Dynamik - Ursachen der Bewegungen (PSE 1).

Werbung
Technische Universität Dresden
Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften
Fachrichtung Physik
Professur für Didaktik der Physik
Dynamik - Ursachen der Bewegungen
Eine Auswertung im Rahmen der Lehrveranstaltung
Physikalische Schulexperimente 1
Tom Köhler
Peter Ptzenreiter
Matrikel: 3304879
Matrikel: 3350002
[email protected]
[email protected]
10. Juli 2009
Inhaltsverzeichnis
1
2
3
4
Fachlicher Hintergrund
3
1.1
Worum es hier geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.2
Die Newtonschen Grundgesetze
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.3
Konservative Kräfte und Bewegung im Potentialfeld . . . . . . . . . .
4
1.4
Dissipative Kräfte: Reibung
5
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Didaktische Überlegungen
6
2.1
Dynamik im Lehrplan
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.2
Storeduktion und didaktische Problemstellungen . . . . . . . . . . .
6
2.3
Zusammenfassende Themengliederung für einen Lernbereich
9
. . . . .
Experimente
10
3.1
Freihandversuch: Haftreibung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
3.2
Qualitativer Versuch: Magnetpendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
3.3
Quantitativer Versuch: Das Hooksche Gesetz . . . . . . . . . . . . . .
11
3.4
Rechnergestützter Versuch: Haft- und Gleitreibung
11
. . . . . . . . . .
3.4.1
Ziele des Experiments
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
3.4.2
Aufbau und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
3.4.3
Beobachtung und Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
3.4.4
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
3.4.5
Einordnung in den Unterrichtsgang
. . . . . . . . . . . . . . .
14
3.4.6
Vor- und Nachteile, Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . .
14
Literaturverzeichnis
16
1 Fachlicher Hintergrund
1.1 Worum es hier geht
In der Physik unterliegt der Begri der Dynamik einem weiten Bedeutungsfeld.
Im allgemeinen Sinne versteht man darunter das zeitliche Verhalten eines beliebigen
physikalischen Systems. Diese Denition ist für meine Abhandlungen im Rahmen
dieser Arbeit allerdings zu oen, sodass ich mich auf den engeren Sinne beschränken
möchte:
Die Dynamik beschreibt die Bewegung von Massepunkten oder starrer
Körper unter Krafteinwirkungen.
Die Beschränkung auf starre Körper rührt daher, dass nicht-starre (elastische und
plastische) Körper durch eine einwirkende Kraft verformt werden können. Diesen
Fall möchte ich hier ausschlieÿen.
1.2 Die Newtonschen Grundgesetze
Im Jahr 1687 wurde Newtons bahnbrechendes Werk Die mathematischen Prinzipien
der Naturphilosophie, damals in lateinischer Sprache, veröentlicht. Er leitet darin
die elementare Dierential- und Integralrechnung her, lieferte eine vereinheitlichte
Gravitationstheorie und formulierte Grundgesetze zur Bewegung von Körpern. Noch
heute dominieren seine Gedanken unser Verständnis von Kräften und Bewegungen.
Es gibt eine Eigenschaft, die allen frei beweglichen Körpern gemeinsam scheint:
Wirkt auf sie eine Kraft, so ändert sich ihr Bewegungszustand. Diese Änderung
kann den Betrag und/oder auch die Richtung der Geschwindigkeit des Körpers betreen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich ein kräftefrei bewegter Körper
mit konstanter (in Betrag und Richtung) Geschwindigkeit bewegt. Dieses von schon
von Galilei formulierte Trägheitsprinzip ist das
Erste Newtonsche Grundgesetz: Trägheitsprinzip
Solange auf einen frei beweglichen Körper keine äuÿere Kraft einwirkt,
bewegt er sich mit konstanter Geschwindigkeit auf einer Geraden.
