Fachgruppe der freipraktizierenden Hebammen der Sektion Schwyz Postpartale Depression 10 bis 15 % aller Frauen in der Schweiz, das heisst 10'000 pro Jahr leiden nach dem so genannten freudigen Ereignis an einer Wochenbettsdepression. Anlässlich der Mecon-Studie wurde ersichtlich, dass bei unseren Klientinnen der Wunsch nach mehr Information bezüglich postpartalen Erkrankungsformen vorhanden ist. Diese zwei Gründe haben uns zur vertieften Auseinandersetzung mit diesem Thema bewogen. Während der Arbeit wurde uns bewusst, dass wir Hebammen unseren Kompetenzbereich, im Bewusstsein unserer fachlichen Grenzen, wahrnehmen müssen. Das heisst: • Erkennen • Thematisieren / Aufklären • Nötige Schritte einleiten Mögliche Ursachen In der Fachwelt wird weitestgehend von einem multifaktoriellen Ansatz ausgegangen: Zahlreiche körperliche, hormonelle, biochemische, psychische, soziale und gesellschaftliche Faktoren formen ein sich wechselseitig bedingendes Geflecht. Nicht zuletzt bestimmen auch die Anzahl und die Intensität der einzelnen Belastungsfaktoren das Ausmaß der postpartalen Krise. Das hat zur Folge, dass bei jeder Frau eine unterschiedliche Gewichtung der an der Krise post partum beteiligten Faktoren zu berücksichtigen ist. Physische Faktoren • gravierende hormonelle Veränderungen • biochemische Veränderungen durch die schlaflosen Nächte • genetische Einflüsse Peripartale Faktoren • langes Warten auf eine Schwangerschaft • ungeplante oder unerwünschte Schwangerschaften • Schwangerschafts-Komplikationen • Verunsicherung im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge • Schwangerschafts-Depression • traumatisches Geburtserlebnis • krankes oder totes Kind • Abschied von der Schwangerschaft • Abschied vom "Traum-Baby" • Schwierigkeiten beim Stillen • abruptes Abstillen • Einnahme bestimmter Abstill-Präparate Psychische Faktoren • Abschied von der eigenen Kindheit • persönliche Einschränkungen • Identitätskrise • Perfektionismus • Neigung zu extremer Besorgnis • durch die Geburt reaktivierte unverarbeitete Erfahrungen aus der Vorgeschichte, zeitlich nahe um die Geburt angesiedelte belastende Ereignisse • Vorausgehende psychische Erkrankung • Kurz vorausgegangene Lebenskrise, Schicksalsschläge Quellenangabe: www. schatten-und-licht.de / Seite 1 Fachgruppe der freipraktizierenden Hebammen der Sektion Schwyz Soziale Faktoren • Idealvorstellungen hinsichtlich der Mutterrolle • in der Pflege anspruchsvolle Kinder • Reaktion der bereits vorhandenen Kinder • Neufindung in die Rolle als Mutter • veränderte Beziehung zum Partner • veränderte Beziehungen zu den Eltern und Schwiegereltern • Fehlende oder ungenügende Unterstützung durch den Lebenspartner, das soziale Umfeld • Finanzielle Belastung und Sorgen • Unterbrechung oder Aufgeben der eigenen Berufstätigkeit fehlende soziale Kontakte, fehlende Befriedigung durch die Berufstätigkeit, finanzielle Abhängigkeit Gesellschaftliche Faktoren • Verklärtes Mutter-Image • Ausklammerung der Schattenseiten der Mutterrolle • zu wenig Schonung der Mutter Postpartale Krankheitsbilder Ganz grob gliedern sich die Gemütszustände, in die eine Mutter nach der Geburt des Kindes geraten kann, in drei verschiedene Kategorien: das postpartale Stimmungstief (Baby-Blues), die postpartale Depression, die postpartale Psychose (Wochenbettpsychose). Diese Gruppen stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern gehen oft fließend ineinander über, so dass sich z.B. aus dem postpartalen Stimmungstief eine Depression entwickeln kann. Das postpartale Stimmungstief Das postpartale Stimmungstief oder auch Baby-Blues (amerikanischer Fachbegriff) bezeichnet ein kurzlebiges Stimmungstief in den ersten 10 Tagen nach der Entbindung, von dem ungefähr 50 bis 80 Prozent aller Mütter betroffen sind. Es entsteht meist zwischen dem 3. und 5. Tag. Als typische Kennzeichen dieses Stimmungstiefs gelten: • Traurigkeit und häufiges Weinen • Empfindsamkeit und Stimmungsschwankungen • Müdigkeit und Erschöpfung • Schlaf- und Ruhelosigkeit • Ängstlichkeit und Reizbarkeit • Konzentrationsschwierigkeiten u.a. • Da es sich beim Baby-Blues um eine zeitlich begrenzte und häufig vorkommende Erscheinung handelt, gilt er als normal und relativ harmlos. Die Einordnung des Baby-Blues als Normalzustand darf nicht zur Folge haben, ihm keine weitere Beachtung zu schenken. Wenn die schlechte Stimmung ungewöhnlich lange anhält (über zwei Wochen), kann sich daraus eine dauerhafte Depression entwickeln. Postpartale Depression Die postpartale Depression, von der ungefähr 10 bis 20 Prozent aller Mütter betroffen sind, kann jederzeit im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes entstehen. Dabei sind graduelle Abstufungen von leicht bis schwer zu unterscheiden. Typisch ist eine schleichende Entwicklung. Als Kennzeichen der postpartalen Depression gelten: • Müdigkeit, Erschöpfung, Energiemangel • Traurigkeit, häufiges Weinen Quellenangabe: www. schatten-und-licht.de / Seite 2 Fachgruppe der freipraktizierenden Hebammen der Sektion Schwyz • • • • • • • • • Schuldgefühle Inneres Leeregefühl Allgemeines Desinteresse, sexuelle Unlust Konzentrations-, Appetit-, Schlafstörungen Ängste, Panikattacken, Zwangsgedanken (wiederkehrende destruktive Vorstellungen) extreme Reizbarkeit Suizidgedanken ambivalente Gefühle dem Kind gegenüber psychosomatische Beschwerden, z.B. Kopfschmerzen, Schwindel, Herzbeschwerden. Postpartale Angstzustände werden als eigenständige Kategorie behandelt, da eine Frau mit diversen Angststörungen nicht zwangsläufig depressiv sein muß. Die Angstsymptome treten für gewöhnlich in den ersten zwei bis drei Wochen nach der Geburt auf und werden jedoch erst nach Ablauf einiger Wochen offensichtlich. Wenn die Symptome nicht frühzeitig erkannt und behandelt werden, können im Gefolge der Angstgefühle Depressionen entstehen. Postpartale Angsterkrankungen umfassen schwere und immer wiederkehrende Angst- und / oder Panikgefühle. Die Ängste oder Sorgen können vage und sich auf das Leben und die Welt ganz allgemein beziehen; oder sie können in ganz bestimmten Situationen auftreten. Typisch sind Ängste und Sorgen in Bezug auf das Wohlergehen des Babys. Postpartale Panikstörungen (Anfälle extremer Angst) und postpartale Zwangsstörungen (ständig zwanghaft wiederkehrende Angstgedanken, Angstvorstellungen, Angstbilder) sind schwere Formen postpartaler Angstreaktionen. Postpartale Psychose Die postpartale Psychose entsteht vorwiegend in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung, kann sich aber auch aus einer Depression entwickeln. Sie gilt als die schwerste Form der nachgeburtlichen Krise und kommt bei einer bis drei von 1000 Müttern vor. Es lassen sich folgende Formen unterscheiden: • Manische Form: starke Antriebssteigerung, motorische Unruhe, Verworrenheit, Größenwahn. Der starke Antrieb, der sich in diversen unproduktiven Aktivitäten äußert, bedeutet nicht, dass sich die Mutter in gehobener Stimmung befindet. • Depressive Form: Angstzustände, Antriebs-, Bewegungs- und Teilnahmslosigkeit • Schizophrene Form: Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Die betroffene Frau kann Stimmen hören, Menschen, Tiere und Dinge sehen, die nicht existieren. Oft sind ihre Halluzinationen religiöser Natur. • Relativ typisch für die Wochenbettpsychose sind Mischformen der genannten Zustandsbilder. Die schizo-depressiven gelten als die gefährlichsten, da sie mit einem erhöhten Suizidrisiko korreliert sind. Häufiger treten jedoch die schizomanischen Mischbilder in Erscheinung: Euphorie und Antriebssteigerung paaren sich mit der Überzeugung, verfolgt zu werden, oder mit anderen Wahninhalten. Quellenangabe: www. schatten-und-licht.de / Seite 3 Fachgruppe der freipraktizierenden Hebammen der Sektion Schwyz Prävention Diesbezügliche Fragen und Überlegungen betreffen folgende Punkte: • Nichts Größeres planen (Wohnortwechsel, berufliche Veränderungen, Weiterbildung, Ausbildung usw.) • Organisation des Alltags mit einem Säugling durchdenken • Formen der Unterstützung organisieren, geeignete Betreuungsmöglichkeiten finden etc. • Familienangehörige, Freundinnen, Familien-, Mütterpflegerin und / oder Haushaltshilfe sollten rechtzeitig vorbereitet sein. • Beenden oder Unterbrechen der Berufstätigkeit einige Wochen vor dem Geburtstermin: ausruhen, sich einstimmen auf die neue Lebenssituation, geniessen des „ungebunden Seins“ • Die Entscheidung zu einer Haus- oder Geburtshausentbindung kann das Risiko senken, da eine solche Entbindung selbstbestimmter erlebt wird und eine kontinuierliche Betreuung durch die gleiche Person eher garantiert ist. • Außerdem sollte bei der Wahl der Gynäkologin / des Gynäkologen und der Hebamme darauf geachtet werden, dass diese positiv unterstützend und nicht verunsichernd arbeiten und auch nach der Entbindung zu längeren Gesprächen und zu Hausbesuchen zur Verfügung stehen. • Bezüglich des drastischen Hormonabfalles nach der Entbindung stehen einige Prophylaxe-Methoden zur Verfügung. • Ansprechen des Themas in der Geburtsvorbereitung (Partnerabend), ohne dieses zu dramatisieren; Bereitstellen von Infomaterial Befindlichkeitsbogen postpartale Depression Die Edinburgh Postnatale Depression Skala (EPDS) wurde speziell entwickelt, um Depressionen bei Müttern in Betreuungssituationen nach der Geburt zu entdecken (Hebammenbesuch, Stillberatung, Kinderärzte, Hausärzte). Als Screening-Instrument soll die EPDS die Stimmungslage der letzten 7 Tage erheben. Der Wert der EPDS liegt darin, dass sie einfach auszufüllen ist und dass sie von den Frauen gut akzeptiert wird. Die Verwendung erlaubt den Müttern über ihre Gefühle zu sprechen und den betreuenden Fachpersonen auf einfühlsame Weise das Thema postpartale Depression anzusprechen. Der Befindlichkeitsbogen kann als PDF im Internet herunter geladen werden. http://www.marce-gesellschaft.de/verweise/FolieEPDS.pdf Quellenangabe: www. schatten-und-licht.de / Seite 4