Max-Planck-Gesellschaft - Lichtblitz bricht den elektrischen

Werbung
Max-Planck-Gesellschaft - Lichtblitz bricht den elektrischen Widerstand
1 von 3
http://www.mpg.de/print/986735
Forschungsmeldung
13. Januar 2011
Infrarote Laser-Pulse verwandeln eine Kupferoxid-Keramik in einen Supraleiter - und eröffnen eine neue
Weg, solche Materialien in die breite Anwendung zu bringen
Ein Isolator lässt sich durch einen Laserblitz in einen Supraleiter verwandeln, wie Forscher der Max-PlanckForschungsgruppe für Strukturelle Dynamik an der Universität Hamburg festgestellt haben. Die bestrahlte Keramik
leitete bei dem Experiment der Physiker um Andrea Cavalleri den Strom auch noch für kurze Zeit verlustfrei, nachdem
das Laserlicht abgeklungen war. Überrascht zeigen sich die Forscher um Cavalleri außerdem von der Schnelligkeit, mit
der sich der supraleitende Zustand erzeugen ließ. Die Beobachtungen liefern einen Beitrag zum Verständnis von so
genannten Hochtemperatur-Supraleitern, einer Klasse von Supraleitern, die eines Tages Strom bei Raumtemperatur
verlustfrei leiten könnte und von der Experten daher ein großes Anwendungspotenzial erwarten. (Science 14. Januar
2011)
Blitzartig ohne Widerstand: Die Kupferoxid-Keramik Lesco1/8 wird supraleitend, wenn sie mit Laser-Pulsen bestrahlt
wird. Zu erkennen sind die Streifen abwechselnd nach rechts und links verkippter Strukturelemente und Ordnung der
Elektronenspins (violette Pfeile). Der Laserpuls glättet die Struktur der Keramik, so dass diese einen supraleitenden
Zustand annimmt. Dass diese Zustandsänderung sehr schnell erfolgt, gibt Physikern Hinweise darauf, wie die technisch
interessanten Kupferoxid-Keramiken den elektrischen Widerstand verlieren.
© Joerg M. Harms, Max Planck Department for Structural Dynamics - Hamburg
Ein Kabelnetz, das Strom verlustfrei leitet, oder superschnelle und gleichzeitig energieeffiziente Magnetschwebebahnen
diese Träume könnten mit Hilfe so genannter Hochtemperatur-Supraleiter in Zukunft Realität werden. Diese Art von
Supraleitern meist handelt es sich um Kupferoxid-Keramiken leiten Strom bei vergleichsweise hohen Temperaturen
verlustfrei. Während supraleitende Metalle ihren elektrischen Widerstand erst verlieren, wenn sie auf wenige Grad über
den absoluten Temperaturnullpunkt bei etwa minus 273 Grad Celsius gekühlt werden, nehmen manche
Hochtemperatur-Supraleiter den supraleitenden Zustand schon bei einer kritischen Temperatur von etwa minus 100
Grad Celsius an. Dieses Verhalten hängt eng mit dem schichtartigen Aufbau der Materialien zusammen, der an einen
31.01.2011 12:47
Max-Planck-Gesellschaft - Lichtblitz bricht den elektrischen Widerstand
2 von 3
http://www.mpg.de/print/986735
Stapel Papier erinnert.
Forscher wollen neue Keramiken entwickeln, die sogar bei Raumtemperatur supraleitende Eigenschaften annehmen und
den erstaunlichen physikalischen Effekt so aus den Labors in den Alltag bringen. Doch sie verstehen noch nicht
vollständig, warum Hochtemperatur-Supraleiter überhaupt supraleitend werden, was die Suche nach einem
alltagstauglichen Supraleiter erschwert. Die Erkenntnisse der Hamburger Max-Planck-Forschungsgruppe um Andrea
Cavalleri könnten helfen, das zu ändern.
Die Hamburger Forscher verwendeten für ihre Experimente eine Art von Kupferoxidkristall, bei der sich zwischen den
Kupferoxid-Schichten Atome der Elemente Lanthan, Europium und Strontium befinden. Normalerweise hängt die
kritische Temperatur dieser Keramiken vom Konzentrationsverhältnis der Elemente Lanthan und Strontium ab. Bei
einem bestimmten Konzentrationsverhältnis, nämlich bei der Verbindung La1.675Eu0.2 Sr0.125CuO4, kurz LESCO1/8 , tritt
jedoch selbst bis zu tiefsten Temperaturen keine Supraleitung auf.
Dies hängt vermutlich mit einer Besonderheit im Kristallaufbau von Lesco1/8 zusammen, welche Forscher gestreifte
Ordnung nennen: Die Oktaeder, aus denen sich die Schichten von Kupferoxid-Keramiken zusammensetzen, stehen in
Lesco1/8 nicht parallel nebeneinander wie in gewöhnlichen Kupferoxid-Keramiken. Vielmehr sind sie so gegeneinander
verkippt, dass eine Schicht eher an Wellpappe erinnert als an Papier. Damit ist auch eine gestreifte Ordnung der
elektrischen Ladung und der magnetischen Momente (Spins) verbunden. Die gestreifte Ordnung verhindert, so die
Annahme von theoretischen Physikern, dass unterhalb der kritischen Temperatur Strom zwischen den einzelnen
Schichten fließen kann.
Die Hamburger Forscher haben nun, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus England und Japan, einen Puls aus
infrarotem Laserlicht auf einen Lesco1/8 -Kristall gesendet, den sie zuvor auf minus 263 Grad Celsius abgekühlt hatten.