Ein weiteres Phänomen dürfte dem Menschen auch schon seit Urzeiten vertraut
sein: Möchte ich einen kleinen Stein aufheben und werfen, so benötige ich dafür
weniger Kraft als für einen groÿen, schweren Stein. Ein schwerer Wagen benötigt
mehr Kraft, bewegt zu werden, ein leichter Krieger wird (wenn er keine trickreichen
Verteidigungskünste anwendet) einfacher umzuhauen sein usw. Bei genauerem Beobachten zeigt sich, dass die zur Bewegung benötigte Kraft propotional zur Masse
3
des bewegten Körpers ist. Auÿerdem ist die Beschleunigung des Körpers umso geringer, je gröÿer seine Masse ist und sie ist parallel zur einwirkenden Kraft. Newton
fasste diese Erkenntnis mathematisch mit seinem Aktionsprinzip zusammen:
Zweites Newtonsches Grundgesetz: Aktionsprinzip
Die auf einen frei beweglichen Körper einwirkende Kraft ist gleich dem
Produkt aus seiner Masse und der erfahrenen Beschleunigung:
F~ = m~a
Newtons drittes Grundgesetz weist auf den grundlegenden Wechselwirkungscharakter von Kräften hin. Er betonte insbesondere bei seinem Gravitationsgesetz, dass
nicht nur die Sonne die Planeten anzieht, sondern die Planeten auch die Sonne anziehen. Allerdings besitzt die Sonne eine so groÿe Masse, dass sie auf Grund ihrer
Trägheit im Zentrum des Sonnensystems festzusitzen scheint. Dies ist das sogenannte
Wechselwirkungs- oder Reaktionsprinzip (actio = reactio).
Drittes Newtonsches Grundgesetz: Reaktionsprinzip
Greift ein Körper 1 mit der Kraft
F~12
an einem Körper 2 an, so erfährt
er selbst eine gleich groÿe, entgegengesetzt gerichtete Kraft
F~21 = −F~12 .
Newton schuf mit diesen Grundgesetzen eine umfassende Theorie der klassischen
Mechanik. Auch in der modernen Beschreibung der Mechanik ist die Vorstellung
der Kräfte von dieser klassischen Theorie geprägt, auch wenn ihre mathematische
Beschreibung stark abstrahiert wurde.
1.3 Konservative Kräfte und Bewegung im Potentialfeld
Eine Kraft bezeichnet man als
konservativ,
wenn die von ihr verrichtete Arbeit
1
entlang einer beliebeigen, geschlossenen Kurve verschwindet :
I
F~ d~r = 0
(1)
Beispiele für konservative Kräfte sind alle uns bislang bekannten, grundlegenden
Wechselwirkungen der Natur:
1. Gravitationskraft
2. Elektromagnetische Kraft
3. Schwache Kernkraft
1
Eine schärfere Denition ist die, dass das Produkt F~ ~r˙ gleich der zeitlichen Ableitung einer
d
beliebigen, skalaren Funktion ist (die kein Potential sein muss): F~ ~r˙ = − dt
U (~r). Nur so lässt sich
z.B. die Lorentzkraft als konservative Kraft erklären.
4
4. Starke Kernkraft
Eine zu (1) äquivalente Formulierung ist, dass die Kraft ein Potential besitzt. Die
Kraft ist dann proportional zum Gradienten dieses Potentials. Als Beispiel dafür
betrachten wir das Potential der (klassischen) Gravitations- und der elektrischen
Kraft. Die Poisson-Gleichungen der beiden Wechselwirkungen lauten:
4 ΦGrav (~r) = 4πGρmass (~r)
bzw.
4 ΦEl (~r) = −
ρel (~r)
0
(2)
~ 2 der Laplace-Operator, G die Newtonsche Gravitationskonstante
4=∇
−11 m3
−12 C
).
(G ≈ 6, 674 · 10
) und 0 die elektrische Feldkonstante (0 ≈ 8, 854 · 10
V m
kg s2
Hat man diese Gleichung für eine Verteilung der Massen- (ρmass ) oder Ladungsdichte
(ρel ) gelöst, so erhält man das Gravitationspotential ΦGrav bzw. das elektrische Potential ΦEl . Die Kraftgesetze ergeben sich dann aus der räumlichen Ableitung dieser
Dabei ist
Potentialfelder:
~ Grav (~r)
F~Grav (~r) = −M ∇Φ
bzw.
