Die Baby-Station des Loro Parque 1 Haltung und Zucht Zum Papageienzuchtzentrum der Loro Parque Fundación, das im zu Puerto de la Cruz gehörenden Ort La Vera angesiedelt ist und seit 1998 besteht, gehört natürlich auch eine Brut- und Handaufzuchtstation für Papageieneier bzw.frisch geschlüpfte Papageien.Kurator Matthias Reinschmidt stellt die Baby-Station des Loro Parque vor. 2 Dipl.- Biol.Matthias Reinschmidt, Kurator Loro Parque, Teneriffa/Spanien J edes Jahr werden in der Loro Parque Fundación im Schnitt zwischen 1.300 und 1.500 junge Papageien gezüchtet. Etwa 400 bis 600 davon werden von Hand aufgezogen. Die Gründe für die künstliche Aufzucht sind vielfältig. Normalerweise produzieren die größeren Papageienarten im Jahr nur ein Gelege. Bei vielen bedrohten Arten wird aber in der Loro Fundación das „double-clutching“ betrieben, was bedeutet, dass das erste Gelege eines Paares, nach etwa zehn Tagen Bebrütung, in den Inkubator zur weiteren Inkubation überführt wird. Dadurch werden die meisten Papageien angeregt, ein zweites Gelege zu produzieren. Dieses wird dann in der Regel den Eltern zur eigenen Aufzucht überlassen. Des Weiteren gibt es auch unzuverlässige Eltern, die Eier zerstören oder die Jungtiere nicht korrekt aufziehen. Auch hier bewährt sich eine künstliche Aufzucht, um Vogelleben zu retten. Grundsätzlich sollte aber davor gewarnt werden, Eier und Jungtiere immer einem Paar zu entnehmen, da dies eine Ausbeutung der Zuchttiere darstellt. Diese legen oftmals immer wieder nach und werden dadurch über Gebühr belastet. Solche Praktiken gehen nicht lange gut und führen oft zum verfrühten Tod der 268 GW 9/06 Zuchttiere. Verantwortungsvolle Züchter, die lange Freude an ihren Zuchttieren haben wollen, sollten ihren Tieren immer wieder die Möglichkeit geben auch eigene Junge aufzuziehen und die Weibchen nicht als reine „Legehennen“ missbrauchen. 3 Künstliche Inkubation Zur künstlichen Bebrütung der Papageieneier stehen Inkubatoren (Typ: BSS 160 der Fa. Grumbach) zur Verfügung. Alle Geräte sind mit einer elektronischen Wendevorrichtung ausgerüstet. Diese bewegt die Eier auf der Rollwende während des durch eine Zeitschaltuhr vorgegebenen Zeitraumes. Die Längsachse der Eier befindet sich stets in waagerechter Position. Die Einstellung der automatischen Wendevorrichtung ist im halbstündigen Wechsel gewählt, das heißt, 30 Minuten werden die Eier ganz langsam gewendet, 1 Fütterung der flüggen Jungvögel in der Absatzvoliere. 2 Wärmebox mit frisch geschlüpften PapageienJungvögeln. 3 Einer der Aufzuchträume der Babystation mit Wärmeboxen. 4 Absetzvolieren für flügge Papageien im Loro Parque. 4 dann folgt wieder eine 30-minütige Ruhephase, in der die Eier still liegen. Die Zeitschaltuhr ist so eingestellt, dass dieser halbstündige Wechsel über 24 Stunden eingehalten wird. Die Temperatur im Inkubator wird über zwei stufenlose Regler für Grob- und Feinregelung eingestellt und mittels eines Quecksilberwinkelthermometers überprüft. Die Bruttemperatur der Eier liegt zwischen 37,1 °C und 37,4 °C. Die Luftfeuchtigkeit im Brutapparat ist ein sehr wichtiger Faktor zur erfolgreichen Bebrütung der Eier. Bebrütet man die Eier ohne zusätzliche Wassergaben, so liegt die Feuchtigkeit im Apparat unter den gegebenen Bedingungen zwischen 40 und 45 %. Dies sind ideale Voraussetzungen zur Bebrütung von Papageieneiern. Die Frischluftzufuhr im Inkubator wird durch eine Belüftungsrosette geregelt, die während der gesamten Bebrütungsdauer geöffnet ist; damit wird für ständige Frischluftzufuhr gesorgt. Die Abluft kann durch dieselben Rosetten entweichen. Ein Ventilator im Dach des Gerätes sorgt für die Umwälzung der Luft. Alle Inkubatoren sind in einem separaten Inkubationsraum aufgestellt. Unter den Inkubatoren liegen dünne Schaumstoffmatten auf dem