Alpiner Lebensraum - Bündner Naturmuseum

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Alpiner Lebensraum
(Alpine Stufe/Alpine Zone)
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Die Alpine Stufe
Ueli Rehsteiner & Jürg Paul Müller, Bündner Naturmuseum
Die Alpine Stufe oder Alpine Zone, auch Zwergstrauch- und Grasheidenstufe genannt, befindet sich oberhalb der Waldgrenze, in Graubünden also meist in der
Höhenlage von ca. 2’000 – 2’500 m ü.M. (Höhenstufen siehe auch Kapitel "Einführung"). Die genauen Höhengrenzen sind lokal sehr verschieden. An der Nordabdachung der Alpen (z.B. Alpstein mit Säntis) liegt die Waldgrenze deutlich tiefer als in Mittelbünden oder gar im Engadin. Die klassische Gliederung der Höhenstufen ist in Diskussion geraten, weil sie vor allem im Waldgrenzenbereich die
natürliche Situation schlecht beschreibt, da hier die Stufen stark miteinander
verzahnt sind. Daher wurde der Begriff des Waldgrenzökotons vorgeschlagen.
Zu beachten ist auch, dass die Waldgrenze vom Menschen zur Gewinnung von
Wies- und Weideland durch Rodung weiträumig gesenkt wurde.
Innerhalb des Waldgrenzökotons unterscheidet man folgende Begriffe
 Waldgrenze
Obere Grenze des geschlossenen Waldes.
 Baumgrenze
Bis hier gibt es geschlossene Gruppen von Bäumen, die mindestens 3 Meter hoch
werden.
 Baumartengrenze
Bis hier gibt es einzelne Individuen von Baumarten, welche aber nicht Baumwuchs erreichen.
Das Waldgrenzökoton erstreckt sich von der Waldgrenze bis zur Baumgrenze.
Die Alpine Stufe beginnt nach dieser Definition bei der Baumgrenze und erstreckt sich bis zur oberen Grenze der geschlossenen Vegetation. Oberhalb
schliesst die Nivale Stufe ("Schneestufe") an. Auch zwischen diesen beiden Stufen besteht ein fliessender Übergang.
Waldgrenzökoton
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Lebensräume der Alpinen Stufe
Graslandschaften oder Urwiesen
Auch wenn Bäume weitgehend fehlen, stellt das Grünland oberhalb der Waldgrenze einen produktiven Lebensraum dar. Das Pflanzenwachstum ist zwar auf
wenige Monate beschränkt, doch ist das Wachstum in dieser kurzen Periode sehr
hoch, auch im Vergleich mit anderen Ökosystemen. Die Wiesen der subalpinen
Stufe (also unterhalb der Waldgrenze) beruhen vielerorts auf Rodungen. Im Gegensatz dazu befinden sich die Urwiesen der alpinen Stufe an Standorten, wo
kein Wald mehr wachsen kann.
Zwergsträucher wie Wacholder und Heidekraut
Oft an Orten mit einer geringen Schneedecke.
Geröll- und Blockhalden
Je nach Geologie ist dieser Lebensraumtyp selten oder weit verbreitet. Die spaltenreichen Lebensräume weisen ein spezielles Mikroklima auf.
Felsgebiete
Steilstehende kompakte Felsen nehmen in vielen Regionen grosse Flächen ein.
Gewässer (Bäche, Tümpel etc.)
Im Gegensatz zum Umland sind die Gewässer erstaunlich temperaturkonstant.
Gespiesen von Schmelzwasser, Quellen und Niederschlägen weisen sie ganzjährig kaltes Wasser auf, die Temperaturen bewegen sich zwischen 0 und 10°C.
Wichtige Lebensräume im Gebirge: Gewässer
Murmeltier
Wichtige Umweltfaktoren in Gebirgslagen
Die folgenden Umweltfaktoren beeinflussen die Tiere und Pflanzen im Gebirge in
besonderem Masse:
 In der bodennahen Luftschicht sind die Temperaturen bei Sonneneinstrah-
lung oft sehr hoch! Murmeltiere und Schneehühner sind in der Mittagshitze
nicht oder nur wenig aktiv.