~ El (~r) ,
F~El (~r) = −Q∇Φ
(3)
wobei M die Masse eines Körpers im Gravitationsfeld und Q die Ladung einer Probeladung im elektrischen Feld ist. Mit Hilfe der Poisson-Gleichungen (2) ist eine
sehr elegante Darstellung der Wechselwirkungen in der theoretischen Physik möglich, allerdings ist ihre Lösung alles andere als einfach. Sie benötigen kompliziertere
mathematische Methoden, z.B. die der Greenschen Funktion.
1.4 Dissipative Kräfte: Reibung
Konservative Kräfte waren jene, bei denen die Arbeit über einen beliebigen, geschlossenen Weg gleich Null ergibt. Kräfte, bei denen das nicht der Fall ist, nennt man
dissipativ. Eine Klasse von dissipativen Kräften bestimmen unseren gesamten Alltag:
Die Reibungskräfte. Bewegt sich ein Körper unter dem Einuss von Reibungskräften, so wird er permanent an Energie verlieren und niemals dazugewinnen. Somit
kann die Arbeit über einen geschlossenen Weg nie verschwinden.
Zur Erklärung von Reibungseekten bemüht man im Allgemeinen das Teilchenmodell, wobei die kinetische Energie eines Systems allmählich in thermische Energie,
also schnellere Bewegungen der Teilchen, umgewandelt wird. Das bedeutet auch,
dass Reibungskräfte prinzipiell (zumindest im Rahmen dieses Modells) der Bewegung entgegengerichtet sind. Eine genaue Beschreibung steht allerdings auch heute
noch aus.
5
2 Didaktische Überlegungen
2.1 Dynamik im Lehrplan
Bewegungen und ihre Ursachen, die Kräfte, begleiten die Schüler in fast allen Jahrgangsstufen. Die folgende Tabelle gibt einen Überlick, in welchen Klassenstufen Dynamik auftaucht. Hervorgehoben ist der Lernbereich Kräfte in Klasse 7. Dieser
Lernbereich deckt alles ab, worum es in dieser Arbeit gehen soll, weshalb ich später
noch näher auf ihn eingehen werde.
Klasse 6
Qualitative Aussagen zu unterschiedlichen Bewegungsformen
Geschwindigkeit
Quantitative Beschreibung der gleichförmigen, kräftefreien
Bewegung
Klasse 7
Kräfte als Ursache von Bewegungsänderungen
Darstellung der gerichteten Gröÿe als Pfeil
Hook'sches und Hebel-Gesetz
Reibungskräfte
Klasse 9
Momentan- und Durchschnittsgeschwindigkeit
Quantitative Beschreibung der gleichmäÿig beschleunigten
Bewegung, Wahlplcht: Krummlinie Bewegung
Newtonsche Grundgesetze
Klasse 10
Mechanische Schwingungen: Rücktreibende Kraft als Ursache
der Schwingung
Klasse 11/12
Beschreibung beschleunigter Bewegungen (auch auf Kreisbahnen)
Newtonsche Grundgesetze (nur LK)
Elektrodynamik
Es ist ziemlich bemerkenswert, dass die Elektrodynamik, also die Beschreibung der
Bewegung von Ladungen in elektrischen und magnetischen Feldern, erst in der Oberstufe gelehrt wird. Die Schüler lernen zwar in Klasse 9 das Induktionsgesetz kennen,
jedoch schweigt sich der Lehrplan an dieser Stelle über Phänomene wie die LorentzKraft oder die Lenzsche Regel aus.
2.2 Storeduktion und didaktische Problemstellungen
Im ersten Kapitel habe ich bereits beschrieben, welchen Einuss Kräfte auf die Bewegung eines Körpers haben (Newtonsche Grundgesetze), wie man die grundlegende
6
2
Kräfte der Natur elegant beschreiben kann (Potentialfelder)
und wie die Reibung
auf Bewegungsabläufe einwirkt.
