher Vorfall immer auch mit einem Image-Schaden für den Zuchtbetrieb und für das Unternehmen einher. In der Ferkelerzeugerstufe hängen die Einbußen durch einen PRRSV-Eintrag davon ab, ob es sich um eine Erstinfektion oder ein chronisches PRRS-Geschehen handelt. Bei der Erstinfektion trifft das Virus auf eine PRRS-negative, d.h. voll empfängliche Herde. Hier sind die Produktionseinbußen beträchtlich. So wird von einer Minderung der Aufzuchtleistungen von drei bis vier Ferkeln je Sau und Jahr berichtet. Chronisch infizierte, nicht stabile Sauenherden leiden häufig unter erhöhten Umrauschraten. Alles in allem kann ein 24 SUS 2/2013 erneutes Aufflackern der PRRS schnell eine Minderleistung von einem bis zwei Ferkeln pro Sau und Jahr ausmachen. Wie kommt PRRS in den Bestand? Unabhängig davon, ob der PRRS-Eintrag einen Zucht- oder Produktionsbetrieb getroffen hat, sollte der Infektionsweg abgeklärt werden. Oft gestaltet sich die Suche nach den Eintragsquellen schwierig. In einzelnen Fällen kann die Sequenzierung des Virusgenoms helfen. Zumindest kann dann die Herkunft des Erregers eingegrenzt bzw. etwaige Eintragswege mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Häufig bleibt es aber bei einer Vermutung. Das naheliegendste ist, dass PRRSV über den Tierverkehr oder kontaminiertes Sperma eingeschleppt wurde. Aber auch über Personenkontakt kann Virusmaterial eingeschleust werden. Zudem sind Schlachtvieh- und Kadavertransporte immer ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial. Hinzu kommt eine mögliche Übertragung von PRRSV über die Luft. Gerade an bewölkten, nasskalten Tagen steigt die [1] PARTIKELGRÖSSE Grippevirus 0,080 – 0,120 µm PRRSV 0,0050 – 0,065 µm PCV2 0,0017 – 0,0022 µm Mykoplasmen 0,3 – 0,9 µm Aerosol 0,3 – 1,0 µm Bakterien 0,3 – 10 µm Haar 50 µm 1 µm = 0,001 mm Bakterien sind um den Faktor 100 größer als die krank machenden Viren. Überlebensrate der PRRS-Viren, die sich an Staubpartikel haften. Die Partikel oder Aerosole sind etwa so groß wie Bakterien (siehe Übersicht 1). Bei leichtem Wind können sie Entfernungen von bis zu 9 km überwinden, wie neuere amerikanische Studien zeigen. Um das Infektionsrisiko zu verringern, haben einige Zuchtunternehmen einen Großteil ihrer Jungsauenproduktion in Regionen mit geringer Viehdichte verlagert. Auch wird der Versuch unternommen, die Zuluft „virensicher“ zu bekommen. Dies wird z. B. dadurch erreicht, die einströmende Luft im Zuluftkanal mit UV-Licht zu bestrahlen. Ein anderer Weg ist, mechanische Filter einzusetzen, um zumindest die mit Viren kontaminierten Staubpartikel aus der Zuluft abzufangen. Meist wird ein Foto: Riswick [2] Z WEISTUFEN-FILTER FÜR DIE ZULUFT zweistufiges Filterverfahren eingesetzt (siehe Übersicht 2). Entsprechende Systeme wurden in den USA entwickelt und dort auch erprobt. Hierzu wurde kürzlich auf einem Workshop in Venray (NL) berichtet, zu dem die niederländische Firma TripleAir eingeladen hatte. Grob-Filter PRRS-Virus mit Filter abblocken Fein-Filter Grafik: Orb Die Zuluft wird durch die Filter in der Außenwand gezogen. Das hat einen höheren Luftwiderstand zur Folge. Aerosolpartikel Viren Zuluft ist nach Filtration virensicher Der erste Filter hält die Staubpartikel zurück. Der zweite, feinere Filter ist eine Barriere für die Viren, die die Poren des ersten Filters passiert haben. Auf dem Workshop wurden folgende Punkte herausgestellt: ■■ Bei den in den USA eingesetzten Filtersystemen wird ein Grobfilter der Kategorie MERV 14 und ein innenliegender Feinfilter (MERV 16) verwendet. Erst die 2/2013 SUS 25 TIERGESUNDHEIT I PRRS I Bei diesem System werden der Grob- und der Feinfilter in Traufhöhe in die Halterungen eingesetzt. Fotos: Werkbilder Diese Zuluftmodule können bei zentraler und überdruckgeführter Zuluftführung verwendet werden. Der Filter befindet sich hinter den Windschutznetzen. Kombination bietet eine rund 95%ige Sicherheit, dass die PRRS-Viren abgefangen werden können. ■■ Auch Kombinationen aus mechanischen und antibakteriellen