Neue Ergebnisse der Gehirnforschung: Wie Beziehungen unsere Gesundheit, unsere Lernbereitschaft und unsere Stressreaktionen beeinflussen (c) Irene Taucher Die wichtigste Kompetenz, die wir in unserem Leben brauchen , ist die Beziehungsfähigkeit. Sie ist das Fundament, auf dem Lernen aufbaut. J. Bauer, Arzt für innere Medizin und Psychiatrie, Genforscher Neurobiologe und Psychotherapeut. (c) Irene Taucher Die Spiegelnervenzellen (Spiegelneuronen) Entdecker Giacomo Rizzolatti … werden durch Handlungen anderer aktiviert und ermöglichen Nachahmung und Empathie (Verständnis für das Innenleben anderer Menschen, „Mitleben“) sowie Modelllernen …springen nur dann an, wenn beobachtete Handlung von einem lebenden Menschen höchstpersönlich ausgeführt wird Folgerung: Menschliches Erleben und Lernen braucht persönliche Beziehung (c) Irene Taucher ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZIT „Spiegelneurone stellen eine direkte Kommunikation her (durch spontane interne Simulation), ohne dass man sich erst mühsam über Sinn und Wortbedeutungen einigen muss.“ (Keysers 2006) (c) Irene Taucher ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZIT Spiegelneuronen stellen eine wesentliche Grundlage zum Gelingen von Kommunikation dar: • Sie bieten die biologische Grundlage zur verbalen und nonverbalen Annäherung (Konvergenz) • Sie ermöglichen Authentizität (Echtheit) durch das Einfühlen in den Anderen, indem das ICH gelernt hat, sich von ihm zu unterscheiden. •Somit fühlen wir nicht, wie Aristoteles vermutete mit dem Herzen, sondern mit dem Gehirn. (Sentker A, Wigger F (Hrsg.) Schaltstelle Gehirn. Erkennen, Denken, Handeln, Spektrum akademischer Verlag Heidelberg2009) (c) Irene Taucher ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZIT Die beim Gegenüber (Partner) beobachteten Aktivitäten werden geistig nachvollzogen und begriffen, da das Spiegelsystem sowohl mit den sprachlichen als auch mit den motorischen Zentren des Gehirns in Beziehung steht. (Hinterhuber, 2001, S. 204; Entdecker: Vittorio Gallese 1991) (c) Irene Taucher ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZITATE ZIT „Die angeborenen Spiegelsysteme des Säuglings können sich nur dann entfalten und weiter entwickeln, wenn sie durch geeignete soziale Interaktionen stimuliert werden.“ (Bauer 2005, Sentker , Wigger 2009) (c) Irene Taucher Der Weg von der äußeren Situation ins Gehirn Aufnahme von Signalen mithilfe der Sinne Zusammenfassung und Bewertung des „Inputs“ durch die Großhirnrinde und das limbische System (Zentrum für emotionale Intelligenz) Zeitaufwand: 400 – 600 Millisekunden! (c) Irene Taucher Der Vorgang der Bewertung Bewertung hängt von der Motivation und den Absichten des Einzelnen ab Intensive körperliche Reaktionen nur bei der Bewertung einer Situation als Gefahren- oder Alarmsituation Große Unterschiede der Bewertung durch Vorerfahrungen, die im Großhirn und limbischen System gespeichert sind. (c) Irene Taucher Der Bewertungsmaßstab Abgleich der aktuellen Lage mit abgespeicherten Erinnerungen in ähnlichen Situationen Alarm, wenn negative Erfahrungen vorliegen Situation nicht bewältigbar (auch nicht von Bezugspersonen) Keine Hilfsangebote Bewältigung wurde nicht zugetraut = Aversive Erfahrungen (besonders intensive Prägungen) (c) Irene Taucher Motivation Entdeckung der neurobiologischen Zentren für Lebenswillen, Energie, Motivation und Lust an Leistung erst vor einigen Jahren 3 Botenstoffe: Dopamin (fördert Leistungsbereitschaft) Opioide ( für körperliches und seelisches Wohlbefinden) Oxytozin (Freundschaftshormon) Voraussetzungen für deren Ausschüttung: soziale Anerkennung persönliche Wertschätzung Interesse (c) Irene Taucher Wenn die Botenstoffe nicht ausgeschüttet werden (Beziehung fehlt) steigt die Gefahr der Sucht (die Botenstoffe werden durch Ersatzreize wie Computerspiele ausgeschüttet) führt das zu seelischer Symptomatik wie Angst oder Depression ist das Kind, der Jugendliche nicht motiviert zu lernen, die Welt zu erforschen oder zu erobern (c) Irene Taucher Speicherung von Erfahrungen Niederlagen Hilflosigkeit Einsamkeit Schmerz Angst … Speicherung im Mandelkern (besonderer Teil des limbischen Systems) Gelungene Problemlösungen Hilfe Erfolg Angenommensein Anerkennung … Speicherung im limbischen System und in der Großhirnrinde •Addieren sich zu gespeicherten Gedächtnisinhalten in Nervenzell-Netzwerken •bilden Interpretations- und Handlungsmuster (Innere Bilder) (c) Irene Taucher Übung: STRESS STRESS •3er Gruppen bilden •1 Zeitnehmer, 1 Prüfer, 1 Prüfling •Prüfling zählt 2 Minuten lang von 300 fortlaufend 17 möglichst schnell ab •Der Zeitnehmer macht Druck, indem er alle 30 Sekunden bekannt gibt, dass wieder eine halbe Minute vergangen ist •Der Prüfer überprüft das Ergebnis mithilfe des Lösungsblattes und bessert falsche Zahlen sofort aus und der Prüfling muss wieder von vorne bei 300 anfangen •Derjenige, der die niedrigste Zahl erreicht, hat die (c) Irene Taucher Prüfung bestanden Nachbereitung Alle Prüflinge berichten nach ihrer Prüfung kurze Statements zu folgenden Selbstbeobachtungen: • Wie habe ich die Prüfung erlebt • Verspürte ich körperliche Auswirkungen der Situation? • Was ging mir durch den Kopf? • Wie fühle ich mich jetzt? Der Zeitnehmer und der Prüfer beraten sich in der Zwischenzeit über das Feedback, das sie dem Prüfling geben wollen. Was haben sie beobachtet? (c) Irene Taucher Alarmzustand bei neuer Situation Aktivierung von Genen Entstehung von Proteinen Verstärkung von Kontaktstellen (Synapsen) Entstehung eines Interpretations- und Handlungsmusters (Verhaltensmusters) Unbenutzte Synapsen lösen sich auf Use it or lose it(c)(Dr. Marian Diamond) Irene Taucher Neue Situation BEWERTUNG Interpretations- und Handlungsmuster –(innere Bilder) Zuversichtliche, vertrauensvolle... Reaktion Ängstliche, resignative….. Reaktion (c) Irene Taucher Einfluss auf die Bildung von Handlungsmustern Geburtsverlauf Frühkindliche Zuwendung Bindungen im Kindesalter Reizzufuhr Umgebung und Umweltbedingungen wiederholte Erfahrungen Schützende zwischenmenschliche Beziehungen auch im Erwachsenenalter (c) Irene Taucher Bisheriger Ansatz der Wissenschaften Entwicklung von Kindern läuft nach einem genetischen Programm ab Sorgt man für „Pflege“ und Bildung hat man alles Nötige getan Hat ein Kind Probleme im Bildungsprozess: Störungen durch Gene oder Erkrankungen Schuld der Schule (c) Irene Taucher Ansätze der Neurobiologie heute: Interaktionen zwischen Organismus und Umwelt haben spezifische biologische Folgen Gene werden durch Signalstoffe reguliert Psychisches Erleben hat durch die Umwandlung in biologische Signale einen Einfluss auf die Genregulation (Umwandlung von Psychologie in Biologie) (c) Irene Taucher Genschalter und Genregulation 35.000 verschiedene Proteine erledigen die biochemischen Spezialaufgaben im Körper Sie werden ständig produziert – die Baupläne sind in der Erbsubstanz (DNS) enthalten Gene kontrollieren den Bau von Proteinen. Ob ein Gen an- oder abgeschaltet wird, hängt von den Umweltbedingungen ab Promoter (Genschalter) sind jedem Gen vorgeschaltet