Die Newtonschen Grundgesetze sind wie vorgeführt von allgemeinverständlicher Natur, sodass sie ohne prinzipielle Probleme in der Schule behandelt werden können.
Um sie jedoch im Ganzen und nicht in Einzelteilen zu lehren, benötigt man Vorkenntnisse zur Beschleunigung. Diese Kenntnisse erwerben die Schüler in Klasse 9,
weswegen auch die Newtonschen Gesetze erst in dieser Klassenstufe auftauchen. Der
Einuss von Kräften - inkl. der Reibungskräfte - auf die Bewegung eines Körpers
kann und sollte jedoch schon eher behandelt werden, was auch tatsächlich in der 7.
Klasse geschieht.
Die Theorie der Potentiale ist dagegen ein etwas schwerfälligerer Wegbegleiter. Wenn
man sie überhaupt in der Schule behandeln möchte, so wäre lediglich der eindimensionale Fall in der Oberstufe möglich, nachdem in Mathematik die Dierentialrechnung eingeführt wurde. Allerdings ist zu bezweifeln, ob die Schüler damit grundlegend neue Erkenntnisse erlangen. In der Oberstufe gibt es auch genügend andere,
wichtige Themen zu behandeln. Deshalb sollte diese Theorie erst an der Universität
eingeführt werden, wo die Studenten bereits zu Studienbeginn mit dem Gradienten
vertraut gemacht werden.
Weniger schwierig sind dagegen die Gradienten der Potentiale, nämlich die (Vektor-)
Felder der grundlegenden Naturkräfte. Dieses fundamentale Konzept erfordert auch
keine besonderen Vorkenntnisse, sodass es bereits sehr früh gelehrt werden kann.
Zudem können das elektrische und das magnetische Feld mit einfachen Versuchen
3
veranschaulicht werden . Die schwierigste Aufgabe besteht danach wohl darin, den
Schülern klar zu machen, dass ein besonderer Körper (mit Masse oder Ladung)
im entsprechenden Feld eine Kraft erfährt - und zwar entlang der Feldlinien. Bewegt er sich in diesem Feld, so ist nicht seine Geschwindigkeit zwangsläug entlang
der Feldlinien ausgerichtet, sondern die Änderung seiner Geschwindigkeit, also seine Beschleunigung. Für diese Aufgabe ist natürlich die Einführung der Kraft (als
gerichtete Gröÿe) vor der Behandlung der Felder erforderlich.
2
Das Gravitations- und das elektrische Feld wurden als Gradienten von skalaren Potentialfeldern angesehen. Diesen einfachen Formalismus muss man für das magnetische Feld etwas variieren: Es lässt sich zwar auch ein Potential nden, allerdings kein skalares, sondern ein Vek~ r). Das magnetische Feld ergibt sich dann aus der Rotation dieses Vektorfeldes:
torpotential A(~
~
~
B(~r) = ∇ × A(~r). Für die Schule wird aber ohnehin nur das Feld und nicht das Potential betrachtet.
3 Das elektrische Feld kann man demonstrieren, indem man dünne, leichte Fäden an einer Metallkugel befestigt und diese dann auädt - die Fäden werden sich radial von der Kugel abstoÿen,
genau entlang der Feldlinien. Für das magnetische Feld streue man etwas Eisenspäne auf eine
dünne, feste Unterlage und lege einen Dauermagneten darunter. Die Späne werden sich entlang
der magnetischen Feldlinien ausrichten.
7
Alle bisherigen Betrachtungen setzen die Kenntnis des Kraftbegris voraus. Dieser
wird in der 7. Klasse im ersten Lernbereich eingeführt und beginnt mit der qualitativen Aussage, dass es bei der Wechselwirkung von zwei Körpern zu Bewegungsund Formänderungen kommt. Diese Aussage ist mit mehreren fundamentalen Informationen gespickt, sodass sie einer äuÿerst genauen Analyse bedarf (auch in der
Schule!):
1. Sie enthält den Wechselwirkungscharakter von Kräften. Wenn auf einen Körper
A eine Kraft einwirkt, so ist dafür stehts ein zweiter Körper B verantwortlich (wenn
man mal von Selbstwechselwirkungen schnell bewegter Körper absieht). Dabei übt
nicht nur der Körper B die bekannte Kraft auf A aus, sondern auch A wirkt mit der
betragsmäÿig gleich groÿen Kraft auf B ein. Dieser Wechselwirkungscharakter sollte
von Anfang an hervorgehoben werden; er wird in der 9. Klasse bei den Newtonschen
Grundgesetzen in einem Gesetz verankert.