Der Laserpuls dauerte einige Femtosekunden, eine Zeit, in der Licht weniger als einen Tausendstel Millimeter zurücklegt.
Unmittelbar danach haben die Forscher einen Terahertz-Puls auf die Keramik gesendet und gemessen, wie gut dieser
reflektiert wird. Anhand des Reflexionsvermögens lässt sich feststellen, ob der Punkt, an dem der Laser auftraf,
supraleitend geworden ist. Tatsächlich war dies der Fall.
Supraleitung könnte schon oberhalb der kritischen Temperatur vorliegen
„Besonders überrascht waren wir davon, wie schnell sich der supraleitende Zustand einstellte“, sagt Cavalleri. Es
dauerte nur etwa eine Pikosekunde (eine Billionstel Sekunde) in dieser Zeit legt Licht einen zehntel Millimeter zurück.
„Die kurze Zeit deutet darauf hin, dass die gestreifte Ordnung bereits die Information über den supraleitenden Zustand
in sich berge, ohne jedoch selbst supraleitend zu sein“, so Cavalleri. Der schnelle Übergang in den supraleitenden
Zustand sei nicht erklärbar, wenn die Elektronen zuvor ohne jede Synchronisation seien, wie dies im normalleitenden
Zustand der Fall sei. Manche theoretischen Physiker argumentieren, in der gestreiften Ordnung fließen bereits
supraleitende Ströme, die sich aber gegenseitig neutralisieren.
Cavalleri und seine Kollegen nehmen an, dass der Laserpuls dort, wo er in die Keramik eindringt, die gestreifte Ordnung
auslöscht, gewissermaßen also die Wellpappe in glatte Pappe umwandelt. Dies ermöglicht, dass der supraleitende
Strom zwischen den Schichten fließen kann und sich somit eine nach außen hin messbare Supraleitung auftritt.
Der Hinweis, dass sich in Lesco1/8 schon oberhalb der kritischen Temperatur eine supraleitende Ordnung ausbilde, hilft
auch beim Verständnis der Supraleitung in den anderen Kupferoxid-Keramiken. Wissenschaftler vermuten nämlich, dass
sich innerhalb der Schichten schon oberhalb der kritischen Temperatur eine Vorstufe der Supraleitung ausbildet, die
Elektronen sich also nicht mehr unabhängig voneinander bewegen. Aber erst beim Unterschreiten der kritischen
Temperatur synchronisieren sich die Elektronen auch zwischen den Schichten und es tritt Supraleitung ein.
Im Wesentlichen geschieht dabei in einem Hochtemperatur-Supraleiter das Gleiche wie in einem herkömmlichen
Supraleiter. Unterhalb der kritischen Temperatur verbinden sich die Elektronen im Material zu Paaren, so genannten
Cooper-Paaren. Die Cooper-Paare verhalten sich wie neue Quantenteilchen, die eine Fähigkeit haben, die Elektronen
fehlt: sie können alle denselben quantenmechanischen Zustand einnehmen. Anschaulich bedeutet das, dass sich alle
Elektronen synchron bewegen. Weil es einem einzelnen Elektron daher nicht mehr möglich ist, gewissermaßen
Extratouren zu unternehmen, kann es nicht mehr durch Unregelmäßigkeiten im Kristallgitter von seinem Weg abgelenkt
werden. Dieses Ablenken führt im normalleitenden Zustand zum elektrischen Widerstand. Unverstanden ist allerdings
noch, wie sich Elektronen in Hochtemperatur-Supraleitern zu Cooper-Paaren zusammenfinden, kurz: wie ihre
Synchronisation vonstatten geht.
Die Ergebnisse der Hamburger Forscher liefern nun neue Erklärungsansätze für die Synchronisation, könnten sich
vielleicht aber auch praktisch auswirken. „Der supraleitende Zustand bleibt erhalten, nachdem der Laserpuls erloschen
ist“, betont Cavalleri. Eine Million Mal länger als der Laserpuls dauert, nämlich knapp eine Millionstel Sekunde lang,
31.01.2011 12:47
Max-Planck-Gesellschaft - Lichtblitz bricht den elektrischen Widerstand
3 von 3
http://www.mpg.de/print/986735
bleibt die Keramik supraleitend. Der durch das Laserlicht erzeugte supraleitende Zustand sei ein „geschützter Zustand“,
erklärt Cavalleri, das System brauche daher einige Zeit, um in seinen nicht-supraleitenden Grundzustand
zurückzukehren.
„Vielleicht lässt sich ein solcher Zustand stabilisieren“, sagt Cavalleri. Das müsse die Zukunft zeigen. Als nächstes Ziel
seiner Forschung nennt der Physiker die Erhöhung der Sprungtemperatur. Cavalleri: „Vielleicht können wir die kritische
Temperatur eines Material wie Lesco1/8 mit einem Laser von minus 273 Grad Celsius auf minus 253 Grad anheben“,
erklärt Cavalleri: „Wenn das möglich ist, können wir ein Material, das normalerweise bei minus 250 Grad Celsius seinen
elektrischen Widerstand verliert, mit dem Laser vielleicht sogar bei Raumtemperatur supraleitend machen.“
(CM/PH)
Weitere Informationen erhalten Sie von
Prof. Prof. Andrea Cavalleri
Max-Planck-Forschungsgruppe Strukturelle Dynamik
Center of Free-Electron Laser Science
Telefon: +49 40 8998-5354
Fax: +49 40 8998-1958
E-Mail: [email protected]
Adresse: http://www.mpg.de/986735/Laser_bewirkt_Supraleitung
© Max-Planck-Gesellschaft, München, © 2003-2011
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung
31.01.2011 12:47
Herunterladen