u. regeln deren Aktivität (c) Irene Taucher Signale, die die Promoter aktivieren, stammen aus der Zelle selbst aus dem Organismus aus der Umwelt über die Nahrung (z. B. krebsauslösende Gifte) Nichtstoffliche Signale an Körperorgane (z. B. UVLicht an Haut) Nichtstoffliche Signale ans Gehirn (Botschaften von außen) (c) Irene Taucher Erlebnis Erhöhter Blutdruck, kein Appetit, Verminderung der Produktion von Sexualhormonen und Immunbotenstoffen Verzögerung der Wundheilung, Abschalten des Nervenwachstumsgens Usw. usw. Bewertung durch limbisches System und Großhirnrinde Gefahr Stress Aktivierung CorticotropinReleasing-Gen –(CRH) Alarmbotens toffe Ausschüttung von Cortisol (c) Irene Taucher Folgerungen: Durch die Bewertung des Ereignisses erfolgt das An- oder Abschalten von Genen Die Bewertung des Ereignisses ist von Vorerfahrungen abhängig Viele gleichartige Vorerfahrungen führen zu inneren Bildern Negative Vorerfahrungen begünstigen negative Bewertung durch innere Bilder Je mehr positive Vorerfahrungen, desto bessere Bewertung des Erlebnisses, desto weniger Stress, desto weniger negative Körperreaktionen (c) Irene Taucher Nur wer sich seiner inneren Bilder, seiner Beurteilungs- und Handlungsmuster bewusst ist, kann seine emotionalen Beziehungen bewusst steuern! (c) Irene Taucher Übung: Das rote Tuch 1. Stellen Sie sich eine vielleicht schon öfters wiedergekehrte Situation in der Klasse vor, in der sie emotional überreagieren, oder sich nur schwer im Zaum halten können. Was ist IHR „rotes Tuch“? Worauf reagieren sie „allergisch“? (c) Irene Taucher Das rote Tuch Setzen Sie sich mit einem Partner zusammen und erzählen Sie sich gegenseitig von solch einer immer wieder kehrenden Situation. Finden Sie nun heraus, warum Sie in diesen Situationen überreagieren, bzw. besonders intensiv reagieren. Füllen Sie das Arbeitsblatt aus und entlarven Sie damit einige Ihrer Handlungsmuster. (c) Irene Taucher Pädagogische Praxis (c) Irene Taucher LERNEN WIE? UNTER WELCHEN BEDINGUNGE N? Entspannte Felder Konzepte des Lehrens und Lernens WANN? Kritische Zeitfenster (c) Irene Taucher Entspannte Felder bilden die Voraussetzung für Neugierverhalten und Spiel hier wird Neues erfunden generelle Lösungsstrategien erprobt und gefunden (c) Irene Taucher Spiel = selbst belohnende Verhaltensaktivität Lernvorgänge im Kontext von Spiel bedürfen keiner weiteren positiven oder negativen Verstärkung durch erwachsene Sozialpartner (c) Irene Taucher Wie entstehen entspannte Felder? Gefühl der Sicherheit (Vertrauen) (biolog.: niedrige Kortisolausschüttung) Ereignisse und Situationen vertraut, vorhersagbar und kontrollierbar Soziale Unterstützung durch Bindungspartner Anregung durch externe Stimuli (moderate Adrenalinausschüttung) 2009 (c) Irene Taucher Vgl. Norbert Sachser: Neugier, Spiel und Lernen: Verhaltensbiolog. Anmerkungen zur Kindheit Vertrauen Lässt bei Irritationen die zum Lernen erforderliche Offenheit und innere Ruhe wieder entstehen 3 Ebenen: + Selbst – Vertrauen + Vertrauen in die Lösbarkeit schwieriger Situationen gemeinsam mit anderen + Vertrauen in die Sinnhaftigkeit der Welt u. die eigene Geborgenheit (c) Irene Taucher Vertrauen in pädagogischen Beziehungen Die Schülerperspektive Forderung nach Unterstützung, Zugänglichkeit, Respekt, Aufrichtigkeit , fachliche Hilfe sowie personale Zuwendung • abhängig von der bisherigen, schulischen Sozialisation (Vorerfahrungen mit LehrerInnen) • abhängig vom Individuellen Erwartungssystem der Schülerin/des Schülers geprägt durch die Erziehung im Elternhaus (siehe