Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Werbung
>PRaxiswissen | Pharmazie<
Lymphe
[ von Mathias Arnold ]
Wenig bekannt, aber lebensnotwendig
Die Lymphozyten
Jeder, der sich einmal in den Finger geschnitten hat, weiß, wie Blut aussieht.
Doch was ist die Lymphe? Und was hat sie mit unserer Gesundheit zu tun?
Das Lymphsystem durchzieht als weitläufiges und feingliedriges Drainagesystem
unseren gesamten Körper, doch welche Funktion es hat und wie wichtig es für
unsere Existenz ist, das ist nur wenigen bekannt.
nser Körper ist ständig einer Vielzahl an Bedrohungen
ausgesetzt. Unzählige pathogene Viren, Bakterien und
Pilzsporen lauern in unserer Umwelt und versuchen, in den
Körper einzudringen. Sie befinden sich in unserer Atemluft
und auf den Nahrungsmitteln, selbst im Darm und auf unserer
Haut und Schleimhaut hausen potenzielle Krankheitserreger.
Und als wenn dass nicht genug wäre, entstehen innerhalb unseres Organismus entartete Zellen, die sich dem allgemeinen
Ordnungsprinzip entziehen und durch ungeregeltes Wachstum
den Gesamtorganismus gefährden.
Ein Überleben in dieser feindlichen Welt ist nur mit einem
raffinierten Abwehrsystem möglich. Das Immunsystem ist äußerst komplex. Eine ganze Reihe von Mechanismen greifen
ineinander und ergänzen sich dabei. Während Schutzbarrieren
und unspezifische Systeme, wie zum Beispiel der Säureschutzmantel der Haut, die Magensäure oder Enzyme im Speichel das
Eindringen von Erregern verhindern sollen, erkennen hochspezifische Abwehrsysteme körperfremde Strukturen (Krankheitserreger, virusinfizierte Zellen, Krebszellen). Diese „Fremdlinge“ werden dann durch unterschiedlichste Mechanismen des
10
Immunsystems unschädlich gemacht. Das Lymphsystem ist
ein wesentlicher Bestandteil des Immunsystems. Lymphe bezeichnet das im System zirkulierende Körperwasser und leitet
sich von dem griechischen Wort lymphe = klares Wasser ab.
Das Lymphsystem besteht jedoch aus wesentlich mehr als nur
dieser Flüssigkeit. Man unterscheidet das Lymphgefäßsystem
und lymphatische Organe. Zu ihren Aufgaben zählen:
» Drainage der interstitiellen Flüssigkeit
» Entsorgung von Abbauprodukten
» Mitarbeit an der Immunabwehr und
» Transport von Nahrungsfetten aus dem Darm.
Das Lymphgefäßsystem
Im Gegensatz zum Blutkreislauf ist das Lymphgefäßsystem kein
geschlossener Kreislauf. Seine feinsten Kapillaren beginnen
blind im peripheren Gewebe, um das Gewebewasser aufzunehmen. Dieses stammt aus dem Blutplasma, das durch die Membranen der Arteriolen in die Zellzwischenräume (Interstitium)
getreten ist, um die Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen zu
> DAS PTA MAGAZIN - - 1 1 / 2 0 0 7 -- Heft 11 <
Etwa ein Zehntel aller Körperzellen gehören zu den Lymphozyten. Sie werden wie alle anderen Fraktionen der weißen Blutkörperchen (Granulozyten und Monozyten) in Knochenmarksstammzellen gebildet. Daraus entwickeln sich die
verschiedenen immunkompetenten Zellen. Im Wesentlichen
werden zwei große Klassen an Lymphozyten unterschieden:
die B-Lymphozyten und die T-Lymphozyten. Je nach den zugrundeliegenden Mechanismen unterteilt man die spezifische
Abwehr in eine humorale Abwehr (über Antikörper, mittels BLymphozyten/synonym B-Zellen) und eine zelluläre Abwehr
(über T-Lymphozyten/synonym T-Zellen).
versorgen. Der überwiegende Teil des Blutplasmas (ca. 90 Prozent) wird durch die venösen Gefäße aufgenommen und direkt
in den Blutkreislauf zurückgeführt. Die restlichen zehn Prozent
gelangen als Lymphe in die Lymphbahnen.
