Hans Küng - Christ sein

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Die Christen verstehen sich als Anhänger einer humanen Religion, die frei von Brutalitäten
ist. Deshalb gibt es viele Gläubige, die zwar das Neue, nicht aber das Alte Testament
bejahen. Als zum Jahreswechsel die jüdische Religionswissenschaftlerin Ruth Lapide an
unserer Schule zu Gast war, mussten sich die Zuhörer belehren lassen, dass das Judentum
dem Christentum überlegen ist, muss doch darin nicht Gottes Sohn sterben, um den Zorn
seines Vaters zu besänftigen.
Hätten die Christen sich die Theologie, die Hans Küng in seinem Buch „Christ sein“ vertritt,
zu eigen gemacht, ließe sich der christliche Gott nicht als sadistisch deuten. Denn das wäre
er nach Küng, wenn er seinen Zorn durch das Blut seines eigenen Sohnes stillen hätte lassen.
Jesu Tod war allein die Quittung für sein Leben, das er in Konfrontation zum religiösen
Establishment führte.
Hans Küng baut seine Theologie auf drei Grundsäulen auf, nämlich Gnade, Barmherzigkeit
und Liebe. Dies sind die wesentlichen Punkte des christlichen Glaubens, und daran muss alles
gemessen werden. Die Besinnung auf Religion und Ethik führt zu einem neuen Menschen und
einer besseren Gesellschaft. Dabei gilt es, auch von anderen Religionen zu lernen.
Das Besondere am Christentum sieht Küng in Jesus Christus selbst, dessen geschichtliche
Existenz unbestritten ist. Jesus strebte die Veränderung der Gesellschaft durch die
Veränderung des Einzelnen an. Dieses Reich Gottes ist schon heute möglich. Dabei tritt
Jesus jedoch nicht als Wundermann auf. Wichtiger ist, dass sich Jesus in diesen
Wundergeschichten den Menschen zugewendet hat, denen sonst niemand Beachtung
schenkte. Deshalb kann der Gläubige auf Wunder verzichten.
Auch setzte sich Jesus über das Gesetz hinweg, weil nach Küng gilt: „Aber je feiner das
Netz geknüpft ist, um so zahlreicher sind auch die Löcher. Und je mehr Gebote und
Verbote man aufstellt, um so mehr verdeckt man das, worauf es entscheidend ankommt.“
Das kann dazu führen, dass das, was getan werden müsste, eben nicht getan wird, weil es
nicht im Gesetz steht. Jesus tat den Willen Gottes kund, der auf das Wohl des Menschen
gerichtet ist. Dazu ist es aber erforderlich, dass wir als Werkzeuge Gottes Dienst an
unseren Mitmenschen tun. Solche Werke sollen aber nicht aus Zwang heraus, sondern wegen
des Nächsten selbst geschehen.
Eine große Rolle in der Theologie Küngs spielen die Ereignisse nach dem Tod Jesu. Hier muss
etwas Außergewöhnliches geschehen sein, wodurch der Gekreuzigte zum zentralen Inhalt
der Verkündigung geworden ist. In keinem Brief des Paulus ist von der Jungfrauengeburt,
von Höllen- oder Himmelfahrt die Rede, aber dagegen hat die Auferstehung Jesu einen
hohen Stellenwert. Darunter darf man sich jedoch kein Weiterleben des Leibes vorstellen,
vielmehr findet eine Umwandlung, der Eingang in ein ewiges, ein himmlisches Leben statt.
Die Erfahrungen mit diesem Auferstandenen waren es schließlich, die die Jünger zu
todesmutigen Bekennern werden hat lassen.
An Kritik an der katholischen Kirche lässt es der Verfasser nicht fehlen, in Fragen des
Zölibats und der Empfängnisverhütung vertritt er konträre Ansichten. Dennoch besitzt das
Buch keinen destruktiven Charakter. Vielmehr verkündet Küng den Sinn des Lebens, der
darin liegt, dass man sein Leben nicht für sich selbst, sondern im Dienst für andere lebt.
Dabei wird man erfahren, dass man von Gott gehalten wird.
Wenn in der christlichen Religion keine solchen Verhältnisse herrschen wie im Islam, dann
ist dies Wissenschaftlern wie Hans Küng zu verdanken. Sie zeigen, was theologisch nicht
haltbar ist, und sorgen somit dafür, dass eine Religion zu einer Verbesserung der
Gesellschaft beiträgt und nicht der Terror herrscht. (ks)
Ab September kann dieses Buch wieder entliehen werden. Es besteht die Möglichkeit, sich
dafür im Sekretariat vormerken zu lassen.
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