1 Referat von Sakib Halilovic Seit langem leben Christen und Muslime in Europa zusammen und es gibt wenig Grund anzunehmen, dass sich in der Zukunft etwas daran ändern sollte. Nachbarn können viel voneinander lernen – wenn sie es wollen. Nicht bestreiten lässt sich jedoch, dass sich der Islam und das Christentum von Anfang an, seit ihren ersten „Berührungen“, immer auch in einer gewissen Konkurrenzsituation befanden. Heute hat diese Konkurrenzsituation einen globalen Charakter erlangt. Die Anhänger beider Religionen sind über den ganzen Globus verteilt und damit weltweit Nachbarn. Teil dieser Nachbarschaft sind neben Mitgliedern weiterer Religionen auch Menschen, die sich als agnostisch oder atheistisch bezeichnen und keiner Religionsgemeinschaft angehören. Sowohl Christentum als auch Islam haben sich in einer multireligiösen und weitgehend säkularisierten Gesellschaft zurechtzufinden. Beide Religionsgemeinschaften tragen die Verantwortung, das Zusammenleben friedlich und auf Augenhöhe zu gestalten, und beide sind mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Bereitschaft und eigene Ressourcen zu investieren, die gemeinsame Lösungen alltäglicher Aufgaben ermöglichen. Die Muslime und Musliminnen sind nicht mehr nur Nachbarn als Gastarbeitende, sondern als Mitbürgerinnen und Mitbürger, und zwar nicht nur als einzelne Personen, sondern auch als Familien, Vereine, Gemeinschaften mit eigenen Lebensweisen, Strukturen und Zielsetzungen. Dies bedeutet, dass sie den öffentlichen Raum, im weitesten Sinn des Wortes, mitgestalten wollen, natürlich zusammen mit all den anderen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land. Die schweizerische Verfassung garantiert jeder einzelnen Person Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit. Das steht im Artikel 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die praktischen Fragen des Glaubens jedoch liegen, im Prinzip, in der Obhut der Kantone (bei der Armee ist es anders). So legt es Artikel 72 zu Kirche und Staat fest. Ohne die schweizerischen verfassungsrechtlichen Grundsätze detaillierter zu analysieren, was ein separates Thema wäre, gilt es, ein zentrales Merkmal im Verhältnis von Religion und Staat in der Schweiz hervorzuheben. In allen Kantonen sind die traditionellen christlichen Kirchen vom Staat zumindest "öffentlich" anerkannt. Die Kantone anerkennen in ihren Verfassungen, dass die Kirchen wichtige Funktionen für die Öffentlichkeit wahrnehmen. Auch in Genf und Neuenburg – den beiden Kantonen, in denen die Kirchen nur als privatrechtliche Vereine ausgestaltet und nicht öffentlich-rechtlich anerkannt sind – hält das staatliche Recht fest, dass die Tätigkeit der Kirchen im öffentlichen Interesse liegt. Die öffentlichrechtliche Anerkennung hat zur Folge, dass die Kantone den staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften einen Teil ihrer Hoheitsgewalt zukommen lassen. Tatsache ist, dass sich Musliminnen und Muslime in der Schweiz oft in einer schwierigen Situation befinden. Ihre Religion begegnet vielfach Argwohn und 2 Ablehnung, weil sich unter Berufung auf den Islam weltweit und auch in der europäischen Diaspora extremistische Bewegungen gebildet haben, die sich gegen den Westen, seine Kultur und sein Rechtssystem wenden und einen politischen Überlegenheitsanspruch ihrer Religion vertreten. Dazu kommen häufig familien- und gemeinschaftsinterne Spannungen, die damit zu tun haben, dass in der Diaspora traditionelle Werthaltungen mit einer modernen Lebensweise und der Rechtsordnung des Staates kollidieren. Gerade vor diesem Hintergrund müsste der Staat ein Interesse daran haben, Religionsgemeinschaften nicht vollständig in den Privatbereich abzudrängen, sondern sie als öffentliche Player zu unterstützen und auch zu kontrollieren. Denn Religionsgemeinschaften, die demokratisch