Die Lymphkapillaren nehmen dieses Gewebewasser, aber
auch kleinere Partikel wie Zelltrümmer, Bakterien oder andere
Krankheitserreger auf. Das auch für Makromoleküle durchlässige Endothel der Lymphkapillaren ermöglicht so den Abtransport von Verbindungen, die nicht in die Blutbahn gelangen
dürfen. Auf dem Weg durch die Lymphbahn wird die Gewebsflüssigkeit in den nächst gelegenen Lymphknoten filtriert.
Die Lymphbahnen verlaufen parallel zu den Venen und ver- Die B-Lymphozyten
einigen sich zu immer größeren Gefäßen, die letztendlich in Sie werden nicht nur im Knochenmark gebildet, sondern auch
die obere Hohlvene münden und so die Lymphe wieder dem dort ausdifferenziert. Im Prozess der Differenzierung entsteht
Blutkreislauf zuführen. In den rechten Venenwinkel fließt ledig- eine riesige Zahl an genetischen Varianten. Jede davon ist in
lich die Lymphe der rechten oberen Körperseite (aus Kopf und der Lage, bestimmte Strukturen zu erkennen. In einem SelekArm). Der linke Venenwinkel wird dagegen vom Milchbrust- tionsprozess werden alle Varianten aussortiert, die sich gegen
gang gespeist. In diesem fließen die großen Lymphbahnen der körpereigene Strukturen richten könnten. Übrig bleiben also
unteren Körperhälfte, die Hauptlymphbahn des linken Armes alle jene, die „fremde“, für den Körper unbekannte Strukturen
sowie die der linken Kopfhälfte zusammen. Da es im Lymph- erkennen können. Die so spezialisierten B-Zellen gelangen aus
system keine „Pumpe“ zur Bewegung der Flüssigkeit gibt, ist dem Knochenmark direkt in das Blut- bzw. Lymphsystem und
die Muskeltätigkeit des Körpers verantwortlich für den
Fetttransport im Lymphsystem
Transport der Lymphe. Ähnlich wie in den Venen verGrößere Fettmoleküle werden in den Darmzotten aus der Nahrung aufgenommen und an Proteine gebunden
hindern Taschenklappen den
(Lipoproteine). In Form winziger Tröpfchen (Chylomikronen) fließen sie über die Lymphe in den Milchbrustgang
Rückstrom der Flüssigkeit.
und darüber in den venösen Blutkreislauf. Dabei wird das Pfortadersystem der Leber umgangen. Die Fette
Pro Tag werden auf den gewerden nicht frühzeitig metabolisiert und stehen somit den Zellen im vollen Umfang als Energielieferanten
nannten Wegen zwei bis vier
zur Verfügung.
Liter Lymphe produziert und
transportiert.
> DAS PTA MAGAZIN - - 1 1 / 2 0 0 7 -- Heft 11 <
11
>PRaxiswissen | Pharmazie<
zirkulieren durch den gesamten Körper. Kommt es zum Kontakt mit körperfremden Molekülen oder Strukturen – die als
Antigene bezeichnet werden –, wandeln sich B-Zellen in Plasmazellen um und beginnen mit der Produktion von Antikörpern. Diese Antikörper (Immunglobuline, IgG) sind spezielle Flüssig und auch wieder nicht: Zahlreiche feste Blutzellen schwimmen im Blut
Eiweiße, die hochspezifisch an bestimmte Antigenstrukturen
binden. Durch diese Bindung werden die Antigene in Form
von Komplexen neutralisiert. Spezielle Fresszellen erkennen Teilung angeregt. Es entstehen spezielle T-Zellen mit unterdie Komplexe, nehmen sie durch Phagozytose auf und zerstö- schiedlichen Funktionen. Zytotoxische T-Zellen greifen z. B.
ren enzymatisch die fremden Strukturen. Nach einer solchen virusinfizierte oder entartete Zellen direkt an und zerstören
Immunreaktion entwickelt sich ein Teil der B-Zellen zu Ge- diese. T-Helferzellen aktivieren Plasmazellen und zytotoxische
dächtniszellen um. Diese können bei erneutem Antigenkon- T-Zellen. Die T-Helferzellen begrenzen gegenseitig ihre Imtakt sehr schnell und sehr stark reagieren. Die Immunreaktion munreaktion. Früher sprach man auch von T-Suppressorzellen,
wird also im Wiederholungsfall wesentlich schneller ablaufen, da man annahm, dass es sich dabei um eine eigene Zellgruppe
und die Erreger werden schon kurz nach ihrem Auftauchen handelte. Auch bei den T-Zellen bleibt nach der Immunreakvernichtet.
tion ein Teil als T-Zellgedächtnis erhalten, um in Zukunft eine
Dieses auch als immunologisches Gedächtnis bezeichnete schnellere und effizientere Immunreaktion zu sichern.
