Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie Lösungsvorschläge zu

Werbung
TUM, Zentrum Mathematik
Lehrstuhl für Mathematische Physik
WS 2013/14
Prof. Dr. Silke Rolles
Thomas Höfelsauer
Felizitas Weidner
Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie
Lösungsvorschläge zu Übungsblatt 3
Tutoraufgaben:
Aufgabe T3.1
Vier internationale Großfabrikanten von Quietscheenten beliefern den Badeartikelladen
Ihres Vertrauens und haben einen gleichgroßen Anteil an den verkauften Enten. Bei einer
Untersuchung stellt sich heraus, dass sich 6% der Quietscheenten, die vom Unternehmen
A hergestellt wurden, nicht aufrecht über Wasser halten können, bei Unternehmen B
sind es 8%, bei Unternehmen C 12% und bei Unternehmen D sogar 14%.
(i) Sie kaufen in dem Laden eine Ente. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie
eine aufrecht schwimmende Ente bekommen?
(ii) Ihr Nachbar hat zwei Enten derselben Produktion erworben, von denen eine nur
mit Schlagseite schwimmt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die andere
Ente aufrecht schwimmt?
(iii) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Enten Ihres Nachbarn von Unternehmen D stammen?
Lösung
Es seien A, B, C und D die Ereignisse „Quietscheente wurde von Unternehmen A (bzw.
B, C, D produziert“. Diese Ereignisse bilden eine Partition von Ω. E bezeichne das Ereignis „Quietscheente schwimmt nicht aufrecht“. Laut Aufgabenstellung teilt sich die
Gesamtproduktion auf die Unternehmen zu gleichen Anteilen auf, also gilt
P(A) = P(B) = P(C) = P(D) = 0,25.
Weiterhin sind folgende Wahrscheinlichkeiten angegeben:
P(E|A) = 0,06,
P(E|B) = 0,08,
P(E|C) = 0,12,
P(E|D) = 0,14
(i) Gefragt ist nach P(E c ). Nach der Formel von der totalen Wahrscheinlichkeit (A ∪
B ∪ C ∪ D = Ω) gilt
P(E c ) = 1 − P(E)
= 1 − P(E|A)P(A) + P(E|B)P(B) + P(E|C)P(C) + P(E|D)P(D)
= 1 − 0,25 · 0,06 + 0,25 · 0,08 + 0,25 · 0,12 + 0,25 · 0,14 = 0,9
(ii) Es bezeichne F das Ereignis, dass die zweite Quietscheente aufrecht schwimmt,
dann ist P(F |E c ) zu bestimmen, wobei nach (i) P(E c ) = 0,1 ist. Durch Bedingen
auf die Unternehmen erhalten wir
P(F ∩ E c )
P(E)
1
=
· P(F ∩ E c |A)P(A) + P(F ∩ E c |B)P(B) + P(F ∩ E c |C)P(C)
P(E)
+ P(F ∩ E c |D)P(D)
0,25
=
· (0,94 · 0,06 + 0,92 · 0,08 + 0,88 · 0,12 + 0,86 · 0,14)
0, 1
= 0,89
P(F |E c ) =
(iii) Gefragt ist nach P(D|E). Eine Anwendung der Bayes-Formel ergibt
P(D|E) =
P(D ∩ E)
P(E)
P(E|D) · P(D)
P(E|A)P(A) + P(E|B)P(B) + P(E|C)P(C) + P(E|D)P(D)
0,14 · 0,25
=
0,06 · 0,25 + 0,08 · 0,25 + 0,12 · 0,25 + 0,14 · 0,25
= 0,35.
=
Aufgabe T3.2
Für ein n ∈ N sei Ω = {0, 1}n , F = P(Ω) und P die Gleichverteilung auf Ω. Für
jedes j ∈ {1, . . . , n} sei Aj := {(ω1 , . . . , ωn ) ∈ Ω : ωj = 1} und es sei außerdem
An+1 := {(ω1 , . . . , ωn ) ∈ Ω : ω1 + ω2 + . . . + ωn gerade}.
Zeigen Sie, dass A1 , A2 , . . . , An , An+1 abhängig, aber jeweils n dieser n + 1 Ereignisse
unabhängig sind.
Lösung
Wir berechnen zuerst die Wahrscheinlichkeiten P(Aj ) für j ∈ {1, . . . , n} und P(An+1 ):
n−1
|A |
Die Mächtigkeit von Ω ist |Ω| = 2n . Aus |Aj | = 2n−1 folgt P(Aj ) = |Ω|j = 2 2n = 12
für 1 ≤ j ≤ n. Da die Abbildung An+1 → Acn+1 , (ω1 , . . . , ωn ) 7→ (ω1 , . . . , ωn−1 , 1 − ωn )
n+1 |
bijektiv ist, folgt |An+1 | = |Acn+1 |. Daher gilt 1 = P(Ω) = P(An+1 ) + P(Acn+1 ) = |A|Ω|
+
|Acn+1 |
|Ω|
n+1 |
= 2 |A|Ω|
= 2 · P(An+1 ) und folglich ist P(An+1 ) = 21 .