und transparent organisiert sind, bilden ein wichtiges Bollwerk gegen Fundamentalismus und Extremismus. Nun, wer sich „heute“ nicht mit der Situation auseinandersetzt, wird „morgen“ auf die Probleme reagieren müssen. Der Sonderfall Bosnien und Herzegowina Zu Beginn meiner Ausführungen habe ich gesagt, dass Nachbarn viel voneinander lernen können – natürlich, wenn sie es wollen. Warum ist oder könnte für uns der „Sonderfall“ Bosnien und Herzegowina interessant sein? Bosnien und Herzegowina ist seit Jahrhunderten Heimat und Haus der drei monotheistischen Religionen; Judentum, Christentum und Islam. In geopolitischer, historischer, kultureller und religiöser Hinsicht wurde das Schicksal von Bosnien entscheidend durch die Teilung des römischen Reiches in ein Ost- und ein Westreich geprägt, die Theodosios der Grosse im Jahr 395 durchgeführt hat. Das Gebiet von Bosnien und Herzegowina wurde ein Grenzgebiet, an dem zwei kulturzivilisatorische Kreise endeten und sich berührten: der lateinische bzw. römisch-katholische im Westen und der griechisch-orthodoxe im Osten. Die Situation wurde komplexer, als die Osmanen nach Südeuropa vordrangen. Obwohl es auch früher Kontakte und Einflüsse gegeben hatte, trat erst mit der offiziellen Eroberung Bosniens im Jahr 1463 die lokale Bevölkerung in grösserer Zahl zum Islam über. Die islamische Gemeinschaft (Meilensteine) Die islamische Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina bildet die einheitliche Organisation der muslimischen Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina, der Bosniakinnen und Bosniaken ausserhalb der Heimat und weiterer Musliminnen und Muslime, die sie als ihre Organisation akzeptieren. Die islamische Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina hat ihre Selbstständigkeit und Autonomie vor mehr als 120 Jahren hergestellt. Im Jahr 1882 ernannte der Schaich-al-Islam aus Istanbul Hilmi Omerovic zum bosnischen Grossmufti und später im gleichen Jahr auch zum Rais-al-ulema (Oberhaupt der Gelehrten). Zur Organisation der islamischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina Sie ist wie eine Kirche organisiert. Der bosnische Sonderfall ist allerdings ein Produkt der Geschichte: Als die osmanische Vorherrschaft über Bosnien 1878 in die Hände der Habsburger wechselte, wollte Wien die Musliminnen und Muslime dem Einfluss des Istanbuler Sultans entziehen, aus politischen Gründen. Die autonome 3 Körperschaft, die damals entstand, hat sich bis heute erhalten, unterbrochen nur in der religionsfeindlichen Frühphase Jugoslawiens. Sie hat eine Pyramide mit demokratischer Struktur: Die Basiseinheiten (»Dschemat«), je etwa 200 Haushalte, wählen Räte, daraus entsteht ein 83-köpfiges Parlament, das wählt wiederum ein Exekutivorgan (Rijaset), dem unterstehen alle Moscheen mit etwa 1400 Imamen. Sie bildet also eine muslimische Einheitsvertretung, neben der keine anderen islamischen Organisationen bestehen. Als solche ist sie in sich pluralistisch und umfasst traditionalistische wie modernistische Strömungen ebenso wie Sufis. Der Sabor (Haupt- Vollversammlung) mit 83 Mitgliedern ist eine Art Parlament, das auch gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Diaspora aus Westeuropa, Nordamerika, Australien in seinen Reihen hat. Der von der Hauptversammlung gewählte Rijaset stellt eine Art der kollektiven Präsidentschaft und Exekutive dar. Daneben gibt es entsprechend der Gewaltenteilung auch ein Verfassungsgericht. Nach der Verfassung der Islamischen Gemeinschaft ist die Amtszeit des Rais alulema, der als Symbolfigur der islamischen Einheit verstanden wird, auf sieben Jahre mit einmaliger Wiederwahl begrenzt. Auf den verschiedenen administrativen Ebenen, die nach dem Territorialprinzip organisiert sind, gibt es jeweils gewählte Laienräte und eine geistliche Hierarchie, die von