System ist Grundlage für die erworbene Immunität, die z. B.
dafür sorgt, dass nach einer einmal durchgemachten Er- Lymphatische Organe
krankung eine erneute Infektion mit dem gleichen Erreger
nicht wieder zum Ausbruch der Krankheit führt. Beispielsweise In den lymphatischen Organen erfolgt einerseits die Bildung
erkrankt man in der Regel nur einmal im Leben an Masern. und Differenzierung der Lymphozyten, andererseits bilden sie
Aber auch bei der aktiven Immunisierung durch
Lymphozyten-Merkzettel
Schutzimpfungen nutzt
man diese Eigenschaft des
Es gibt drei Gruppen weißer Blutkörperchen (Leukozyten): Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten. LymImmunsystems.
phozyten teilt man wiederum in zwei Klassen ein. Die B-Lymphozyten produzieren Antikörper und stellen
damit das humorale System zur spezifischen Abwehr dar. T-Lymphozyten können Antigene erkennen und ihre
Elimination einleiten. Man unterscheidet drei Untergruppen von T-Lymphozyten: T-Helferzellen (aktivierte Makrophagen und B-Lymphozyten), zytotoxische Zellen (zur Vernichtung virustragender oder entarteter Zellen)
und das T-Zellgedächtnis.
Die T-Lymphozyten
Sie sind die wichtigsten
Abwehrzellen. Auch sie
entstehen aus Knochenmarksstammzellen. Wesentliche Entwicklungsschritte erfolgen jedoch im Thymus. Der Thymus liegt hinter
dem Brustbein auf dem Herzbeutel. Er ist schon bei der Geburt
voll ausgebildet und entfaltet seine höchste Aktivität im Kindesalter, schon in der Jugend bildet er sich zurück und ist im
Erwachsenenalter kaum aktiv.
Die T-Lymphozyten werden ebenfalls auf bestimmte antigene
Strukturen geprägt. Gleichzeitig wird der Angriff auf körpereigene Zellen verhindert. Nach dieser „Ausbildung“ zirkulieren
sie durch den Körper. T-Lymphozyten haben allerdings nichts
mit Antikörpern zu tun, sie reagieren entweder direkt mit den
Erregern oder steuern die Aktivität der B-Zellen. Durch den
Kontakt mit einem Antigen werden die T-Lymphozyten zur
12
Gewebe, in denen die aktive Immunreaktion abläuft. In Bezug
auf die unterschiedlichen Funktionen unterscheidet man primäre und sekundäre lymphatische Organe.
Zu den primären lymphatischen Organen zählt man das Knochenmark (Medulla ossium) und den Thymus (Bries). Hier
erfolgt die Bildung und Reifung der Lymphozyten. Als sekundäre lymphatische Organe bezeichnet man Gewebe, in
denen die immunkompetenten Lymphozyten besonders aktiv
sind. Dazu gehören Lymphknoten, Mandeln, Milz, aber auch
der Blinddarm (insbesondere der Wurmfortsatz) und spezielle
lymphatische Gewebe auf Schleimhäuten wie z. B. die PeyerPlaques in den Dünndarmzotten.
> DAS PTA MAGAZIN - - 1 1 / 2 0 0 7 -- Heft 11 <
Anzeige
>PRaxiswissen | Pharmazie<
Besonders aktive Gewebestrukturen wie die Mandeln befinden sich dort, wo häufig Erreger eindringen
Lymphknoten (Nodus lymphaticus)
Die bohnenförmigen Lymphknoten sind fünf bis zehn Millimeter große Verdickungen und bilden die ersten Filterstationen in den Lymphbahnen. Sie bestehen aus Bindegewebe. Vom Aufbau her unterscheidet man Rinde (Cortex) und
Mark. Im Bindegewebe des Cortex befinden sich zahlreiche
Lymphfollikel, die Lymphozyten enthalten. Sie erkennen körperfremde Strukturen und lösen verschieden Reaktionen aus,
um die „Schadstoffe“ unschädlich zu machen. Im Zentrum
sammelt sich die Lymphe und wird über ein größeres Gefäß
aus dem Lymphknoten abgeführt.