Tn+1 Wir zeigen nun, dass A1 , . . . , An , An+1 abhängig sind. Für gerade n
ist
i=1 Ai = 1
Tn+1
Tn+1 −n
und folglich P i=1 Ai ) = 2 . Ist n ungerade, so ist i=1 Ai = 0 und folglich
T
Tn+1
Q
−(n+1)
P n+1
= n+1
i=1 Ai ) = 0. In beiden Fällen gilt P
i=1 Ai ) 6= 2
i=1 P(Ai ). Die
Ereignisse A1 , A2 , . . . , An , An+1 sind also abhängig.
Nun bleibt zu zeigen, dass je n der Ereignisse A1 , . . . , An+1Tunabhängig
Q sind. Sei hierfür
I ⊆ {1,Q
. . . , n + 1} mit |I| ≤ n. Wir müssen zeigen,Tdass P( i∈I Ai ) = i∈I P(A
Ti ). Offen−|I|
n−|I|
bar ist i∈I P(Ai ) = 2 . Wir behaupten, dass | i∈I Ai | = 2
, woraus P( i∈I Ai ) =
2n−|I|
−|I|
=2
und somit die Unabhängigkeit folgt.
2n
T
Falls n + 1 6∈ I, ist die Behauptung klar. Falls n + 1 ∈ I enthält i∈I Ai genau die
Folgen ω, für die ωi = 1 für alle i ∈ I \ {n + 1} ist, somit sind noch n − |I| + 1 Stellen
zu besetzen. Davon sind n − |I| Stellen frei besetzbar, die letzte muss so mit 0 oder 1
belegt werden, dass die Summe ω1 + . . . + ωn gerade ist. Insgesamt gibt es also 2n−|I|
Möglichkeiten.
Hausaufgaben:
Aufgabe H3.1
Seien A, B und C Ereignisse. Zeigen oder widerlegen Sie die folgenden Aussagen:
(i) Falls A = B gilt, so sind A und B abhängig.
(ii) P(A) ∈ {0, 1} impliziert, dass A und B unabhängig sind.
(iii) Sind A und B sowie B und C unabhängig, so sind auch A und C unabhängig.
(iv) Sind A und B c unabhängig, so gilt dies auch für A und B.
(v) Sind A, B und C unabhängig, so sind auch A ∪ B und C unabhängig.
Lösung
(i) falsch: Sei zum Beispiel A = B = Ω. Dann ist P(A ∩ B) = P(Ω) = 1 = P(A)P(B),
also sind A und B unabhängig.
(ii) richtig: Sei P(A) = 0. Dann gilt P(A ∩ B) = 0, denn P(A ∩ B) ≥ 0 und aufgrund
der Monotonie von P ist P(A ∩ B) ≤ P(A) = 0. Also ist P(A ∩ B) = P(A)P(B).
Sei P(A) = 1. Dann ist P(A ∩ B) = P(B), denn P(A ∩ B) = P(A) + P(B) − P(A ∪
B) = 1 + P(B) − P(A ∪ B) ≥ P(B) und P(A ∩ B) ≤ P(B). Insgesamt ist also
P(A ∩ B) = P(A)P(B).
(iii) falsch: Sei A = C, B unabhängig von A und P(A) ∈ (0, 1). Dann ist P(A ∩ C) =
P(A) 6= P(A)2 = P(A)P(C). A und C sind also abhängig.
(iv) richtig: P(A ∩ B) = P(A ∩ (Ω \ B c )) = P(A \ (A ∩ B c )) = P(A) − P(A ∩ B c ) =
P(A) − P(A)P(B c ) = P(A)(1 − P(B c )) = P(A)P(B).
(v) richtig: P((A∪B)∩C) = P((A∩C)∪(B∩C)) = P(A∩C)+P(B∩C)−P(A∩B∩C) =
P(A)P(C) + P(B)P(C) − P(A)P(B)P(C) = P(C)(P(A) + P(B) − P(A)P(B)) =
P(C)(P(A) + P(B) − P(A ∩ B)) = P(C)P(A ∪ B)
Aufgabe H3.2
Für welche Konstanten c definieren die folgenden Ausdrücke Zähldichten:
(i) ρ(k) = c ·
(−1)k−1
,
k
k∈N
(ii) ρ(k) = c · nk pk (1 − p)n−k ,
(iii) ρ(k) = c ·
λk
,
k!
k ∈ N0 , n ∈ N, p ∈ [0, 1]
λ > 0, k ∈ N0
(iv) ρ(k) = c · (1 − p)k−1 ,
p ∈ (0, 1], k ∈ N
Lösung
c
(i) Damit ρ(k)
P ≥ 0 für alle k, folgt bereits c = 0, denn ρ(1) = c und ρ(2) = − 2 . Dann
ist aber k∈N ρ(k) = 0 6= 1, ρ ist also für kein c eine Zähldichte.