Die Kraft ist eine Wechselwirkungsgröÿe
Schüler neigen auch häug zu der Aussage, dass ein Körper Kraft habe. Was die
Jugendlichen mit dieser Vorstellung assoziieren, deckt sich wohl am ehesten mit
dem Begri der Energie, die, z.B. bei der potentiellen Energie, als Eigenschaft eines
einzigen Körpers angesehen werden kann. Auf jeden Fall muss diese Fehlvorstellung
aufgezeigt und mit der Argumentation des Wechselwirkungscharakters beseitigt werden.
Kraft ist keine Eigenschaft eines Körpers
2. Da die Kraft als Ursache für Bewegungs- und Formänderungen deniert wird,
kann es zu einer Vermischung von Dynamik (Bewegungen) und Statik (Spannungen,
Gleichgewichte, evtl. auch Verformungen) kommen. Diese Unterschiede sollte sich
der Lehrer ins Bewusstsein rufen und im Unterricht deutlich kenntlich machen.
Die Kraft hat einen dynamischen und statischen Charakter
Eine ebenso deutliche Hervorhebung ist bei der Einführung der Gewichtskraft angebracht, damit die Schüler von Anfang an den Unterschied zwischen Gewichtskraft
und Masse begreifen. Ein groÿes Problem, dass ich persönlich in der so zeitigen
Einführung der Gewichtskraft sehe, ist die Tatsache, dass der Ortsfaktor g als
Proportionalitätsfaktor zwischen Gewichtskraft und Masse hinzugezogen wird. Das
kann jedoch zu fatalen Fehlvorstellungen führen, denn eingentlich ist die (schwere) Masse des Körpers der Proportionalitätsfaktor zwischen den beiden vektoriellen
Gröÿen der Gewichtskraft und der Fallbeschleunigung.
8
Die Fallbeschleunigung ist kein Proportionalitätsfaktor
Die Kopplung von Kraft und Masse wirft auch die Frage auf, ob ein Lehrer von Beginn an den Unterschied zwischen schwerer und träger Masse hervorheben soll. Mit
irdischen Experimenten konnte zwar direkt nahezu eine Gleichheit zwischen beiden
Massen bestätigt werden, trotzdem ist diese Gleichheit keineswegs trivial. Die allgemeine Relativitätstheorie von Einstein, die maÿgeblich unser Weltbild im Groÿen
prägt, benutzt diese Gleichheit als alles entscheidende Argumentationsgrundlage.
Trotzdem haben viele Studienanfänger in Physik bis zum Studium noch nie etwas
von dieser Unterscheidung gehört. Eine ausführliche Diskussion wäre sicherlich von
Nutzen, würde an dieser Stelle jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen.
3. Die Aussage enthält auch implizit die Eigenschaft, dass die Kraft eine gerichtete
Gröÿe ist. Da sie eine Bewegungsänderung verursacht, muss sie auch eine Information
enthalten, in welche Richtung die Änderung statt ndet.
Die Kraft ist eine gerichtete Gröÿe
Das gleiche gilt auch für die Formänderung. Diese Eigenschaft der Kraft, dass sie gerichtet ist, lässt sich jedoch relativ anschaulich begründen (besonders mit Sportarten
wie Fuÿball, Tennis oder Billard).