Metalltisch, um Vibrationen, die vom Gerät ausgehen, aufzufangen. Der Raum ist weiterhin mit zwei Ventilatoren in der Decke ausgerüstet, die 24 Stunden am Tag in Betrieb sind und die verbrauchte Luft abziehen. Die Frischluftzufuhr erfolgt durch Belüftungsschlitze in der Tür. Herzfrequenzmessung Der von der englischen Fa. Avitronics neu entwickelte „Buddy-Digital-EggMonitor“ (Vertrieb: Avitronics, PO Box 107, Truro, Cornwall, TR1 2YR, England) bietet die Möglichkeit, die Herzfrequenzen des Embryos im Ei ab einem bestimmten Entwicklungsstadium zu messen. Der „Buddy“ besteht aus einem Plastikgehäuse, einem Monitor und einem Computerchip und wird von einer Batterie betrieben. In einer Messkammer wird das zu messende Ei auf eine offene Gummivorrichtung gelegt, unter der ein Infrarotsensor angebracht ist, der die Herzschlagrate misst. Diese wird auf dem Monitor direkt angezeigt. Die verwendete Technologie basiert auf der Infrarotlichtabsorption durch Blut. Der Sensor registriert die Veränderungen im Blutgefäßsystem bei jedem Pulsschlag; diese verändern den Wert des absorbierten Infrarotlichtes. Da jede Veränderung gezählt wird, kann damit die Herzschlagrate bestimmt werden. Der „Buddy“ muss auf einer festen, nicht vibrierenden Unterlage stehen, damit keine äußeren Einflüsse die Messungen beeinflussen. Methodik der Handaufzucht Alle jungen Papageien, die im Inkubator in künstlicher Bebrütung schlüpfen, werden in die Baby-Station des Loro Parque verbracht. Diese Station ist eigens zur Handaufzucht von Papageienjungvögeln entwickelt und gebaut worden. Das Know-how in der Handaufzucht ist mittlerweile weltweit einzigartig, da jährlich bis zu 140 verschiedene Papageienarten und -unterarten in bis zu 600 Individuen erfolgreich aufgezogen werden. Die Aufzuchtstation wird dabei von Pflegerinnen betreut, die ausschließlich für die Handaufzucht zuständig sind. Besetzt ist die Handaufzuchtstation in Doppelschicht. Die erste Schicht läuft dabei von 7 Uhr morgens bis 15 Uhr, die zweite von 16 Uhr bis 24 Uhr. Zwischen 24 Uhr und 7 Uhr besteht eine Nachtruhe mit Fütterungspause. Überwacht wird die Baby-Station von den Tierärzten und Biologen, die täglich in die Station kommen und intensiv die Betreuung und die Entwicklung der Jungtiere beobachten, überwachen, dokumentieren und analysieren. Die Baby-Station des Loro Parque besteht aus einem im Park frei stehenden Gebäude, das in zwei getrennte Sektoren aufgeteilt ist. Insgesamt umfasst die Anlage fünf Aufzuchträume, die mit Wärmeboxen zur Aufzucht der Jungen ausgerüstet sind. Zwei Räume stehen für die Aufzucht von Jungvögeln zur Verfügung, die im Inkubator geschlüpft sind, und drei Räume für die Jungen, die zunächst schon für einige Tage oder Wochen von den Elterntieren versorgt worden waren, bevor sie in die Baby-Station zur weiteren Aufzucht gekommen sind. Als Wärmeboxen werden Geräte der Fa. Elektronischer Gerätebau (Vertrieb: Im Ochsenstall 4, D-76689 Karlsdorf) verwendet. Die aus wei- Anzeige Papageienparadies Wagner 270/2, 4c GW 9/06 269 5 6 Bei dieser Relation ist der Kropf gut gefüllt, aber nicht überdehnt. Nach oben angegebenem Plan werden die Fütterungsfrequenz und die Futtermenge dem Alter und der Körpermasse der Jungtiere angepasst. Die tägliche tierärztliche Kontrolle der Tiere ist durch das Tierärzteteam des Loro Parque gewährleistet. Sobald die jungen Papageien genügend befiedert sind, sodass keine zusätzliche Wärmequelle mehr notwendig ist, werden sie in große schwarze Plastikkübel umgesetzt, die die tiefe Nisthöhle simulieren. Diese sind mit saugfähigen geschredderten Maiskolben eingestreut. Dieser Einstreu wird täglich einmal gewechselt. Sind die Vögel alt und stark genug entwickelt, um diese Kübel verlassen zu können, werden sie in Flugvolieren neben der Baby-Station umgesetzt. Hier