Vortrag im Rahmen des Seminars: Physik mit Tevatron und LHC an der physikalischen Fakultät der LMU München am 6.12.2005 von Jochen Baumann Themen: Standardmodell und Higgsbosonen 1.) Einführung in die Eichtheorien 2.) Das Standardmodell der Teilchenphysik 3.) Die elektroschwache Wechselwirkung 4.) Standardmodelltest mit W Bosonen am Tevatron 5.) Der Higgsmechanismus 6.) Higgs – Suche am Tevatron und LHC 1.) Einführung in die Eichtheorien In der relativistischen Feldtheorie geht man aus von der Lagrangedichte Li ,∂ i , t mit i = i x und i = 1,2 ,... Wendet man hierauf das Hamilton'sche Extremalprinzip S = ∫∭ L d x dt ≡ ∫ L d x = 0 3 4 an, so folgen die Feldgleichungen ∂ ∂L ∂L = ∂∂ i ∂i i = 1,2 ,... Das Prinzip der Eichinvarianz soll am Beispiel der DiracLagrangedichte für ein Spinorfeld erläutert werden: L = i ℏ c ∂ − mc 2 Führt man hier eine sogenannte globale Eichtransformation i ' =e , d.h. ' = e −i durch, so bleibt L invariant unter dieser Transformation, denn: ' = e−i i = Für eine lokale Eichtransformation ' = e i x , d.h. ' = e−i x 1 hingegen gilt dies nicht! Vielmehr geht L über in L L ' = L − ℏ c∂ x i x ) ( Anwendung der Produktregel in ∂ e Mit x = − ℏc x q wird dies zu: L L q ∂ x Führt man nun ein neues Feld - das sogenannte Eichfeld – ein, welches sich unter der Eichtransformation wiefolgt transformiert A A ' = A ∂ so ist die modifizierte Lagrangedichte L = i ℏ c ∂ − mc 2 − q A nun invariant unter der lokalen Eichtransformation ( 1 ) ! In dieser Lagrangedichte fehlt jedoch noch ein „freier“ Term für das Eichfeld. Man wählt 2 1 1 mA c LA = − F F A A 16 8 ℏ Hierbei ist F = ∂ A − ∂ A Soll L A invariant unter ( 1 ) bleiben, so muss gelten m A = 0 , d.h. das Eichfeld A ist masselos! Insgesamt erhält man also die folgende, unter der lokalen Eichtransformation ( 1 ) invariante Lagrangedichte: 2 L = i ℏ c ∂ − mc − 1 F F − q A 16 Dies ist die Lagrangedichte der QED! Man sieht also, dass die Forderung nach lokaler Eichinvarianz zur Einführung von neuen Feldern führt. Dehnt man dieses Verfahren auf nicht-abelsche Eichgruppen aus ( Yang – Mills Theorien ) , so lassen sich auf diese Weise alle fundamentalen Wechselwirkungen „erklären“ ! 2.) Das Standardmodell der Teilchenphysik Die gesamte im Universum (direkt) beobachtbare Materie besteht aus folgenden Konstituenten: • Den Leptonen e − e , − , − sowie den entsprechenden Antileptonen • Den Quarks u d , c , t s b sowie den entsprechenden Antiquarks Jedes Quark gibt es in drei Farben : Rot, Grün und Blau (bzw. Antirot, Antigrün und Antiblau bei den Antiquarks). Quarks treten nur gebunden in „farblosen“ Zuständen auf, d.h als Quark-Antiquark Paar derselben Farbe (Mesonen) oder als Quark-Quark-Quark bzw. Antiquark-AntiquarkAntiquark Trippel (Baryonen), wobei jede Farbe einmal vorkommt! Mesonen und Baryonen bilden zusammen die Hadronen: Dies sind die Teilchen, die an der starken WW teilnehmen! • Den Austauschbosonen der elementaren Wechselwirkungen Dies sind: ➢ ➢ ➢ ➢ Das Photon (elektromagnetische Wechselwirkung) Die Gluonen (starke Wechselwirkung) Die W und Z Bosonen (schwache Wechselwirkung) Das Graviton (Gravitation) Für alle physikalischen Wechselwirkungsprozesse gelten