Immunabwehr im Lymphsystem der Haut - Phlebologie

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Schwerpunkt Lymphologie – Übersichtsarbeit
Immunabwehr im Lymphsystem
der Haut
K. Schmolke
Abteilung für Labormedizin DRK-Kliniken, Berlin
Schlüsselwörter
Epidermis, Langerhans-Dendriten, Lymphbahn, antigenpräsentierende Zelle
Zusammenfassung
Als Grenzorgan zwischen Außen und Innen ist
die Haut prädestiniert für häufigen und intensiven Kontakt mit Pathogenen und ist daher
immunologisch besonders gerüstet. Das Immunsystem schützt die Integrität des Organismus mit angeborenen Komponenten wie der
physikalisch-chemischen Barrierefunktion der
Haut, den Phagozytosezellen und dem Komplementsystem. Das Netzwerk der Langerhans-Dendriten in der Epidermis ermöglicht
sofortiges Aufspüren und zügigen Transport
von Antigenmaterial in den regionären Lymphknoten und Auslösung einer spezifischen Immunantwort durch T- und B-Zellen. Für immunologische Vorgänge ist die Passage durch die
Korrespondenzadresse
Dr. med. Kathrin Schmolke
Oberärztin der zentralen Abteilung für Labormedizin
DRK-Kliniken Berlin, Standort Westend
Spandauer Damm 130, 14050 Berlin
E-Mail: [email protected]
Lymphbahnen entscheidend, da Zellen und
Lymphbahnen vielfältig wechselwirken. Einerseits werden durch die Interaktion von dendritischen Rezeptoren mit antigenen Strukturen intrazelluläre Signale getriggert, die die Wanderung durch die Lymphbahn zum Lymphknoten
über Chemokine und Chemokinrezeptoren ermöglichen. Die Langerhans-Dendriten andererseits verändern sich auch selbst phänotypisch
während der Wanderung durch die Lymphbahnen: sie verlieren die Phagozytosefähigkeit zugunsten der verstärkten Synthese von MHCMolekülen und werden zu antigenpräsentierenden Zellen.
Keywords
Epidermis, Langerhans dendritic cells, lymphatic system, antigen-presenting cell
Zitierweise des Beitrags/Cite as:
Immune defence in the lymphatic system of the skin
Phlebologie 2015; 44: 118–120
DOI: http://dx.doi.org/10.12687/phleb2262-3-2015
Eingereicht: 18. März 2015
Angenommen: 19. März 2015
English version available at:
www.phlebologieonline.de
Lymphsystem
Das Lymphsystem reguliert den Gewebedruck durch Rückfluss von interstitieller
Flüssigkeit ins Blut. Diese Flüssigkeit, die
Lymphe, wird über die Venenwinkel ins venöse System zurückgeleitet. Neben der homöostatischen Funktion im Flüssigkeitshaushalt erfüllt das Lymphsystem auch
Transportfunktionen im oberen Gastrointestinalbereich für hochmolekulare hydrophobe Chylomikronen aus dem Verdauungstrakt. Noch ein weiteres System nutzt
die Lymphbahnen für den Transport seiner
© Schattauer 2015
Komponenten: das Immunsystem. Über
die Lymphgefäße migrieren Immunzellen
aus der Körperperipherie in die regionären
Lymphknoten. Auf dem Weg in die
Lymphorgane interagieren Lymphgefäße
und Immunzellen in vielfältiger Weise miteinander.
Aufgaben des Immunsystems
Die Aufgabe des Immunsystems ist die Abwehr von Infektionserregern und Überwa-
Summary
As the interface organ between the body and
the external environment, the skin is predestined to have frequent and intensive contact
with pathogens and therefore possesses a
particularly well-developed immunological
defence. The immune system protects the
body’s integrity with innate components
such as the skin’s physicochemical barrier
function, the phagocytic cells and the complement system. The network of Langerhans
dendritic cells in the epidermis allows immediate detection and rapid transport of
antigen material to the regional lymph nodes
and the triggering of a specific immune response by T and B cells. For immunological
processes, the passage through the lymphatic system is decisive, as diverse interactions occur between cells and the lymphatic
system. On the one hand, the interaction of
dendritic receptors with antigenic structures
triggers intracellular signals, allowing migration through the lymphatic system to the
lymph node via chemokines and chemokine
receptors. On the other hand, the Langerhans
dendritic cells alter their own phenotype during migration through the lymphatic system:
they lose their ability to phagocytise in favour of the increased synthesis of MHC molecules and become antigen-presenting cells.