 Die UV-Strahlung steigt mit zunehmener Höhe an und ist im Gebirge sehr
hoch. Sie führt zu Anpassungen bei Pflanzen und Tieren.
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 Die extreme Kälte hat verschiedenste Anpassungen zur Folge. Besonders wir-
bellose Tiere werden durch die Kälte stark in ihrer Aktivität gehemmt, haben
aber verschiedene Mechanismen entwickelt, um nicht zu gefrieren.
 Die kurze Vegetationsperiode hat eine Nahrungsknappheit in den übrigen
Monaten zur Folge. Wirbeltiere begegnen ihr durch Abwanderung (Zugvögel),
Winterschlaf (Murmeltier), Winterruhe (Eichhörnchen, Braunbär), Reduktion
der Aktivität (Huftiere), Anlegen von Vorräten (Tannenhäher) oder dem Aufsuchen klimatisch günstiger Stellen (Schnee, Birk-, Steinhuhn).
 Schnee deckt Nahrung zu und erschwert die Fortbewegung (Energiehaushalt).
Eine Schneeschicht schützt aber auch vor Kälte und Austrocknung.
Tiere der alpinen Stufe: Wirbeltiere
Im Waldteil des Waldgrenzökotons leben typische Arten der europäischen Nadelwälder wie der Tannenhäher oder die Ringdrossel. Ein sehr typischer Vertreter
der Übergangszone Wald – Offenland ist das Birkhuhn.
Im Grünland dominieren Steppenarten wie Murmeltier, Feldmaus, Bergpieper
oder Steinschmätzer.
Die Blockfelder und Geröllhalden werden von Kreuzotter und Schneemaus besiedelt.
Felsen sind oft reich an Insekten und Spinnentieren, die entweder dort ständig
vorkommen oder durch den Wind eingetragen werden. Daher finden Insektenfresser wie etwa der Mauerläufer hier ein gutes Auskommen.
Bergbäche beherbergen die Wasserspitzmaus und die Wasseramsel, die von einer Unzahl von Wassertierchen (Bachflohkrebse etc.) leben können. Die Wassertemperaturen schwanken im Jahresverlauf zwischen knapp über Null bis etwa 10
Grad Celsius – im Vergleich mit tieferen Lagen also sehr wenig („Temperaturkonstanz“). Tümpel sind bis in Höhen von 2'500 m ü.M. Laichgewässer für den
Grasfrosch.
Die Schneemaus (Chionomys nivalis)
© zvg
Die Schneemaus ist ein typischer Bewohner
felsiger Lebensräume. Im Kanton Graubünden ist sie weit verbreitet und kommt vorwiegend über der Waldgrenze bis auf 2500
m ü.M. vor. Falls Felsblöcke vorhanden
sind, kann sie aber auch in Wäldern vorkommen. Obwohl zur Gruppe der Wühlmäuse gehörend, gräbt sie keine Erdbaue, sondern ist auf felsigen Untergrund angewiesen, wo sie in zerklüfteten Felsbändern und Geröllfeldern lebt. Die Spaltensysteme bieten einen mikroklimatisch günstigen Lebensraum, der im Sommer kühl
und im Winter vergleichsweise warm ist. Die Schneemaus ist als Spaltenbewohner ein gewandter Kletterer und gestaltet ihre Umgebung mitunter selbst,
indem sie Erdklumpen oder Steinchen wegräumt oder auftürmt. Die Art zeigt ein
ausgesprochenes Sozialverhalten mit Jungenaufzucht und gegenseitigem Putzen.
Schneemäuse leben in relativ sesshaften Kolonien. Dichteschwankungen der Po-
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pulationen sind gering. Als Prädatoren (Fressfeinde) der Schneemäuse kommen
Turmfalke, Kreuzotter, Fuchs, Hermelin und Mauswiesel in Frage.
Das Birkhuhn (Tetrao tetrix)
In Graubünden besiedelt das Birkhuhn den
Bereich der Waldgrenze. Die gesamte Länge des Waldgrenzenbereiches beträgt ca.
1‘500 km. Hier herrschen harte Klimabedingungen. Die Temperaturen liegen im
Jahresmittel um den Gefrierpunkt. Während rund 6 Monaten kann Schnee liegen.