folgende Erhaltungssätze: 1) Erhaltung der elektrischen Ladung 2) Erhaltung der Farbladung 3) Erhaltung der Baryonenzahl (Ein Quark trägt A=1/3, ein Antiquark A=-1/3) 4) Erhaltung der Leptonenzahlen Le , L , L 5) Ausser in der schwachen Wechselwirkung: Erhaltung des Quarkflavors 3.) Die elektroschwache Wechselwirkung Einen ersten Ansatz zu einer Theorie der schwachen Wechselwirkung machte Fermi 1933 bei der Untersuchung des ßZerfalls des Myons: − e e − Er nahm also an, der ß-Zerfall beruhe auf einer Kontaktwechselwirkung! Diese Theorie liefert folgende Lebensdauer des Myons: 192 3 3 2 ℏc = ℏ⋅ ⋅ 2 5 G m c Aus Messungen von und m lässt sich somit G bestimmen: −5 G = 1,16637 ± 0,00002⋅10 ℏ c3 2 GeV Aber: G ist dimensionsbehaftet! Dies hat zur Folge, dass z.B. der Wirkungsquerschnitt für die Reaktion e e − e − e bei hohen Energien s divergiert: 2 − − tot e e e e = G ℏ c 4 ⋅s ∞ Mit anderen Worten: Die Theorie ist nicht renormierbar! Abhilfe schuf die Einführung der sogenannten intermediären Vektorbosonen W ± und Z . Mit diesen stellt sich z.B. der ß-Zerfall des Myons wiefolgt dar: Daraus folgt: GF 2 ⋅ gw = 8 ℏ c3 mW c 2 2 mit der schwachen Ladung g w . Für die schwache Feinstukturkonstante w ergibt sich somit für 2 mW ≈ 80 GeV / c : 2 gw 1 w = ≈ 29 4 Vergleicht man dies mit der elektromagnetischen Feinstrukturkonstanten e2 1 em = ≈ 4 0 ℏ c 137 so scheint die schwache Wechselwirkung zunächst stärker zu sein als die elektromagnetische Wechselwirkung. Für den Propagator des W Bosons gilt aber: −i g − q q / m 2W c 2 2 2 q − mW c 2 ≈ ig 2 mW c und daher ist die schwache Wechselwirkung wegen der großen Masse des W Bosons unterdrückt! CP-Verletzung 1956 fand C.S.Wu bei der Untersuchung des ß-Zerfalls von Kobaldkernen 60 Co 60 − N i e e heraus, dass die Elektronen stets entgegen der Spinrichtung des Kobaldkerns emittiert wurden! Dies bedeutet, dass die Elektronen alle linkshändig waren und die Antineutrions damit alle rechtshändig! Daraus folgt, dass die schwache Wechselwirkung die Paritätsinvarinaz verletzt! Man könnte nun annehmen, dass stattdessen die CP-Symmetrie erhalten bliebe, aber auch dies ist nicht der Fall (sie ist z.B. in Zerfallsreaktionen von Kaonen in Pionen schwach verletzt! ) Diese experimentellen Daten führen zu folgender Theorie: Die Leptonen lassen sich aufteilen in: ➢ ein linkshändiges Dublett e − e L mit schwachem Isospin ½ und schwacher Hyperladung -1 ➢ ein rechtshändiges Elektron e − R mit schwacher Hyperladung Y = -2 Analog für das Myon und das Tauon sowie deren Neutrinos. (Auch die Quarks lassen sich in linkshändige Dubletts zusammenfassen ) Dies korrespondiert mit folgender Eichstruktur der elektroschwachen Wechselwirkung: U 1Y ⊗ SU 2L Diese wiederum führt zu 4 Eichfeldern: U 1Y B koppelt an die schwache Hyperladung SU 2L W i koppelt an den schwachen Isospin Aus diesen folgen die Bosonen der elektroschwachen Wechselwirkung durch Linearkombination: W ± = 1/ 2⋅W 1 ∓ iW 2 Z = − B ⋅sin w W 3 ⋅cos w A = B ⋅cos w W 3 ⋅sin w mit dem schwachen Mischungswinkel w Die W ± koppeln nur an linkshändige, Z und A wegen dem Feld B auch an rechtshändige Teilchen. Die Kopplungskonstanten betragen: g e = e = 4 em g W = e / sin w g Z = e / sin w ⋅cosw 4.) Standardmodelltest mit W Bosonen am Tevatron Zum Test des Standardmodells werden am Tevatron Protonen und Antiprotonen mit einer Energie im Schwerpunktsystem von je 960 GeV aufeinander geschossen. Dabei läuft u.a. die folgende Reaktion ab: Da sich aber der longitudinale Impuls der entstehenden Teilchen mit dem Detektor nur schlecht messen lässt und auch über den Longitudinalimpuls des erzeugten W Bosons nur ungenaue Aussagen gemacht werden können, misst man lediglich die Transversalimpulse und -energien der Leptonen und Neutrinos und berechnet daraus die sogenannte transversale Masse des W Bosons: Es gilt: l 2 l 2 M t = E t E t − pt pt Hierbei ist l pt = − ptU den Impuls des „underlying events“ bezeichnet! ,wobei U Eine gute Modellierung des underlying event ist also wichtig für eine hohe Messgenauigkeit! Die Messungen liefern eine Masse des W Bosons von: mW CDF D Ø = 80,456 ± 0,059GeV Für den Run II am Tevatron wird die Messgenauigkeit unter Einbeziehung aller systematischen und statistischen Fehler auf m W = ±30 MeV geschätzt! Die so ermittelte Masse lässt indirekt Rückschlüsse auf die Masse des Higgsbosons zu m W = 30MeV ⇒ m H = 30GeV und zeigt weiterhin, das die Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung konsistent ist! 5.) Der Higgsmechanismus Die Eichfelder W i und B der elektroschwachen Wechselwirkung dürfen keine Masse tragen, da sonst die Forderung nach lokaler U 1 ⊗ SU 2 - Eichsymmetrie verletzt ist. Dies gilt auch für die Fermionenfelder. Daher müssen die Massen der Eichbosonen und der Fermionen im Rahmen des Higgsmechanismus durch die sogenannte spontane Symmetriebrechung erzeugt werden! Der beim Higgsmechanismus wichtige Prozess der spontanen Symmetriebrechung lässt sich veranschaulichen am Übergang eines Ferromagneten von T T C nach T T C und der damit verbundenen Ausbildung von Weiß`schen Bezirken! Um also den Eichbosonen und Fermionen eine Masse zu geben ohne die lokale Eichinvarianz aufgeben zu müssen, führt man ein Dublett von komplexen Skalarfeldern ein: H x = H 0 x H x Hyperladung 1 , welche folgendes „Double – Well – Potential“ spüren: V H = ⋅ H ∗ x ⋅ H x − 1/ 2 v 2 2 (Ferner soll der Higgs – Anteil der Lagrangedichte eichinvariant sein !!! ) Obiges Potential besitzt ein entartetes globales Minimum, d.h. der Vakuumerwartungswert des Higgsfeldes ist ungleich 0 ! Die spontane Symmetriebrechung besteht nun in der Wahl eines bestimmten Minimums, z.B. : H vac = 1 0 ⋅ 2 v Fordert man nun die folgende Kopplung des Higgsfeldes an die rechts- bzw. linkshändigen Fermionen: f e L ⋅ HR R⋅ H L L = L und R = eR eL mit so gilt hierfür im Vakuumzustand: f e L ⋅ HR R ⋅ H L = 0 − 0∗ f e L e r H e L e R H e R e L H e R e L H = = ... = f e v e L e R e R e L = f e v ⋅e e me Leptonen und auch Quarks erhalten Masse also dadurch, dass sie im Vakuum – Higgsfeld eine potentielle Energie besitzen! Auf ähnliche Art und Weise (die Rechnung ist allerdings etwas komplizierter) erhalten auch die Eichbosonen ihre Masse: mW = g W ⋅v /2 m Z = g Z ⋅v /2 m = 0 Schließlich folgt mit der Fermirelation 2 g GF = ⋅ W 8 mW 2 für den Vakuumerwartungswert des Higgsfeldes: v= 1 ≈ 246 GeV 