2.3 Zusammenfassende Themengliederung für einen
Lernbereich
Alle bisherigen Überlegungen zur Dynamik als Ursache für Bewegungen und deren
Änderung lassen sich in einer logischen Gliederung anordnen:
1. Einführung des Kraftbegris als Ursache der Änderung von Bewegungen und
Formen (auf eine Trennung von Dynamik und Statik sollte geachtet werden)
2. Hervorheben des Wechselwirkungscharakters von Kräften
3. Darstellen der Kraft als eine gerichtete Gröÿe
4. Beispiele für fundamentale Kraftwirkungen in der Natur:
•
Gewichtskraft
•
Elektrische und magnetische Kraft
5. Beschreibung der elektrischen und magnetischen Wechselwirkung mit Hilfe des
Feldbegris sowie dessen experimentelle Veranschaulichung
9
6. Reibungskräfte als Beispiel für nicht-fundamentale Kräfte in der Natur
Diese Gliederung deckt sich weitesgehend mit dem Lernbereich 1 Kräfte des sächsischen Lehrplans Physik für die 7. Klasse, der noch einige zusätzliche Themen
enthält, die sich problemlos in die Problematik einglieder lassen, so z.B. das Hooksche Gesetz und das Hebelgesetz, die beide auf der Gewichtskraft beruhen. Meine
Gliederung enthält bislang nur die Theorie der Dynamik und sollte im Unterricht
mit Experimenten angereichert werden. Im Folgenden werden einige mögliche Experimente zu diesem Themengebiet vorgestellt.
3 Experimente
An dieser Stelle sollen nun einige Experimente vorgestellt werden, die man als Lehrer
mit in den Unterrichtsablauf integrieren kann. Es folgt eine kurze Beschreibung eines
Freihandexperiments, je eines qualitativen und quantitativen Experiments sowie eine
ausführliche Beschreibung eines rechnergestützten Versuchs, der mit Hilfe der CassySensortechnik durchgeführt wird.
3.1 Freihandversuch: Haftreibung
Zur Demonstration der Haftreibungszahlen unterschiedlicher Materialien und Oberächen kann man einen einfachen Freihandversuch machen. Man nehme sich mehrere
kleine, rutsch- oder rollfähige Gegenstände wie z.B. einen Radiergummi, einen runden Stift, einen USB-Stick, evtl. auch einen gröÿeren Tropfen Wasser und so weiter.
Diese Gegenstände werden an den Rand eines festen Buchdeckels gelegt und das
Buch dann langsam geneigt. Die Gegenstände, die der geringsten Haftreibung unterliegen, werden schon bald anfangen sich zu bewegen. Gegenstände mit höherer
Haftreibung wie z.B. der Radiergummi werden selbst bei sichtlich schräg gestelltem
Buch noch an diesem haften.
3.2 Qualitativer Versuch: Magnetpendel
Mit einem Magnetpendel lässt sich die magnetische Kraft als Ursache der Bewegunsänderung sehr anschaulich zeigen. Dazu wird eine kleine Eisenkugel an einem
Faden befestigt, sodass sie frei pendeln kann. Unterhalb des Pendels wird, etwas
abseits der Schwingungsebene, ein Dauermagnet platziert. Wenn die Metallkugel in
ihrer Auslenkung losgelassen wird, so bewegt sie sich zunächst in einer Ebene, die
vom Faden aufgespannt wird. Von oben betrachtet ist diese Bahnkurve eine Gerade.
10
Nähert sich die Kugel dem Magneten, so wird sie abgelenkt - eine Kraft war Ursache
für die Änderung der Bewegungsrichtung eines Pendels.