Imamen über Hauptimame und Muftis bis zum auch als Grossmufti bezeichneten Rais al-ulema reicht. Nach dem bosnischen Gesetz über Religionsfreiheit aus dem Jahr 2004 hat die Islamische Gemeinschaft einen privatrechtlichen Status; sie unterhält jedoch religiöse Schulen, erteilt Religionsunterricht und kooperiert mit dem Staat im Bereich der Seelsorge. Die unterste Organisationseinheit der islamischen Gemeinschaft heisst Dzemat und umfasst normalerweise das Gebiet eines Dorfes oder mehrerer kleinerer Dörfer, in den Städten einen Stadtteil oder einige Strassenzüge. Die Zugehörigkeit zu einem Dzemat ist normalerweise mit der nächstgelegenen Moschee verbunden. Jeder Dzemat hat eine eigene Generalversammlung, der alle Volljährigen, sowohl Frauen als auch Männer, angehören. Exekutive des Dzemat ist der Moschee-Vorstand, ein Gremium von Laien ausser dem Imam, der als Fachperson Mitglied des Gremiums ist. Das Organ der islamischen Gemeinschaft, das gewöhnlich das Gebiet einer Gemeinde (oder darüber hinaus) umfasst, heisst Madschlis. Jeder Madschlis hat eine eigene Vollversammlung, die aus den Delegierten der Basisgemeinden gebildet wird. Die Exekutive, gewählt von der Vollversammlung des Madschlis ist ein Gremium, in dem wiederum die Laien die absolute Mehrheit haben, nämlich zwei Drittel, während ein Drittel Imame bzw. Religionsgelehrte sind. Auf der Bundesebene ist die Vollversammlung (Sabor) das höchste gesetzgebende Organ der islamischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina. Sie verabschiedet die Verfassung und andere Vorschriften, wählt den Rijaset (Exekutive) und den Rais al-ulema, gründet Schulen und andere Einrichtungen, benennt und entlässt Muftis. Die Vollversammlung konstituiert sich nach dem Territorialprinzip. 4 Der Rijaset der islamischen Gemeinschaft ist das Exekutivorgan des Sabors (Vollversammlung) mit dem Rais al-ulema an der Spitze; Mitglieder sind ausser ihm noch sein Stellvertreter (Naibu Rais al-ulema) und Fachleute, die als solche bestimmte Ressorts leiten. Der Rais al-ulema ist das religiöse Oberhaupt aller Muslime in Bosnien und Herzegowina und aller Bosniakinnen und Bosniaken, die im Ausland leben. Er wird von der Vollversammlung der islamischen Gemeinschaft (Sabor) gewählt und repräsentiert die islamische Gemeinschaft im In- und Ausland. Auf der Bundesebene gibt es zudem den Rat der Muftis, das oberste religiöse Fachgremium für die Lehre und die Praxis. Die Interpretation des Islam in Bosnien-Herzegowina Die für den heutigen Vortrag eingeplante Zeit gestattet es nicht, detaillierter über zivilisatorische und kulturelle Einflüsse des Islam auf dem Balkan einzugehen. Im Folgenden sollen deshalb nur die wichtigsten Strömungen des Islam in der Geschichte Bosniens und Herzegowinas identifiziert werden. Die Periode der osmanischen Verwaltung hat den Charakter des Islam in Bosnien und Herzegowina wesentlich geprägt. Der Islam verbreitete sich in Bosnien und Herzegowina als Glaube, wandelte sich dann zum Staat und lebt heute als Kultur. Während der osmanischen Verwaltung basierte das Rechtssystem in Bosnien und Herzegowina auf dem islamischen Scharia-Recht. Nichtmuslimische Bevölkerungsteile hatten den Status von Schutzbefohlenen. Für sie waren ihre eigenen religiösen Gerichte zuständig. In österreichisch-ungarischer Zeit wurde das Scharia-Recht weiterhin angewendet, wurde jedoch nach und nach auf Personalfragen, also auf Familien-, Ehe- und Erbrecht, reduziert. 