Chronisch rezidivierende Infektionen und Immunopathien

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Übersichtsarbeit
Chronisch rezidivierende Infektionen
und Immunopathien
A. Miller
Fachärztin für Dermatologie und Venerologie Allergologie – Phlebologie / Lymphologie, die hautexperten, Berlin
Schlüsselwörter
Keywords
Lymphgefäßsystem, Infektion, Immunopathie, Lymphödem
Lymphatic system, infection, immunopathology, lymphoedema
Zusammenfassung
Summary
Das Lymphgefäßsystem hat eine zentrale
Funktion im Immunsystem des Menschen.
Nach Antigenaufnahme und Transport zu den
Lymphknoten wird die Antikörperproduktion
initiiert. Viele Substanzen, wie Fette, Proteine
und Zellbestanteile werden ausschließlich
über das Lymphgefäßsystem aufgenommen
und transportiert. Ein Defekt dieses Systems
für zu einer Reduktion der Abwehr und erhöht das Risiko für Infektionen. Mit jeder Entzündung wird auch ein Lymphödem induziert
oder verstärkt. Eine frühzeitige und ausreichende Therapie ist deshalb wichtig.
In the immune system the lymphatic system
has a central function. Starting with absorption and transport of the antigen to the lymphatic nodes it initiates the production of
antibodies. Many substances like fat, proteins and cell detritus can only be absorbed
and transported by the lymphatic system. A
defect of this systems reduces defence and
increase the risk of infection. Any inflammation includes and intensifies lymphoedema. Therefore early and sufficient therapy is
important.
Korrespondenzadresse
Dr. Anya Miller
die hautexperten
Wilmersdorfer Straße 62, 10627 Berlin
Tel. 030/31997836
E-Mail: [email protected]
Zitierweise des Beitrages/Cite as:
Chronic recurrent infections and immunopathy
Phlebologie 2016; 45: 308–309
http://dx.doi.org/10.12687/phleb2334-5-2016
Eingereicht: 10. August 2016
Angenommen: 16. August 2016
English version available at:
www.phlebologieonline.de
Das Lymphgefäßsystem und die 600–700
Lymphknoten des Menschen spielen eine
wichtige Rolle in der Abwehrfähigkeit des
Körpers und der immunologischen Auseinandersetzung mit Fremdkörpern.
Das Mikrofiltrat im Kapillarbereich
wird fast komplett über das lymphatische
System resorbiert (1) und teilweise über
die Lymphknoten den Venen zugeleitet.
Proteine, Fette, Zellen, chemische, organische und nichtorganische Zellprodukte,
Zellresiduen und vor allem Bakterien und
Viren werden ausschließlich lymphogen
entsorgt.
© Schattauer 2016
Dringen Keime durch die Hautbarriere
ein, erfolgt zum einen eine unspezifische
Abwehr durch Phagozytose von neutrophilen Granulozyten und Aktivierung der
Komplementkaskade und zum anderen eine Phagozytose durch Langerhans-Zellen.
Diese werden durch die Lymphkollektoren
zu den Lymphknoten geleitet. Die Langerhans-Zellen reifen auf dem Weg aus zu
hocheffizienten antigenpräsentierenden
Zellen (APC). Dabei verlieren sie ihre Fähigkeit zur Phagozytose zugunsten der
Synthetisierung von MHC-Molekülen. In
den Lymphknoten treffen sie auf T-Zellen
und wenn nun eine naive oder MemoryT-Zelle mit ihrem T-Zellrezeptor zum präsentierten antigenen Peptid passt, kommt
es zur immunologischen Synapse und zur
Initiierung einer spezifischen (erworbenen) Immunantwort, die letztendlich in
der Produktion weiterer T-Effektorzellen
mündet. Diese können infizierte Zellen gezielt destruieren (2).
Bei Erkrankungen des Lymphgefäßsystems ist diese Abwehrfähigkeit deutlich reduziert. Sind initiale Lymphgefäße und
Lymphkollektoren aplastisch, funktionieren
weder die Aufnahme noch der Transport
und die Ausreifung der Langerhans-Zellen.
Auch bei einer Fibrose als Folge chronischer
Ödeme ist die Aufnahme gestört. Infektionen sind deshalb die häufigsten Komplikationen von lymphatischen Malformationen.
(3). Während die Erysipelhäufigkeit in der
gesunden Bevölkerung mit 0,001 % angegeben wird, liegt sie im Stadium III des
Lymphödems bei 50–70 % (4).