3.3 Quantitativer Versuch: Das Hooksche Gesetz
In einem Schülerexperiment sollen die Schüler selbstständig das Hooksche Gesetz
aufstellen, also erkennen und postulieren, dass die rücktreibende Kraft einer Feder
(die gleich der Gewichtskraft der angehängten Masse ist) proportional zur Länge
ihrer Dehnung ist. Dies ist ein sehr klassischer Versuch, sodass eigentlich jede Schule
ausreichend Geräte dafür zur Verfügung haben sollte. Man kann diesen Versuch also
in Partnerarbeit durchführen lassen. Dazu bekommt jedes Zweierteam mehrere Federn mit unterschiedlichen Federkonstanten, ein groÿes Lineal, einen Wägesatz sowie
Stative zum Aufbau. Die Federkonstanten sollten weder zu groÿ noch zu klein sein,
damit die Feder sich überhaupt um einige Zentimeter ausdehnt (Verringerung des
Messfehlers) bzw. nicht zu weit gedehnt wird, sodass der lineare Bereich verlassen
wird. Anschlieÿend bauen die Schüler ein Gestell, an das sie eine Feder und unmittelbar das Lineal zum Messen befestigen. Nun wird abgelesen, bei welcher Marke das
untere Ende der Feder steht und notiert. Dieser Wert wird von allen weiteren Messungen abgezogen, sodass man nur die Dehnungslänge erhält. Die Schüler können
jetzt mit verschiedenen Massestücken und Federn Messungen durchführen und diese
in einem Diagramm darstellen, wo die Länge der Ausdehnung über der Gewichtskraft
der Massestücke abgetragen ist. Es sollte sich ein linearer Zusammenhang ergeben,
der durch eine Ausgleichsgerade verdeutlicht werden kann.
3.4 Rechnergestützter Versuch: Haft- und Gleitreibung
3.4.1 Ziele des Experiments
Die Schüler sollen in einem Lehrerversuch gezeigt bekommen, dass die Haftreibung
zweier Körper gröÿer ist als die Gleitreibung. Das bedeutet, dass bei Anwesenheit von
Reibung eine gröÿere Kraft benötigt wird, um einen Körper in Bewegung zu versetzen, als ihn in Bewegung zu halten. Zudem sollen sie lernen, dass die Reibungskräfte
umso gröÿer sind, je gröÿer die Masse eines auf seine Unterlage drückenden Körpers
ist. Dies führt später zu dem Ansatz, die Reibungskraft über die Normalkraft zu
berechnen (mit Hilfe eines Proportionalitätsfaktors, der Reibungszahl).
11
Abbildung 1: Versuchsaufbau
3.4.2 Aufbau und Durchführung
Als reibender Körper wird ein Holzklotz auf den Lehrertisch gelegt. Dieser Klotz
wird mit Hilfe eines (stabilen) Fadens mit einer rotierenden Strebe verbunden, die,
an einen Motor gekoppelt, den Faden aufwickelt und somit die antreibenden Kraft
erzeugt. Der Klotz wird allerdings nicht direkt mit der Strebe verbunden, statt dessen wird zwischen beide der Kraftsensor befestigt, der mit dem CASSY verbunden
wird. Damit der Kraftsensor keine unnötigen zusätzlichen Reibungseekte hinterlässt, wird er auf einen Rollwagen gelegt. Das CASSY-Lab soll bei der Versuchsdurchführung die Kraft über der Zeit anzeigen. Wichtig ist dabei, das Messintervall
nicht zu klein zu wählen, damit die Kurve einigermaÿen glatt wird. Das Intervall
sollte mehrere Hundert Millisekunden betragen. Nun kann man verschiedene Massestücke, wir verwendeten ein 2- und ein 5kg-Gewicht, auf den Holzklotz legen und
den Versuch starten.
Abbildung 2: Kraftsensor
12
3.4.3 Beobachtung und Messung
Wenn die rotierende Strebe beginnen soll, den Faden aufzuwickeln, so setzt sich
der Klotz nicht sofort in Bewegung. Der Motor hat kurz damit zu kämpfen, die
Haftreibung zu überwinden, was sich auch an einem starken Ausschlag im CASSYLab zeigt. Sobald der Klotz in Bewegung ist, wird er mühelos über den Tisch gezogen
und auf dem Bildschirm wird eine nahezu konstante Gleitreibungskraft angezeigt.
