Alternative für Deutschland: Faktencheck zur Islamkritik

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24. Apr. 2016
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http://www.welt.de/154538441
19.04.16
Neues AfD-Programm
Die Islamkritik der AfD im Faktencheck
Die AfD hält "den Islam" für nicht integrierbar und den "politischen Islam"
für eine Bedrohung. In der politischen Debatte, die sie jetzt losgetreten
hat, geht vieles durcheinander. Von Anne-Beatrice Clasmann
Die AfD warnt vor einer "Islamisierung" Deutschlands. Mit ihren Positionen zum Islam und
zur religiösen Praxis der Muslime in Deutschland polarisiert die rechte Partei – so wie zuletzt
in der Flüchtlingsdebatte. Die Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der
Frankfurter Goethe-Universität, Susanne Schröter, sagt zum AfD-Programm, "dass es von
einer dramatischen religionswissenschaftlichen, politikwissenschaftlichen, historischen und
theologischen Unkenntnis zeugt, sowie Halbwahrheiten verdreht und mit gängigen
Vorurteilen vermengt". Ein Faktencheck:
- Die AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch sagt in der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Die
größte Bedrohung für Demokratie und Freiheit geht heute vom politischen Islam aus
(Link: http://www.welt.de/154503081) ."
Nur: "Den politischen Islam" gibt es nicht. Was es gibt, sind Parteien, die sich auf den Islam
berufen. Dazu zählen beispielsweise Ableger der sunnitischen Muslimbruderschaft oder die
Schiiten-Parteien im Irak. Einige dieser Parteien messen religiösen Grundsätzen einen
höheren Wert zu als individuellen Freiheitsrechten. Die meisten von ihnen befürworten
demokratische Prinzipien. In Deutschland gibt es keine islamistischen Parteien.
- Im Leitantrag für das Parteiprogramm steht: "Das Minarett lehnt die AfD als islamisches
Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf, nach dem es außer dem islamischen
Allah keinen Gott gibt."
Aber: Islamwissenschaftlerin Schröter sagt: "Das Minarett ist genauso wenig ein
Herrschaftssymbol wie der christliche Kirchturm." Das im Gebetsruf enthaltene
Glaubensbekenntnis, "Es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Prophet",
bringe lediglich verbindende religiöse Überzeugungen zum Ausdruck.
Das Kopftuch nicht als Emanzipationshindernis?
- Im Leitantrag heißt es weiter: "Der Integration und Gleichberechtigung von Frauen und
Mädchen sowie der freien Entfaltung der Persönlichkeit widerspricht das Kopftuch als
religiös-politisches Zeichen der Unterordnung von muslimischen Frauen unter den Mann."
Allerdings: Schröter sieht das Kopftuch nicht als Emanzipationshindernis. Die
Kopfbedeckung der Frauen sei allenfalls "ein Bekenntnis zu einer religiös begründeten
moralischen Norm", aber kein Zeichen der Unterordnung unter einen Mann.
- Der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland sagt im Interview mit der "Zeit":
"Ich glaube einfach, dass der Islam in seiner heutigen Form nicht integrierbar ist in eine
westliche Gesellschaft, viele Einzelne schon, der Islam nicht."
Dazu ist zu sagen: Menschen können sich in eine Gesellschaft integrieren, nicht aber eine
Religion. Der "Islam in seiner heutigen Form" ist ein theoretisches Konstrukt, das so in der
Realität nicht existiert. Es gibt säkulare und strenggläubige Muslime, Sunniten, Schiiten und
Anhänger anderer islamischer Religionsgemeinschaften. Fakt ist allerdings auch, dass der
radikale Salafismus seit etwa 20 Jahren zu den besonders stark wachsenden Strömungen
zählt.
- Partei-Vize von Storch stellt im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung"
fest: "Der Islam ist an sich eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar
ist."
Hier gilt: Der Islam ist eine Religion wie das Judentum oder das Christentum und kann wie
jede Religion politisch instrumentalisiert werden. Zu diesem Ergebnis gelangte eine an der
Universität Chicago forschende Gruppe von Wissenschaftlern, die sich von 1987 bis 1993 mit
fundamentalistischen und politisierten Formen der Weltregionen befasst hat. Der
Wahabismus, der in Saudi-Arabien Staatsreligion ist, steht in einigen Punkten im
Widerspruch zu unserem Grundgesetz. Das Gleiche lässt sich allerdings auch für die
Gesetze von US-Bundesstaaten sagen, in denen die Todesstrafe zulässig ist.
- Im Programmentwurf der AfD-Niederbayern heißt es: "Solange der Bau und Betrieb von
Moscheen nicht nur dem gemeinsamen Gebet, sondern auch der Verbreitung der auf die
Beseitigung unserer Rechtsordnung gerichteten islamischen Lehre dient, ist er zu
untersagen. Dem können auch abweichende Beteuerungen islamischer Geistlicher nicht
entgegenstehen, denn der Koran lässt zur Erreichung seiner Ziele gegenüber
Außenstehenden auch Lüge und Täuschung zu."
Aber: Moscheen sind Orte gemeinsamer Andacht sowie kultureller und sozialer Aktivitäten.
Die Moscheegemeinden sind so vielfältig wie die verschiedenen Spielarten des Islam.
- In dem Entwurf aus Niederbayern heißt es weiter: "Der Islam ist auf seinem erklärten Weg
zur Weltherrschaft bereits bei 57 von 190 Staaten angelangt. Diese haben in der Kairoer
Erklärung von 1990 die Scharia zu ihrem verbindlichen Rechtssystem und damit die UNOMenschenrechtscharta von 1948 als für sich unbeachtlich deklariert."
Fakt ist: Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) hat 57 Mitglieder, von denen
45 die sogenannte Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam unterzeichnet haben. Die
OIC ist kein Staatenbündnis wie die EU. Sie ist eine zwischenstaatliche Organisation, deren
Vereinbarungen für die einzelnen Mitglieder nicht verbindlich sind. Die 1990 verabschiedete
Kairoer Erklärung beinhaltet einige umstrittene Textstellen mit Hinweis auf die Scharia. Der
Politologe Turan Kayaoglu forderte 2012 eine Revision des Dokuments, das aus seiner Sicht
Defizite in puncto Meinungsfreiheit und Frauenrechte aufweist.
dpa/tba
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