Gottesdienst vom 17. November 2013 Jakobus 5,7

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Gottesdienst vom 17. November 2013
Jakobus 5,7-11: „Verheissung und Herausforderung: ein Leitwort für die christliche
Gemeinde“
Pfr. Max Hartmann, Brittnau
7 Übt euch also in Geduld, liebe Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn! So wie
der Bauer: Er wartet auf die kostbare Frucht der Erde und harrt geduldig auf sie, bis er sie
empfängt als Frühernte und als Späternte.
8 So auch ihr: Übt euch in Geduld, stärkt eure Herzen, denn das Kommen des Herrn steht
bevor.
9 Beklagt euch nicht übereinander, liebe Brüder und Schwestern, damit ihr nicht ins Gericht
kommt! Seht, der Richter steht vor der Tür!
10 Liebe Brüder und Schwestern, nehmt euch ein Beispiel am Leiden und an der Geduld der
Propheten, die im Namen des Herrn gesprochen haben.
11 Seht, wir preisen selig, die standhaft geblieben sind. Von der Standhaftigkeit Hiobs habt
ihr gehört, und das gute Ende, das ihm der Herr geschenkt hat, konntet ihr sehen: Voll Mitleid
und Erbarmen ist der Herr.“
Der heutige Predigttext: Wie kam es dazu? Seit gut 16 Jahren gehe ich zusammen mit meiner
Frau zum einem Mentoring. Wir sind dankbar, mit einer reifen Person über unsere
persönliche Situation und meine Arbeit hier in unserer Kirchgemeinde reden zu können. Wir
freuen uns, wenn wir ermutigt werden, sind aber auch bereit, uns hinterfragen zu lassen und
gute Tipps entgegen zu nehmen. Es sind sehr intensive Gespräche, manchmal auch
unbequem und anstrengend.
Nicht nur ich, auch unser Berater bereitet sich vor. Er tut es auch im Gebet. Er gibt uns
jeweils zu Beginn des Gesprächs einige Worte weiter, die ihm im Blick auf uns am Herzen
liegen. Meistens sind es Bibelverse. Und er fragt nach, was es bei uns auslöst.
So auch im vorletzten Gespräch. Da war es Jakobus 5,7-11. Meine Reaktion: Volltreffer! Da
kommt mir eine Ermutigung und eine Ermahnung entgegen, die ich nötig habe. Mein
Eindruck war aber auch: Sie betrifft zuerst mich selbst, aber sie geht über mich heraus. Sie
richtet sich auch unsere Gemeinde hier. Deshalb diese Predigt.
Zuerst ist bei mir die Ermutigung entgegen gekommen. Und zwar im Bild von Frühernte und
Späternte.
Ernte. Ich möchte ernten können. Ich möchte erleben, wie eine Saat aufgeht, wie etwas
hinwächst und Frucht entsteht. Ich möchte mich nicht vergebens abmühen müssen. Ich will
Segen erfahren. Das ist ein Wunsch, der tief in mir steckt.
Ich muss aber auch akzeptieren, dass nicht immer in meinem Leben Erntezeit ist. Im Blick auf
die gesamte Lebenszeit sind die Erntezeiten ganz klar in der Minderheit. Und Ernte ist nicht
einfach machbar. Sicher, ich kann viel dazu beitragen, dass sie möglich wird. Ohne mein
Einsatz geht es nicht.
Winston Churchill hat in einer Ansprache vor dem britischen Parlament am 13. Mai 1940 im
Blick auf den Zweiten Weltkrieges gesagt: Damit ein Sieg möglich wird, braucht es die
Bereitschaft zu „Blut, Schweiss und Tränen.“ Es geht nicht ohne persönlichen Einsatz aller.
Aber es gilt ebenso, was im Psalm 127 steht: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, mühen
sich umsonst, die daran bauen.“
Der Segen liegt nicht in der eigenen Hand. Er ist und bleibt ein Geschenk.
Dieses Geschenk aus Gottes Hand ist durchaus real. Ich bin überzeugt, dass wir alle schon
erlebt haben, wie wir gesegnet worden sind und ernten konnten, wie sich eine Arbeit und
der Einsatz gelohnt haben.