chung der Gewebeintegrität des Gesamtorganismus. Eine wesentliche Voraussetzung
dafür ist die Differenzierung zwischen körpereigenen Bestandteilen („selbst“ = ungefährlich)
und
nicht-körpereigenen
(„fremd“ = potenziell gefährlich). Das wird
über die Expression von MHC-Molekülen
(MHC – major histocompatibility complex, Haupthistokompatibilitätskomplex)
auf der Zelloberfläche kernhaltiger Zellen
möglich, die zelleigene Peptide nach außen
präsentieren und so dem Immunsystem intaktes Selbst signalisieren: Sie werden nicht
angegriffen.
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K. Schmolke: Immunabwehr im Lymphsystem der Haut
Apoptotische Zellen und Tumorzellen
stehen auf der Grenze zwischen Selbst
und Fremd: Als ursprünglich körpereigene Zellen, die mutagen verändert sind,
können Tumorzellen über ihr Oberflächen-MHC möglicherweise mutagen veränderte Peptide präsentieren und sich so
ans Immunsystem „verraten“. Folglich regulieren Tumorzellen MHC auf ihrer
Zelloberfläche herab (1). Es handelt sich
hierbei um einen gezielten Mechanismus,
um der Zerstörung durch das Immunsystem zu entkommen (immune escape).
Apoptotische Zellen hingegen verlieren
MHC im Rahmen der Membrandegradierung des gerichteten Zelltods. Apoptose
erfolgt gerichtet und löst keine Entzündungsreaktion aus (2). Das Immunsystem
wird nicht alarmiert, da die geplant sterbenden Zellen sich von innen her auflösen, Zellreste werden gezielt phagozytiert.
Pathogene hingegen exprimieren auf ihren Oberflächen völlig andere molekulare
Strukturen als Körperzellen. Dadurch
sind sie für das Immunsystem deutlich
erkennbar und lösen eine Immunreaktion
aus. Ähnlich ist es bei allogenen Transplantaten, die zwar humanes MHC besitzen, aber eben das eines anderen Individuums. Beide werden als fremd erkannt
und vom Immunsystem attackiert
(▶ Abb. 1).
Die zellulären und partikulären Komponenten des Immunsystems werden in
angeborene und erworbene unterteilt. Der
angeborene Teil reagiert schnell, gleichförmig und unveränderlich auf verschiedenste
Reize (unspezifische Reaktion).
Die Träger der unspezifischen Immunität sind im Körper stark verbreitet und reagieren konservativ und ubiquitär („viel hilft
viel“). Neben den physikalisch-chemischen
Barrieren gehören die Phagozytosezellen
und das Komplementsystem dazu. Der erworbene Teil reagiert zwar mit zeitlicher
Verzögerung und benötigt hochdifferenzierte Reize, die über spezialisierte Rezeptoren erkannt werden (spezifische Reaktion). Aber die Zellen der spezifischen Immunität sind adaptierfähig, erinnerungsfähig und interindividuell verschieden. Bei
Erstkontakt mit einem Erreger reagieren
nur wenige T- und B-Zellen, bei Zweitkontakt viele, schnell und mit hochaviden Rezeptoren.
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Immunsystem
Unterscheidung
Toleranz
Selbst
Fremd
Selbst
verändertes Selbst
intakte
Zelle
tote Zelle
Tumorzelle
Elimination
Fremd
Pathogen
Fremdkörper
Transplantat
Abb. 1 Die Aufgabe des Immunsystems besteht im Erhalt der Integrität des Gesamtorganismus und
aller seiner Zellen. Vorraussetzung dafür ist die Fähigkeit, zwischen körpereigen (Selbst) und nicht-körpereigen (Fremd) zu unterscheiden. Körpereigene Strukturen sollen vom Immunsystem toleriert, fremde
erkannt (und eliminiert) werden.
Immunität der Haut
Als Grenzorgan ist die Haut prädestiniert
für besonders häufigen und intensiven
Kontakt mit Pathogenen. Obwohl die Epidermis selbst eines der wenigen lymphfreien Körpergewebe darstellt (3, 4) ist die
Grenze zwischen außen und innen in besonderem Maß immunologisch gerüstet.