2G F Ferner gilt für die Masse des Higgsbosons: mH = v ⋅ 2 Hierbei ist allerdings unbekannt! Da die Eichbosonen nun massiv sind besitzen sie jetzt 3 mögliche Spineinstellungen statt wie vorher nur 2 : Hinzu kommt jeweils die Helizität 0 ! Dazu werden 3 Felder mit Helizität 0 und Ladung +1, -1 und 0 benötigt (je eins für W , W − und Z 0 ) Dies sind die Felder H , H − und ℑ H 0 Als messbares physikalisches Feld bleibt lediglich ℜ H 0 übrig ! Dieses entspricht dem Higgsboson. Es hat sich die Sprechweise eingebürgert : „Three of the Higgs – fields are eaten up by the vector particles !“ 6.) Higgs – Suche am Tevatron und LHC Unter Berücksichtigung aller theoretischen und experimentellen Daten wird heute erwartet, dass Higgsboson bei Massen im Bereich von m H = 140 − 200 GeV / c 2 zu finden. Bei der Suche nach dem Higgsboson stehen verschiedene vom Standardmodell vorhergesagte Produktionsmechanismen zur Verfügung: • • • Gluon – Gluon – Fusion über einen top – Quark – Loop ( Dies ist der dominante Produktionsmechanismus an beiden Beschleunigern ) t t - Fusion W, Z – Bremsstrahlung • WW, ZZ – Fusion Die Hauptzerfallskanäle des Higgsbosons sind die folgenden: • H bb • H WW ∗ − • H ZZ ∗ Higgssuche am Tevatron Zur Suche nach dem Higgsboson wird am Tevatron der H WW ∗ − Zerfallskanal untersucht. Der Hauptproduktionsmechanismus ist hierbei wie bereits erwähnt die gg – Fusion. Da die eigentlich interessanten Signale jedoch durch eine große Menge an Hintergrundprozessen überdeckt werden, werden sogenannte „signal selection cuts“ angewandt, um das Signal zu reinigen! Hintergrundprozesse mit einer ähnlichen Ereignistopologie wie der zu untersuchende Zerfall sind: • Z / ∗ − • Z / • WW − • t t W bW b b b • b b , W − Jets ∗ − − − Die einzelnen selection cuts sind u.a. : • • m 20 GeV − bei 10 GeV ∣m − mZ∣ 15GeV − Z • • missing transverse energy der beiden Neutrinos E t 30GeV ∗ − − Z / , muon opening angle 2.0 • Impuls des höchstenergetischen Jets pt 1 60GeV / c , pt 1 20GeV /c − − t t W bW b b b Aus den Messdaten lässt sich eine obere Grenze für den Wirkungsquerschnitt mal branch ratio ⋅ BR H WW für den Zerfall des Higgsbosons angeben. Zum heutigen Zeitpunkt lässt sich zwar noch keines der verschiedenen Modelle zum Higgsmechanismus ausschließen, aber unter Kombination aller Daten und Zerfallskanäle bis 2009 könnte dies möglich sein! Higgs – Suche am LHC Am LHC stehen mehrere Zerfallskanäle zur Untersuchung des Higgsbosons zur Verfügung. Ab einer Signalsignifikanz von 5 kann man gesichert von der Entdeckung des Higgsbosons sprechen. Die Signalsignifikanz ist dabei definiert als: = S−N mit N S Signale = N Hintergrund Higgs Am LHC wird somit innerhalb weniger Jahre mit der Entdeckung des Higgsbosons gerechnet ( sofern die Theorie stimmt ! ) Vortrag im Rahmen des Seminars: Physik mit Tevatron und LHC an der physikalischen Fakultät der LMU München am 6.12.2005 von Jochen Baumann Themen: Standardmodell und Higgsbosonen 1.) Einführung in die Eichtheorien 2.) Das Standardmodell der Teilchenphysik 3.) Die elektroschwache Wechselwirkung 4.) Standardmodelltest mit W Bosonen am Tevatron 5.) Der Higgsmechanismus 6.) Higgs – Suche am Tevatron und LHC