Das Wachstum der Pflanzen ist auf 3 bis 4
Monate beschränkt. Das Birkhuhn weist
verschiedene Anpassungen an diesen Lebensraum auf. Das dichte Gefieder bietet
einen sehr guten Wärmeschutz. Die Zehenbefiederung mit Hornstrukturen
vermindert das Einsinken im Schnee.
Ausgewachsene Birkhühner sind Pflanzenfresser, die auch schwerverdauliche
Nahrung von Sträuchern und Bäumen aufnehmen. Ein kräftiger Muskelmagen
und die langen, voll funktionsfähigen Blinddärme sind Anpassungen an die Verdauung von Pflanzennahrung. Den Winter überstehen Birkhühner nur in guter
Kondition, wenn sie ihre Aktivität einschränken. Sie sind daher in dieser Jahreszeit nur während einer kurzen Zeit aktiv und verbringen die restliche Zeit in
selbst gegrabenen Schneehöhlen.
Treten im Winterlebensraum viele Störungen auf, verlieren die Birkhühner durch
Flucht und Sichern viel Energie. Sie sind dann auch Feinden wie Füchsen und
Kolkraben vermehrt ausgesetzt. Die Bergstationen von Transportanlagen wie
Bahnen und Skilifen befinden sich oft auf exponierten Kuppen, die bevorzugte
Balzplätze sind. Wenn der Skibetrieb bis in den April dauert oder die Kuppen total
verbaut sind, werden die Balzplätze aufgegeben.
Der Aufzuchterfolg wird stark vom Klima beeinflusst. Nasskalte Witterung führt
zu einer hohen Sterblichkeit der Küken, die sich von Insekten ernähren und von
der Mutter gewärmt werden müssen.
In Graubünden werden jährlich rund 150 Birkhähne erlegt. An ausgewählten
Balzplätzen werden alljährlich Zählungen durchgeführt.
Das Alpenschneehuhn (Lagopus muta)
Das Alpenschneehuhn besiedelt ausschliesslich offene Gebiete oberhalb der
Waldgrenze. In der alpinen und subnivalen Stufe ist es weit verbreitet. Im Unterschied zum Birkhuhn, bei dem sich die Männchen auf Balzplätzen treffen, leben
Alpenschneehühner paarweise und das Männchen verteidigt ein Revier, das es
mit einem auffälligen Singflug markiert. Die 6 bis 10 Eier werden auf den Boden
gelegt, manchmal gut versteckt in der Zwergstrauch- und Krautschicht, manchmal auch völlig offen. Das brütende Weibchen verlässt sich dabei völlig auf seine
exzellente Tarnung.
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Wie das Birkhuhn schützt sich das Schneehuhn durch selbst gegrabene Schneehöhlen. Hier kann die Temperatur mehr als 20°C wärmer sein als draussen und
die Vögel sind vor dem Wind geschützt.
Wintersportanlagen oder Variantenskifahren können das Vorkommen des Schneehuhns beeinträchtigen. In den letzten 20
Jahren haben die Bestände des
Schneehuhns gemäss Informationen der
Schweizerischen Vogelwarte um 30% abgenommen, was möglicherweise auf die
Klimaveränderung zurückzuführen ist.
Brütendes Alpenschneehuhn
In Testgebieten werden alljährlich Bestandserhebungen durchgeführt. In Graubünden werden jährlich ca. 300 bis 600 Schneehühner erlegt.
Der Alpensalamander (Salamandra atra)
In der Schweiz leben zwei Salamanderarten, nämlich der Feuersalamander (Salamandra salamandra) und der Alpensalamander. In seiner Verbreitung ist der
Alpensalamander auf die Alpen und einige wenige angrenzende Gebirge (z. B.
Dinarische Gebirge) beschränkt. Die höchsten Dichten werden zwischen 600 und
2000 m ü.M. erreicht. Der Lebensraum des Alpensalamanders sind Alpweiden,
Karstgebiete, Laub- und Mischwälder, sofern sie nicht zu trocken sind. Besonders
häufig sind sie entlang von Bächen, in Tobeln und Schluchten. Die Dichten können bis zu 2500 Individuen pro Hektare (= 1 Individuum pro 4 m2) erreichen.