bzw. elektrostatischen Filtern funktionieren. Aber auch diese Systeme bieten keine 100%ige Sicherheit. ■■ Die Installation der MERV 16-Filter sollte dort stattfinden, wo die Luft in den Stall eintritt. Meist werden die Filterboxen in die Außenwand oder auf dem Dachboden installiert. Wichtig ist es in jedem Fall, alle weiteren Lufteintragsquellen wie z. B. Risse rund um die Fenster zu versiegeln. ■■ Darüber hinaus ist eine Doppeltür zum Stall wichtig. Sie verhindert, dass potenziell kontaminierte Luft beim ­Öffnen der Tür in den Stall kommt. Wenn die externe Tür geöffnet wird, muss die interne Tür zum Stall hin geschlossen sein. Die eintretende Luft wird abgesogen. 26 SUS 2/2013 ■■ Bei einer zentralen Zuluftführung mit Überdruck hingegen werden keine besonderen Anforderungen an die Gebäudedichtigkeit gestellt. ■■ Auch stellt sich die Frage, ob durchgehend das ganze Jahr die Zuluft gefiltert werden soll oder nur von Herbst bis Frühjahr, wenn das Risiko aufgrund fehlender UV-Strahlung steigt. ■■ Gerade die großen Sauenbetriebe mit einer separaten Ferkelaufzucht gehen dazu über, nur den Sauenstall mit Filtern auszustatten. Das spart ebenfalls Kosten. Knapp 1 € Kosten/Ferkel In den USA liegen inzwischen auch Berichte zu den Kosten der Zuluft-Filtration vor. Hier sind insbesondere drei Positionen zu beachten: ■■ Investitionskosten: Der Einbau einer Zuluft-Filteranlage kostet im Falle eines Neubaus etwa 100 bis 125 € je Sauenplatz. Das Nachrüsten vorhandener Stäl- le mit dieser Technik kann wesentlich teurer kommen. ■■ Lüftungskosten: Neben den Investitionskosten müssen höhere laufende Kosten für die Lüftung kalkuliert werden. Zudem müssen die Ventilatoren ausreichend groß dimensioniert sein. Denn der Widerstand erhöht sich durch die Filtration erheblich. ■■ Ersatzfilter: Der Grobfilter muss einmal im Jahr, der Feinfilter alle zwei bis drei Jahre gewechselt werden. Der Arbeitsaufwand hierfür ist überschaubar, sodass neben den Materialkosten keine weiteren Ausgaben anfallen. Ob sich die Investition in Zuluftfilter rechnet, hängt davon ab, wie sicher eine PRRS-Infektion verhindert werden kann. Auch sollte bedacht werden, dass es zwar in erster Linie um das Fernhalten der PRRS-Viren geht. Aber auch z. B. die Influenza-Viren oder Mykoplasmen dürften den Filter nicht passieren. Unterstellt man, dass der Bestand vor PRRS, Influenza, Mykoplasmen & Co. geschützt wird, kann der Betrieb in der Regel auf Jahre gesehen durch bessere biologische Leistungen profitieren. Auch dürften weniger Sekundärinfektionen in der Ferkelaufzucht und Mast auftreten. Dies sind gute Voraussetzungen, den Arzneimitteleinsatz insgesamt zu verringern. Alles in allem kalkulieren die Amerikaner mit umgerechnet knapp 1 € Zusatz- kosten je aufgezogenes Ferkel, wenn ein neuer Sauenstall mit dem Filter ausgerüstet wird. Viele dieser Betriebe verdienen das Geld schnell wieder zurück, da PRRSV-freie Ferkel mit deutlichem Aufschlag verkauft werden können. Fazit Nach amerikanischen Erfahrungen helfen Zuluftfilter in Kombination mit anderen Hygienemaßnahmen, das PRRSInfektionsrisiko zu mindern. Es gibt aber keine 100%ige Garantie. Auch bei uns kann diese zusätzliche Absicherung sinnvoll sein. In erster Linie geht es um Zucht- und Vermehrungsbetriebe sowie KB-Eberbestände. Aber auch größere Ferkelerzeuger zeigen Interesse, den Sauenstall mit Zuluftfiltern auszustatten. Da die PRRS-negativen Zuchttiere transportiert werden müssen, sollten auch die für diese Transporte genutzten Fahrzeuge mit entsprechenden Filteranlagen ausgestattet werden. Heinrich Niggemeyer, SUS PRRS-Bekämpfung in Deutschland Seit den frühen 90er-Jahren kursiert der EU-Typ der PRRS in den deutschen Schweinepopulationen. Betroffen sind auch die Wildschweine. Seit 1994 wird zusätzlich der Impfstoff-PRRSV (USTyp) angetroffen. Der Durchseuchungsgrad ist in Deutschland sehr unterschiedlich. In schweinedichten Regionen sind schätzungsweise bis zu 90 % der Betriebe infiziert. Ins­gesamt muss davon