Abbildung 3: Auswertung mit dem CASSY-Lab
3.4.4 Auswertung
Für eine qualitative Auswertung ist der Versuch hervorragend geeignet, um die
Gröÿenunterschiede zwischen Haft- und Gleitreibung zu demonstrieren. Auch die
Zunahme der Reibungskräfte mit der Gewichtskraft ist wunderbar abzulesen, auch
wenn wir mit zwei Messungen keinen linearen Zusammenhang zeigen können. Eine interessante Aufgabe für die Schüler wäre jetzt noch, sie erklären zu lassen, wie
der extreme Abfall und der erneut starke Anstieg der Reibungskraft nach dem ersten Überwinden der Haftreibung zustande kommt. Wer den Versuch aufmerksam
verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass der Faden zunächst sehr stark gespannt
wird. Nachdem die Haftreibung überwunden wurde, schlat er etwas ab und wird erneut gespannt, wodurch nochmals eine gewisse Haftreibung mit überwunden werden
muss. Diese Prozedur ndet auch - in kleineren Dimensionen - den ganzen Versuch
hindurch statt, womit sich die Zackenstruktur im CASSY-Lab erklären lässt.
13
3.4.5 Einordnung in den Unterrichtsgang
Der beschriebene Versuch ist relativ schnell aufzubauen und einfach in der Durchführung. Er kann somit vom Lehrer als Einstieg in das Unterrichtsthema Reibung
genutzt werden. Bis dahin haben die Schüler u.a. gelernt, dass sich ein kräftefrei
bewegter Körper mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Unser Klotz bewegt sich
ebenfalls mit konstanter Geschwindigkeit, trotzdem ist eine Kraft nötig, ihn in Bewegung zu halten. Diesen Problem erklärt man mit einer Reibungskraft. Bei der
Auswertung kann man recht deutlich klar machen, dass es auch eine Haftreibung
gibt, dass diese zum Starten der Bewegung erst überwunden werden muss und dass
sie gröÿer ist als die sogenannte Gleitreibung, die zur Aufrechterhaltung der Bewegung aufgebracht werden muss. Man kann auÿerdem fragen, ob der Wagen, auf
dem unser Kraftsensor liegt, ebenfalls der Reibung unterliegt. Die Frage muss bejaht werden, jedoch ist diese Form der Reibung, die Rollreibung, gröÿenmäÿig meist
sehr viel kleiner als die Gleitreibung oder gar die Haftreibung. Bei einer ordentlichen
Auswertung des Versuchs hat man bereits alle für die Reibung relevanten Begrie
eingeführt und kann sie nun näher betrachten.
3.4.6 Vor- und Nachteile, Verbesserungen
Der von uns erdachte Versuch zeigt keine oensichtlichen Nachteile. Deshalb werden
hier nur einige Vorteile genannt:
- Schneller Aufbau
- Übersichtlich
- Für Schüler gut zu beobachten
- Klares Ergebnis
- Anschauliche Auswertung
- Weiterführende Fragen möglich
Der Versuch kann auch beliebig erweitert werden. So sind Versuche mit unterschiedlichen Oberächen möglich, um die Abhängigkeit der Reibung von der Oberäche
zu demonstrieren. Wir selbst hatten noch probiert, den Klotz auf nasser Tischoberäche rutschen zu lassen. Dabei dachten wir, müsste die Reibungskraft sinken, da es
ja rutschiger wird. Dem war aber nicht so, die Reibung nahm drastisch zu. Unsere
Erklärung dafür war, dass die Tischplatte nur leicht angefeuchtet, jedoch nicht wasserüberfüllt war. Dadurch füllte das Wasser kleine Luftlöcher zwischen dem Klotz
14
und der Platte, ähnlich wie bei zwei fein gearbeiteten, absolut ebenen Metallplatten,
die, wenn man sie aufeinander gleiten lassen möchte, extrem hohe Reibungszahlen
aufweisen, da auch zwischen ihnen kaum noch Luft vorhanden ist.
15
4 Literaturverzeichnis
Otten, Ernst W.: Repetitorium Experimentalphysik (2003)
Sommer, J. U.: Skript zur Vorlesung Theoretische Mechanik (SS 2008)
Lehrplan Physik (2007):
http://www.sachsen-macht-schule.de/apps/lehrplandb/downloads/lehrplaene/
lp_gy_physik_2007.pdf
16
Herunterladen