Wichtig sind Strukturen wie Steinmauern oder -haufen usw., die Unterschlupf
bieten.
Als Ausnahme unter den Amphibien und in Anpassung an seinen Lebensraum im
Gebirge ist der Alpensalamander lebendgebährend, d.h. die Fortpflanzung ist
nicht ans Wasser gebunden. Das Weibchen bringt
nach einer Tragzeit von 2
bis 4 Jahren ein bis zwei
Junge zur Welt. Die Tiere
können ein Alter von 15
Jahren erreichen.
Alpensalamander
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Der Bergpieper (Anthus spinoletta)
Der Bergpieper ist mit seinem mehrheitlich grauen Gefieder ein unauffälliger Bewohner alpiner Wiesen, Weiden und Zwergstrauchgesellschaften. Eher verrät ihn
sein Gesang, den er in einem weiten Singflug vorträgt, der bis zu 30 Sekunden
dauern kann. Der Bergpieper ist
in Graubünden der häufigste
Brutvogel der alpinen Stufe und
insbesondere zwischen 1800 und
2400 m ü.M. weit verbreitet. Es
sind Dichten von bis zu 7 Revieren/10 ha bekannt.
Sein Nest legt der Bergpieper gut
versteckt unter Zwergsträuchern
oder Grasbüscheln an. Das Gelege umfasst in der Regel 4 bis 6
Eier. Nach ca. zwei Wochen
schlüpfen die Jungen, nochmals zwei Wochen später verlassen sie das Nest. In
einer Studie im Dischmatal (Davos) waren 56 % aller Bruten erfolgreich, d.h. sie
produzierten mindestens einen Jungvogel.
Tiere der alpinen Stufe: Wirbellose
 Im Waldgrenzenökoton ist der Artenreichtum relativ hoch, da hier Wald- und
Gründlandarten nebeneinander vorkommen. So wurden auf der Alp Flix (Oberhalbstein) auf einer Fläche von wenigen Aren rund 100 Spinnenarten gefunden.
 Besonders gut vertreten sind im Waldgrenzenbereich und darüber die Fliegen,
die hier als Blütenbesucher die mit der Höhe seltener werdenden Hautflügler
(z. B. Bienen) als Bestäuber ablösen. Fliegenmaden sind überdies wichtige Abbauorganismen. Dafür werden die Regenwürmer selten.
 Wichtig für alpine Ökosysteme ist der Eintrag von Insekten und Spinnen mit
dem Wind. Diese Nahrungsquelle ist nicht zu unterschätzen und erklärt die
hohe Anzahl von Räubern in den Nahrungsketten.
Fliegen lösen in der alpinen Stufe die Hautflügler als Bestäuber zu einem grossen Teil ab.
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Einige Begriffe und Bemerkungen
Alpen
Die Alpen, die sich über 1200 km von Nizza bis nach Wien erstrecken, sind weltweit gesehen
ein kleines Gebirge. Weil hier die Gebirgsforschung begann und viele Situationen und Prozesse erstmals beschrieben wurden, taucht das Wort alpin immer wieder auf. Die Alpen umfassen den ganzen Gebirgsraum, also auch die Täler.
Alpin
Bezeichnet im engeren Sinne die Vegetationsstufe oberhalb der Waldgrenze bis zum ewigen
Schnee (nivale Stufe) und wird oft auch im Sinne von „zu den Alpen gehörend gebraucht“,
zum Beispiel alpine Geologie, alpine Forschung.
Die Herkunft des Wortes wird von verschiedenen Forschern auf das akkadische Wort „alpi“
zurückgeführt, was so viel wie „dem Rinde gehörig“ bedeutet. Die Bedeutung der alpinen
Hochflächen für die Rinderhaltung wurde sehr früh erkannt.
