Lymphsystem Die meisten Menschen denken, wenn von einem Gefäßsystem die Rede ist, in erster Linie an den Blutkreislauf. Das Lymphsystem ist viel weniger bekannt. Erst wenn es nicht mehr reibungslos funktioniert, wird vielen Menschen bewusst, dass es das Lymphsystem überhaupt gibt. Das Lymphsystem übt im menschlichen Organismus eine wichtige Doppelfunktion aus: Es ist das größte Organ des Immunsystems, das eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung eingedrungener Krankheitserreger, aber auch bösartig entarteter Krebszellen spielt. Genauso wichtig ist die zweite Aufgabe des Lymphsystems als körpereigenes Transport- und Filtersystem. Die Lymphflüssigkeit ist filtriertes Blut Täglich treten aus dem Blutkreislauf etwa 20 Liter Flüssigkeit durch die dünnen Wände der feinsten Blutgefäße, der Kapillaren, in das umliegende Gewebe aus. Diese Flüssigkeit wird als Lymphe oder Gewebsflüssigkeit bezeichnet. Sie versorgt die Gewebe mit Nährstoffen und Sauerstoff und nimmt Abfallstoffe und Kohlendioxid auf. Danach tritt der größte Teil der Gewebsflüssigkeit (zirka 18 Liter) wieder in die Blutkapillaren ein. Die restlichen zwei Liter Gewebsflüssigkeit dringen tiefer in die Gewebsspalten, versorgen auch entferntere Bereiche und werden schließlich von kleinsten Kapillaren des lymphatischen Systems wie von einem Drainagesystem aufgenommen. Lymphknoten sind die Filterstationen des Abwehrsystems Die Lymphe ist eine wässrige, klare, farblose bis gelbliche Flüssigkeit, in der zahlreiche weiße Blutkörperchen enthalten sind. Auf ihrem Weg durch die Gewebe nimmt die Lymphe Stoffwechselrückstände, Zelltrümmer, Eiweiß und Fremdstoffe auf, die nicht in den Blutkreislauf gelangen dürfen. In der Umgebung des Dünndarms treten auch ungespaltene Fette in die Lymphe über, weshalb sie in diesem Bereich milchig trüb aussieht. Die in das lymphatische System aufgenommene Flüssigkeit passiert auf ihrem Weg mindestens einen Lymphknoten, bevor sie zurück in den Blutkreislauf abgegeben wird. Etwa 600 dieser stecknadel- bis bohnengroßen Organe unterbrechen die Lymphbahnen. In ihrem Inneren wird die Lymphe von Fremdstoffen, Keimen und entarteten Zellen gereinigt. Krankheitskeime werden in den Lymphknoten von den anwesenden weißen Blutkörperchen unschädlich gemacht. Lymphknoten finden sich in größerer Zahl in der Halsregion, den Achselhöhlen, der Leistengegend und entlang der großen Blutgefäße. Anders als der Blutkreislauf bilden die Lymphbahnen kein geschlossenes System und können deshalb streng genommen auch nicht als Kreislauf bezeichnet werden. Der Transport von Lymphe erfolgt nur in eine Richtung, von den entfernteren Körperregionen zum Zentrum, dem Herzen, hin. Die Lymphgefäße beginnen in den äußeren Bereichen als offenes Sammelsystem, das sich zu immer größeren Einheiten vereinigt und schließlich in zwei großen Gefäßen endet. Die Lymphflüssigkeit der unteren Körperabschnitte und der linken oberen Körperhälfte sammelt sich im sogenannten Milchbrustgang (Ductus thoracicus). Die größte Lymphbahn verläuft entlang der Wirbelsäule und mündet links oberhalb des Herzens in eine Vene (die linke Unterschlüsselbeinvene). Die Lymphe der rechten oberen Körperhälfte wird in der rechten Lymphbahn, die keine besondere Bezeichnung hat, gesammelt und mündet in die rechte Unterschlüsselbeinvene. Diese beiden