lernen sie fliegen und selbstständig fressen. Durch die Gemeinschaftshaltung mit anderen Papageien werden sie sozialisiert und lernen gleichzeitig von älteren Papageien die selbstständige Nahrungsaufnahme. Einige Wochen nach Erreichen der Selbstständigkeit werden alle Jungtiere durch Endoskopie vom Tierärzteteam der Loro-Parque-Klinik geschlechtlich bestimmt. Danach kommen die Papageien zurück in das Zuchtzentrum und haben dort die Möglichkeit in großen Gemeinschaftsvolieren zu leben, bevor sie entweder in die eigene Kollektion integriert oder an Zoos oder Züchter abgegeben werden. 7 5 Der junge Spix-Ara wurde 2006 zusammen mit einem Palmkakadu aufgezogen. 6 Hellrote Aras in einer schwarzen Plastiktonne, die die Nisthöhle simuliert. 7 Brillenkakadu, der mit Amazonen aufgezogen wurde. ßem Hartplastik bestehenden Aufzuchtboxen haben die Maße 74,5 cm Länge, 59 cm Höhe und 44 cm Tiefe. Sie haben zwei nur nach vorne hin zu öffnende Türen. Hier fällt das Tageslicht durch die aus Plexiglas bestehenden Türen ein. Die Aufzuchtgeräte haben eine vollelektronische Temperaturregelung, eine digitale Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsanzeige an einem Display, eine einschaltbare Innenbeleuchtung, drei Belüftungsrosetten für die Frischluftzufuhr sowie ein leises Umluftsystem mit Staubfilter. Temperaturen lassen sich auf ein zehntel Grad Celsius genau einstellen. Weicht die tatsächliche Temperatur von der SollTemperatur nach oben oder nach unten mehr als 1 °C ab, ertönt ein akustisches Warnsignal, das den Betreuer auf die Unregelmäßigkeit aufmerksam macht. Betreuung der Jungvögel in der Handaufzuchtstation Etwa ein bis zwei Stunden nach dem 270 GW 9/06 Schlupf im Inkubator werden die frisch geschlüpften Jungvögel in die Baby-Station des Loro Parque gebracht. Schlüpfen die Jungen während der Nachtstunden, werden sie sofort morgens gegen 7 Uhr in die Aufzuchtstation gebracht. Sie werden in einem kleinen Edelstahlnapf mit einem Fassungsvermögen von 300 ml, der mit weichem, weißem Küchenpapier ausgepolstert ist, in eine Wärmebox gestellt, die auf 37 °C eingerichtet ist. Danach werden die Tiere mit einer Portion papageienspezifischen Lactobazillen (Produkt: PT-12; Vertrieb: re-scha, Ulrich Schäfer, Nepomukstr. 11, 33142 Büren) versorgt. Etwa eine halbe Stunde später erfolgt die erste Fütterung. Danach folgt die Fütterung nach einem Standardplan. Als Standardfutter wird für die Papageien-Handaufzucht das Handauf8 zuchtfutter Nutri-Bird A19 und A21 von Versele-Laga verwendet. Je nach Vogelart wird in die vorgegebene Futtermischung zusätzlich noch gemahlene Macadamianuss (Macadamia integrifolia), in einem bestimmten prozentualen Anteil, beigegeben, um den Fettanteil der Futtermischung etwas zu erhöhen. Alle Jungvögel werden morgens als Erstes gewogen, um die genaue Körpermasse des sich über die Nachtphase entleerten Jungvogels festzustellen. Danach erhalten die Jungen ihr erstes Futter. Zu den Fütterungen werden sie der Wärmebox entnommen und auf eine weiche Unterlage mit Fließpapier gelegt. Das schon vorbereitete Futter wird mit einer Temperatur von etwa 40 °C mit Hilfe einer Futterspritze gegeben. Die Größe dieser Spritze richtet sich nach der Menge des Futters, das gegeben wird. Zur Verwendung kommen Spritzen der Größe 1,2, 5, 10, 20 und 50 ml, ohne Kanüle bzw. Schlauch, je nach Alter der zu fütternden Jungtiere und der daraus resultierenden Menge des Futters. Die Futtermenge, die pro Fütterung gegeben wird, richtet sich immer nach der Körpermasse des Jungvogels und sollte stets etwa 10 % der Körpermasse betragen. Ist ein Junges 100 g schwer, so erhält es pro Fütterung demnach 10 ml Nahrungsbrei. 8 Die Papageien werden in der Station täglich gewogen. 9 Junger Graupapagei bei der Spritzenfütterung. Fotos: M. Reinschmidt. 9