1946 schliesslich wurde das Scharia-Recht in Bosnien und Herzegowina ganz abgeschafft. Während der osmanischen Zeit verfassten Musliminnen und Muslime in Bosnien und Herzegowina ihre Werke in arabischer, türkischer und selten auch in persischer Sprache. Die österreichisch-ungarische Periode ist von aussergewöhnlicher Wichtigkeit für die muslimische Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina, denn mit ihr traten sie direkt in die europäische Zivilisation ein. Sie wurden bereits damals mit Fragen konfrontiert, mit denen sich heute muslimische Migrantengruppen in europäischen Ländern, in Nordamerika oder in Australien auseinandersetzen. Musliminnen und Muslime aus Bosnien und Herzegowina, die nach Mitteleuropa emigrierten, verstanden sich bereits in ihrer ursprünglichen Heimat als europäisch, andere nach Europa migrierte Musliminnen und Muslime kommen aus nichteuropäischen Kulturen und werden erst in ihrer neuen Heimat mit der europäischen Kultur konfrontiert. Die These, dass das Christentum in Europa bzw. im Abendland beheimatet ist, der Islam jedoch eine Religion aus dem Osten (oder Morgenland) sei, wird am besten durch die Tatsache widerlegt, dass sowohl Christentum, Judentum als auch Islam aus demselben Gebiet stammen. Der Islam ist in Europa seit mehr als 1000 Jahren 5 auf der iberischen Halbinsel zu Hause und ausserdem in Teilen Russlands und auf dem Balkan. Dilemmas in der Interpretation des Islam Die Periode des Islam in Bosnien und Herzegowina während der osmanischen Verwaltung lässt sich als klassisch definieren. Die Musliminnen und Muslime beschäftigten sich damals ausschliesslich mit Fragen, mit denen auch Muslime in den übrigen Teilen des Reiches beschäftigt waren. Es entstanden in dieser Zeit auch Werke, die die interreligiösen Beziehungen im Osmanischen Reich und die Beziehungen mit den Christen ausserhalb des Reiches behandelten. In der Zeit der österreichisch-ungarischen Verwaltung stellten die muslimischen Intellektuellen Fragen wie, ob Muslime in einem Land bleiben und leben sollten, das nicht muslimisch ist, oder ob sie es verlassen sollten, ob sie Armeedienst leisten können, ob sie sich ausbilden sollten, wie sie im neuen Wertesystem handeln sollten usw. usf. Antworten auf ganz konkrete Fragen wurden gesucht: Was für eine Schule sollte es geben? Welche Kleidung sollten Frauen und Männer tragen und welche Kopfbedeckung? Darf ein Muslim einen Hut tragen? Darf eine Muslimin gesellschaftlich engagiert sein? Soll das islamische Recht auf Dauer abgeschafft werden, oder soll die muslimische Bevölkerung eine eigene Gerichtsbarkeit haben? Das waren Fragen, die die muslimischen Intellektuellen in Bosnien und Herzegowina am Anfang des 20. Jahrhunderts bewegten. Nach einer ersten Welle von Unsicherheit antworteten muslimische Intellektuelle dahingehend, dass sie die Bedingungen akzeptieren sollten, in denen sie sich befanden, und sie suchten Antworten auf Fragen, mit denen sie sich in der neuen Umgebung konfrontiert sahen. Im neuen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Milieu der österreichisch-ungarischen Verwaltung entwickelten Musliminnen und Muslime eine Interpretation des Islam, die ihnen das Verbleiben und eine eigene Entwicklung im Rahmen dieses Reiches ermöglichte. Fazit Der Islam ist in die soziokulturelle Umgebung völlig integriert und wie Judentum und Christentum zum Allgemeingut von Bosnien und Herzegowina geworden. Die islamische Gemeinschaft hat sich klar positioniert; ihre Aktivitäten in Übereinstimmung mit europäischen Standards der Menschenrechte und der religiösen Freiheiten zu realisieren. Durch die Achtung des zivilen Gesetzes und die jahrhundertelange Erfahrung des Lebens in Verschiedenheiten könnte die islamische Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina das Vorbild, das Modell sein! Bosnien und Herzegowina ist der beste Beleg dafür, dass es eine europäische Geschichte des Islam und eine islamische Geschichte Europas gibt. Die Trennung von Staat und Religion stellt für die bosnischen Muslime seit 1878 eine unhinterfragte Wirklichkeit dar. Zudem haben sie eine transparente demokratische Organisationsstruktur entwickelt, die synodale und hierarchische Elemente miteinander verbindet. Auch was die Ausbildung von Imamen betrifft, setzt die Islamische Gemeinschaft in Bosnien Massstäbe seit 2005 hohe Anforderungen, nämlich die Tätigkeit als Imam erfordert ein abgeschlossenes Theologiestudium. 