innere Bilder) (c) Irene Taucher Vertrauen in pädagogischen Beziehungen Die Lehrerperspektive Forderung nach respektvollem Umgang, Ehrlichkeit und dem Bemühen zur Zusammenarbeit (z. B. Arbeitswille, Aufmerksamkeit …) • Abhängig von den bisherigen Erfahrungen in Schule und Gesellschaft •Abhängig von den persönlichen Erfahrungen im Privatleben (in der eigenen Erziehung und im späteren Leben) innere Bilder (c) Irene Taucher Kritische Zeitfenster Wenn Erfahrungen in einem gegebenen Alter prägende Wirkung für das weitere Leben haben und zu unumkehrbaren Veränderungen führen. Die kritischen Zeitfenster für die psychische bzw. gehirnbiologische Entwicklung liegen größtenteils vor der Einschulung reichen aber z. B. für den Präfrontalcortex (Kontrollzentrum für eine situationsangemessene Handlungssteuerung) bis ins 20. Lebensjahr! (c) Irene Taucher Vorsicht der Gehirnforschung Vieles spricht für die Existenz von Zeitfenstern der Gehirnentwicklung Geistige Leistungen bestehen aus Teilkompetenzen und sind an Veränderungsprozesse anderer Funktionsbereiche gebunden Entwickelndes Gehirn = Großbaustelle Forschung ist am Anfang - Interdisziplinarität Die Vorstellung von einem kritischen Zeitfenster für eine Entwicklung bleibt Vereinfachung! Vgl. Sabina Pauen: Zeitfenster der Gehirn- und Verhaltensentwicklung (c) Irene Taucher Use it or loose it Synapsenentwicklung im Gehirn: Lebensmonate 1 – 3: Langsamer Anstieg Lebensmonate 4 – 10: Verdoppelung Bis zur Pubertät: Absinken auf 2/3 des Maximalwertes Bis ins mittlere Er wachsenenalter: ~ konstant Danach: Abbau Auswahlkriterium: Use it or loose it! (c) Irene Taucher Konsequenzen? Die frühen Phasen müssen genutzt werden, sie bilden die gehirnbiologische Basis für spätere Lernleistungen und zur Ausbildung sozio-emotionaler Kompetenz! (c) Irene Taucher Das pubertierende Gehirn Brain & Development Laboratory der Universität Leiden Pubertät wird zwischen 8 und 10 Jahren angesetzt! Beginn der Adoleszenz zwischen 10 und 14 Jahren! Mittlere Adoleszenzphase zwischen 15 und 18 Jahren Späte Adoleszenzphase zwischen 19 und 22 Jahren (c) Irene Taucher Erklärung „typisch-pubertärer“ Verhaltensweisen Risikoverhalten – Risikophase + Hirnregionen entwickeln sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit + Zusammenwirken schneller und langsam reifender Hirnregionen funktioniert nicht gut + Für emotionale Kicks zuständige Hirnregion ist schon sehr aktiv + Die Emotionen zügelnde Region ist noch in Entwicklung + Jugendliche neigen zur riskanten Aktivitäten, die sie nicht wirklich kontrollieren können (c) Irene Taucher Beispiel S. 15 Erklärung „typisch-pubertärer“ Verhaltensweisen Ich hab ja nur meinem Freund geantwortet… Von der Fähigkeit Wichtiges zu filtern und spontane Impulse zu stoppen + Jugendliches Gehirn ist nicht optimal dazu in der Lage, unterschiedliche Aufgaben gleichzeitig zu lösen + Jugendliche haben Probleme einem Verhaltensimpuls nicht zu folgen + Die Impulskontrolle ist noch mangelhaft ausgebildet (c) Irene Taucher Der Marshmallow-Test (c) Irene Taucher Erklärung „typisch-pubertärer“ Verhaltensweisen Ständiger Jetlag + Körper schüttet Schlafhormon Melatonin immer später aus + dadurch Veränderung des Schlaf – wachRhythmus + Einschlafsystem springt spät an + Schlaf wird stark benötigt + daher Müdigkeit am Morgen + oft chronischer Schlafmangel + Versuche mit verspätetem Unterrichtsbeginn in USA (c) Irene Taucher Erklärung „typisch-pubertärer“ Verhaltensweisen Planlosigkeit + Hirnregionen, die für gute Planung wichtig sind, sind noch nicht