Bei einer Infektion durch bakterielle Pathogene führt die Freisetzung von TNF-α,
Interleukin-1β aus Makrophagen zu einer
Weitstellung der Gefäße und Extravasation
von Plasma in das Gewebe und damit zu
einem Ödem.
A-Streptokokken bei Erysipelen induzieren eine Spaltung von Bradykininvorstufen, was zu einer Aktivierung des epithelialen Komplementsystems und ebenfalls zu einer gesteigerten vaskulären
Durchlässigkeit führt (5). Dieses Ödem ist
meist von Fieber und Schmerz begleitet.
Zudem wird die propulsive Muskulatur der
Lymphkollektoren durch Prostaglandine,
Stickoxid und Histamin gelähmt. Die Folge
ist ein intrinsisches Pumpversagen der
Lymphgefäße und wiederum ein Ödem.
Durch die resultierende Fibrose des Gewebes ist mit jedem Erysipel eine Zunahme
der lymphatischen Abflussstörung gegeben. Für eine adäquate Immunantwort ist
aber ein Kontakt des Immunsystems im
Phlebologie 5/2016
A. Miller: Chronisch rezidivierende Infektionen und Immunopathien
Lymphknoten mit dem Antigen erforderlich. Lymphknoten, oberhalb länger bestehender Stauungen atrophieren und reduzieren dadurch die Abwehrfähigkeit des
Körpers. Ein Erysipel kann die erste klinische Manifestation einer vorbestehenden
Lymphabflussstörung sein.
Ein Erysipel sollte frühzeitig behandelt
werden. Basistherapie ist eine systemische
Antibiose (6). Dabei ist Penicillin immer
noch das Mittel der ersten Wahl (z.B. Penicillin G 3Mio IE/d über 14d). Alternativ
können Erythromycin, sonstige Makrolidantibiotika, Clindamycin oder Amoxicillin
gegeben werden. Die Komplexe physikalische Therapie (KPE), insbesondere MLD
und Kompression sollte nach Ansprechen
auf die Antibiose, in aller Regel nach zwei
Tagen wieder angewendet werden. Hautveränderungen sind entsprechend zu behandeln. Die Extremität sollte überwiegend
hoch gelagert und gekühlt werden.
Bei rezidivierenden Erysipelen ist eine
Prophylaxe mit Azithromycin (3d/Monat)
angezeigt, alternativ Penicillin i.v. für 10
Tage alle 3 Monate oder i.m. 2,4 mega alle 2
Wochen (Cave Spritzenabszess).
Zur Vermeidung von Infektionen ist auf
eine gute Hautpflege, z.B. mit harnstoffhaltigen Externa (Urea 10 %), Vermeidung der
Bildung von feuchten Kammern in Hautumschlagfalten und ggf. eine lokale antimykotische Dauerbehandlung zu achten.
Bei Verletzungen der Haut sollte sofort und
ausreichend desinfiziert werden.
Neben der Prophylaxe lokaler Infektionen ist eine konsequente KPE eine wichtige
Unterstützung des Immunsystems bei Patienten mit chronischen Lymphödemen.
Interessenkonflikt
Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Ethische Richtlinien
Für dieses Manuskript wurden keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.
Literatur
1. Levick JR, Michel CC. Microvascular fluid exchange and the revised Starling principle. Cardiovascular Research 2010; 87(2); 198–210.
doi:10.1093/cvr/cvq062
2. Schmolke K. Immunabwehr im Lymphsystem der
Haut. Phlebologie 2015; 44 (3): 118–120.
3. Wojcicki P, Woicicka K. Epidemiology, Diagnostics and Treatment of Vascular Tumors and
Malformations. Adv Clin Exp Med 2014, 23:
475–484.
4. Chakraborty S, Gurusamy M, Zawieja DC, Muthuchamy M, Lymphatic filariasis: perspectives on
lymphatic remodeling and contractile dysfunktion
in filarial disease pathogenesis. Microcirculation
2013; 20: 349–364.
5. Schmolke K. Erysipel und Immunsystem. LymphForsch 2010; 14 (2): 65–68.
6. Heine-Varias U, Miller A. In: Leitfaden Lymphologie. Hrsg. von Gültig O, Miller A, Zötzer T.
München: Elsevier/Urban & Fischer 2015;
169–176.
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