Alpenmythos
Mit der zunehmenden Verstädterung im 19. Jahrhundert wurden die Alpen immer verklärter
wahrgenommen (Heidi–Effekt). Hier die verrussten Städte mit dem Sittenzerfall, dort die
gesunde Bergwelt mit der naiven, aber moralisch intakten Bevölkerung: ein Bild, das so nie
stimmte, denn die Bergbevölkerung war zum Beispiel oft unterernährt und krank. Diese falsche Optik hinterlässt bis heute ihre Spuren, umso mehr als sie im 2. Weltkrieg mit dem
Réduit–Gedanken („notfalls überleben wir im Herzen der Schweiz“) noch zusätzlichen Auftrieb erhielt. So werden die Alpen von vielen als ein besonders ursprünglicher Ort wahrgenommen („Die ewigen Berge!“, "Ewiges Eis"). Dies stimmt für die etwas zaghafteren Veränderungen der Landschaft im Vergleich zum Mittelland in den letzten Jahrhunderten. Aber in
grösseren Zeiträumen gesehen haben die Alpen zum Beispiel wegen den Eiszeiten eine enorm
dramatische Vergangenheit.
Alpenforschung
Vergleichsweise gut erforscht ist die Pflanzenwelt. Berühmte Schweizer Botaniker haben die
Flora besonders seit dem 19. Jahrhundert eingehend studiert. Die zoologische Freilandforschung erlebte in der Schweiz im 20. Jahrhundert ein Tief. Ein Resultat ist die bescheidene
Kenntnis der alpinen Fauna und damit auch der Ökosysteme.
Nutzungsarten in der alpinen Stufe
Alpwirtschaft
Die Alpung von Gross- und Kleinvieh während der Sommermonate ist die klassische Nutzung der alpinen Weiden. Sie ist grundsätzlich ökologisch wertvoll, da
ein natürliches Futterangebot ohne umfangreiche Lebensraumveränderungen
genutzt werden kann. Wird sie aufgegeben, stellt sich dort, wo der Mensch gerodet hat, wieder Wald ein („Verbrachung“). Da die relativ grossen Herden von
einer vergleichsweise kleinen Personenzahl betreut werden, ist sie auch ökonomisch sinnvoll. Man unterscheidet in Graubünden Milchkuhalpen, Mutterkuhalpen, Galtviehalpen, Schafalpen und Ziegenalpen. Reine Pferdealpen sind selten.
Gelegentlich gibt es Mischalpen. In Zunahme begriffen ist die Alpung von Mutterkühen, während die Tierzahlen auf den anderen Alpen eher rückläufig sind. Kuh-,
Ziegen- und Schafkäse sind wertvolle regionale Produkte.
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Ein altes Mass, der so genannte Stoss, soll Übernutzung verhindern ("bestossen"). Ein Stoss erlaubt die Alpung einer Milchkuh während eines Alpsommers
von 90 Tagen. Für andere Tiere als Milchkühe gibt es die entsprechenden Umrechnungsfaktoren. So machen auch drei Milchziegen einen Stoss aus. Die Kapazität einer Alp wird dementsprechend in Stössen ausgedrückt.
Neben der Viehpflege und dem Käsen ist eine sinnvolle Weidetechnik eine wichtige Grundlage für eine nachhaltige Alpwirtschaft. Mit einer entsprechenden Umtriebsbeweidung werden alle Teile der Alp entsprechend ihrer natürlichen Produktion genutzt. Das verhindert eine lokale Übernutzung und Unkrautbildung. Von
grosser Bedeutung sind auch ausreichende Tränkemöglichkeiten. Der Wasserbedarf des Viehs ist gross.
Als Folge des Auftretens von Bär und Wolf werden in einigen Regionen Herdenschutzhunde eingesetzt.
Situation im Exkursionsgebiet Alp Stätz
Waldgrenzökoton
Auf der Alp Stätz ist die natürlicherweise vorkommende Situation durch den Menschen stark
verändert worden. Ursprünglich - vor der menschlichen Nutzung - war die Alp Stätz viel
stärker bewaldet, noch über den heutigen Standort der Alpgebäude hinauf. Die Rodungen
des Waldes führten zu einer von Alpenrosen dominierten Landschaft. Die Alpenrosen wurden im Zusammenhang mit Pistenplanierungen und Weideverbesserungen beseitigt.
Artenvielfalt Fauna
Anlässlich der Exkursion besuchen wir die alpine Stufe nur in ihrem untersten Bereich. Dort
ist eine grosse Artenfülle an Wirbellosen und Wirbeltieren vorhanden. Es existiert ein Mosaik
von Lebensräumen, die zum Teil noch recht naturnah, zum Teil aber extrem verändert sind.