ausgereift + Kommunikation zwischen einzelnen Hirnregionen läuft noch nicht optimal + Selbständigkeit und planendes Verhalten kann nur bedingt erwartet werden (c) Irene Taucher Beispiel S. 47f Erklärung „typisch-pubertärer“ Verhaltensweisen Verarbeitung von Arbeitsgedächtnisinhalten Ich kann es mir merken, aber nicht anwenden… + Informationen können ohne Schwierigkeiten behalten werden + bei gedanklicher Verarbeitung der Inhalte gibt es oft Schwierigkeiten + Reifung des oberen frontalen Kortex vollzieht sich langsamer, als die des hinteren Teils des Kortex (c) Irene Taucher Erklärung „typisch-pubertärer“ Verhaltensweisen Flexibilität des Gehirns – oder: aus Fehlern lernen + Erwachsene lernen aus der Verbesserung von Fehlern – das Gehirn reagiert flexibel + Jugendliche können ihre voreingestellten „Regeln“ nicht einfach umwerfen und auf andere Regeln umstellen. + Daher: Immer wieder gleiche Fehler! + Jugendliche reagieren auf positive Signale besser, als auf Kritik. (c) Irene Taucher Beispiel S. 74 Konzepte des Lehrens und Lernens Traditionelles Grundkonzept: Lehrer sendet sprachlich gefasste bedeutungsvolle Informationen aus, die in das informationsverarbeitende System des Schülers eindringen, dort in ihrer Bedeutung entschlüsselt werden, um dann als Wissen im Langzeitgedächtnis abgelegt und dort z. B. bei einer Prüfung abgefragt werden. Lernen = Instruktion = Verarbeitung und Speicherung des angebotenen Wissens. vgl. Gerhard Roth: Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? (c) Irene Taucher Neues Konzept des Lernens und Lehrens Wissen kann nicht übertragen werden. Es muss im Gehirn eines jeden Lernenden neu geschaffen werden. Wissensaneignung beruht auf Rahmenbedingungen und wird durch Faktoren gesteuert, die unbewusst ablaufen und deshalb nur schwer zu steuern sind. Die Lehrenden müssen mehr an diesen Basisfaktoren (wie Beziehung, Vertrauen usw.) arbeiten, um die Rahmenbedingungen für gelingendes Lernen zu schaffen. (c) Irene Taucher Faktoren, die beim Lehren und Lernen eine wichtige Rolle spielen 1. Die Motiviertheit und Glaubhaftigkeit des Lehrenden 2. Die individuellen kognitiven und emotionalen Lernvoraussetzungen der Schüler 3. Die allgemeine Motiviertheit und Lernbereitschaft der Schüler 4. Die spezielle Motiviertheit für einen bestimmten Stoff und Vorwissen 5. Der spezifische Lehr- und Lernkontext (c) Irene Taucher Förderung der Lernbereitschaft Leichter, anregender Stress ist lernfördernd. Ausschüttung von Noradrenalin. Lernen sollte NICHT zu „kuschelig“ohne Anstrengung vor sich gehen. (c) Irene Taucher Die Lust am Lernen – neurobiologisch betrachtet Neues wird wahrgenommen Vergleich mit den Inhalten des Erfahrungsschatzes und der Erinnerungsmuster - „produktive Unruhe“ Gelingen des Integrationsprozesses löst Aktivierung des Belohnungssystems im Zwischenhirn aus Dopamin verstärkt Nervenzellverschaltungen Eiweiße bilden Synapsen aus Welle der Harmonie und Befriedigung (c) Irene Taucher Was schließen wir daraus? (c) Irene Taucher Konsequenzen für PädagogInnen Sorgen wir dafür, dass unsere Methode immer zu den Inhalten passen, nicht einfach schnell ein Spiel, sondern die Methode, die jetzt zum Thema, zu den Menschen passt Vertrauen wir darauf, dass Kinder immer neugierig sind und lernen wollen, nur möglicherweise nicht gerade das Thema, das im Lehrplan steht (c) Irene Taucher Motivation kann immer nur von innen kommen, wir können nur Fragen beantworten, die jemand stellt Meine Begeisterung steckt an (siehe Spiegelneuronen) Eine pädagogische Beziehung ist nie