Wenn es Erregern gelingt, die physikalischchemischen Barrieren zu überwinden,
wird zunächst die angeborene Immunabwehr induziert. Chemokin-gesteuert wandern neutrophile Granulozyten aus den
Gefäßen ins Gewebe ein und phagozytieren am Ort der Primärreaktion.
Abb. 2 Die Lymphgefäße der Haut bilden ein
horizontales polygonales Kapillarnetzwerk unterhalb der Epidermis. Sie enthalten keine eigene
Muskulatur, sind aber filamentös in der Gewebsmatrix verankert. Murine Epidermis nach Fluoreszenz-Lymphagiographie; © mit freundlicher Erlaubnis von G. Randolph; Nachdruck mit Genehmigung von Macmillan Publishers Ltd: Nature Reviews Immunology (aus 5)
Komplementkomponenten
werden
durch Bindung von C3b an bakterielles Lipopolysaccharid (LPS) aktiviert und lösen
eine Kaskade aus, die zur Bildung von Porenkomplexen führt, die die bakterielle
Zellwand zerstören. Einzelne Komplementkomponenten wirken zusätzlich opsonisierend (d. h. markiert zur Phagozytose). Repetitive molekulare Oberflächenstrukturen wie das LPS der gramnegativen
Bakterienzellwand werden von Gewebsmakrophagen über spezielle Rezeptoren erkannt. Da diese evolutionär stark konservierten Strukturen auf humanen Zellen
nicht exprimiert werden, erlauben sie den
Makrophagen eine schnelle und sichere Erkennung der eindringenden Erreger.
Das Netzwerk der Langerhans-Zellen in
der Haut löst die Übermittlung der pathogenen Strukturen an das spezifische Immunsystem aus. Langerhans-Zellen sind
dendritische Zellen der monozytären Linie,
die sich mittels ihrer langausgezogenen
Zellfortsätze zwischen den epidermalen
Zellen verzweigen. Sie phagozytieren laufend extrazelluläres Material in ihrer Umgebung. Wenn sie Erregermaterial aufgenommen haben, wandern sie über die dermalen Lymphbahnen zum nächstgelegenen
lokoregionären Lymphknoten (5, 6).
Während der Migration durch die
Lymphbahnen verändern sich die Langerhans-Zellen phänotypisch und funktionell
und reifen zu ihrer eigentlichen Funktion
aus: der antigenpräsentierenden Zelle
(APC). Dabei verlieren sie ihre Phagozytosefähigkeit zugunsten der verstärkten Syn© Schattauer 2015
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Gewebszwischenraum
Lymphkapillare
Arteriole
Gewebszelle
Gewebsflüssigkeit
Venole
Lymphbahn
these von MHC-Molekülen. Über MHC
präsentieren sie in den nodulären T-Zellregionen antigene Peptide an T-Zellen. Passt
eine naive oder memory-T-Zelle mit ihrem
T-Zell-Rezeptor genau zum präsentierten
antigenen Peptid, kommt es zur immunologischen Synapse und damit zur Initiierung einer spezifischen Immunantwort (7)
mit Zerstörung des Antigens.
Die Funktionen der
Lymphbahnen der Haut
Die Lymphbahnen sind als Wegenetz der
Immunzellen ein Teil des Immunsystems.
In der Haut bilden sie ein Netzwerk, das in
der Kutis parallel zur gefäßlosen Epidermis
liegt (▶ Abb. 2). Die Flussrichtung der
Lymphe ist unidirektional von der Peripherie ins Zentrum und wird durch Klappenstrukturen gewährleistet. Der Zusammenfluss des Ductus thoracicus und der Vena
cava im Venenwinkel vereinigt Lymphund Blutfluss. Da T-Zellen zwischen Blut
und Lymphe zirkulieren können, und dendritische Zellen aus der Peripherie zu den
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Abb. 3
T-Zellen migrieren zwischen Blut- und
Lymphbahnen hin und
zurück. (Bildquelle:
Webseite des National
Cancer Institute
http://www.cancer.
gov)
Lymphknoten wandern, ist die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens im
Lymphknoten besonders hoch (▶ Abb. 3).