Im lymphatischen Gefäßsystem finden sich hunderte solcher Lymphknoten, die in Gruppen für jedes Organ bzw. jede Körperregion angeordnet sind. Größere Ansammlungen
von Lymphknoten liegen in der Leisten- und Achselregion,
am Hals und im Bauchraum. Im Verlauf einer Infektion werden außergewöhnlich viele Lymphozyten gebildet, und die
Lymphknoten sind besonders aktiv. Speziell in den großen
Darüber hinaus bildet die Milz Makrophagen. Dabei handelt es sich um große
Zellen, die in der Lage sind, Fremdstoffe aufzunehmen (phagozytieren) und
durch Enzyme abzubauen. Sie sind ein
wesentlicher Teil der unspezifischen Abwehr, die sich gegen alle fremden Stoffe
im Körper richtet. Dieser Bereich der
Abwehr ist angeboren und wird sehr
schnell nach dem Auftauchen fremder
Strukturen aktiv. Makrophagen arbeiten
eng mit den anderen Abwehrsystemen
zusammen. Beispielsweise bilden sie im
Verlauf der Immunreaktion Immunbotenstoffe (= Interleukine), mit denen sie
B- und T-Lymphozyten aktivieren. Zudem sind Makrophagen in der Lage, auf
ihrer Zelloberfläche Bruchstücke der
abgebauten Strukturen zu präsentieren (antigenpräsentierende
Zellen). Diese werden von T-Lymphozyten erkannt, die dann
eine spezifische Immunantwort auslösen. Im Gegenzug sind
die Makrophagen aber auch auf die Zuarbeit des spezifischen
Immunsystems angewiesen, denn durch die „Markierung“
fremder Strukturen mit Antikörpern wird die Phagozytose
massiv angeregt.
In der Milz werden auch überalterte Blutzellen und Gerinnungsprodukte (Thromben) erkannt und abgebaut. Diesen
verjüngenden Effekt bezeichnet man auch als Blutmauserung.
Mandeln (Tonsillen)
Ausgehend von der Funktion des Lymphsystems, Krankheitserreger abzuwehren, ist es nicht verwunderlich, dass sich besonders aktive Gewebestrukturen speziell dort befinden, wo
häufig Angreifer in den Körper eindringen. So finden sich im
Bereich von Mund und Nase die Mandeln (Rachen-, Gaumen-
Eine Lymphbahnentzündung wird im Volksmund fälschlich
als Blutvergiftung bezeichnet. Tatsächlich hat der Erreger
in diesem Stadium die Blutbahn jedoch noch nicht erreicht.
Lymphknotenansammlungen im Leistenbereich, unter den
Achseln und in der Halsregion kommt es dadurch häufiger
zu typischen Schwellungen und eventuell zu schmerzhaften
Entzündungen.
Milz (Lien oder Splen)
Ein wichtiges Organ des lymphatischen Systems ist die Milz.
Sie wiegt ungefähr 150 Gramm und befindet sich im linken
Oberbauch direkt unter dem Zwerchfell. Hier werden Thrombozyten und bis zu 30 Prozent der im Körper befindlichen
Lymphozyten gespeichert und bei Bedarf ausgeschüttet.
14
und Zungenmandeln). Sie bilden als lymphatisches Organ eine lokale Barriere gegen eindringende Krankheitserreger. Sie
bestehen aus einer Vielzahl von Lymphfollikeln, in denen sich
B-Lymphozyten befinden. Beim Kontakt mit Krankheitserregern steigt die Lymphozytenzahl sprunghaft an. Die Mandeln
schwellen an, und es kommt zu einem Spannungsschmerz der
Bindegewebskapsel, der typisch für eine Mandelentzündung
(Tonsillitis) ist.