ausgeglichen. Es bedarf des unbedingten Gebens zum Kind. Die Verhandlung über den Ausgleich ist auf der Ebene der Institution zu führen (c) Irene Taucher Wenn die eigene Lernlust als Motor fehlt, dann wird oft durch Belohnung, Strafe oder Gewinnen („Bekehren“) versucht das Lernen am Laufen zu halten. Hier zählt der Beste, Leistung und Gehorsam. Was die Menschen dabei lernen ist Konkurrenz, Misstrauen, Unterwerfung Durchschauen wir unsere eigenen, negativ wirkenden „inneren Bilder“, damit wir uns vor Frustration und Ausgebranntsein schützen Pflegen wir alle unsere Beziehungen: Die privaten wie die beruflichen! Denn…. (c) Irene Taucher Die wichtigste Kompetenz, die wir in unserem Leben brauchen , ist die Beziehungsfähigkeit. Sie ist das Fundament, auf dem Lernen aufbaut. J. Bauer, Arzt für innere Medizin und Psychiatrie, Genforscher Neurobiologe und Psychotherapeut. (c) Irene Taucher Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt. Arthur Schopenhauer (c) Irene Taucher Pädagogische Praxis in Österreich Emotionaler Bezug zwischen LehrerIn und SchülerIn wird total unterschätzt Inhaltsdominanz mit Bevorzugung frontaler und dozierender Stile Osterhastendidaktik: Fragen an die Lerner werden versteckt. Lerner brauchen die Antworten nur finden, um glücklich zu werden. (c) Irene Taucher wenig eigenständiges Denken Lerner erarbeiten sich zu stark Belohnungen von außen, deren Sinn sie wenig verstehen. Im Vordergrund steht das Lehrerhandeln auf der Planungsseite Effektivität wird nicht evaluiert – außer manchmal international (PISA) (c) Irene Taucher Konstruktivismus Wissen kann nie als solches von einer Person zur anderen übermittelt werden Die einzige Art und Weise, in der ein Organismus Wissen erwerben kann, besteht darin, es selbst aufzubauen oder für sich selbst zu konstruieren. Die Tätigkeit des Lehrens sollte als ein Versuch angesehen werden, die Umwelt eines Schülers so zu verändern, dass dieser möglichst jene kognitiven Strukturen aufbaut, die der Lehrer vermitteln möchte. Ernst von Glasersfeld 1987 (c) Irene Taucher John Dewey: Handlungsstufen des konstruktivistischen Lernens Emotionale Antwort Definition des Problems Hypothesenbildung Anwendung (c) Irene Taucher Grundsätze der konstruktivistischen Didaktik Wissen muss eingebettet in Zusammenhänge und Situationen erworben werden Lernkontexte sollten möglichst authentisch sein Der Lernende muss Situationen systematisch abändern können Der Lernende muss aus der Spezialität einer Realsituation durch Abstraktion und Verallgemeinerung die zugrunde liegenden allgemeinen Aussagen, Regeln, Strukturen, transferierbaren Ideen herausarbeiten oder erkennen (c) Irene Taucher Erworbene Strategien sollen vom Lernenden in verwandten realen Situationen angewendet werden und, wenn möglich, auf unbekannte neue Situationen teilweise übertragen werden können. Der Lernende muss sein Wissen über den Lerngegenstand und seine Bedeutung selbständig herstellen und aufgrund seiner eigenen Erfahrungen konstruieren. (c) Irene Taucher Selbsttätigkeit schafft intensivere Eigenerfahrung, bessere Merkfähigkeit des Gelernten, stärkere Integration in das persönliche Wissensnetz. In der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand muss der Lernende die Möglichkeit haben, verschiedene Perspektiven und Betrachtungsweisen einzunehmen. (c) Irene Taucher „Der konstruktivistische Lehrer muss ...“: „Unsicherheit ertragen können.“ „häufige Umstrukturierungen und Neukonzeptionen ertragen können.“ „Widersprüchlichkeit und Unvereinbarkeit unaufgelöst stehen lassen können.