Es ist nie immer. Vor dieser Illusion, dass jede Saat aufgeht und es immer zur Frucht kommt,
will Jesus uns mit seinem Gleichnis der vierfachen Saat bewahren (Markus 4,1-20). Ein Teil
fällt auf die Strasse und wird zertreten. Ein Teil kommt auf felsigen Boden, wo die junge
Pflanze nicht wirklich Wurzeln fassen kann. Ein Teil gerät unter dorniges Gebüsch. Doch ein
Teil ist wirklich gesegnet.
Es braucht diesen nüchternen Realismus. Und gleichzeitig das Gottvertrauen, dass er uns
segnet, wo wir uns für ihn hingeben – ihm dienen mit den Gaben, die er uns anvertraut hat.
Ernte. Wenn ich zurückschaue auf die letzten 26 Jahren in unserer Kirchgemeinde: Da hat es
Erntezeiten gegeben. Da durfte etwas aufgehen, sich entwickeln und Bestand haben.
In unseren Worten aus Jakobus 5 kommen uns eine Frühernte und eine Späternte entgegen.
Wenn ich zurückblicke, dann kann ich sagen: Es hat eine Frühernte gegeben. In meinen
ersten Amtsjahren habe ich viel erleben dürfen, was neu entstanden ist, in unserer
Gemeinde möglich wurde und sich Menschen für die Botschaft des Evangeliums geöffnet
haben.
Manches ist darunter, was andere gesät haben, vorher oder neben mir. Wir alle dürfen
immer wieder von anderen vor und neben uns profitieren und ernten. Gut, wenn wir das
erkennen und diesen Personen danken.
Ernten. Wie schon gesagt, es ist nicht immer Erntezeit. Die meiste Zeit ist anders. Es kann
sehr hart sein, wenn keine Saat aufgehen will. Oder wenn die zarten Halme, die aufgegangen
sind, zerstört werden.
Die fruchtlosen Zeiten. Es sind Krisen und Stürme, denen wir ausgesetzt werden. Oder es
sind Fehler, die wir gemacht haben und wir mit unserem Verhalten etwas zerstört haben,
was keimen wollte.
Auch das sind schlichte Tatsachen.
Die letzten Jahre in unserer Gemeinde. Wenn ich zurückschaue, habe ich manchmal den
Eindruck von sieben eher mageren Jahren, in denen wir gegenwärtig stecken. Es war eine
Zeit der Übergänge. Bewährte Mitarbeiter sind gegangen, neue dazu gekommen. Die
Einarbeitung war anspruchsvoll. Unser Gemeindeschiff lag eher am Hafen als in flotter Fahrt.
Es hat Klärungen gebraucht und Revisionen. Bestehende Gruppen haben sich aufgelöst.
Neues aufzubauen war schwierig. Viele unter uns sind über das persönliche Limit hinaus
beansprucht und können sich nicht noch mehr engagieren.
Es ist schmerzhaft, dass bei uns im Gottesdienst nach wie vor die Generation zwischen 20
und 50 fehlt. Wir können darüber jammern oder uns trösten, dass es anderen auch so
ergeht. Oder darüber resignieren.
Oder wir können das Bild der Ernte ernstnehmen und darauf vertrauen, dass es wieder
Zeiten gibt, wo manches aufgeht, was vorher gesät wurde.
Das Bild von der Späternte. Es ist für mich eine Verheissung, die mich begleitet. Darf ich eine
Späternte in meinen noch etwas mehr als zehn Amtsjahren erleben?
Hier in Brittnau: Darf wieder etwas heranwachsen? Wächst es vielleicht schon und wir haben
es nicht einmal bemerkt? Das sind Fragen, die mich herumtreiben.
Ja, ich traue es Gott zu, dass wir gesegnet sind.
Jakobus 5,7-11. Bei den Worten, die uns Rolf Lindenmann weitergegeben hat in unserer 49.
Begegnung, ist mir zuerst eine Verheissung entgegen gekommen, Ermutigung und Trost.
Und dann eine Herausforderung.
„Übt euch in Geduld“.
Geduld. Was ist das eigentlich? Ein altes Wort dafür heisst Langmut. Geduld ist der Mut,
nicht aufzugeben und längerfristig denken zu lernen. Wer keine Geduld hat und aufgibt,
kann gewisse Dinge nie erleben. Die wirklich grossen Dinge brauchen viel Zeit.