ausgegangen werden, dass ca. 80 % der deutschen Schweinebetriebe PRRSVpositiv sind. Um eine Behandlungsstrategie für den Betrieb zu entwickeln, ist zunächst über die Diagnose die PRRS-Belastung abzuklären. Mit dem Tierarzt ist dann ein optimales Impfschema zu erarbeiten, wobei Besonderheiten beim Tierfluss und Management einzubeziehen sind. Neben den Sauen können bei hohem Erregerdruck auch die Ferkel gegen PRRSV geimpft werden. Einzelnen Betrieben ist es gelungen, das PRRS-Virus aus dem Bestand zu drängen. Andere haben sich für den Neuaufbau der Herde mit PRRSV-negativen Tieren entschlossen. Um den Status „PRRSV-negativ“ aufrecht zu erhalten, muss zum einen der Bezug PRRSV-freier Jungsauen bzw. von Sperma aus einer PRRSV-negativen Eberstation gesichert sein. Zum anderen sollten auch keine PRRSV-positiven Schweinebestände im Umkreis von 2 bis 3 km sowie keine HauptTransportstraßen im Umkreis von 1 km liegen. Neben der isolierten Lage des Betriebes darf keine fremde Gülle auf Flächen unmittelbar in Stallnähe ausgebracht werden. Ist die Gefahr einer aerogenen Infektion groß, sollte bei einem Neuaufbau mit PRRSV-negativen Tieren geprüft werden, ob und wie der Sauenbestand über Impfprogramme geschützt werden kann. -ni- AUS ALLER WELT Schweinehaltung Quelle: CBS, LEI Wageningen OR 1–5 5,1 – 10 11 – 30 31 – 60 NGE/km2 61 – 100 110 – 150 >150 Binnengewässer Bebautes Gebiet Das Gebiet, in dem die Praxisstudie stattfindet, ist rot umrandet. Hier stehen nur 1 – 5 niederländische Großvieheinheiten (NGE) pro Quadratkilometer. Niederlande Projekt zur PRRS-Freiheit gestartet Mit dem Ziel, PRRS beherrrschbar zu machen, haben die Niederländer im Februar eine Praxisstudie gestartet. Die 57 teilnehmenden Betriebe liegen allesamt im Norden des Landes (s. Karte). Weil die Schweinedichte vergleichsweise gering ist, kann es hier am ehesten gelingen, eine PRRS-freie Region aufzubauen. Bei den teilnehmenden Beständen werden alle drei Monate Blutproben gezogen. Bei Ferkeln wird das Blut mittels eines PCR-Tests kontrolliert. Das Blut der Mastschweine wird mithilfe eines Elisa-Tests auf Antikörper untersucht. Anhand der Ergebnisse der ersten Bluttests soll für jeden Betrieb ein individueller Aktionsplan mit Maßnahmen zur Betriebshygiene und zum Tiertransport erstellt werden. Die Projektleiter frieren auch einen Teil der Blutproben ein, um nachhalten zu können, wie sich das Virus im Laufe der Zeit verändert. Der Erfolg des Projektes hängt auch davon ab, ob man die 35 weiteren Betriebe in der Versuchsregion noch zur Teilnahme bewegen kann. SPANIEN: Die Sauenzahl in Spanien ging 2012 um 6 % auf 2,25 Mio. Tiere zurück. Für den starken Rückgang machen Marktkenner in erster Linie die hohen Futterkosten verantwortlich. Die Umstellung auf die Gruppenhaltung habe sich nur wenig ausgewirkt. ÖSTERREICH: Erstmals seit 50 Jahren ist die Anzahl Schweine in Österreich unter die 3-Mio.-Marke gerutscht. Allein im Jahr 2012 verlor das Land etwa 4,6 % seiner Sauen. FRANKREICH: Der Schlachtbetrieb Gad ist zahlungsunfähig. Ein gerichtliches Sanierungsverfahren wurde bereits eingeleitet. Die Schließung eines der drei Standorte scheint unausweichlich. Gad schlachtet 2,7 Mio. Schweine im Jahr, was 10 % der französischen Gesamtmenge entspricht. Wie andere Schlachthöfe im Land kämpfe der Betrieb mit vergleichsweise hohen Lohnkosten und einer geringen Spezialisierung. NIEDERLANDE: Im letzten Jahr führte Holland 2,4 Mio. t Tierdung aus. Rund 341 000 t Schweinegülle landeten auf deutschen Äckern. Das ist eine Steigerung um 67 %. UKRAINE: In 2012 haben die Ukrainer 204 000 t Schweinefleisch eingeführt – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr! Weil billiges Fleisch aus Brasilien den Markt überschwemmte, gingen die Investitionen in die Schweineproduktion im Land zurück. Hier will Kiew jetzt gegensteuern. Ein Hilfsprogramm sieht vor, 153 Schweinebetriebe neu zu bauen bzw. zu renovieren. Ziel ist, die Schweinefleisch-Importe in 2013 um 40 % zurückzufahren. 2/2013 SUS 33