In Bezug auf die Artenvielfalt der Tiere dürfte die Gesamtbilanz nicht allzu schlecht sein. Einige Arten sind mobil und können lokale Defizite rasch ausgleichen, andere hingegen nicht.
Es ist wichtig, die verschiedenen Artengruppen differenziert zu betrachten.
Nutzung - Interaktionen
Die Alpwirtschaft hat einerseits von den Pistenplanierungen profitiert, weil damit die grossen
Alpenrosenfelder teilweise beseitigt wurden. Leider wurde bei der Begrünung der Pisten
nicht auf eine Optimierung des Futterangebotes geachtet. Durch die Erschliessung des ganzen Gebietes mit Anlagen wurde die Wasserversorgung der Alp (Tränkebrunnen) erheblich
verbessert.
Von der Schneelage her ist die Mulde des Stätzer Täli für das Skifahren gut geeignet. Es erstaunt, dass derart massive Pistenplanierungen sowie Beschneiungsanlagen überhaupt nötig
sind. Dies hängt mit der hohen Auslastung zusammen, die mit dem Bau von bodenunabhängigen Transportanlagen noch erhöht wurde. Die Alp Stätz ist im Kerngebiet total vom Menschen belegt. Grössere Tierarten haben nur in Randgebieten ein Auskommen.
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Tourismus
Der Wintertourismus ist in der alpinen Stufe eine ausserordentliche prägende
Nutzungsform, welche auf den Naturraum einen bedeutend stärkeren Einfluss
nimmt als der Sommertourismus. Die Auswirkungen sind regional sehr verschieden.
 Feste Anlagen, v. a. Bauten wie Betriebsgebäude, Speicherseen etc. verdrängen an ihrem Standort die Tier- und Pflanzenwelt weitestgehend.
 Geländeveränderungen wie Pistenanlagen haben oft eine sehr lange Regenerationszeit.
 Als Tourist und Sportler verändert der Mensch das Verhalten insbesondere
wildlebender Säuger in Raum und Zeit: sie nutzen Gebiete räumlich und zeitlich (Jahreszeit, Wochentage, Tageszeit) v.a. wenn der Mensch abwesend ist.
 Wildruhezonen schützen besonders im Winter die Wildtiere vor Störungen
(siehe auch Kapitel Wild).
Ein Nebeneinander von Naturschutz und Wintertourismus ist nicht immer einfach.
Es stellt sich die Frage der optimalen Raumordnung. Ist es besser, einige Gebiete
dem Tourismus zu opfern und daneben möglichst naturnahe Zonen zu belassen,
oder soll eine mehr oder weniger intakte Natur flächendeckend vorkommen?
Beschneiung
© zvg
Gründe für den Einsatz von Beschneiungsanlagen sind die Sicherung von ungünstig gelegenen Pisten wie etwa Talabfahrten oder späte
oder unzureichende Schneefälle. Gerade das
Einschneien im Winter ist von Jahr zu Jahr
grossen Schwankungen unterworfen und hat
sich durch den Klimawandel noch verstärkt. Der
künstlich hergestellte Schnee unterscheidet sich
erheblich vom Naturschnee. Er fällt nicht in Form von Kristallen, die durch Sublimation direkt aus dem dampfförmigen Zustand in den festen übergehen und als
Basis eine Sechseckstruktur haben, sondern entsteht durch Gefrieren aus fein
zerstäubten Wassertröpfchen. Diese gefrieren von aussen nach innen, was ihnen
eine Zwiebelstruktur gibt. Entsprechend leicht zerfallen sie in kantige Bruchstücke. Kunstschnee ist entsprechend „aggressiv“ für die Laufflächen der Skis und
Snowboards. Er enthält viel weniger Luft als Naturschnee und isoliert daher den
darunter liegenden Boden weniger gegen die Kälte. Dadurch wird die Vegetationsentwicklung im Frühjahr verzögert. Auch die Artenvielfalt nimmt ab. Seine
Aufbereitung mit Pistenmaschinen ist aufwändig. Zusammen mit dem Bau der
Beschneiungsanlagen ergeben sich hohe Kosten.