Venen vereinigen sich zur oberen Hohlvene, die direkt ins Herz führt. Im Unterschied zum Blut fließt die Lymphe nur sehr langsam. Lymphknoten Innerhalb eines Tages werden nur etwa 1,5 bis 2,5 Liter Gewebsflüssigkeit durch die Lymphgefäße transportiert. Zum Vergleich: Die gesamte Blutmenge des Menschen (rund fünf Liter) wird in etwa einer Minute durch den Kreislauf geschleust. Die Lymphe fließt sehr langsam, weil das Lymphsystem – im Gegensatz zum Blutkreislauf, der vom Herzen angetrieben wird – über keine eigene Pumpe verfügt. Nur die größeren Lymphgefäße sind von einer Muskelschicht umgeben, die sich rhythmisch zusammenzieht und so den Fluss der Lymphe unterstützt. Benachbarte Arterien üben ebenfalls Druck auf die Lymphgefäße aus und helfen, die Lymphe vorwärts zu pressen. Auch die Atmung unterstützt den Lymphfluss: Bei den Atembewegungen entsteht im Milchbrustgang ein Unterdruck, der eine Sogwirkung auf die Lymphe hat. Die größeren Lymphgefäße verfügen außerdem über ein Klappensystem, das ein Zurückfliessen der Lymphflüssigkeit verhindert. Lymphödem Wie wichtig der ungestörte Transport der Lymphe ist, wird spätestens dann deutlich, wenn sich ein Ödem bildet. Das Gewebe verkraftet einen Anstieg des Volumens der Gewebsflüssigkeit um bis zu 30 Prozent, bevor ein Ödem sichtbar wird. Die Schwellung ist im Anfangsstadium weich, so dass sich eine Delle ins Gewebe drücken lässt. Wird der betroffene Körperteil hochgelagert, verringert sich das Ödem oder verschwindet sogar völlig. In diesem Stadium ist das Gewebe in der betroffenen Region noch unverändert und gesund. Mit der Zeit kommt es allerdings auch durch Hochlagerung zu keinem wesentlichen Rückfluss der Lymphe mehr. Jetzt lässt sich die Schwellung kaum noch eindrücken, denn durch den gestörten Abtransport der Gewebsflüssigkeit ist es im erkrankten Bereich auch zu Gewebsveränderungen gekommen.Sollen dauerhafte Komplikationen vermieden werden, ist eine rechtzeitige Behandlung des Lymphödems unerläßlich. Durch den Lymphstau verschlechtert sich nämlich die Versorgung der betroffenenen Gewebe mit Nährstoffen. Das macht sie anfälliger für Infektionen und degenerative Erkrankungen. Deutlich ist dies an der Empfindlichkeit der Haut über dem Ödem gegenüber Krankheitskeimen zu sehen. Patienten mit Lymphödemen an den Beinen leiden dreimal häufiger unter Fußpilz als Gesunde. In den Stoffwechselprodukten der angestauten Lymphe können sich darüber hinaus verschiedene Krankheitserreger (zum Beispiel Streptokokken) besonders schnell vermehren. So entsteht im Ödembereich zum Beispiel häufig die sogenannte Wundrose (Erysipel). Eine bösartige Entartung, die sich im Lymphsystem entwickelt, wird als Lymphom bezeichnet. Dabei werden grundsätzlich 2 Lymphomtypen unterschieden: Die Hodgkin-Krankheit, die weniger häufig auftritt und seit Jahrzehnten zurückgeht, und die Non-HodgkinLymphome (NHL). Die NHL sind das Ergebnis einer wuchernden, unkontrollierten Vermehrung abnormaler Lymphozyten, die mit einer einzigen bösartig veränderten Zelle beginnen kann. Unter den Non-Hodgkin Lymphomen gibt es eine Vielzahl von Lymphomtypen. Mit 1/3 aller Fälle gehören die großzelligen-Zell-Lymphome zu den häufigsten Formen maligner Lymphome. Die B-Zellen des lymphatischen Systems sterben hierbei nicht ab, wie sonst üblich, sondern vermehren sich unkontrolliert.