“ „mehrere Rollen einnehmen und zwischen diesen ‚switchen‘ können.“ „sich selbst stets neu entwerfen können.“ „improvisieren können.“ „mit der harschen Kritik seiner unkonstruktivistischen Umgebung leben können.“ „sich mit einem hohen Maß an Anstrengung und Engagement im Unterrichtsalltag anfreunden“ (c) Irene Taucher Kurz gefasst: Der Lehrer tritt als Coach auf: Er muss Situationen meistern können, die konkret durch unvorhergesehene Konstruktionsrichtungen seiner Schüler entstanden sind (c) Irene Taucher Was den SchülerInnen heute fehlt: Motivation Gut ausgebildete Lehrer, die an ihrem Beruf Freude finden Schulgebäude, die durch ihre Bauweise die Freude am Lernen fördern Eltern, die sich durch ihre Haltung und ihr Verhalten als Vorbilder eignen Ein von der Politik gestaltetes Umfeld, in dem Bildung einen hohen Stellenwert hat Förderung ohne Diskriminierung und Bloßstellung durch ein ausgebautes Fördersystem (c) Irene Taucher Anforderungen an Lehrer in Bezug auf ihre Arbeit mit SchülerInnen Führungskompetenz Fachliches Können Starke, persönliche Präsenz Positive Ausstrahlung Flexibles Reagieren auf ständig verändernde Situationen Intuitives Gespür Verständnis für völlig unterschiedliche SchülerInnenpersönlichkeiten Widerstandskraft Geschick bei atmosphärischem Gegenwind Usw. usw. Joachim Bauer: Lob der Schule (c) Irene Taucher Balance Verstehende Zuwendung: + Stärken und Schwächen erkennen und akzeptieren + Vermeidung von Kränkung, Demütigung und Bloßstellung Führung: + Werthaltungen vertreten + Ziele formulieren + mutig zu Forderungen stehen + Kritik üben + Mut machen + unterstützen Gelingt am besten spontanen und authentischen LehrerInnen, die „Beziehungen“ zulassen. (c) Irene Taucher ?Beziehungen? SchülerInnen-Beziehungen Eltern- Beziehungen Beziehungen innerhalb des LehrerInnenkollegiums Beziehungen zu Vorgesetzten (c) Irene Taucher Beziehung zu den SchülerInnen Ausgewogene Balance zwischen verstehender Zuwendung und Führung SchülerInnen als Persönlichkeiten wahrnehmen Sich selbst als Persönlichkeit wahrnehmen lassen (authentisch sein) SchülerInnen sind Experten im Wahrnehmen von nichtverbalen Zeichen! (c) Irene Taucher Eltern - Beziehung Wunsch nach kooperativem Zusammenwirken zum Wohl des Kindes Führungsverhalten: o Selbstsicherheit und Gelassenheit o Klarheit o Regeln und Ziele festlegen Verständnisvolle Zuwendung (c) Irene Taucher Beziehungen innerhalb des LehrerInnenkollegiums Soziale Unterstützung ist stärkster Schutz vor stressbedingten Gesundheitsbelastungen Enger Zusammenhang zwischen sozialem Klima und gesundheitlicher Situation in Kollegien. Nachgewiesen in der Potsdamer Lehrerstudie 2006 (Uwe Schaarschmidt) (c) Irene Taucher Beziehung zu den Vorgesetzten Kooperatives Zusammenwirken zum Wohl der SchülerInnen und KollegInnen Selbstvertrauen und Mut den eigenen Stil und die eigenen Vorstellungen zu vertreten und zu argumentieren Einfordern von Feedback und sachlichen Diskussionen Einfordern von förderlichen Rahmenbedingungen (c) Irene Taucher Was Lehrern zur Berufszufriedenheit fehlt die Anerkennung und Wertschätzung durch die Umwelt um die Botenstoffe für die Motivation ausschütten zu können Distanzierungsvermögen Balance zwischen Anpassung und Authentizität kollegialer Austausch befriedigende soziale Beziehungen zu SchülerInnen, Eltern, KollegInnen und Vorgesetzten Ausbildung in der Fähigkeit Beziehungen zu gestalten (c) Irene Taucher Ein Lehrer arbeitet für die Ewigkeit. Niemand kann sagen, wo sein Einfluss endet. Henry Adams (c) Irene Taucher