Wer geduldig ist, muss aushalten und durchhalten können und muss mit ungestillten
Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen leben lernen. Er muss auch Schwierigkeiten und
Leiden ertragen.
Diese Fähigkeit zur Geduld hat sehr viel mit der Fähigkeit zur Hoffnung zu tun. Ich lasse mir
die Hoffnung nicht nehmen, auch wenn es gar nicht danach aussieht, dass sie sich erfüllt.
Geduld. Sie sieht nach einer passiven Lebenshaltung aus. Sie ist es aber nicht.
Jakobus sagt: „Übt Geduld!“ Übungen sind etwas, was wir tun können, damit etwas möglich
wird. Wenn ich fit sein will, dann muss ich etwas dafür tun. Ich kann ein Fitness-Abo lösen,
ins Fitnessstudio gehen und mir ein Übungsprogramm zusammenstellen lassen.
Dann muss ich es durchziehen. Für mich selbst ist es eine Hilfe, dass das Ganze nicht gratis zu
haben ist. Ich habe dafür bezahlt, als gehe ich hin und es tut mir gut. Das kann ich aus
eigener Erfahrung sagen.
Die eigene Geduld zu fördern. Wie ist das möglich? Jakobus gibt zwei Tipps.
Übung 1: „Stärkt eure Herzen.“ Sucht das, was euch im Herz gut tut, euch aufbaut.
Fritz Grünzweig schreibt: „Die Batterie unserer eigenen Kraft ist schnell erschöpft. Nur wenn
wir an der Stromquelle seiner Kraft bleiben, können wir durchhalten. Auf diesen Kontakt zu
achten, heisst die Herzen zu stärken. Jesus drückt das aus mit dem Bild vom Weinstock und
von den Reben. ‚Bleibet in mir und ich in euch, so bringt ihr viele Frucht; denn ohne mich
könnt ihr nichts tun.‘ (Joh 15,4-5).“
Es geht also darum, am „Draht“ mit Jesus zu bleiben, die Verbindung mit ihm nicht nur dann
zu pflegen, wenn wir wieder einmal richtig am Limit sind.
Eine gesunde christliche Spiritualität - das Gebet, das Lesen der Bibel, der Gottesdienst – tut
uns hoffentlich gut. Wobei nicht jede Form für alle gleich gut geeignet ist. Wir sind
verschieden und dürfen es auch sein. Manchmal ist es ein längerer Weg, bis wir
herausgefunden haben, welche Art der christlichen Spiritualität für uns die Beste ist. Es kann
sich auch im Laufe des Lebens ändern. In jüngeren Jahren haben wir die lauteren Töne
gebraucht, später die leiseren.
„Bestärkt eure Herzen“: Dazu gehört auch das, was heute mit „Empowerment“ bezeichnet
wird. Es ist ein Begriff der modernen Psychologie. Es geht darum, Strategien zu entwickeln,
die einen Mensch in sich bestärken. Dazu gehört die Erkenntnis der eigenen Begabungen,
aber auch den eigenen Grenzen. Ich weiss, wer ich bin und kann und lebe entsprechend. Ich
entwickle mein Potential, das Gott in mich gelegt hat.
„Bestärkt eure Herzen“: Weiss ich, was mir gut tut? Praktiziere ich es? Wie lebe ich meine
Verbindung zu Gott? Finde ich darin Kraft? Weiss ich um mein persönliches Charisma und
lebe sich es?
Das sind keine einfachen Fragen. Manchmal braucht es dazu eine gute Beratung. Eine
christliche Gemeinde könnte ein Ort sein, wo wir uns entsprechend fördern. Es gibt gute
Tools dafür, zum Beispiel das D.I.E.N.S.T.-Seminar (Dienen im Einklang von Neigung, Stärken
und Talent).
„Übt euch in Geduld“. Ich bin dankbar, dass uns Jakobus nicht alleine lässt, was das
bedeuten kann. Zuerst rät er uns, zu fördern, was konstruktiv ist. Und dann fordert er uns
auf, sein zu lassen, was uns nicht gut tut.
Das eine ist vom anderen abhängig. Übung eins kommt vor Übung zwei. Übung eins ist
Voraussetzung, damit die zweite Übung gelingen kann.
Wer mit sich selbst und mit Gott, seinem Schöpfer, zurecht kommt, kommt auch besser mit
seinen Mitmenschen zurecht.