P
P
(ii) Da k∈N0 ρ(k) = k∈N0 c · nk pk (1 − p)n−k = c, folgt c = 1. Außerdem ist ρ ≥ 0
für c = 1 und somit eine Zähldichte.
P
P
k
(iii) Da k∈N0 ρ(k) = k∈N0 c · λk! = c · eλ , folgt c = e−λ . Außerdem ist ρ ≥ 0 für
c = e−λ und somit eine Zähldichte.
P
P
1
(iv) Da k∈N0 ρ(k) = k∈N c · (1 − p)k−1 = c 1−(1−p)
= pc , folgt c = p. Außerdem ist
ρ ≥ 0 für c = p und somit eine Zähldichte.
Aufgabe H3.3
Sei n ≥ 2, Ω = Sn die Menge aller Permutationen der Menge {1, . . . , n}, F = P(Ω) und
P die Gleichverteilung auf Ω. Für jede Permutation π ∈ Ω sei
X(π) = min{1 ≤ j ≤ n : π j (1) = 1}
j-mal
j
z }| {
die Länge des Zyklus von π, welcher die 1 enthält. Dabei sei π = π ◦ . . . ◦ π die j-fache
Iterierte von π. Zeigen Sie, dass die Zufallsvariable X auf {1, . . . , n} gleichverteilt ist.
Lösung
Das Urbild von 1 ≤ k ≤ n bzgl. der Zufallsvariable X besitzt die Mächtigkeit (n − 1)!,
denn die 1 kann nur auf (n − 1) Zahlen abgebildet werden, π(1) kann nur auf (n − 2)!
Zahlen abgebildet werden, . . . , π k−2 (1) kann nur auf n − k + 1 Zahlen abgebildet werden
und π k−2 nur auf die 1 abgebildet werden. Die übrigen n−k Zahlen können untereinander
auf beliebige Weise abgebildet werden.
Da P auf Ω gleichverteilt ist, gilt für alle 1 ≤ k ≤ n
P(X = k) = P({ω ∈ Ω : X(ω) = k}) =
d.h. X ist gleichverteilt auf {1, . . . , n}.
(n − 1)!
1
|{ω ∈ Ω : X(ω) = k}|
=
= ,
|Ω|
n!
n
Aufgabe H3.4
Es sei N eine natürliche Zahl und wir bezeichnen mit
ϕ(N ) = |{k ≤ N : ggT(k, N ) = 1}|
die Anzahl der zu N teilerfremden Zahlen k ≤ N . Beweisen Sie mittels Argumenten aus
der Wahrscheinlichkeitstheorie die Gleichung
Y 1
.
ϕ(N ) = N ·
1−
p
p: p prim
p teilt N
Hinweis: Es ist hilfreich, in einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsraum die Mengen
Ak = {n ∈ Ω : k teilt n} zu betrachten.
Lösung
Ein geeigneter Wahrscheinlichkeitsraum ist Ω = {1, 2, . . . , N } mit der Potenzmenge
P(Ω) als σ-Algebra und der Gleichverteilung P als Wahrscheinlichkeitsmaß. Dann ist
ϕ(N )
= P({k ≤ N : ggT(k, N ) = 1}).
N
Wir definieren wie im Hinweis Ak = {n ∈ Ω : k teilt n}. Für eine Auswahl von Primteilern p1 , . . . , pi von N ist
Ap1 ∩ Ap2 ∩ . . . ∩ Api = {n ∈ Ω : p1 , . . . , pi teilen n} = {n ∈ Ω : p1 · . . . · pi teilt n}.
Da alle dieser Primzahlen N teilen, ist die Mächtigkeit dieses Ereignisses
gilt insbesondere
P(Ap1 ∩ . . . ∩ Api ) =
N
.
p1 ·...·pi
Daher
1
= P(Ap1 ) · . . . · P(Api )
p 1 · . . . · pi
und die Ereignisse Ap , mit p ein Primteiler von N , sind unabhängig. Nach Vorlesung
sind dann auch die Komplemente der Mengen Ap unabhängig. Für eine Zahl k ∈ Ω ist
ggt(k, N ) = 1 genau dann, wenn es keinen Primteiler von N gibt, der auch k teilt, d.h.
P({k ≤ N : ggT(k, N ) = 1}) = P
\
p: p prim
p teilt N
Y
Y
Acp =
P(Acp ) =
p: p prim
p teilt N
p: p prim
p teilt N
1−
1
.
p
Herunterladen