Sechseckstruktur eines natürlichen Schneekristalls (links) im Gegensatz zur Struktur von
Kunstschneekörnern, welche durch Gefrieren von aussen nach innen entstehen (rechts)
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Die Situation im Exkursionsgebiet der Alp Scharmoin und der
Plantahofalp (Kuonrigenhus)
Vielfalt der Lebensräume
Die Exkursion führt von der Mittelstation der Rothornbahn (1904 m ü.M.) vorerst
über die Alp Scharmoin Richtung Norden ins Skigebiet von Parpan (Heimberg,
Beltrametti–Piste) und von dort hinunter zur Plantahofalp (1560 m ü.M.). Die
Waldgrenze ist überall stark aufgelockert und liegt deutlich tiefer als sie ohne
Einfluss des Menschen wäre. Im Gebiet der Alp Scharmoin trifft man auf die verschiedensten Weidetypen von der ursprünglichen Vegetation bis zu Flächen, die
im Zusammenhang mit den Pistenplanierungen vollständig neu angesät wurden.
Kleinstrukturen, die für alpines Gelände typisch sind, wie Blockhalden und
Zwergsträucher, fehlen an den stark veränderten Standorten.
Artenvielfalt Fauna
Wir besuchen die alpine Stufe nur in ihrem untersten Bereich. Hier findet sich
eine grosse Artenfülle an Wirbeltieren und Wirbellosen. Das Waldgrenzenökoton,
in dem Arten der Wälder und solche des Grünlandes leben, ist erstaunlich artenreich. Mit zunehmender Höhe nimmt der Artenreichtum in der alpinen Stufe ab,
aber nicht so dramatisch wie früher angenommen wurde. Entscheidend ist auch
hier die Vielfalt der Kleinstlebensräume.
Alpwirtschaft
Auf der Alp Scharmoin, einer modernen Milchkuhalp, besichtigen wir die Weideflächen. Die Plantahof Alp, eine Einrichtung des Landwirtschaftlichen Bildungsund Beratungszentrums Plantahof, Landquart, ist eine Musteralp, auf der auch
Versuche zur Weidetechnik durchgeführt werden. Die Käseherstellung, die hier
in allen Prozessstufen demonstriert wird, ist sehr aufwändig und unterliegt strengen hygienischen Auflagen.
Nutzung - Interaktionen
Pistenplanierungen können, wenn sie optimal ausgeführt werden, zu Weideverbesserungen führen, zerstören aber meistens den Lebensraum der ursprünglichen Fauna und Flora. Die Erschliessung der Alpen für den Wintersport führt zu
einer besseren Wasserversorgung für das Alpvieh, das einen grossen Wasserbedarf hat. Im Gebiet Scharmoin – Heimberg sind alle für den Skisport geeigneten
Geländeeinheiten stark genutzt. Insbesondere grössere Wildtiere haben nur in
den Randgebieten ein Auskommen.
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Klimawandel
Dass ein Klimawandel mit einer Erwärmung tatsächlich stattfindet, gilt heute als
gesichert. Dabei ist nicht erstaunlich, dass sich das Klima an sich wandelt, sondern die Geschwindigkeit, mit der sich dieser Wandel vollzieht. Wenn sich der
heutige Trend fortsetzt, wird es in unseren Breitengraden innerhalb der nächsten
50 – 100 Jahren zu einem Temperaturanstieg von mehreren °C kommen. Ausserdem dürfte sich das Niederschlagsregime so verändern, dass vermehrt Sommertrockenheit auftritt, und Extremereignisse wie Stürme, Überschwemmungen
und Dürreperioden werden wahrscheinlich zunehmen.
Wie wirken sich diese Veränderungen auf unsere Tier- und Pflanzenwelt aus? Bei
der Beantwortung dieser Frage ist wichtig zu beachten, dass die Auswirkungen
nicht einheitlich sind!