Übung 2: „Beklagt euch nicht übereinander, liebe Brüder und Schwestern, damit ihr nicht
ins Gericht kommt.“
Ja, wie habe ich es mit meinen lieben Brüdern und Schwestern, meinen Mitmenschen? Wie
lieb sind sie wirklich?
Seien wir ehrlich: Es „mönschelet“. Und manchmal ganz gehörig. Wie viel nerven wir uns
übereinander, fühlen uns missverstanden und ungerecht behandelt!
Der gegenseitige christliche Umgang: ein Klagelied? Dabei glauben wir doch alle an Gottes
Gnade und Barmherzigkeit! … und leben gleichzeitig gnaden- und erbarmungslos im
gegenseitigen Umgang. Wie viele Mitchristen möchten wir am liebsten auf den Mond
schiessen oder sprechen ihnen sogar den Glauben ab.
Schluss damit. Jakobus fordert uns zu einem klaren Stopp auf, wenn es uns wieder so richtig
überfällt im Blick auf unsere Mitmenschen.
Lass dich nicht von der negativen Energie regieren. Denke daran: Brüder und Schwestern
kannst du dir nicht auslesen. Sie gehören einfach zu dir und das ist gut so. Nicht nur sie
machen Fehler, du auch.
Ja, der Umgang mit unseren Mitmenschen ist wirklich eine Geduldsübung. Wer sich durch
Jesus Christus gestärkt weiss, hat einen guten Boden, der hilft, auszuhalten. Was nicht
ausschliesst, dass da und dort ein klares Wort einander gegenüber nötig ist, eine
Ermahnung. Aber bitte nie von oben hinab. Die eigene Demut bewahrt vor Hochmut.
Jakobus 5,7-11. Für mich ein Volltreffer. Da kommt mir eine grosse Ermutigung entgegen.
Und eine ebenso Herausforderung, meinerseits zu tun, was nötig ist, damit Frucht entstehen
kann.
Für die Umsetzung braucht es manchmal Vorbilder, an denen wir uns orientieren können.
Jakobus erwähnt drei. Auf der einen Seite ist es der Bauer. Ein Bauer kann viel tun. Säen,
schützen und pflegen. Das fördert Wachstum und macht eine Ernte wahrscheinlicher. Doch
erzwingen kann er es nicht.
„Er wartet auf die kostbare Frucht der Erde und harrt geduldig auf sie, bis er sie empfängt als
Frühernte und als Späternte.“
Bauern wissen, dass sie nicht alles aus sich allein können. Sei ebenso schlau.
Das zweite Vorbild: die Propheten. Sie haben erlebt, wie Gott zu ihnen gesprochen hat,
ihnen Bilder und Botschaften anvertraut. Die meisten von ihnen haben nur beschränkt und
gar nicht erleben können, wie sich diese Verheissungen erfüllt haben. Teilweise geschah es
erst Jahrhunderte später und zum Teil warten wir immer noch darauf, so etwa, dass
Schwerter zu Pflugscharen verwandelt werden und ewiger Frieden herrscht.
Dass Verheissungen sich noch nicht erfüllt haben, bedeutet aber nicht, dass sie falsch sind.
Gottes Fahrplan ist eigen.
Die biblischen Verheissungen sind nicht Produkte menschlicher Phantasie. Die biblischen
Propheten hätten gerne verzichtet, Propheten zu sein. Ihr Amt bedeutete für sie viel Leiden.
Überhaupt: Wer sich auf den Weg mit Gott einlässt, muss bereit sein, auch zu leiden. Es
braucht viel Standhaftigkeit, beharrliches Dranbleiben. So wie es uns im dritten Vorbild
begegnet, Hiob. Er hat zwar massiv rebelliert gegenüber das, was Gott ihm zugemutet hat.
Aber er hat nie aufgegeben, Gott anzurufen und herausfordern, endlich einzugreifen.
„Ich weiss, dass mein Erlöser lebt.“(Hiob 19,25)
Zuletzt bekennt er: „Ich habe dich bisher nur vom Hören her gekannt. Aber nun hat meine
Auge dich gesehen – du, mein Gott.“(Hiob 42,5).
Möge uns allen diese Erfahrung geschenkt sein – die Erfahrung von Gottes Nähe und
Beistand, seines Segens.
Amen.
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