Gerade im Kindesalter führen bakterielle Infektionen im
Mundbereich (meist Streptokokken) zu eitrigen Entzündungen
an den Mandeln. Während man deshalb früher schnell dazu
> DAS PTA MAGAZIN - - 1 1 / 2 0 0 7 -- Heft 11 <
neigte, die Rachenmandeln zu entfernen, betrachtet man sie
heute als wichtige Barriere der Immunabwehr und versucht,
sie möglichst lange zu erhalten.
Abwehr im Magen-Darm-Kanal
Ähnlich wie die oberen Atemwege ist auch der Magen-DarmKanal eine potenziell besonders gefährdete Einfallspforte für
Krankheitserreger, die meist mit der Nahrung aufgenommen
werden. In unserem Körper gibt es deshalb auch besondere
Schutzmechanismen. So finden sich 80 Prozent der antikörperproduzierenden Zellen in der Darmwand.
Die Hälfte der pathogenen Erreger wird schon im Magen
unschädlich gemacht, die restlichen treffen im Dünndarm
auf eine Schleimhaut, die mit extrem vielen Lymphfollikeln
ausgestattet ist. Diese Follikel sind in Gruppen von bis zu
80 Follikeln zusammengefasst und werden als Peyer-Follikel
bezeichnet. Auch der Blinddarm (vor allem der Wurmfortsatz)
am Übergang vom Dünndarm in den Dickdarm ist fast vollständig mit Lymphfollikeln ausgekleidet und immunologisch
hoch aktiv.
Erkrankungen des Lymphsystems
Erkrankungen können einerseits das Lymphsystem selbst betreffen, oder aber das Lymphsystem ist im Verlauf einer anderen Erkrankung und der damit verbundenen Immunreaktionen
mit betroffen. Auch setzen sich Krebszellen, die von einem
Primärtumor abgegeben werden, in den Lymphknoten fest
(Filterfunktion) und können sich dort zu sekundären Tumoren entwickeln.
Lymphangitis
Eine spezifische Erkrankung des Lymphsystems ist die Entzündung eines Lymphgefäßes – die Lymphangitis. Die Entzündung tritt üblicherweise an oberflächlich verlaufenden Lymphbahnen auf und zeigt die typischen Entzündungssymptome,
wie Schmerzen, Schwellung, Fieber, Rötung und erzwungene
Schonhaltung des betroffenen Gliedes.
Die strangförmige Rötung der Lymphbahn führte im Volkmund zur Bezeichnung „Blutvergiftung“. Sie ist jedoch erst die
Vorstufe einer solchen Sepsis, da sich die Erreger noch nicht
in der Blutbahn befinden. Eintrittspforte der Erreger kann
z. B. eine Infektion an einer Hautverletzung sein, ein Insektenstich oder eine Injektionsstelle. Von diesem Entzündungsherd,
der meist durch den Beginn der Rötung erkennbar ist, breitet
sich der Erreger entlang der Lymphbahn aus. Die Therapie
erfolgt durch Desinfektionsmaßnahmen und die Gabe von
Antibiotika und Entzündungshemmern. Sie soll verhindern,
dass der Erreger tatsächlich in die Blutbahn gelangt und eine
lebensbedrohliche Sepsis auslöst.
Lymphödeme
Störungen beim Abtransport der Lymphe führen zu einem
Rückstau von Wasser und Eiweißen im Gewebe. Das Krankheitsbild wird als Lymphödem bezeichnet. Üblicherweise
Anzeige
>PRaxiswissen | Pharmazie<
fiziert, steht die Behandlung dieser
Erkrankung im Vordergrund. Bei
Tumoren ist oft die operative Entfernung der betroffenen Lymphknoten erforderlich.
Unterstützend sollte ein eventuell
bestehendes Übergewicht abgebaut
werden. Sportliche Betätigung wie
Radfahren, Wandern oder Schwimmen fördert den Muskelaufbau und
regt den Blutkreislauf (und damit
den venösen Rückstrom) an.