Die dendritischen Zellen stehen an der
Schnittstelle zwischen angeborener und
spezifischer Immunität, Antigene eines
breiten Spektrums von Krankheitserregern
aus der Haut werden von ihnen prozessiert.
Unreife Dendriten in Oberflächenepithelien phagozytieren Antigene ähnlich wie
Makrophagen. Sie können extrazelluläres
Material aufnehmen (z.B. von Bakterien,
Pilzen, Parasiten) oder direkt von Viren infiziert werden und intrazelluläre Virusproteine aufnehmen. Durch die Interaktion
von dendritischen Rezeptoren mit antigenen Strukturen werden intrazelluläre Signale getriggert, die die Wanderung durch
die Lymphbahn zum Lymphknoten über
Chemokine und Chemokinrezeptoren ermöglichen.
Das Zusammenspiel von CCR7 (chemokine receptor type 7) auf den Dendriten
und den passenden Liganden CCL19 (chemokine ligand 19) in den Lymphbahnen
scheint eine Wanderung längs eines gerichteten Gradienten zum Lymphknoten zu er-
möglichen (8). CCL19-Defekte in der
Maus führen jedenfalls zu deutlich niedrigeren Zahlen von Dendriten im Lymphknoten (9, 10). Gleichzeitig wird verstärkt
MHC exprimiert, was zu einer vermehrten
Antigenpräsentation führt, noch weiter
verstärkt durch die Mediatoren des entzündlichen Milieus (Leukotriene, Prostaglandine). So verändert sich der Langerhans-Dendrit während der Lymphpassage
von einer sesshaften Fresszelle zu einer migrierenden Zelle, die die aufgenommene
Antigenlast effektiv am richtigen Ort dem
passenden Immunzell-Partner zur Schau
stellt.
In experimentell von der Lymphe abgetrennten Hautabschnitten kann – obwohl
der Blutfluss weiterhin ungestört funktioniert – eine spezifische Immunantwort
nicht ausgelöst werden (7), da T-Zellen
niemals direkt im Gewebe auf antigenes
Material sensibilisiert werden können. Zur
Auslösung einer adaptiven Immunantwort
ist die Lymphpassage der epidermalen
Dendriten essenziell.
Auch ein zerstörtes Lymphsystem kann
dieser Aufgabe nicht mehr gerecht werden.
Risikofaktoren sind Infektionen, allen voran durch Staphylokokken und Streptokokken (Erysipel), aber auch Parasitosen,
Traumata, Bestrahlung oder Chemotherapeutika. Das führt zum Ödem mit Atrophie der Lymphknoten oberhalb länger bestehender Stauungen (11).
Therapieansätze wie die manuelle
Lymphdrainage, die den Lymphfluss wieder in Gang bringen, fördern mit der wiederhergestellten Passage der Dendriten die
Antigenpräsentation im Lymphknoten und
somit die Immunantwort.
Die Literatur zu diesem Artikel finden Sie
online unter www.phlebologieonline.de.
Jede Ausgabe mit Volltext im Internet –
auch in Englisch!
Phlebologie 3/2015
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K. Schmolke: Immunabwehr im Lymphsystem der Haut
Literatur
1. Dunn GP, Old LJ, Schreiber RD. The immunobiology of cancer immunosurveillance and immunoediting. Immunity 2004; 137–148.
2. Bossi G et al. The secretory synapse: the secrets of
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4. Cueni LN, Detmar M. The lymphatic system in
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5. Randolph GJ, Angeli V, Swartz MA. Dendritic-cell
trafficking to lymph nodes through lymphatic
vessels. Nature Immunology 2005; 5: 617–628.
6. Mártin-Fontecha A et al. Regulation of Dendritic
Cell Migration to the Draining Lymph Node: Impact on T Lymphocyte Traffic and Priming. J Exp
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Spektrum Verlag Heidelberg 2009.
8. Förster R et al. CCR7 coordinates the primary immune response by establishing functional microenvironments in secondary lymphoid organs. Cell
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9. Gunn MD et al. Mice lacking expression of secondary lymphoid organ chemokine have defects in
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10. Luther SA et al. Coexpression of the chemokines
ELC and SLC by T zone stromal cells and deletion
of the ELC gene in the plt/plt mouse. Proc Natl
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11. Olszewski WL et al. Topography of Accumulation
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Lymphat Res Biol 2009; 4: 239–245.
© Schattauer 2015
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