DIE DEUTSCHE POLITIK IN DER EUROKRISE Vortrag und Diskussion mit Ingo Stützle akweb.de | stuetzle.cc Ausgangsfragen Widersprüchliche Politik der deutschen Bundesregierung (Ver)zögernde Positionen Sparkurs versus Exportmärkte Europäischer Kurs versus isolierte Position Vor diesem Hintergrund stellen sich Frage nach Kalkül Strategie und Interessen hinter der bundesdeutschen Politik Faktoren für die deutsche Politik »Lange Schatten« des Ordoliberalismus Größerer Spielraum aufgrund des steigenden Exports außerhalb der Eurozone Konstruktion der Eurozone bringt Disziplinierung durch Deutschland mit sich Blockierte EU-Integration (Post-Maastricht-Krise) Organisierung von Zustimmung der deutschen Bevölkerung Lockerungsübung: der Staat ›Außerökonomische Zwangsgewalt‹ – weder Instrument noch Subjekt (Eugen Paschukanis) Monopolisierung legitimer Gewaltausübung (Max Weber) Organisiert das Kapital als Klasse (Johannes Agnoli) Organisiert Zustimmung zu Herrschaft/Ausbeutung Herrschaftsförmig institutionalisiertes Feld politischer Kämpfe – materielle Verdichtung von Klassenverhältnissen (Nicos Poulantzas) Eruiert und garantiert das kapitalistische Gesamtinteresse Internationalisierung von Staat Nationalstaaten internationalisieren sich von innen Verlagerungen von Aufgaben auf suprastaatliche Ebenen (z.B. EU) Konflikte zwischen den politischen Ebenen »Lange Schatten« des Ordoliberalismus Problemwahrnehmung – strukturiert durch »theoretische Brille« des Ordoliberalismus Phasen des Neoliberalismus: Roll-back-Neoliberalismus Roll-over-Neoliberalismus Krise, Staat und Ausnahmezustand »Wie in jeder Katastrophe darf der Staat retten, aufräumen, wiederaufbauen. Dann aber muss er wieder heraus aus den wirtschaftlichen Prozessen des Tages und zurück in die Schranken des Regelwerkes.« Roland Koch (CDU) Krise, Staat und Ausnahmezustand Dem Staat sei es im »Ausnahmezustand« (Carl Schmitt) erlaubt, wirtschaftspolitische Mittel einzusetzen, »die im Normalzustand aus guten Gründen als nicht markt- oder systemkonform, als wenig verfassungs- oder verhältnismäßig oder auch als schlicht ökonomisch schädlich abgelehnt worden wären«. Michael Wohlgemuth, Ordoliberaler Ökonom Deutschland: abhängig vom Export Exportanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP): Deutschland: 50 Prozent Frankreich: 27 Prozent Großbritannien: 31 Prozent USA: 13 Prozent Japan: 16 Prozent Deutschlands Exporte: 42 Prozent aller Exporte gehen (2011) in die Eurozone 63 Prozent gehen in die Gesamte EU 28 Prozent gehen in die sog. Schwellenländer (inkl. China) 5 Prozent gehen nach China (weniger als in die Niederlande) Abhängig vom Export, aber... Zwischen 2001 und 2011 sind die Exporte insgesamt um 144 Prozent gestiegen in die Eurozone um 61 Prozent in Schwellenländer um 54 Prozent Deutschland ist weniger stark als andere Länder auf die Eurozone ausgerichtet. Der Binnenmarkt spielt eine geringe Rolle. Bedeutung des Weltmarkts steigt Seit Einführung des Euro 1999 stieg der Export in in Euro-Staaten weniger stark als in Länder außerhalb der Eurozone. Trend setzt sich Eurokrise fort: Anteil der der Exporte nach China (2002 bis 2011) haben sich mehr als verdoppelt haben Exporte in Euro-Krisenländer (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien) von 10,8 Prozent auf 8,6 Prozent gefallen. Das deutsche Modell für Europa Inländische Nachfrage in Spanien, Italien, Portugal und Griechenland Deutsche Elite: Kein Bock auf Europa European Council on Foreign Relations (ECFR): »Industriellen Eliten« wenden im Kampf um Weltmarktanteile »ihren Blick schon seit langem von Europa ab« Die EU gelte allenfalls als nützliche »Basis für globale Marktstrategien« »Industriellen Eliten« beklagten sich »über die unproduktiven europäischen Partner« Weniger Notwendigkeit, Frankreich einzubinden Berlin glaube zunehmend »von Europa zurückgehalten« zu werden Angela Merkel in Davos 2013 »Wie können wir sicherstellen, dass wir in den nächsten Jahren auch eine Kohärenz in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der gemeinsamen Währungsunion erreichen? Und damit meine ich nicht eine Kohärenz in der Wettbewerbsfähigkeit irgendwo im Mittelmaß der europäischen Länder, sondern eine Wettbewerbsfähigkeit, die sich daran bemisst, ob sie uns Zugang zu globalen Märkten ermöglicht.« Disziplinierung durch Deutschland Ziel des Euro: »Deutschland ist als Teil des größten Binnenmarktes der Welt in der Lage, im Konzert der großen Wirtschaftsmächte mitzuspielen und die Globalisierung aktiv mitzugestalten.« (BMF) »In unserer vielfältigen vernetzten Welt wird kein einzelner europäischer Staat auf sich alleine gestellt seine Interessen wahren und seiner Verantwortung gerecht werden können.« (Schäuble) Europa: getrennt abgeschlagen... Quelle: IWF ...vereint aber an der Spitze Quelle: IWF Disziplinierung durch Deutschland Problem(e) des Euro: Gemeinsame Währung schafft Gewinner und Verlierer Kein europäischer Staat, aber gemeinsame Währung und nationale Haushaltshoheiten bleiben bestehen Kein Staat soll sich auf Kosten eines anderen Staates in der gemeinsamen Währung Euro verschulden dürfen Mechanismen eines organisierten gegenseitigen Misstrauens: Stabilitätspakt, Schuldenbremse, Fiskalpakt, Europäisches Semester etc. Post-Maastricht-Krise und dt. Stabilitätskultur Widerspruch zwischen den sozialen Sicherheitsinteressen und europäischer Integration mit neoliberalem Vorzeichen Scheitern der EU-Verfassung (2005) Fehlendes politisches Projekt Was bleibt: eingeschlagener Pfad der Stabilisierungspolitik und deutscher Dominanz Deutsche Politik ›nach innen‹: Organisierung von Zustimmung Faktoren für die deutsche Politik 1. »Lange Schatten« des Ordoliberalismus 2. Größerer Spielraum aufgrund des steigenden Exports 3. 4. 5. 6. außerhalb der Eurozone – trotz großer Abhängigkeit von EU als Wirtschaftsraum »Industriellen Eliten« der alten Bundesrepublik wenden im Kampf um Weltmarktanteile »ihren Blick schon seit langem von Europa ab« (ECFR) Konstruktion der Eurozone bringt Disziplinierung durch Deutschland hervor: »Stabilitätsunion« Blockierte EU-Integration Organisierung von Zustimmung der deutschen Bevölkerung (Korporatismus, Stabilitätskultur) Ergebnis der Konkurrenz: Profiteure und Verlierer Der Euro - stabil trotz Krise Quelle: Bloomberg