Ausgehend von einer kleinen Schnittverletzung können sich Erreger entlang der Lymphbahnen im ganzen Körper ausbreiten und zu einer Spesis führen
Lymphknotenschwellungen
Eine Schwellung der Lymphknoten (Lymphom) mit einer
eventuell daraus folgenden Entzündung ist in der Regel nur
ein Symptom und keine Krankheit. Dieses Symptom geht mit
verschiedenen Infektionskrankheiten einher und ist in diesen
Fällen Ausdruck der normalen bzw. überschießenden Abwehrreaktion des Körpers. Mit Ende der Infektion bildet sich die
Schwellung zurück. Bleiben Schwellungen ohne erkennbaren
Grund längere Zeit bestehen, kann dies allerdings auch Ausdruck ernster Erkrankungen sein,
Die Hemmung der Lymphgefäßneubildung im Tumorgewebe (Hemmung der Lymphangiogenese)
denn auch bösartige Tumoren
durch entsprechende Arzneimittel ist Gegenstand intensiver Forschungen zur Krebstherapie.
führen zu einer Beteiligung der
Lymphknoten. Werden TumorLebensjahr. Im Frühstadium treten Symptome besonders im zellen von einem Primärtumor in die umliegende GewebeBereich der Beine, Füße und Zehen (Kastenzehen) auf.
flüssigkeit abgegeben, gelangen diese Zellen mit der Lymphe
Sekundäre Lymphödeme werden im Laufe des Lebens erwor- in den nächstgelegenen Lymphknoten. Von dort können sich
ben. In Frage kommende Ursachen sind:
Tumorzellen über das Lymphsystem im ganzen Körper aus»Entzündungen und daraus folgend ein übermäßiger Anfall breiten, und es kommt zur Entstehung von Tumormetastasen. Die Untersuchung der benachbarten Lymphknoten auf
an Gewebsflüssigkeit
Tumorzellen ist ein wichtiger Faktor in der Tumordiagnostik,
»Lymphbahnverletzungen (z. B. auch durch Operationen)
»Lymphknotenentfernung (z. B. in Zusammenhang mit Brust- da die Ausbreitung von Tumoren zu den Lymphknoten hin
ein sehr frühes Ereignis in der Metastasenbildung ist. In der
krebsoperationen)
Tumorchirurgie werden deshalb nicht nur das Tumorgewebe,
»bösartige Tumoren
sondern erforderlichenfalls auch betroffene Lymphknoten un»Verklebungen der Lymphbahnen (z. B. Strahlenschäden).
tersucht und entfernt.
Solche Lymphödeme sind meist nicht heilbar, und ohne BeHeute werden die Tonsillen als wichtige Barriere der Immunabwehr betrachtet
handlung kommt die Erkrankung nicht zum Stillstand. Da die
Anreicherung der Lymphe im Gewebe u.a. eine Zunahme von
Bindegewebsfasern auslöst, werden die Lymphgefäße noch
stärker eingeengt, und das Krankheitsbild verschlimmert sich.
Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium wird die Behandlung
durch extreme Schwellungen und Verhärtungen erschwert.
Ziel der Therapie ist die Verbesserung des Lymphabtransportes aus dem Gewebe, um somit die Flüssigkeitsansammlungen zu reduzieren. Typische Behandlungsstrategien sind
spezielle Massagen, die unter dem Begriff „manuelle Lymphdrainage“ zusammengefasst werden. Desweiteren erfolgt eine Kompressionstherapie mit Bandagen oder Kompressionsstrümpfen oder -handschuhen. Bestehende Entzündungen
werden mit entsprechenden Arzneimitteln behandelt. Wird
eine Primärerkrankung oder ein Tumor als Ursache identitreten die Ödeme in den Extremitäten auf. Die Weichteilschwellungen an Armen oder Beinen können beeindruckende Ausmaße annehmen und zu Störungen der Durchblutung
und zu Nervenschädigungen führen. Häufig kommt es auch
zu Entzündungen.
Hinsichtlich ihrer Entstehung unterscheidet man primäre und
sekundäre Lymphödeme. Ursache des primären Lymphödems
sind angeborene Fehlbildungen in den Lymphbahnen oder
Lymphknoten. Es entwickelt sich üblicherweise vor dem 35.