6 Schlusswort Die schweizerische Religionspolitik gegenüber den in unserem Land lebenden Musliminnen und Muslimen leidet an Defiziten. Eine bessere Integration der muslimischen Bevölkerung und ihrer Werte in die Gesellschaft und in die staatliche Religionsverfassung ist dringend notwendig. Der Staat hat seine anerkannte Schutzaufgabe auch gegenüber religiösen Minderheiten zu erfüllen, und er hat im Rahmen seiner Zuständigkeit für Bedingungen zu sorgen, die den zivilgesellschaftlichen Gruppen ermöglichen, ein echtes Gespräch untereinander zu führen und nicht in einem scheinheiligen Dialog stecken zu bleiben. Zu den Aufgaben des Staates gehört nicht nur die Verpflichtung zur Schaffung und Erhaltung einer Friedensordnung, sondern auch die Gestaltung seines Verhältnisses zu den Religionsgemeinschaften. Der Staat garantiert ihnen Autonomie im Rahmen seines Rechtes und bestimmt je nachdem ihre rechtliche Verfassung (Art. 72 Abs. 1 der Bundesverfassung). Zu den Aufgaben der staatlichen Religionspolitik gehört es jedoch auch, der Bevölkerung möglichst viel Raum zur Entfaltung ihrer religiösen Freiheit zu gewähren. Der Prozess der Anerkennung des Islam im institutionellen Sinn müsste zwei Formen haben: eine institutionell-strukturelle und eine politische Form. Beide Formen müssten in gegenseitiger Korrelation sein. Der institutionell-strukturelle Prozess und der Dialog sind essentiell, da sie das institutionelle Verhältnis des Staates gegenüber den religiösen Gemeinschaften mit einschliessen. In einer demokratischen Gesellschaft umfasst dies den empirischen, formalen und den normativen Dialog des Staates mit den Gesprächspartnern. Das empirische Verhältnis bedeutet, dass der Staat quantitative Befunde in der Gesellschaft als Grundlage für seine Handlungen nimmt. Die Schweiz hat eine jahrhundertelange Erfahrung der Zusammenarbeit mit den protestantischen, katholischen und jüdischen Gemeinschaften, welche auf die Kooperation mit den neuen religiösen Minderheiten übertragen werden kann. Bei der Frage der muslimischen Gemeinschaften sind die empirischen Indikatoren besonders wichtig, da sie von der demokratischen Gesellschaft den Schutz religiöser Minderheiten und eine Verringerung der institutionellen und politischen Diskriminierung fordern. Aus diesem Status ergeht eine formale und normative Zusammenarbeit des Staates mit der religiösen Gemeinschaft. Sie umfasst mannigfaltige Segmente wie: Erziehung (Schulen und Universitäten), Gesundheitswesen (Krankenhäuser, Pflege- und Altersheime), Armee, Strafvollzug, humanitäre Tätigkeiten usw. Der jetzige empirische, formelle und normative Status der muslimischen Gemeinschaften im Rahmen des Vereinsrechts erschwert die Integration der Muslime in die Gesellschaft, was eine verlangsamte Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem Staat zur Folge hat. Die Erwartung, dass die muslimischen Gemeinschaften aus dem bestehenden rechtlichen Rahmen heraus erfolgreich die vorhin erwähnten Projekte durchführen ist unrealistisch. Die Muslime können in diesem rechtlichen Rahmen ihrer Handlung nicht qualitativ auf die erwähnten gesellschaftlichen Herausforderungen antworten. Das Vereinsrecht ermöglicht zwar, vielfältige Möglichkeiten für die Wirkungsweise religiöser Organisationen, aber diese 7 Arbeit ist nicht institutionell-strukturell abgesichert durch staatliche Institutionen. Er ist daher von sekundärer Natur und von seiner rechtlichen Seite her sehr unsicher und unzuverlässig. All dies bedeutet, dass muslimische Gemeinschaften nicht in der Lage sind institutionell Verantwortung zu übernehmen.