Vegetationswandel
In den tieferen Lagen dürfte das Klima durch die trockenen Sommer immer mediterraner werden, was die Einwanderung von Arten aus dem Mittelmeerraum zur
Folge hat. Insbesondere in Siedlungsgebieten tiefer Lagen erfolgen solche Einwanderungen sehr schnell, während Veränderungen der Ökosysteme der Hochlagen langsamer ablaufen.
Die Waldfläche hat sich in den letzten Jahren stets vergrössert und wird dies bei
einer Klimaerwärmung auch weiter tun. Die Aufgabe der landwirtschaftlichen
Nutzung begünstigt die Zunahme der Waldfläche mancherorts ebenfalls. Die beiden Faktoren "Klima" und "Nutzungsaufgabe" fördern also beide die Ausdehnung
der Waldfläche. Der Klimawandel bewirkt insbesondere eine Verschiebung des
Waldgürtels nach oben, wo die Bodenmächtigkeit und -qualität dies zulässt.
Oberhalb der Waldgrenze entstehen grosse neue Flächen durch den Rückgang
der Gletscher. Für einige Arten bedeutet dies eine Ausdehnung des Lebensraumes. An kühle Lebensbedingungen angepasste Arten werden aber in höhere Lagen ausweichen müssen und dort, wo dies nicht möglich ist, verschwinden. Die
Bestände des Schneehuhns sind aktuell rückläufig, was Wissenschafter auf die
Klimaveränderung zurückführen.
Durch Extremereignisse wie Überschwemmungen, Lawinen und Felsstürze können zwar ganze Gebiete zerstört werden, dadurch entstehen aber auch neue Lebensräume, wodurch solche "Naturkatastrophen" auf die Biodiversität sogar einen positiven Einfluss haben können.
Einfluss auf die Fauna
Auch bei den Tieren ist zu beobachten, dass vermehrt neue Arten in die Schweiz
einwandern, welche bisher hier nicht heimisch waren. Durch die oben beschriebenen Prozesse gibt es einige kälteliebende, steppenbewohnende Arten wie den
Schneehasen oder das Schneehuhn, welche zunächst auf den von den Gletschern
frei gegebenen Flächen mehr Lebensraum finden, aus tieferen Lagen aber verschwinden. Die Bestände des Schneehuhns haben in den letzten 20 Jahren um
30% abgenommen, was von manchen Ornithologen als Folge der Klimaänderung
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beurteilt wird. Zu den sich ausbreitenden Arten könnten Felsbewohner wie zum
Beispiel das Steinhuhn gehören, allerdings kann verstärkte Bewaldung den Lebensraum für diese Arten auch wieder einschränken. Generell dürften mobilere
Arten weniger Probleme haben, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen,
während weniger mobile Arten oder solche, welche auf weniger mobile Arten als
Futter oder Wirt angewiesen sind, abnehmen. Ebenfalls bedroht sind Arten mit
bereits heute kleinem und isoliertem Verbreitungsgebiet, die sogenannten Eiszeit-Reliktarten.
In der Bilanz wird die Artenzahl in der Schweiz trotz steigender Aussterberate
vermutlich weiter ansteigen, da die Einwanderungen zahlreicher sind als die Aussterbefälle. In der Gesamtwertung sind die Aussterbevorgänge aber stärker zu
gewichten, da viele Arten gänzlich, also weltweit aussterben, wogegen die eingewanderten Arten ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet ausserhalb der
Schweiz haben.
Der menschliche Einfluss
Der Mensch beeinflusst das Artenspektrum und die Artenvielfalt mindestens so
stark durch die Veränderung der Lebensräume wie durch die zumindest mitverursachte Klimaerwärmung. Veränderte Landnutzung durch intensivierte Landwirtschaft und Ausräumung von Kleinstrukturen auf der einen Seite, aber auch
durch die Aufgabe der Landwirtschaft in den Bergregionen können innert kürzester Zeit Lebensräume vernichten und dadurch Arten zum Aussterben bringen.
Während der Kampf gegen die Klimaerwärmung nur in kleinen Schritten passieren kann und sich über eine lange Zeit hinweg ziehen wird, bieten die Beibehaltung einer kleinräumig vielfältigen Nutzung und ausgedehnte Schutzzonen den
besten Schutz für bedrohte Arten.
Fotonachweis: wo nicht anders vermerkt ©U. Rehsteiner
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