16
> DAS PTA MAGAZIN - - 1 1 / 2 0 0 7 -- Heft 11 <
Anzeige
> P R a x i s w i s s e n | P h a rm a z i e <
Malignes Lymphom
Der Ausdruck Lymphom verweist lediglich auf eine Lymphknotenschwellung. Diese kann auch auf einer malignen (=
bösartigen) Veränderung der Zellen des Lymphsystems selbst
beruhen. In diesem Fall spricht man von einer malignen Lymphom-Erkrankung. Ausgangspunkt ist die Entartung einer
unreifen Vorstufenzelle der Lymphozyten. Diese wird zu einer
funktionslosen Lymphomzelle, die sich unkontrolliert vermehrt und so zu massiven Störungen im Lymphsystem und
in der Blutbildung (z. B. chronische lymphatische Leukämie)
führt. Da sich Lymphomzellen mit der Lymphe im ganzen
Körper ausbreiten können, wandern sie auch in andere Organe
ein und führen dort zu Funktionsstörungen.
kaum Symptome auf und auch später sind die Beschwerden
keineswegs lymphomspezifisch:
» Müdigkeit
» schmerzfreies Anschwellen der Lymphknoten
» Abwehrschwäche gegen Infektionen.
Im Endstadium kommt es zu opportunistischen Infektionen
und zum Versagen von Organen. Die sichere Diagnose kann
meist erst über eine Gewebsanalyse nach einer Lymphknotenbiopsie gestellt werden.
Die Lymphknoten sind die ersten Filterstationen der Lymphbahnen. Hunderte solcher
Knoten, die aus Bindegewebe bestehen, sind den einzelnen Organen oder Körperregionen
zugeordnet. Im Verlauf einer Infektion sind sie besonders aktiv
Wenn sich Zellen des Lymphsystems bösartig verändern, entsteht ein malignes Lymphom.
Mit der Lymphe breiten sich Lymphomzellen im ganzen Körper aus, wandern in andere
Organe und führen hier zu funktionellen Ausfällen
Aus der Vielzahl der Entwicklungsstufen auf dem Weg zum
reifen Lymphozyten ergibt sich auch die große Zahl (über 30!)
unterschiedlichster maligner Lymphom-Typen, denn jeder
Zelltyp einer Vor- oder Zwischenstufe kann entarten. Aus einmal entarteten Zellen können aber auch genetisch veränderte
Tochterzellen entstehen, die wiederum spezielle Krankheitsbilder auslösen.
Erstmals wurde eine maligne Lymphom-Erkrankung 1832
von dem englischen Arzt Thomas Hodgkin als Lymphogranulomatose beschrieben und wird heute auch als HodgkinLymphom bezeichnet. Alle später entdeckten malignen Lymphom-Formen bezeichnet man als Non-Hodgkin-Lymphome.
Diese werden wiederum nach verschiedenen Nomenklaturen
unterteilt.
Im klinischen Bild zeigen die verschiedenen Erkrankungen
zunächst keine nennenswerten Unterschiede. Es erkranken vor
allem Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Zu Beginn treten
18
Die einzelnen malignen Lymphomtypen unterscheiden sich
nicht nur bezüglich ihrer Entstehungsgeschichte; auch der
Verlauf und die Heilungschancen variieren stark. So gibt es
schnell wachsende (aggressive) und träge, eher langsam wachsende (indolente) maligne Lymphome ebenso wie hoch- und
niedrigmaligne. Während die einen sofort und massiv behandelt werden müssen, beeinträchtigen die anderen die Lebensqualität des Patienten kaum und werden nur beobachtet. Eine
Standardbehandlung kann es also nicht geben, und der Vergleich verschiedener Therapien ohne Kenntnis der genauen
Erkrankungsform besitzt keine Aussagekraft.
In der Therapie der malignen Lymphome hat es in den letzten
Jahren erhebliche Fortschritte gegeben. Ein beträchtlicher Teil
der Patienten kann geheilt werden. Selbst wenn eine Heilung
nicht möglich ist, kann durch die Therapie das Leben unter
Erhalt einer angemessenen Lebensqualität deutlich verlängert
werden. Zum Einsatz kommen Chemo-, Strahlen-, Immunund Hochdosistherapien mit anschließender Knochenmarksbzw. Stammzelltransplantation. Die Auswahl der Therapie
richtet sich nach dem Erkrankungstyp, dem Erkrankungsstadium und der Konstitution des Patienten (z. B. dem Alter).
> DAS PTA MAGAZIN - - 1 1 / 2 0 0 7 -- Heft 11 <
Herunterladen